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So siehst du aus

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Frühling, ein Café in der Gutsmuthstraße. Kurz überlege ich, ob ich mir das Frühstück »Crystal Mett« gönne, das aus einem Kristallweizen und einem Mettbrötchen besteht, bestelle mir dann aber doch nur einen Kaffee. Die nette junge Frau hinterm Tresen sagt: »Du hast die Nummer zwölf, alle weiteren Bestellungen dann bitte auf die Zwölf.«

»Voll auf die Zwölf«, erwidere ich. Sie guckt ratlos. Ich fand’s komisch.

Aber ich sehe halt auch nicht komisch aus.

Das hat mir schon mal jemand gesagt: eine junge Hip-Hopperin, die mal mit mir zusammen auf einer kleinen Lesebühne in Schöneberg eingeladen war. Ich kam von der Bühne zurück, und sie sagte mit erschüttertem Gesicht: »Das war komisch. Du siehst gar nicht aus, als ob du komisch bist.«

Grundsätzlich mag ich es sehr gerne, nicht genau in irgendwelche Schubladen zu passen, und kann über solche Sätze dann sehr schmunzeln.

Aber in letzter Zeit wird mir irgendwie ständig gesagt, wie und wonach ich aussehe – oder eben nicht.

Vor ein paar Tagen zum Beispiel habe ich bei Karstadt einen Besteckkasten gekauft. Das Ding war in einem großen Karton verpackt, und nein, ich wollte natürlich keine Tüte. Der Azubi an der Kasse – um die zwanzig, Vollbart, Gangsterrapperblick und tiefe Stimme – sagte: »Na, dann auf Wiedersehen. Und, äh, viel Freude damit.«

Das hatte man ihm wohl so beigebracht, es kam allerdings noch nicht so richtig authentisch rüber. Ich fragte mich auch, was sich ein zwanzigjähriger Mann wohl darunter vorstellt, wenn ich viel Freude habe. Mit einem Besteckkasten.

Ich fragte ihn, ob ich nicht so einen »Bezahlt«-Aufkleber bräuchte, wenn ich jetzt mit dem Ding aus dem Laden spaziere, darauf er: »Ach Quaaatsch. Sie sehen doch nu echt nich’ aus, als ob sie klauen, Mann. Bei mir wär’ das schon anders, aber so …«, dabei machte er eine unbestimmte Handbewegung von oben nach unten, die vermutlich auf mich als Gesamterscheinung hinweisen sollte.

Ich bin mir ganz sicher, er hat das nett gemeint. Dennoch war ich total knurrig, als ich den Laden dann tatsächlich unbehelligt verlassen hatte.

Es ist eine alte Wunde. Seit meiner Grundschulzeit geht mir das so, dass mich alle für harmlos halten. Eine Reißzwecke auf dem Lehrerstuhl, Fenster mit Tusche bemalt oder Stinkmorchel hinter der Tafel versteckt: Selbst wenn ich ein Vergehen beichtete und die Schuld unumwunden auf mich nahm, lächelten die Lehrerinnen und sagten: »Das ist ja lieb, Susanne, dass du den Schuldigen schützen willst, aber so einfach dürfen wir ihn nicht davonkommen lassen.«

Wie gerne würde ich einmal so aussehen, als ob ich klaue.

Aber jetzt spielt allmählich auch noch das Alter gegen mich, scheint mir.

Bei einem Hautarzt letzte Woche gab es auch so einen Moment. Ich zeigte ihm einen kleinen Hautausschlag an den Unterarmen, der mich seit ein paar Tagen plagte, und lauschte doch sehr gebannt, als er spontan von Syphilis und anderen Geschlechtskrankheiten redete, ob ich denn häufig wechselnde Sexualpartner … In diesem Moment sah er zu mir auf, unterbrach sich und sagte milde, während er andeutungsweise meine Hand tätschelte: »Entschuldigung. Geschlechtskrankheiten können wir wohl sicher ausschließen.« – Hallo?!

Nein, ich bin wirklich nicht scharf auf derlei Diagnosen – aber ist es zu viel verlangt, dass ich wenigstens infrage kommen will?!

Ich beginne zu ahnen: Die Diskriminierung des Alters hat viele Gesichter.

Es war nicht mein Tag.

Am Ende musste ich mir dann auch noch Blut abnehmen lassen. Um die Arzthelferin darauf vorzubereiten, dass ich Schwierigkeiten mit Spritzen habe, sagte ich vorneweg: »Ich gehöre zu den Ängstlichen, nicht dass Sie sich wundern.«

Ernst sah sie mich an, betrachtete mich von oben bis unten, zwinkerte mir dann verwegen zu und sagte: »Echt? Sie sehen gar nicht so aus.«

Und dafür hätte ich sie in dem Moment wirklich küssen können.

Ich hab mit Ingwertee gegoogelt

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