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3. Abschied
ins Neue
ОглавлениеDas Setzen der Segel,
nicht die Richtung des Windes bestimmt,
welchen Weg wir einschlagen.
Jim Rohn
Unterwegs nach Griechenland | Die traumhafte Landschaft Italiens duckt sich unter der dichten Regenwolke. Ich habe das Gefühl, mit dem Dach an den Wolken entlangzuschrammen, tanze auf meinem Lkw-Sitz, gröle und singe – heule und schluchze. Und ich lache und bin so glücklich und so unfassbar traurig zugleich. Es ist meine Abschiedsfahrt aus dem alten Leben. Körperlich und seelisch: Ich spüre so sehr, dass ich HIER bin, im JETZT, und dass das Alte hinter mir liegt. Es ist beängstigend und tieftraurig! Ich spüre mich mit jedem weiteren Kilometer immer weiter von meiner alten Hülle entfernen, spüre es körperlich. Ich denke intensiv an die letzten Jahre, an all das Schwere und Traurige – und hole mich immer wieder zurück in den beglückenden Zustand der Vorwärtsbewegung. ICH sitze am Steuer! Ich bewege mich – auf meinen Wunsch! – von dort hinten weg nach vorne. Aus der Vergangenheit in die Zukunft. Geradewegs ins Neue! Ich bestimme, wohin meine Reise geht! Das ist heilsamer und einprägsamer, als jede Therapiestunde es jemals sein könnte: mit eigener Kraft das eigene Sein „weg von …“ und „hin zu …“ bewegen. Bildlich, körperlich.
Ganz weit hinten sehe ich die Wolken aufbrechen; es strahlt aus dem Dunkel, und ich spüre die Wirklichkeit einmal mehr als Sinnbild meines Seins: Es wird werden. Es wird hell und schön und warm; gleich dort hinten; ich kann es sehen!
Und ich fahre, fahre, fahre … Franz schnurrt die Kilometer ab. Ich merke, dass es bergab zum Meer geht, denn er läuft fast wie von allein. Die Wolken nehmen ab, es wird warm: Fenster auf – Luft rein – Musik laut, laut, laut!
… SO MANY PEOPLE TURN ME ONE WAY.
SO MANY PEOPLE TURN ME TO STAY.
NEVER HAD TIME
TO HAVE MY MIND MADE UP.
CAUGHT IN A MOTION
AND I DON'T WANNA STOP …
„BURNING” VON THE WHITEST BOY ALIVE
Italiens Campingwelt begrüßt mich mit großen Schildern zum Pool-Benutzungs-Reglement in allen Weltsprachen. Und obwohl ich die einzige Camperin auf diesem Platz bin, darf ich zehn Minuten nach Ende der offiziellen Öffnungszeit auch auf meine charmante Bitte hin nicht in das kühle Wasser springen. Regel ist Regel und bedingt Achselzucken auf beiden Seiten. Egal: dann halt heiß duschen. Aber schon am nächsten Morgen stehe ich mit den Füße n im erfrischenden Nass – leider allerdings im Bus. Zum Glück finde ich rasch das Problem: Die neu eingebaute Wasserpumpe leckt. Dankbar freue ich mich, dass ich mich am Abend mit barscher Rede zurückgehalten habe, denn so kann ich den Campingplatz-Chef um Werkzeug und Hanffasern für die Wasserleitung bitten. Er steht mit verschränkten Armen neben mir und sieht mir interessiert, wenn auch leicht ungläubig über die Schulter, während ich das kleine Problem löse. Als ich uns beiden stolz die funktionierende und gedichtete Wasserleitung präsentiere, kann er seine Neugierde nicht mehr bremsen: Warum ich alleine unterwegs sei? Was soll ich ihm sagen? Weil mein Mann und ich uns getrennt haben und ich mein Glück nun alleine finden muss/will? Weil ich fliehen wollte vor dem Leben? Weil ich Boden unter meinen Füßen suche? Weil ich nur mit Abstand einen Neuanfang finden kann? Schwierig, in wenigen Sätzen auf Englisch so zu antworten, dass es verstanden werden kann. Ich entscheide mich für eine glatte Lüge: dass mein Ehemann in Ancona auf mich wartet. Meine Schwindelei ist ein fairer Ausgleich für seine engstirnigen Poolbenutzungs-Regeln, finde ich und grinse ein bisschen über meine Logik.
In Ancona tauche ich das erste Mal in den Stadtverkehr ein, um zum Hafen zu gelangen. Ich weigere mich, das geliehene Navi einzuschalten, denn es ist einfach herrlich: Ich sitze weit oben, bin total entspannt, genieße meine optische (Bus-)Größe, habe Zeit, und keiner kann mir etwas tun … und schließlich: Der Hafen kann ja nur irgendwo am Meer liegen.
Überpünktlich reihe ich mich in die Reihe der Wartenden ein und stehe inmitten großer Lkw, denen ich mich irgendwie sehr verbunden fühle. Sie verkörpern mein schönes Lebensgefühl, denn auch wenn ich weiß, dass dieser Job wahrlich Knochenarbeit ist, romantisiere ich alle Lkw-Fahrer zu coolen, gut aussehenden, entspannten Typen. Während ich mich also langsam bei lauter Musik mit meinen „Lkw-Kollegen“ Richtung Rampe bewege, fühle ich mich stark, stolz, obercool. Der arme Einweiser ist völlig baff, als ich ihn mit meinem allerstrahlendsten Lächeln einhülle! Das hat er hier sicher noch nie zugeworfen bekommen … Aber er weist mir den perfekten Platz zu, denn ich darf direkt neben dem offenen Bullauge stehen! Freier Blick aus meinem Franz auf das Meer – welch wunderbares Geschenk!
Beim Ablegen der Fähre sitze ich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung an Deck. Ich sehe zu, wie sich Ancona, dann Italien und gleichzeitig mein bisheriges Leben langsam verabschieden, und hinter meiner verspiegelten Sonnenbrille rinnen ungehindert die Tränen. Es ist ein neues Bild, dessen Bedeutung urplötzlich und mit Wucht in mein Bewusstsein einschlägt: Ich verlasse den festen Boden, ich verlasse bekanntes Gebiet. Es ist wieder ein so deutlich spürbarer Abschied von meinem alten Sein, dass ich mich unsäglich klein und allein fühle … ein furchtbarer Moment.
Ich flüchte in meinen Van. Franz gibt mir den Raum, mich auszuweinen und selbst zu bemitleiden. Als alle Tränen endlich versiegt sind, setze ich mich mit einem griechischen Bier in die Bar. Ich wähle bewusst den Sitz in Fahrtrichtung, mit Blickrichtung nach vorne!
Sanft schaukelnd brummt uns die Fähre durch die Nacht. Frische Meeresbrise weht durch meine offenen Fenster, aber ich kann nicht schlafen. Immer wieder stehe ich auf und sehe durch das Fähren-Bullauge auf die uns begleitenden Sterne und das dichte Schwarz. Immer wieder schaudern mich die starken Gefühle der Verlassenheit und des Vermissens. Mit jedem Moment entferne ich mich weiter von meinem Leben, von meinen Kindern. Ich quäle mich mit dem Gedanken, dass doch alles falsch ist, was ich hier veranstalte …Tiefste Dunkelheit im Herzen, Traurigkeit, Verzweiflung – bis mir endlich der Tipp eines Freundes einfällt, der „Zweifellisten“ führt: Ich schreibe auf, was ich gerade glaube, mit meiner Reise falsch zu machen. Wem ich damit schade, was ich damit verpasse. Und fülle die andere Seite mit Zielen, die ich suche. Mit Wünschen, die ich erfüllen möchte. Mit Fragen, die ich klären will, und Dingen, die ich erleben, sehen, spüren möchte. Und ich bin überrascht, wie viel unbändige Sehnsucht in mir steckt und wie überzählig die positiven Gedanken gegenüber meinen Ängsten sind.
Als die Sonne endlich ihren allerersten Gruß über den Horizont schickt, der Himmel sich über mir in eine pastellblaue Symphonie wandelt, weiß ich: Ich bin vom Leben beschenkt. Ich darf meiner Sehnsucht nicht nur gewahr werden, sondern ihr zudem einfach auch noch folgen. Das erste Mal in meinem Leben.
Kalimera, Griechenland! Im Morgengrauen trinke ich meinen Kaffee im Franz sitzend und sehe der Küste zu, wie sie sich in den ersten Sonnenstrahlen an uns vorbeischiebt. Sanft, warm und einladend! Ihr möchte ich einfach folgen, das Meer immer linkerhand im Blick, einmal rund um den Peloponnes. Stehen bleiben, wenn es sich gut anfühlt. Wenn ich es will.
Ich rumple von der Fähre hinaus ins Stadtgewimmel und fühle mich plötzlich überglücklich und pudelwohl in diesem Chaos aus Menschen und Fahrzeugen. Welch Selbstbewusstsein: Die Griechen überqueren die Straße mit absoluter Gleichmut und der offenbar unumstößlichen Gewissheit, dass ihnen nichts passieren wird! Das Mütterchen humpelt im Schneckentempo über die Hauptstraße; sogar wenn die Mopeds mit hauchdünnem Abstand an ihr vorbeipreschen, bleibt sie gelassen auf ihrem Weg. Der Vater mit seiner kleinen Tochter kreuzt auf dem Rad seelenruhig durch das brausende Toben von der rechten auf die linke Spur, und niemand beschwert sich oder nimmt ihm die Vorfahrt. Ich sehe keine einzige bedrohliche Situation, obwohl alles durcheinanderwuselt. Alle Augen scheinen auf alles gerichtet zu sein. Ich bin völlig beeindruckt – und habe auch schon wieder ein Bild meines Lebens vor Augen: Genau so geht es mir doch auch! Ich bin inmitten des turbulenten Lebens, aber brauche keine Angst zu haben, denn alle, die mich umgeben, achten darauf, dass mir nichts passiert. Es ist zwar laut, lärmend, durcheinander und sicher nicht geordnet – doch niemand will mir schaden, jeder gibt acht auf mich, so wie ich auf alle achte. Ein schönes Bild, ein gutes Gefühl! Ich breche auf … Ich bin unterwegs ins Neue.
ABSCHIED INS NEUE
Im Gespräch
… MIT PATRICK ALLEINREISENDER GENIESSER, HANDWERKER UND THERAPEUT
Die Trennung hat ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Trotzdem hat er daraus etwas Wichtiges gelernt, sagt Patrick, denn er hat diesen Moment als Fußtritt verstanden, um in Bewegung zu kommen. In Nachtschichten hat er sich einen Kastenwagen ausgebaut und ist sechs Wochen lang durch Albanien gereist. Um sich spüren zu lernen und erst mal einfach zur Ruhe zu kommen.
Eine Lebensveränderung hat dich also zum Alleinreisenden gemacht. Oder warst du früher auch schon alleine unterwegs?
Früher bin ich zwar auch mal alleine gereist. Dann war aber sehr lange die Familie da, mit der ich in Urlaub gefahren bin, was ich sehr genossen habe. Allerdings war es schon damals so, dass ich mir immer wieder kurze Auszeiten genommen habe, um ein wenig zu mir zu kommen. Drei oder vier Tage in den Bergen — und ich bin gestärkt zurückgekommen.
Du wusstest also, dass dir Alleinsein guttut, und bist nach der Trennung bewusst alleine losgefahren?
Mir war einfach klar, dass es mir guttut, mal in Ruhe mit mir zu sein. Den Boden unter mir zurückzubekommen. Hinzusehen, wo ich gerade bin, was ich brauche … Nach 25 Jahren Familie war das ein ganz neuer Gedanke. Ein guter Zeitpunkt, um zu fragen: Was will ich eigentlich?
Als du das erste Mal los bist, hattest du auch den Plan: Jetzt breche ich auf ins Neue, jetzt muss sich etwas ändern in meinem Leben?
Ja, bei der ersten Reise nach Albanien hatte ich die Idee des Aufbruchs unbedingt. Da war wirklich der Gedanke, ein bisschen in die Einsamkeit zu fahren, um zu sehen, was da bei mir so passiert — also schon auch irgendwie therapeutisch. Bei den nächsten Reisen war ich einfach nur gerne alleine; ich wusste ja schon, dass dabei etwas passiert.
Und jetzt ziehst du immer wieder los — warum weiterhin allein?
Ich mache das wirklich gerne! Erstens ist es wirklich heikel, mit jemandem zusammen zu reisen. Das ist wie zusammen zu wohnen – das muss schon sehr gut passen. Und ich genieße es sehr, beim Reisen einfach meine Freiheit, meinen Rhythmus zu haben. Zum Zweiten kommt man alleine unterwegs einfach viel, viel besser mit anderen in Kontakt. Wenn man in einer geschlossenen Gruppe ist – und zu zweit ist man ja schon eine Gruppe –, wird das zu einer Hürde. Die Menschen kommen eher auf dich zu, wenn du alleine bist.
Fährst du also hauptsächlich alleine los, um in Kontakt zu kommen? Oder suchst du vielmehr die Ruhe?
Ich suche beides! Es ist die Mischung: Ich fahre los, um mich abzuschotten, mich aus dem normalen Alltag herauszunehmen. Dann gehe ich auch mal drei Tage alleine mit Zelt durch die Berge, beispielsweise in den Karparten. Dabei passiert natürlich auch etwas in einem. Wenn man tagelang mit niemandem spricht, sondern nur mit sich, kommt man dann schon sehr nahe an gewisse Seiten von sich ran – und das tut gut.
Aber als Alleinreisender kommst du auch näher an andere Menschen heran. Im Donaudelta hat mich zum Beispiel einmal eine Großmutter tagelang verhätschelt, geradezu gemästet … einfach so. Solche Begegnungen hast du aber nur, wenn du alleine auftrittst.
Du stehst ja gerne lieber abseits als im Gedränge: Hast du manchmal Angst, wenn du irgendwo in der Pampa stehst?
Nein, nie. Ich habe auch keine Sicherheitsvorkehrungen. Ich hatte noch nie Angst, mir ist aber auch noch nie irgendetwas Negatives passiert. Im Gegenteil: Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise auch mit der Polizei. Ich glaube fest daran, dass es daran liegt, wie man in der Welt auftritt. Je nachdem, wie man nach außen geht, kommt es zurück. Man muss eben darauf achten, dass man sich der Kultur anpasst, sich als freundlicher Gast verhält …
Glaubst du, dass es einen Unterschied macht, ob man als Mann oder Frau alleine unterwegs ist?
Ja, auf jeden Fall. Zumindest in den Ländern, in denen ich unterwegs bin. Gerade im Osten, also in Rumänien oder Albanien beispielsweise, ist es als Mann schon sehr viel leichter. Für die Menschen dort ist es schon verwunderlich genug, wenn ein Alleinreisender kommt. Wenn das dann auch noch eine Frau ist, irritiert es die meisten sicher sehr. Gerade in Dörfern sind ja auch nur Männer auf der Straße oder sitzen in Cafés. Da ist es als Mann sehr viel leichter, mal einen Kaffee zu trinken und dabei in Kontakt zu kommen.
Ja, das stimmt, das vermisse ich in meinen Reiseländern oft: einfach mal in ein Café zu gehen, wo man sich als Frau nicht als Fremdkörper fühlt. Aber wenn das Café eine Terrasse hat (ich also nicht ins „Allerheiligste“ der Männerdomäne eindringe), dann setze ich mich schon einfach dazu, wenn ich Hunger habe oder dringend einen Kaffee brauche.
Andererseits finde ich aber, dass es als Frau leichter ist. Man irritiert derart, dass die Reaktionen – wenn man lächelnd auftritt — immer positiv sind. Ein Mann wirkt vielleicht auch bedrohlich. Aber eine Frau, die alleine reist, weckt (glaube ich) grundsätzlich erst mal Beschützerinstinkte. Ich habe noch nie erlebt, dass Männer, die von mir lächelnd, fragend, um Auskunft bittend angesprochen werden, übergriffig reagieren. Und vor allem die Frauen, die ja in den östlichen Ländern für Haus und Hof zuständig sind und meistens auch die Campingplätze oder kleinen Pensionen in Eigenregie führen, sind so positiv beeindruckt von alleinreisenden Frauen, dass da sofort eine ganz große Innigkeit herrscht. Aber wahrscheinlich werden eben auch Männer gerne bemuttert, wie du gerade von der Oma erzählt hast.
Deswegen fahre ich ja so gerne in eher untouristische Gegenden. Ich will Neues sehen, etwas Wildes, etwas Unberührtes. Und dazu lernt man in diesen Ländern, finde ich, die Menschen viel besser kennen, weil sie sich noch über Fremde freuen und offen sind.
Bekommst du auch oft die Frage gestellt, wie du es schaffst, allein zu sein? Ich meine nicht, ungeschützt unterwegs zu sein oder sich bei Pannen selbst helfen zu können, sondern: Wie kannst du es wochenlang nur mit dir alleine aushalten?
Ja, die Resonanz, dass sie selbst das nicht schaffen würden, bekomme ich auch von vielen. Sie fragen oft, was ich denn so mache, beispielsweise am Abend. Na ja, ich sitze eben da und gucke in die Sterne oder über den Fluss …und kann dann auch allen Gefühlen Raum geben, die da kommen. Ich glaube, dass viele wirklich vor diesem Kontrollverlust Angst haben. Dass man im Alleinsein eben die angelernten Schranken nicht mehr hat, die ja auch davor schützen, negative Emotionen rauszulassen. Es gibt schließlich nicht nur schöne, sondern auch harte Tage. Da kommt vielleicht auch mal die Traurigkeit. Vielleicht fällt man ja auch erst mal, wenn man alleine ist, denn die Gefühle werden einfach tiefer. Und vielleicht kommen auch einsame Momente …
Kennst du die Einsamkeit unterwegs?
Ehrlich gesagt ist ein Einsamkeitsmoment unterwegs viel einfacher als zu Hause. In Gruppen oder auf einem Fest trifft mich die Einsamkeit manchmal genauso. Und da zweifle ich dann schon grundsätzlich und stelle alles infrage, fühle mich sehr verloren. Wenn ich alleine unterwegs bin, kann ich damit viel besser umgehen. Ich habe ja trotzdem die Verbindung zu meiner Welt. Ja, vielleicht bin ich auch mal traurig, aber das ist dann eben so.
Und traurig ist ja nicht unbedingt nur negativ, oder? Ich finde, dass das manchmal einfach dazugehört.
Ja, das finde ich auch. Aber das können die wenigsten so empfinden, das ist wieder so ein gesellschaftliches Ding. Traurig sein darf man nicht so richtig, jeder hat ein bisschen Abstand dazu, mag das nicht aushalten müssen. Traurigkeit ist einfach anstrengend.
Das Alleinreisen hat auch etwas Egoistisches, oder? Mir wird das jedenfalls oft vorgehalten.
Na ja, egoistisch bekomme ich nicht zu hören. Aber: Du machst das ja wirklich nur für dich. Ganz alleine. Ohne mich. Ich sage dann immer: Sei froh, dass ich das mache, nur für mich zu sein – dann komme ich gestärkt, erholt und gut gelaunt für dich und den Alltag zurück. Wenn ich es schaffe (und wie man das macht, ist völlig egal), gut BEI mir und MIT mir zu sein, ist es für jeden Menschen, mit dem ich in Kontakt bin, von Vorteil. Denn dann kann ich auch besser zu dem anderen sein.
Du kannst also sagen, dass diese „Therapie“ des Aufbruchs bei dir etwas bewirkt hat?
Mir hat diese erste Reise auf jeden Fall geholfen. Und auch die anderen Reisen bewirken etwas. Ich kann gut nachvollziehen, dass manche Menschen Angst davor haben. Vielleicht auch nur unbewusst vor dem, was da kommen könnte: Gefühle, Zweifel … Aber ich würde behaupten, es würde jedem Menschen guttun, sich mal für ein paar Wochen im Jahr eine Auszeit zu gönnen, um dieses Für-sich-alleine-Sein, dieses In-sich-Hineinspüren zu üben.
Ich danke dir sehr, Patrick, dass du mir von deinen Erfahrungen zum Aufbruch erzählt hast, die meinen so sehr ähneln! Spannend fände ich es noch, deinen Sinn des Lebens zu erfahren – sofern du ihn schon gefunden hast.
Ich weiß es nicht. Ein Ziel wäre, im Alter zurückzuschauen und nichts zu bereuen. Und ich möchte …
… offen und neugierig bleiben.