Читать книгу Die Macht des Jaguars - Susanne Linzbacher - Страница 6

Kapitel 2

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Der Jeep brachte sie, über die Serpentinen, zurück nach unten ins Tal und am Bahnhof von Aquas Calientes kaufte Dylan zwei Tickets nach Cusco. Um ihr Handgepäck kümmerte sich Tomas Andigo und so konnten sie, bis zur Abfahrt des Zuges, noch ein wenig durch die kleine bunte Stadt bummeln.

„Schau mal! Da den Steinpfad hoch ist ein kleiner Markt. Gehen wir ein wenig durch?“, zupfte Dylan Laura bei der Jacke.

„Gern. Wir brauchen sowieso ein paar Souvenirs“, grinste sie.

Dylan überdrehte lächelnd die Augen. Er kannte Lauras Faible für Mitbringsel an ihre Kinder. Als sie sein Gesicht sah, knuffte sie ihm zärtlich in die Schulter.

Keiner von beiden bemerkte den Mann, der ihnen folgte und genau beobachtete, was sie taten.

Dylan ließ sich von Laura die kleine Anhöhe hinaufziehen und schließlich fanden sie sich in einem engen Gewirr aus Marktständen, mit bunt gemischten Waren, wieder. Ältere Frauen boten bunte Wollpullover und von Hand gewobene Tischdecken an. Dylan konnte sich dem farbenfrohen Mustern kaum entziehen und konnte sich daran nicht satt sehen. Er bemerkte, dass Laura ihn am Arm antippte und sie meinte: „Schau mal, der Pullover wäre für Diego oder Alejandro schön.“

Dylan nickte, stellte sich seine beiden Söhne mit einem der bunt gemusterten Pullover vor und sagte: „Die können sie beim Schifahren im Winterurlaub gut gebrauchen.“

„Schauen wir noch ein wenig weiter. Vielleicht finden wir noch schönere“, zog Laura ihn begeistert weiter.

Dylan seufzte und folgte ihr. Er wusste, dass die Tour länger dauern konnte, wenn sie nichts fand, dass ihr perfekt erschien.

Der Mann schlich immer noch hinter ihnen her. Die Kapuze von seiner Jacke hatte er tief ins Gesicht gezogen.

Laura hatte schon einen neuen Stand mit bunten Pullovern und Mützen gefunden und hatte zwei Exemplare in näheren Augenschein genommen. Sie fragte die Verkäuferin nach dem Preis. Laura handelte die beiden Stücke noch etwas herunter und bezahlte sie schließlich. Als sie gerade ihre Geldtasche wieder zurück in ihre große Handtasche stecken wollte, lief der Mann, der ihnen gefolgt war, los und rempelte Dylan auf die Seite. Dylan stolperte und fiel hart auf den, mit Steinen gepflasterten, Boden, während er gerade noch sah, dass der Dieb Laura die Tasche entriss und zwischen den schmalen Gassen des Marktes verschwand. Dylan hatte sich inzwischen wieder hochgerappelt und lief dem Mann, den Marktständen entlang, nach.

Er rief auf Spanisch: „Haltet den Mann auf, er hat eine Tasche gestohlen!“

Die Verkäufer sahen teilnahmslos zu, wie der Mann mit seiner Beute bei ihnen vorbei rannte und kümmerten sich nicht weiter um die bestohlenen Touristen. Der Dieb schlug einige Haken durch den Markt und Dylan befürchtete, ihn aus den Augen zu verlieren. Der Mann bog nach links ab und Dylan hastete, den Ständen entlang, hinterher. Als er um die Ecke kam, fiel er direkt über ein paar Korbwaren, die der Dieb auf den Weg geworfen hatte. Der laut schimpfende Verkäufer begann gerade wieder alles aufzusammeln. Dylan stolperte und konnte nicht mehr verhindern, dass er am Boden landete. Er rieb sich die schmerzende Schulter, die er sich beim Fall angestoßen hatte und konnte den Mann gerade noch, mit Lauras Tasche unter dem Arm, um die nächste Ecke verschwinden sehen. Nachdem er sich wieder hochgerappelte hatte, rannte er dem Dieb bis zur Ecke nach, konnte ihn jedoch in dem Gewirr von Marktständen nicht mehr ausmachen und ärgerte sich, dass der Mann es geschafft hatte ihn auszutricksen. Er brauchte eine ganze Weile, um zu Laura zurückzufinden.

„Du hast ihn nicht mehr erwischt?“, stellte sie, mit einem Blick auf seine leeren Hände, seufzend über den Verlust fest.

„Nein aber deine Geldbörse hast du noch, oder?“

„Ja die wollte ich gerade zurück in die Tasche stecken, als der Trottel sie mir aus den Händen riss.“

„Warum hat er die Tasche und nicht die Geldbörse an sich gerissen?“, fragte Dylan verwundert.

„Was weiß ich. Vielleicht war er einfach zu sehr auf die Handtasche fixiert. Zum Glück hatte ich nichts Wertvolles darin. Aber den Krimi, den ich in der Tasche hatte, wollte ich echt gerne zu Ende lesen“, meinte sie verärgert.

Sie nahm die Tüte mit den beiden Pullovern und forderte ihn mit resignierter Stimme auf: „Es ist ohnehin Zeit zum Zug zu gehen. Vielleicht ist dort auch eine Polizeistation, an der wir den Diebstahl melden können. Außerdem ist mir das Einkaufen jetzt vergangen. Könntest du den Mann beschreiben?“.

Er schüttelte bedauernd den Kopf: „Sein Gesicht habe ich nicht gesehen.“

Er versuchte sich den Mann noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, stellte aber verärgert fest, dass die Kapuze, die der Dieb tief in sein Gesicht gezogen hatte, es ihm unmöglich machte, ihn auch nur ansatzweise zu beschreiben. Sie trotteten nebeneinander in Richtung Bahnhof.

Ein paar Gassen weiter wühlte der Dieb in der Handtasche und riss das Buch heraus. Als er sah, dass es nur ein Kriminalroman war, warf er ihn verärgert zu Boden, gab dem Buch mit dem Fuß einen Kick und schmiss sowohl die Handtasche als auch seine Kapuzenjacke in den Müll. Er fischte ein Mobiltelefon heraus und wählte eine Nummer. Leise sprach er hinein und gestikulierte dabei wild. Der Ärger stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Dylan und Laura waren inzwischen am Bahnhof angekommen. Eine Polizeistation hatte Dylan in der Nähe keine ausfindig machen können und da in Lauras Tasche nichts Wertvolles gewesen war, gingen sie weiter zum Bahnsteig, wo schon ein dunkelblauer Zug, mit zwei dünnen goldenen Streifen unterhalb der Fenster, zur Abfahrt bereitstand.

Tomas Andigo winkte ihnen zu. Er hatte ihr weniges Handgepäck schon an Bord des Zuges gebracht und zwei Sitzplätze für sie reserviert. Dylan sah, dass sie Glück hatten und eine viersitzige Doppelbank benutzen konnten, die sie mit niemand teilen mussten.

„Der Zug wird doch sicher vollbesetzt sein?“, fragte Laura verunsichert.

„Es ist doch noch sehr viel frei“, deutete Dylan auf den Rest der unbesetzten Plätze im Waggon. Sie legten ihre Sachen auf die freien Sitze neben sich.

„Na ja, wenn noch jemand kommt, können wir das Zeug immer noch nach oben in die Ablagefächer stopfen“, war sie zufrieden. Sie setzten sich einander gegenüber, jeweils ans Fenster, damit beide den besten Blick nach draußen hatten. Ein scharfer Pfiff ertönte, der die Abfahrt signalisieren sollte. Tomas Andigo stand am Bahnsteig und winkte ihnen zum Abschied zu. Dylan sah einen Mann den Bahnsteig entlang hetzen und war gespannt, ob er den Zug noch erreichen konnte.

„Buh, der hat es gerade noch geschafft“, lachte Dylan, als der Mann eben noch in den Waggon hechtete.

Laura sah ihn fragend an, da sie das Rennen gegen die Zeit auf ihrer Seite nicht gesehen hatte.

„Ein Mann ist den Bahnsteig entlang gerannt, als würde sein Leben davon abhängen in diesen Zug zu gelangen“, grinste Dylan.

„Na ja den Zug hat er jetzt wenigstens erreicht“, lächelte Laura. „Wir rollen schon los.“, stellte sie fest.

Bald darauf begann die unvergleichliche Fahrt entlang des nicht enden wollenden Urwaldes. Dylan war sehr gespannt auf die Zugfahrt. Aquas Calientes verschwand im Dschungel und das Grün zog an ihm vorbei.

„Die Berge sehen beeindruckend aus, wie sie so über uns thronen“, war Laura fasziniert.

Eine Hängebrücke aus Holz und Seilen mit einem offenen Holzgatter kam in sein Blickfeld und der Zug wurde langsamer. Der Zug machte noch einmal Halt an der Ein- und Aussteigestelle des alten Inka Weges, der bis in die Inkastadt hoch führte und bei Wanderern sehr beliebt war. Schließlich fuhr er weiter, mitten durch die grünbewaldeten Anden. Dylan stellte fest, dass durch das hochgelegene Tal die Berge, die sich an das Tal schmiegten, nicht so hoch wirkten, wie sie in Wahrheit waren. Aber da sie so steil nach oben gingen, waren sie trotzdem beeindruckend. Er genoss die Fahrt und konnte sich an den grünen Hängen gar nicht satt sehen.

„Der Wald scheint hier nirgends aufzuhören“, sah er Laura begeistert an.

Grün soweit das Auge reichte, fuhr der Zug mitten durch den Nebelwald Perus, durch kleine Dörfer mit Menschen in traditionell bunten Gewändern. An einem Dorf wurde die Fahrt etwas langsamer.

„Schau die Kinder mit ihren bunten Trachten neben dem kleinen Lama“, rief Laura entzückt aus und Dylan beugte sich zum Fenster vor, um besser sehen zu können.

„Diese runden Hüte, von den Leuten dort drüben, mit den bunten Ponchos, sind echt interessant. Sie sehen aus wie unsere Bowler-Hüte“, stellte Dylan fest und dachte an alte Filme, in denen die Herren noch mit solchen Hüten herumgelaufen waren.

Die ganze Fahrt wurde mit passender südamerikanischer Musik perfekt untermalt. Bei dem sehr schwermütigen, in Peru überall beliebten Lied ´El Condor pasa´ wurden Dylan ungewollte ganz sentimental und lächelte Laura an.

Sie erwiderte sein Lächeln und meinte: „Diese Fahrt ist einfach perfekt.“

Aus dem Fenster blickend, nickte Dylan, vertieft in die Schönheit des Landes und murmelte: „Ich bin froh, dass wir sie machen. Das Urubambatal ist wunderschön.“

Die Sonne war schon untergegangen, als sie am Abend, nach vier Stunden Fahrt, in Cusco ankamen.

Dylan beobachtete, wie sie langsam in den Bahnhof einrollten und der Zug schließlich stoppte. Die Menschen im Zug begannen sofort ihre Sachen zusammenzusuchen und den Waggon zu verlassen.

„Die Zeit ist wie im Flug vergangen, als ob wir gerade erst weggefahren wären. Schade, dass so schöne Dinge immer so schnell vorbeigehen“, seufzte Laura.

Dylan konnte ihr nur beipflichten: „Ja es war wirklich toll. Mir hat die Fahrt auch gut gefallen.“

Dylan half Laura die Stufen hinunter auf den Bahnsteig und sie bewegten sich mit dem Strom, anderen Angekommener, weiter in Richtung Straße. Er winkte ein gelbes Taxi mit silbernen Streifen heran. Der, für die Einheimischen typische, eher klein gewachsene, dunkelhaarige Fahrer half ihnen ihre Sachen im Kofferraum zu verstauen.

Dylan wies ihn an: „Fahren sie uns bitte ins Hotel Imperial.“

Der Taxifahrer nickte verstehend, hielt Laura die Tür auf und sie stieg ins Auto. Dylan setzte sich neben sie und der Fahrer fuhr los.

Der Mann, der es in Aquas Calientes so eilig gehabt hatte in den Zug zu gelangen, ging auf einen Wagen zu, der auf der anderen Straßenseite geparkt war und stieg auf der Beifahrerseite ein. Der Fahrer am Steuer beobachtete den Taxistand ganz genau.

„Du hast sie hoffentlich nicht aus den Augen gelassen?“, fragte der Fahrer herrisch den anderen.

„Nein natürlich nicht, aber sie haben sich kaum bewegt im Zug. Meist haben sie nur aus dem Fenster gesehen oder sich unterhalten“, antwortete der Mann aus dem Zug. Als das Taxi von Dylan und Laura losfuhr, startet auch der Mann sein Auto und folgte ihnen mit etwas Abstand.

Dylan war beeindruckt vom hell erleuchteten Hoteleingang, der ein Vordach mit zwei schmalen Sandsteinsäulen am Anfang hatte. Ein Hoteldiener in grüner Livree mit goldenen Knöpfen und Zierstreifen eilte herbei und half dem Taxifahrer die wenigen Sachen der Huntleys auszuladen. Ihre Koffer waren direkt von Lima nach Cusco ins Hotel gebracht worden und hier verwahrt worden. Dylan reiste gerne mit leichtem Gepäck und war froh, dass seine Frau es inzwischen genauso hielt.

Die beiden Männer, die ihnen gefolgt waren, parkten auf der anderen Straßenseite und warteten ab, bis sie das Hotel betreten hatte. Sofort griff der Fahrer zum Telefon und drückte die Wahlwiederholung.

Laura und Dylan traten an den Rezeptionstresen aus massivem dunklem, auf Hochglanz poliertem Holz. Eine hübsche junge Frau trat zu ihnen und fragte nach ihren Namen. Sie gab ihnen die Anmeldeformulare zum Ausfüllen und richtete inzwischen die Schlüssel für die beiden her und Dylan nahm sie dankend entgegen. Er freute sich auf ein paar freie Tage, um sich von den Strapazen der Anreise zu erholen und die Sehenswürdigkeiten der Umgebung ansehen zu können. Er hatte keine Ahnung, dass aus der geplanten Erholung vorerst nichts werden würde.

Der Hoteldiener nahm die Schlüssel von Dylan entgegen und begleitete sie zum Fahrstuhl und schob den Gepäckwagen mit den Koffern, die er aus dem Lager geholt hatte, hinein und drückte auf einen Knopf. Die, in Gold gehaltenen, Türen schlossen sich und sie fuhren nach oben.

Dylan gefiel das Ambiente des Hotels. Es lag in einer ruhigen Seitenstraße Cuscos und strahlte edle, alte Eleganz und gleichzeitig Gemütlichkeit aus. Die Suite lag im ersten Stock und der Hoteldiener schob den Gepäckwagen vor sich her, bis zu einer breiten Tür. Der Hoteldiener schloss die große dunkle, mit herrlichen Schnitzereien verzierte, Doppeltür auf und gab den Blick frei auf eine geräumige Suite. Dylans Blick fiel auf die landestypische Einrichtung mit schweren dunklen, antiken Möbeln und wie schon die Eingangstüre, waren auch diese reich verziert mit Schnitzereien. Wohlwollend nahm er die Ausstattung des Wohnzimmers auf. Er sah die Terrassentür, die offenstand und die Sicht freigaben auf einen Holzbalkon mit Säulen unter dem Geländer, die wie bauchige Kegel wirkten. Sowohl der Balkon, als auch die Fenster gingen auf einen kleinen Park hinaus, der zum Gelände des Hotels gehörte. Da der Park nur von drei Seiten durch das Hotel begrenzt war, konnte man am offenen Ende einen guten Blick auf die Bergspitzen der Umgebung werfen.

Laura stieß ihn leicht in die Seite und sprach aus, was er gedacht hatte: „Das ist ein herrliches Zimmer.“

Er nickte und erwiderte: „Es sieht sehr gemütlich aus und die dunkle Einrichtung passt genau zur Umgebung.“

Der Diener schob den Wagen bis ins Schlafzimmer, nahm die Koffer herunter und stellte sie in eine Zimmerecke.

Dylan bedankte sich und gab ihm Trinkgeld woraufhin der Hoteldiener den Kopf, dankend, leicht in seine Richtung neigte und ihm den Zimmerschlüssel aushändigte.

„Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau einen schönen Aufenthalt bei uns“, lächelte er die beiden an und wandte sich in Richtung Tür und ließ die beiden alleine.

Laura trat auf den Balkon und rief begeistert zu ihm ins Zimmer: „ Schau mal die schöne nächtliche Stimmung hier draußen.“

Dylan trat hinter sie auf den Balkon, legte beide Arme um ihre Mitte, sein Kinn auf ihre Schulter und lehnte seinen Kopf seitlich an den ihren, woraufhin sie sich nach hinten an ihn lehnte.

„Ja ist wirklich schön hier. So ruhig und die vielen bunten Lampen, die sie hier in die Bäume montiert haben, sind einfach perfekt.“

Er genoss die innige Berührung und entspannte sich von der Anstrengung des Tages.

Keiner von beiden sah den Schatten, der sich hinter einigen Bäumen versteckt hielt und sie beobachtete.

„Hast du auch so einen Hunger?“, wollte Dylan nach einer Weile wissen.

„Ja, lass uns etwas aufs Zimmer bestellen, ich mag heute in kein Restaurant mehr gehen. Dazu bin ich zu müde“, sah sie ihn bittend an und er lächelte sie an: „Ok, sehen wir uns die Hotelkarte an.“

Laura folgte ihm nach drinnen, er nahm die Karte zur Hand und nachdem sie beide gewählt hatten, bestellte er Essen aufs Zimmer, das keine halbe Stunde später geliefert wurde. Nachdem sie gegessen hatten, merkte Dylan, wie sich die Müdigkeit in ihm breit machte und er schlug vor ins Bett zu gehen. Sie begannen sich fertig fürs Bett zu machen und als Laura aus dem Badezimmer kam, brannte nur noch die Lampe am Nachttisch. Dylan, stand erwartungsvoll versteckt neben der Badezimmertür, schnappte sie sich und riss sie mit sich. Laura quietschte vergnügt auf und beide landeten auf dem, schon aufgeschlagenen, Bett. Dylan begann sie zu küssen und sie schmiegte sich an ihn und verstrubbelte seine Haare. Er liebte es, wenn sie mit den Händen durch seine Haare strich. Dylan begann ihr die Träger des seidigen Nachthemds von den Schultern zu streifen und ihre nackte Haut zu liebkosen, die sich ganz zart anfühlte. Er spürte seine stärker werdende Erregung und die Müdigkeit war vergessen. Er ließ sich von Laura das T-Shirt über den Kopf ziehen und genoss, wie sie ihm mit beiden Händen über seinen nackten Rücken strich und ihn an sich zog. Nachdem sie sich ihrer Kleider entledigt hatten, liebten sich innig und lagen danach noch eine Weile erschöpft nebeneinander.

„Das war ein toller Tag. Schade dass deine Buchpräsentationen nicht immer an so spektakulären Orten stattfinden“, kicherte Laura.

„Ja, man kann es sich leider nicht immer aussuchen, aber stimmt, der Tag war perfekt“, erwiderte er gähnend, aber glücklich.

Er löschte das Licht der Nachttischlampe, sie kuschelten sich aneinander und schliefen beide erschöpft ein.

Der Schatten im Garten löste sich aus den Bäumen ab und bewegte sich leise und vorsichtig in Richtung des Balkons. Immer wieder blickte er sich um, ob ihn auch niemand beobachtete, aber es schien alles ruhig zu sein. Endlich waren die beiden schlafen gegangen. Er wartete noch eine halbe Stunde ab, dann fischte er sein Telefon aus der Hosentasche, wählte und sprach leise: „Ich gehe jetzt hinein. Halt dich bereit, falls ich schnell verschwinden muss.“

Eine Antwort wartete er gar nicht erst ab und steckte das Telefon zurück in seine Tasche. Lautlos sprang der Mann hoch und griff nach dem unteren Rand des Balkons. Langsam zog er sich nach oben, bis er einen Fuß zwischen eine der hölzernen Säulen des Geländers brachte. Er harkte ihn dort ein, zog sich weiter hoch und griff mit einer Hand an die Oberkante des Geländers, setzte den zweiten Fuß zwischen die Säulen und schwang sich, ohne einen Laut zu erzeugen, auf den Balkon. Die Tür war nur wenig gesichert und so konnte er problemlos ins Wohnzimmer der Suite gelangen. Im Raum blieb er stehen und lauschte, ob alles ruhig blieb. Als er keine Geräusche hören konnte, ging er langsam weiter. Er schaltete eine mitgebrachte kleine Taschenlampe ein und leuchte das Zimmer aus. Am Couchtisch lag Lauras Aktentasche, die er sich als Erstes vornahm. Er entleerte sie und durchstöberte die enthaltenen Papiere, aber was er suchte, fand er darin nicht. Auf dem Sofa stand eine Plastiktüte, er griff danach und kam an eine kleine Holzfigur, die am Couchtisch stand. Diese fiel, mit einem scheppernden Geräusch, um. Erschrocken hielt er inne, um zu hören, ob jemand aufgewacht war. Schnell, aber leise trippelte er zur Balkontür zurück. Seine Muskeln waren angespannt, um sofort in Richtung Balkonbalustrade schnellen zu können. Da sich nichts rührte, entspannte er sich wieder, trat wieder zurück zum Sofa und setzte seine Suche fort.

Dylan, der durch das Geräusch der umfallenden Figur geweckt worden war, lauschte in die Dunkelheit.

„Da war doch ein Poltern“, flüsterte er leise zu sich selber.

Er lag ganz still, um besser hören zu können, und da war wieder ein leises Rascheln im Nebenraum. Irgendjemand war im Wohnzimmer nebenan.

Er schüttelte Lauras Schulter und zischte leise: „Laura wach auf, da ist jemand im Wohnzimmer.“

Laura war mit einem Schlag hellwach.

„Was ist los? Bist du sicher?“, flüsterte sie aufgeregt.

„Ja, hör doch mal. Da ist jemand.“

Dylan stand leise auf, schlüpfte in seine Boxershorts und ein T-Shirt, griff sich einen schweren Kerzenhalter aus Messing, von der Kommode an der Wand und schlich zur Zimmertür.

„Ruf die Rezeption an“, flüsterte er ihr zu.

Laura fischte sich den Bademantel, den sie auf den Sessel neben der Kommode geworfen hatte und setzte sich aufs Bett, nahm das Telefon vom Nachtisch und wählte die Nummer der Rezeption. Leise sprach sie mit der Frau am anderen Ende. Dylan sah, wie sie ihm zu nickte und signalisierte, dass der Sicherheitsdienst gleich bei ihnen wäre. Sie stand vom Bett auf und kam zu ihm an die Tür. Gemeinsam lauschten sie angespannt, was auf der anderen Seite der Tür vor sich ging. Dylan drehte ganz vorsichtig und leise den runden Knauf der Tür und öffnete sie einen kleinen Spalt, da er wissen wollte, was dort vorging. Er sah den Einbrecher, wie er gerade am Schreibtisch eine Schublade öffnete. Beherzt trat Dylan in den Raum und drückte auf den Lichtschalter direkt neben der Schlafzimmertür. Sofort wurde die Szene in helles Licht geworfen.

Er schrie den Mann an: „Was tun sie da?“

Dieser drehte sich in Panik zu ihm um und versuchte dann sofort in Richtung Balkontüre zu flüchten. Dylan war jedoch schneller und stürzte sich, den Kerzenhalter fallen lassend, auf ihn. Der Mann war stark und Dylan fühlte, dass er seine ganze Kraft aufbringen musste, um ihn festzuhalten. Laura lief zur Eingangstür der Suite, öffnete sie und schrie um Hilfe. Dylan und der Mann rangen miteinander am Boden und versuchten, einander zu überwältigen. Sie rollten nach links gegen einen Stuhl und Dylan konnte den Einbrecher unter sich drücken. Draußen am Gang des Hotels waren eilige Schritte zu hören. Laura kam zurück ins Zimmer und suchte nach einem Gegenstand, den sie dem Mann über den Kopf ziehen konnte. Dylan hielt den Mann unter großer Anstrengung am Boden fest, dieser tastete mit der Hand am Boden herum, um etwas zu greifen, dass er als Waffe benutzen konnte und bekam, den am Boden liegenden, Kerzenleuchter zu fassen. Plötzlich spürte Dylan einen stechenden Schmerz an seinem Kopf, als der Mann ihn mit dem Leuchter schlug und reflexartig ließ er den Mann los, um sich vor weiteren Schlägen zu schützen. Kurze Zeit blieb Dylan leicht weggetreten, sich die Schläfen haltend, am Boden liegen. Der Einbrecher nutzte die Chance, rappelte sich hoch und versuchte wieder in Richtung Balkontür zu flüchten.

„Sofort stehenbleiben!“, schrie Laura und Dylan sah entsetzt, wie sie versuchte, sich dem Mann in den Weg zustellen. Dieser packte und schleuderte sie aus seinem Weg, nach rechts auf die Couch. Sie jedoch rappelte sich sofort wieder hoch und rannte ihm nach. Sie sprang ihn von hinten an und riss ihn zu Boden. Der Mann wehrte sich mit allen Kräften. Dylan war immer noch ziemlich benommen vom Schlag auf den Kopf und konnte Laura in diesem Moment nicht helfen. So musste er hilflos mit ansehen, wie der Mann sich ruckartig umdrehte und mit festem Griff Lauras Arme erfasste und ihre Hände von sich losriss. Der Einbrecher schubste sie von sich weg und drehte sich um in Richtung Balkon. Fast hätte sie ihn noch einmal zu fassen bekommen, als sie über ihre Aktentasche stolperte, die der Mann vorhin achtlos auf den Boden geworfen hatte. In dem Moment, als der Sicherheitsdienst die Suite betrat, sprang er vom Balkongeländer nach unten in den Garten.

„Er ist über den Balkon geflohen!“, rief Laura ihnen zu, rappelte sich hoch und rannte selber hinaus, um zu sehen wo der Mann hingelaufen war.

Dylan hatte sich inzwischen wieder gefangen und lief ihr, gemeinsam mit den Sicherheitsleuten, auf den Balkon nach. Als er den Einbrecher quer über die Rasenanlage laufen sah, kletterte er kurz entschlossen über das Geländer, sprang ebenfalls nach unten und lief ihm wütend nach, als ob sein Leben davon abhängen würde, den Mann zu fassen. Der Einbrecher lief auf die offene Seite des Parks zu, in Richtung Straße und er versuchte, ihn einzuholen. Als Dylan an der Straße angekommen war, konnte er gerade noch sehen, wie der Mann auf die Beifahrerseite eines Autos hechtete und dieses sofort, mit quietschenden Reifen, anfuhr. Der Mann am Steuer gab Vollgas und er raste direkt auf Dylan zu, der mitten auf der Straße zu stehen gekommen war. Panisch sprang er dem flüchtenden Wagen aus dem Weg, um nicht überfahren zu werden. Gerade konnte er noch das Nummernschild erkennen, als das Auto auch schon um die nächste Straßenecke verschwunden war.

Zwei Männer vom Sicherheitsdienst waren inzwischen zu ihm auf die Straße gelaufen.

„Er ist weg. In ein Auto gesprungen und abgefahren“, schnaufte Dylan.

„Kommen Sie, gehen wir zurück nach oben in die Suite“, sagte einer der beiden Männer.

Gemeinsam gingen sie zurück ins Hotel, die Treppen hinauf in die Suite, wo Dylan auf einen dritten Sicherheitsmann traf, der schon die Polizei verständigt hatte. Er saß bei Laura auf der Couch und sah kurz auf, als sie eintraten.

„Die werden gleich da sein. Sie waren ohnehin schon hier in der Nähe unterwegs“, sagte der Mann gerade.

Laura gestikulierte immer noch wild und aufgeregt, während der Sicherheitsbeamte beruhigend auf sie einredete.

„Zuerst klaut man mir heute Nachmittag in Aquas Calientes die Handtasche und jetzt das!“, schimpfte sie wie ein Rohrspatz.

Dylan ging zur Couch und setzte sich zu Laura. Beruhigend legte er den Arm um sie und sie drehte sich ihm zu.

„Ist dir auch nichts passiert Dylan?“, wollte sie mit besorgter Stimme wissen.

Dylan verneinte und erzählte: „Der Mann ist unten an der Straße in ein wartendes Auto gesprungen. Die Autonummer habe ich allerdings noch erkennen können. Vielleicht hilft die weiter.“

Bald darauf betrat ein Polizeibeamter das Zimmer und stellte sich den beiden vor: „Mein Name ist Teniente Filipe Mantigo. Guten Abend.“

Er schüttelte ihnen die Hände und Dylan lud ihn mit einer einladenden Geste ein: „Setzen sie sich doch Teniente Mantigo.“

„Was ist gestohlen worden?“, wollte der Teniente wissen.

Dylan und Laura sahen sich um.

„Der hat auch wieder meine Börse einfach liegen gelassen“, stellte sie überrascht fest und griff nach der Geldtasche, die immer noch mitten am Couchtisch lag.

Dylan war aufgestanden und zur Kommode an der Wand gegangen, auf der Laura am Abend die kleine Schatulle mit ihrem Schmuck gestellt hatte. Er sah, dass er nicht angefasst worden war.

„Dein Schmuck ist auch unangetastet“, wunderte er sich.

Laura hob einige Papiere auf, die der Einbrecher aus ihrer Aktentasche gezogen und zu Boden geworfen hatte.

„Hier scheint auch nichts zu fehlen“, stellte sie fest.

„Haben Sie irgendetwas bei sich, dass der Einbrecher haben hätte wollen? Wenn Sie sagen, dass ihre Wertsachen noch alle da sind, hört sich das für mich nach einem gezielten Einbruch an.“

Dylan konnte sich nicht erklären, was der Mann gesucht haben könnte und zuckte mit den Schultern: „Ich kann mir nicht vorstellen, was der Mann wollte. Außer meinem Buchmanuskript, das sie seit gestern in jeder Buchhandlung kaufen können, haben wir nichts bei uns.“ Er wendete sich an seine Frau: „Laura hast du irgendwelche wichtigen Akten eingepackt?“

„Nein, ich habe keine heiklen Arbeitsunterlagen mitgenommen. Ich kann mir auch nicht erklären, was der gesucht haben könnte“, schüttelte sie den Kopf.

Ein weiterer Mann von der Polizei sah sich die Balkontür genauer an und kontrollierte das Schloss auf Beschädigungen.

„Das Schloss ist aufgebrochen worden, aber das ist keine große Kunst. Es ist nicht sehr robust“, stellte er fest.

Der Teniente bat Dylan und Laura um eine Beschreibung des Mannes.

„Na ja, er war relativ groß und eher schlank“, beschrieb ihn Dylan.

„Allerdings war er ganz schön kräftig. Ich hatte ganz schön zu tun ihn am Boden zu halten, bevor er mich mit dem Kerzenleuchter k.o. geschlagen hat“, seufzte er bedauernd.

„Er hatte dunkle Haare unter seiner Kapuze“, fügte Laura seiner Beschreibung hinzu.

Dylan, der ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis für Zahlen und Kombinationen hatte, erwähnte: „Die Autonummer habe ich mir gemerkt. Es war ´14NMS78´.“

Der Teniente versprach ihm: „Wir werden die Nummer sofort überprüfen lassen.“

Nachdem man ihnen versichert hatte, dass ein Mann vom Sicherheitsdienst die ganze Nacht im Garten Wache schieben würde, ließ man die beiden alleine.

Der Teniente gab Dylan an der Tür noch seine Visitenkarte und verabschiedete sich mit den Worten: „Momentan können wir leider nicht mehr für Sie tun, aber vielleicht bringt uns ja deren Wagen weiter. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch eine gute Nacht“, lächelte er den beiden aufmunternd zu und verließ, mit seinem Kollegen, die Suite.

Laura und Dylan blieben ratlos zurück und sie fragte ihn: „Was wollte der Kerl nur von uns, wenn er weder Geld noch Schmuck stehlen wollte?“

„Keine Ahnung“, war auch Dylan verwirrt.

„Wozu hat er meine Aktentasche ausgeleert? Hat er nach irgendwelchen Papieren gesucht? Ich hab doch keine wichtigen Verträge dabei und arbeiten tue ich derzeit auch an keinem besonders brisanten Fall“, führte Laura weiter aus.

„Ich weiß es nicht Laura. Vielleicht hat er etwas anderes gesucht, aber was?“, fragte sich Dylan.

Er zerbrach sich den Kopf darüber, was der Mann gesucht haben könnte, kam aber auf keinen grünen Zweig.

Laura riet weiter ins Blaue: „Vielleicht hat er uns auch mit jemandem verwechselt und er wollte von einem anderen ausländischen Paar etwas?“

„Ich habe keine Ahnung Laura. Gehen wir ins Bett. Heute wird wohl nichts mehr passieren“, gähnte er resignierend und müde.

„Na hoffentlich. Auf noch so einen nächtlichen Besuch hab ich wirklich keine Lust. Der hätte dich ernsthaft verletzen können“, schaute Laura Dylan ernst an.

„Ja, ich weiß, aber ich wollte den Typen nicht einfach davon kommen lassen“, zuckte dieser mit den Schultern.

Es war ihm zuwider, dass der Mann ihm entwischt war und ihn und Laura so verunsichert zurückgelassen hatte.

Er schaltete das Licht im Wohnzimmer ab und sie gingen zurück ins Schlafzimmer. Laura schmiss ihren Bademantel zurück auf den Sessel und krabbelte ins Bett. Dylan legte sich auf seine Seite, schaltete das Licht aus und rollte sich zu Laura hin. Ein wenig Licht von draußen erhellte ihr Gesicht. Er spürte, wie sich an ihn kuschelte und zärtlich strich er ihr über die Wange, beugte sich zu ihr hin und küsste sie auf die Stirn. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn noch enger ans sich. An Laura geschmiegt schlief er, durch ihre Wärme eingelullt, bald wieder ein.

In einer anderen Ecke der Stadt fuhr ein Auto mit zwei Männern auf ein kleines Firmengelände und parkte in einer leeren Lagerhalle. Sie stiegen aus und gingen in Richtung eines Bürogebäudes.

„Da war nichts. Ich schwöre, ich hab alles durchsucht. Nichts“, jammerte einer der beiden.

„Irgendwo muss es doch sein. Der Alte kann es nur den beiden irgendwie zugesteckt haben.“

Sie betraten das Gebäude und schlossen die Türe sorgfältig hinter sich ab.

Die Macht des Jaguars

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