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2.1.2.2 Das Wunder des Seins aus meta-anthropologischer Perspektive

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Balthasars Unterfangen der philosophischen Neubelebung der Seinsfrage besteht im Wesentlichen darin, „seine eigenen, speziellen Überlegungen in das ontologische Erbe der klassischen Philosophie einzufügen.“113 Er ist also keineswegs bestrebt, aus meta-anthropologischer Perspektive gleichsam eine völlig neue Seinslehre zu konzipieren. Vielmehr werden die zentralen Gehalte der traditionellen Lehre „in einer umfassenderen Sichtweise wiederaufgenommen, nämlich in der einer existentiellen Verfasstheit des Menschen“114, mit dem Ziel, sie dergestalt gleichermaßen zu erhärten wie für heutiges Denken neu fruchtbar zu machen. Der Mensch ist, so Balthasars fundamentale Überzeugung, das Wesen „das als konkrete Universalität die Idee der Welt ist und deshalb auch der Ort, wo Sein überhaupt verstanden und erhorcht wird.“115 Eine Annäherung an die Seinsfrage ist demnach nur möglich über eine Reflexion auf das Wesen des Menschen.

In diesem seinem Ansatz vollzieht Balthasar nun allerdings einen entscheidenden Paradigmenwechsel. Jörg Disse verweist dazu in seiner Habilitationsschrift auf eine von ihm entdeckte unveröffentlichte Schrift Hans Urs von Balthasars, die er auf den Zeitraum zwischen 1939 und 1941 datiert.116 Unter dem Titel „Geeinte Zwienatur. Eine philosophische Besinnung“ bemüht sich Balthasar „im Rückgang bis auf die Anfänge der Metaphysik … noch im Rahmen der antik-scholastischen Begrifflichkeit die falsche Weichenstellung in Bezug auf das Verhältnis von Allgemeinem und Individuellem aufzudecken.“117 Sein Ziel dabei ist es, die mit dem Erbe der griechischen Philosophie und ihres Dualismus von Begriff und Anschauung übernommene Zuordnung eines abstrakten Seins zur Metaphysik, der konkreten seienden Dinge dagegen zu den Einzelwissenschaften zu überwinden und auch das Seiende als Gegenstand der Metaphysik auszuweisen. Aus diesem Grund destruiert er den nach seinem Verständnis für griechisches Seinsdenken charakteristischen metaphysischen Stammbaum des Menschen nach Porphyrius um ihn seinerseits durch ein gegenläufiges Paradigma zu ersetzen. Der sogenannte ‚Baum des Porphyrius‘ stellt sich folgendermaßen dar:118


Diesem Schema zufolge ist das abstrakte begriffliche Sein das Eigentliche, dem Individualität lediglich noch äußerlich zukommt. Metaphysische Seinserkenntnis ist demnach nur in Ablösung vom konkreten Seienden möglich.

Diesem Verständnis setzt Balthasar nun seine Sicht entgegen:119


Hier erfolgt Seinserkenntnis gerade nicht unter Absehung vom Einzelnen, Besonderen. Im Gegenteil, „wir erschließen das Sein eines jeden Dinges, sowie Sein als solches nur, indem wir die Individualität des jeweiligen Seienden berücksichtigen, d. h. indem wir jedes Einzelwesen in seinem konkreten Gesamtsein sehen lernen bzw. von diesem Gesamtsein aus zum Gesamtsein des weltlich Seienenden überhaupt aufsteigen.“120 Balthasar weist also seinerseits auch und gerade das Individuelle als Materialobjekt der Metaphysik aus.

Vor diesem Hintergrund also ist die balthasarsche Interpretation der traditionellen Seinslehre zu sehen. Er macht den konkreten Einzelmenschen zum Ausgangspunkt seiner Neuinterpretation und buchstabiert die wesentlichen Gehalte von ihm her durch. Leitend dabei ist die moderne Grundeinsicht in die wesentlich dialogische Verfasstheit des menschlichen Wesens. „Der Mensch existiert nur im Dialog mit seinem Nächsten.“121 Wenn Balthasar also vom konkreten Menschen spricht, so meint er damit kein isoliertes Wesen, sondern immer schon „die je einzelne Person in der Gemeinschaft“.122 Seine metaphysische Betrachtung des Seins setzt unmittelbar beim je einzelnen Menschen in seiner Verwiesen- und Bezogenheit auf andere Seiende an und überschreitet dergestalt „das traditionelle Denken … in einen geschichtlichen und dialogischen Denkansatz hinein“123. Dadurch aber erfährt der metaphysische Entwurf des Seins sowohl hinsichtlich seiner formalen, wie auch in seiner materialen, inhaltlichen Struktur124 wesentliche Neubestimmungen. „Die Unterscheidung von material und formal versteht sich hier als Hilfsgröße zur besseren Erklärung.“125 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich in den folgenden Darlegungen nur um eine rein analytische Trennung von zwei nach balthasarschem Verständnis sich wechselseitig durchdringenden und bedingenden Dimensionen des Seins handeln kann und soll.

Sperare Contra Spem

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