Читать книгу Schöne Mädchen fallen nicht vom Himmel - Susanne Fülscher - Страница 7

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Stimmt das? Du wirst Model?«, kam es am nächsten Morgen in der Schule von allen Seiten. Ich hätte sie würgen mögen, und an allererster Stelle Lena.

In der großen Pause knöpfte ich sie mir vor.

»Warum verbreitest du eigentlich so einen Unsinn?«, fragte ich sie.

»Ich hab’s nur Britta erzählt«, kam es kleinlaut zurück.

»Echte Glanzleistung. Danke.«

»Tut mir Leid.« Lena zupfte an meinem Ärmel. »Robin fragt, ob du heute Nachmittag wieder ins Schwimmbad kommst.«

»Ja?« Ich merkte, wie ich selig zu grinsen anfing. Es war mir vor Lena zwar peinlich, aber ich konnte es eben nicht verhindern.

»Er ist jedenfalls da. Ab drei.«

»Danke.« Ich machte mich schnellstens aus dem Staub und musste im Klo erst mal Wasser über mein heißes Gesicht laufen lassen. Robin, die Frau von der Modelagentur – irgendwie fuhr mein Kopf seit gestern Karussell.

Ich konnte es kaum erwarten, nach der Schule nach Hause zu fahren. Schnell etwas essen, dann wieder die Kleiderschrankprozedur, die wie am Vortag endete: Shorts und T-Shirt – basta.

Endlich war es drei. Ich ging ins Bad, prüfte noch einmal im Spiegel, ob alle Teile meines Gesichtes auch wirklich an ihrem Platz waren. Nase und Augen okay, mein Mund grinste mir etwas schief entgegen. Wenn ich jetzt losging und in der Fußgängerzone noch ein Eis aß, dann würde ich gegen Viertel vor vier da sein, das war gut getimt.

Ich nahm meinen Rucksack, den Schlüssel und hatte schon die Türklinke in der Hand, als das Telefon klingelte.

Frau Deny von der Today Model Agency. Sie klang nicht freundlich, auch nicht zickig, eher neutral wie eine automatische Bandansage. Meine Fotos seien in der Agentur gut angekommen, man würde mich gerne zu weiteren Tests einladen.

»Ja«, sagte ich und schaute auf meine Zehen, die mir riesig vorkamen. Und ich dachte: Ich komme noch zu spät und dann ist Robin weg.

Frau Deny redete und redete, und so absurd es auch war: Ich bekam nur die Hälfte von dem mit, was sie sagte. Ich notierte mir Tag, Ort und Uhrzeit, und als ich schließlich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich wieder nicht gefragt hatte, ob mich der Spaß etwas kosten würde.

Wütend verließ ich die Wohnung. Noch während ich das Thema Modeln abhakte, stellte sich automatisch das Phänomen Gummibeine ein. Dabei lag das Schwimmbad noch längst nicht in Reichweite. Ich fühlte mich so albern, machte ich doch offensichtlich gerade das durch, was ich seit Jahren an meinen Freundinnen kritisierte. Herzklopfen. Zittrige Hände … Und wenn ich mich nicht zusammenriss, würde ich wahrscheinlich auch noch genauso dummes Zeug wie manchmal Lena oder Elfi daherplappern. Er ist so süß! Und guck dir mal seine Augen an! Wie er seinen Po durch die Gegend schiebt! Und das eine Haar, das ihm oberhalb seiner rechten Augenbraue wächst!

Als ich im Schwimmbad ankam, war mein ganzer Mut dahin. Ohne nach links und rechts zu schauen lief ich zu unserem Sonnenplatz und ging auf meiner Decke in Tauchstellung.

Lena stieß mich in die Seite.

»Robin wartet am Kiosk auf dich.«

»Wie?«

»Mein Gott, bist du schwer von Begriff.« Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und lief zum Schwimmbecken.

Katja richtete sich auf und kniff mich in die Seite. »Du gehst jetzt da hin und kommst nicht eher wieder, bevor du drei Sätze rausgebracht hast.«

»Wieso gerade drei?«

»Weil … wenn du erst mal drei Sätze gesagt hast, werden es automatisch mehr.« Katja richtete sich auf. »Los! Mach schon! Er ist doch kein Monster!«

»Wenn du meinst …«

Katja meinte, und da ich nicht als absoluter Feigling dastehen wollte, stand ich auf und ging auf wackligen Beinen über den Laufsteg namens Rasen. Ich erkannte Robin schon von weitem. Er trug abgeschnittene Jeans und ein weißes T-Shirt und guckte ziemlich konzentriert in die entgegengesetzte Richtung. Wenn ich’s mir recht überlegte, war mir nicht mal klar, was ich so toll an ihm fand. Eigentlich sah er ziemlich durchschnittlich aus, er war weder klein noch groß, weder blond noch dunkel, weder hübsch noch hässlich und trotzdem hatte er etwas an sich, das mein Herz zum Rasen brachte. Das gewisse Etwas, den Faktor X, irgendetwas Unbegreifliches, das ich zuvor noch bei keinem Jungen erlebt hatte. Jetzt oder nie, dachte ich und dann stand ich schon vor ihm.

»Hallo«, kam es kieksig aus meinem Mund und er antwortete ebenso stimmbruchmäßig mit »Nice to meet you«. Wahrscheinlich hatte er sich den Spruch schon heute Morgen zurechtgelegt.

Noch zwei Sätze, dachte ich und schaute verkrampft auf meine Füße.

»Hast du die Jeans so fertig abgeschnitten gekauft?«, fragte ich schließlich und musste danach erst mal tief Luft holen. Mit der Frage hatte ich mich intellektuell so gut wie verausgabt. Robin fing an zu lachen. Nein, erwiderte er, die habe er mit der Nagelschere abgeschnitten, und ob ich sonst noch Fragen hätte.

Okay, jetzt war es auch egal. Keine Ahnung, woher ich plötzlich den Mut nahm, als ich ihm Katjas Behauptung von den drei Sätzen erzählte. Und dass mir keine vernünftige Frage als die nach seinen Jeans eingefallen wäre.

»Doof?«

»Überhaupt nicht. Was meinst du, wie nervös ich bin.« Er schüttelte seine Haare nach hinten. »Ich hab schon geglaubt, du kommst nicht mehr … Oder du würdest ewig auf deiner Decke liegen bleiben.«

Ich musste lächeln. Wie er mich ansah! Auf einmal wusste ich, dass ich gar keine große Lust hatte, all die gängigen Fragen zu stellen. Alter? Schule? Klasse? Was willst du mal werden?

Robin schien es genauso zu gehen, jedenfalls nahm er mich einfach bei der Hand und so spazierten wir aus dem Schwimmbad.

An der nächsten Straßenkreuzung fiel mir ein, dass ich meine Badesachen vergessen hatte.

»Nehmen deine Freundinnen sie nicht mit?«, fragte er.

»Ich weiß nicht.« Seine Hand lag immer noch in meiner. »Wo gehen wir eigentlich hin?«

»Zu mir?«

Ich schluckte. Offensichtlich musste ich da erst mal was klären.

»Für einen One-Night-Stand bin ich nicht zu haben.«

Er blieb stehen, sah mich an und drückte mich an sich. »Ich auch nicht«, flüsterte er in mein Ohr. »Außerdem haben wir noch lange keine Night

Zwanzig Minuten später fand ich mich in einem winzigen Etwas von Zimmer wieder. Ein Bett, ein Schreibtisch und zwei ausrangierte Kinositze. An den Wänden hingen Ölbilder in schrillen Farben.

»Selbst gemalt?«

»Mein Bruder. Er ist Maler.«

»Kann er davon leben?«

»Mehr schlecht als recht, aber er kommt über die Runden.« Robin zögerte und kratzte sich verlegen am Ellenbogen. »Ich zeichne auch hin und wieder. Aber nur Porträts.«

Wir schwiegen eine Weile.

»Lena hat mir erzählt, dass du Model bist.«

»O mein Gott! Die blöde Kuh!«, platzte es aus mir heraus. »Glaub bloß nicht immer alles, was Lena sagt!«

Robin zog erst die Augenbrauen hoch, grinste dann schief. Möglich, dass ich seine Lieblingscousine beleidigt hatte, aber es war mir egal.

»Also, stimmt es nicht?«

»Nein, verdammt.«

»Es hätte aber gut sein können.«

Ja, mach mir nur Komplimente, dachte ich, das nützt jetzt auch nichts mehr. Meine ganze gute Laune war plötzlich verschwunden.

Ich ließ mich in einen der Kinosessel fallen und befahl mir bei null anzufangen. Einfach so tun, als habe es die Szene eben nicht gegeben.

»Ich hab zu Lena auch nicht das innigste Verhältnis«, sagte Robin. »Magst du was trinken? Wasser? Kaffee?«

»Wasser.« Mein Mund war wie ausgedörrt.

Robin ging aus dem Zimmer und kam kurz darauf mit Mineralwasser und Apfelsaft wieder.

»Weißt du was?«, fragte er, während er mir Wasser einschenkte und sich selbst einen Gespritzten zusammenmixte. »Du bist das Mädchen meines Lebens.«

Er sagte das völlig ungerührt. Mir stockte nur eine Zehntelsekunde lang der Atem, dann musste ich über so viel Unverfrorenheit lachen.

»Das ist nicht komisch.« Robin sah mich jetzt an. »Schon als ich dich am Beckenrand sah, hatte ich so ein Gefühl: Das ist der Moment! Auf den hast du so lange gewartet!«

»Entschuldige, aber das ist Blödsinn.« Mein Herz raste.

»Kein Blödsinn.« Robin reichte mir das Glas.

»Und woher willst du das wissen? Du kennst mich doch gar nicht.« Im selben Moment kam mir in den Sinn, dass es eventuell eine Masche von ihm war, vielleicht kriegte er die Mädchen damit reihenweise ins Bett.

»Ich weiß es nicht … Das ist ja das Verrückte.« Er guckte tief in sein Glas. »Ich weiß nur, dass du es eben bist.«

»Vielleicht solltest du das mit deinem Psychiater besprechen«, sagte ich barsch und stand auf. Mit einem lauten Klack klappte die Sitzfläche hoch. Mir wurde die Sache langsam unheimlich – wer weiß, was er noch so vorhatte. Mir fielen haufenweise Hitchcock-Filme ein, der Krawattenmörder und so, bestimmt waren wir ganz alleine in der Wohnung … Ich ging zur Tür, aber Robin stand jetzt auch blitzschnell auf und packte mich an den Schultern.

»Bitte bleib!«

»Nein!« Ich hörte mich keuchen, versuchte mich loszumachen.

»Du hast doch nicht etwa Angst?« Robin ließ mich auf der Stelle los, ging zu seinem Schreibtisch. »Das ist absurd!« Er fasste sich an den Kopf. »Es tut mir Leid, ich wollte dich ganz bestimmt nicht erschrecken.«

Wie hypnotisiert blieb ich in der Tür stehen und hatte plötzlich wahnsinnige Lust, ihn zu küssen.

»Wenn du magst, treffen wir uns das nächste Mal wieder im Schwimmbad. Oder bei dir.« Er lächelte. »Wo du willst.«

»In Ordnung«, sagte ich und verließ die Krawattenmörderwohnung mit einem Gefühl absoluten Verliebtseins.

Schöne Mädchen fallen nicht vom Himmel

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