Читать книгу Die Kussagentur - Susanne Fülscher - Страница 6
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Als ich nach Hause komme, sitzen Mama und der Mutant schon beim Abendbrot; der Fernseher läuft.
Mama liebt Vorabendserien, ausnahmslos. Genau deshalb glotzt sie alle der Reihe nach weg, und bevor nicht der letzte Abspann über den Bildschirm geflackert ist, kann man sie kaum ansprechen.
»Wie war’s in der Schule?«, fragt Mama kauend, den Blick auf den Bildschirm geheftet.
»Super. Wie immer«, erwidere ich mit Grabesstimme, wobei Mama meinen Tonfall gar nicht bemerkt. Sie ist ganz darauf konzentriert, das Schicksal der Gräfin von und zu Hohhausen zu verfolgen. Gerade will ihr Mann sie ausradieren, um an ihre Immobilien, Juwelen und diamantenbesetzten Abendkleider heranzukommen, was natürlich bedeutsamer als Schule ist. Umso besser. So bleibt es mir wenigstens erspart, ihr meine Vier in Mathe zu beichten.
»Fein«, murmelt Mama jetzt und streut so viel Salz auf ihre Gurkenscheibe, dass sie sie kurz darauf angewidert wieder ausspuckt.
Der Mutant kichert. Ich muss ebenfalls losgackern.
Jetzt erwacht Mama plötzlich aus ihrer Entrücktheit und fährt uns an: »Was gibt’s denn da zu lachen?«
Lukas gluckst und gluckst und erzählt dann die Geschichte eines Klassenkameraden, der beim Essen derart von einem Film gefesselt war, dass er sich – natürlich unbeabsichtigt – eine vorbeilaufende Küchenschabe in den Mund gesteckt hat.
»Das wird uns zum Glück erspart bleiben«, erklärt Mama jetzt lächelnd. »Zumindest solange ihr immer schön beim Putzen mithelft und die Schaben erst gar keine Chance haben.« Damit ist das Thema für sie erledigt.
Nachdem der Alte seine Frau endlich um die Ecke gebracht hat (erst literweise Alkohol eingeflößt, danach erwürgt und schließlich im nahe gelegenen See ertränkt), stellt Mama den Ton leiser und fragt mich, ob ich Sanne zurückgerufen hätte. Sanne ist ihre beste Freundin und seit Urzeiten meine Nenn-Patentante.
»Ach du jemine! Total vergessen! Weißt du, was sie wollte?«
»Keine Ahnung.« Mama zuckt die Achseln. »Sie hat nur gesagt, dass sie ihren Schuppen ausmisten will. Vielleicht braucht sie ja deine Hilfe.«
»Wirklich wahr???« Wie von einer Horde Ameisen gebissen fahre ich hoch. »Sanne räumt den alten Schuppen leer?«
»Ja und? Was ist daran so aufregend?«, erkundigt sich Mama erstaunt und beginnt damit, das dreckige Geschirr aufeinander zu stapeln.
»Gar nichts«, mischt sich der Mutant ein. »Wir müssen uns nur langsam damit abfinden, dass Effi gaga ist.«
Das kriege ich allerdings nur noch so halb mit, weil ich längst zum Telefon gerast bin. Der Schuppen ... Der ideale Ort für Junkos und meine Agentur! Er steht in einem kleinen niedlichen Garten mit direktem Zugang von der Straße.
Sanne ist sofort am Apparat. Haspelnd versuche ich ihr den Sachverhalt zu erklären, woraufhin sie lacht und meint, okay, okay, aber wenn sie abends aus der Apotheke komme, wolle sie niemand Fremdes mehr in ihrem Garten sehen.
»Dann erlaubst du es?«
»Ja! Ihr könnt sogar noch alte Sachen von mir haben. Deswegen wollte ich dich sowieso sprechen.«
Da ich darauf brenne, Junko anzurufen, bedanke ich mich hastig und lege auf.
Überflüssig zu erwähnen, dass Junko ebenfalls aus dem Häuschen gerät, als ich ihr von dem Schuppen berichte. Mehr als das. Wie es so ihre Art ist, kiekst und kreischt sie in den Hörer, dass ich fast einen Hörsturz kriege.
Eine Warnung an die Menschheit: Man schaffe sich besser eine langweilige, temperamentlose Freundin an – allein der Gesundheit wegen.