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Föhn

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Wenn jemand einen Föhn kriegt, dann ist das eine umgangssprachliche Formulierung für »verrückt werden, zu viel kriegen«. Hintergrund ist wohl, dass der Föhnwind aus dem Alpenvorland im Ruf steht, wettersensiblen Menschen physisch wie psychisch sehr zuzusetzen.

Ich denke darüber nach, weil ich gerade eben bei Saturn war und einen Mitarbeiter am Eingang fragte: »Entschuldigung, kriege ich bei Ihnen einen Föhn?«

Er hat mit »Ja« geantwortet, und egal wie er die Frage interpretiert hat, in jedem Fall recht behalten, denn in Elektrofachgeschäften kriege ich eigentlich immer einen Föhn. Das ist wie mit Flughäfen, es gibt Orte, die machen mich unter Garantie wahnsinnig.

Ich habe vor vielen Jahren, als ich eine Zeit lang auf Amrum wohnte, mal in einem Supermarkt gestanden und einen jungen Mann, der gerade Regale einräumte, um Auskunft gebeten. Ich erinnere mich noch sehr genau an meinen Satz: »Entschuldigen Sie, wo sind bei Ihnen die Eier?« Und daran, dass ich sofort rot wurde und verzweifelt versuchte, den peinlichen Moment zu überspielen. Auch der Verkäufer wurde rot, aber letztlich schafften wir es beide, so zu tun, als hätte ich eine ganz normale Frage gestellt. Also: »Entschuldigen Sie, wo sind bei Ihnen die Eier?«

Erst als er antwortete: »Hinten …«, war nichts mehr zu retten, und ich musste mich sehr schnell abwenden, um das aufsteigende Glucksen niederzuringen.

Leider ohne Erfolg.

Ich bin dann lange woanders einkaufen gegangen.

Eine echte Herausforderung stellen mitunter auch Bäckereibesuche dar. In Suderburg auf dem Weg zum Bahnhof hörte ich mich neulich sagen: »Ich hätte gerne einen Goldjungen, bitte!« Ich dachte im selben Moment: Wollen wir das nicht alle? Aber so hießen die Schrippen da halt, und »Schrippe« hätte wieder keiner verstanden. Im Kopf wiederholte ich den Satz, er wurde davon nicht weniger grotesk. Damit könntest du auch zu einer Kinderwunschpraxis gehen, dachte ich. Oder ein Inserat aufgeben: »Ich hätte gerne einen Goldjungen, bitte.« Würde mich schon interessieren, wer sich da so meldet.

Noch schwerer fiel es mir jüngst in Warnemünde, bei der Bäckerei meine Brötchenbestellung aufzugeben und um »drei scharfe Segler« zu bitten. Irgendwie erschien mir das so … maßlos.

Und mal ehrlich, warum sind die knackigen Sachen eigentlich immer Kerle? Schusterjungen, Goldjungen, scharfe Segler, Weltmeister … und daneben? Die süße Schnecke und die Sahneschnitte. Wenn wir also schon dabei sind, Gedichte von den Häuserwänden zu kratzen, könnten wir eigentlich auch gleich mal in den Backstuben vorbeischauen.

Aber in letzter Zeit gibt es ja eh den Trend, das Brot selber zu backen, statt es schnöde im Laden zu erstehen. Ich jedenfalls habe solche Freundinnen, solche, die kurz vor der Party, wenn ich mit nassen Haaren und halb geschminkt zwischen Geschirrspüler und Wäsche aufhängen hektisch die Schleife ums Geschenk zurre und nicht weiß, was ich anziehen soll, anrufen und Sätze sagen wie: »Ach, ich bin dann fertig. Und ich hab noch eben ein Brot gebacken, hatte ich irgendwie Lust zu, bring ich fürs Büfett mit.«

Sätze wie dieser machen mich ehrfürchtig. Noch eben ein Brot gebacken. Lust! Ich bin mehr so die, die noch eben im Späti eine Tüte Chips kauft, weil sie mal wieder vergessen hat, dass man was fürs Büfett mitbringen soll.

Ich bin im Moment sowieso derart vergesslich, dass ich schon überlegt habe, mal zu so einer Gedächtnissprechstunde zu gehen und einen Test zu machen. Der kürzeste Dialog zu diesem Thema fand neulich zwischen meiner Freundin Tine und mir statt:

Sie: »Und, hast du inzwischen den Termin in der Gedächtnissprechstunde gemacht?«

Ich: »Nein, habe ich vergessen.«

Aber das ist eine andere Geschichte.

Da man sich den eigenen Dämonen ja hin und wieder stellen muss, bin ich das Brotbackthema mal aktiv angegangen. So schwer kann das nicht sein, dachte ich mir in einer optimistischen Stunde. Also: Feinstes Biovollkorndinkelmehl, Buchweizenmehl, Sonnenblumenkerne, Hefe, ayurvedisches Himalayasalz – alles besorgt. Und gebacken, was das Zeug hielt. Und wofür? Dafür, dass mein Sohn nach dem ersten Bissen beim Frühstück erst lange schwieg und dann fragte: »Sag mal, wie hieß noch mal dieser Terry-Pratchett-Roman mit dem kriegerischen Zwergenvolk?«

»Keine Ahnung«, sagte ich. »Wieso kommst du jetzt darauf?«

»Na ja, die backen doch immer Kampfbrote. Die sind auch nicht zum Essen, die benutzen sie als Wurfgeschosse, wenn sie angreifen.«

Ich habe es danach noch ein paar Mal versucht mit Hefeteig … und dann aufgegeben.

Beim letzten Versuch hatte ich laut meiner Familie einen irren Glanz in den Augen und sang resigniert Dinge wie »Tausendmal gerührt, tausendmal ist nix passiert« in die Teigschüssel. Vielleicht hätte ich es mal mit Howard Carpendale probieren sollen: »Geh doch, ich sage dir, geh doch.«

Kurzum, das Einzige, was dann noch ging an diesem Morgen, war ich, und zwar zum Bäcker. Auf dem Weg dachte ich über meine Familie nach. Ich bestellte vier Brötchen. Kriegerisches Zwergenvolk, dachte ich. Krass. Wir waren schon vier sehr unterschiedliche Menschen. Die Verkäuferin fragte: »Vier normale?«

Über die Antwort musste ich dann doch einen Moment nachdenken.

Ich hab mit Ingwertee gegoogelt

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