Читать книгу Elfenzeit 7: Sinenomen - Claudia Kern, Susanne Picard - Страница 17
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He toa taumata rau
ОглавлениеMaata Waka Nene fasste nicht, was die unbekannte junge Frau mit blumigen Worten erzählte. Konnte es wahr sein, sollte wirklich eine Bande randalierender Jugendlicher durch die Gegend streifen? Officer Nuhaka Spencer würde sich bedanken, wenn ihr Neffe Tearoa Rangi Tuku morgen wie jeden Montag nach Waitara in sein Versicherungsbüro fuhr und einen der beiden jungen Leute in der kleinen Police-Station ablud.
Unvorstellbar war das Ganze, weil es darauf hindeutete, dass sie und Whetu ihre Arbeit nicht richtig gemacht hatten. Sie wechselte einen Blick mit ihrer Schwägerin, die von der Südinsel stammte und selbst eine anerkannte Schamanin war.
Der Ngati-Mutunga-Stamm, dem sie im Gegensatz zu ihrem Gatten Tamati angehörte, hatte ebenfalls schon immer in dieser Gegend gelebt und in Maatas Verwandtschaft und in ihrer Ahnenreihe fanden sich eine Menge hochgestellter Maori-Adliger oder ariki, so auch der Politiker Te Rangi Hiroa und auch tohungas oder Schamanen. Die Gegend hier um das Grab Te Rangi Hiroas in Urenui war eine besondere Gegend und es oblag Maata und Whetu, die in die Geheimnisse und Mythen eingeweiht waren, sie vor allem Bösen zu schützen, damit Dinge wie ein solcher Überfall nicht passieren konnten. Umso verwunderlicher war die Geschichte dieser beiden – eine Brutalität ohnegleichen, die Whetus Zauber und Maatas Bannzeichen eigentlich hätten abhalten müssen.
Sie war hin- und hergerissen – Tamati schien es wichtig, jede Einzelheit von den beiden fremdartig wirkenden Leuten zu erfahren. Maata betrachtete die junge Frau. Ein Haarschnitt, wie er hier in Neuseeland bestenfalls in Auckland zu bekommen war. Sehr modisch, sehr extravagant, wenn sie den Zeitschriften vertraute, die Mahine, ihre Enkelin und Jimmy Raungas ältere Schwester, manchmal aus Inglewood mitbrachte. Darin waren junge Damen abgebildet, die eine ähnliche Haartracht aufwiesen.
Maata war dankbar, dass Mahine so etwas für dumm und überflüssig zu halten schien. Es schauderte sie, wenn sie sich überlegte, die Enkelin wäre eines Tages mit blondierten und kurzgeschnittenen Haaren erschienen, die in alle Richtungen wiesen – auch wenn es der zierlichen, ja geradezu ätherischen Frau sehr gut stand.
Der junge Mann war offenbar der stillere von beiden. Es schien Maata seltsam, dass er einerseits nicht derjenige war, der das Wort ergriffen hatte, sondern wie selbstverständlich Rian den Vortritt ließ. Außerdem sah er trotz der etwas anderen Haartracht – seine Haare waren nicht so platinblond, sondern eher goldblond – der jungen Frau äußerst ähnlich. Sie waren eindeutig Geschwister, kein Liebespaar, wie Rian zuerst angedeutet hatte, vielleicht sogar Zwillinge, denn eine innige Verbundenheit zwischen ihnen war zu spüren. Vielleicht waren es die Haare, welche die Augen der beiden jungen Leute so unglaublich violett leuchten ließen, oder sie trugen diese neumodischen, farbigen Kontaktlinsen. Dem jungen Mann – David hieß er, erinnerte sie sich – fielen die offenbar schon seit langem nicht mehr geordneten Haare derart wirr auf seine knochigen Schultern, dass Maata ihm am liebsten einen Kamm besorgt hätte.
Vom Aussehen her erinnerte er Maata an einen mittlerweile verstorbenen Rockstar, der einst im Zimmer ihres gleichfalls verstorbenen Sohnes gehangen hatte, der zwei verschiedene Augen gehabt und wie nicht ganz von dieser Welt gewirkt hatte. Ja, es schien durchaus wahrscheinlich, dass die Besucher aus Europa kamen, da waren solche Moden sicher nichts Besonderes.
Aber hier waren sie nun einmal in Pukearuhe.
Es fehlte noch, dass Jimmy Raunga sich daran ein Beispiel nahm. Bürsten und Kämme waren auch für ihren Enkel aus Prinzip ein Gräuel, aber wenn diese ausländischen jungen Leute hier so komische Moden einführten, dann waren wohl in den nächsten Wochen von Raunga noch mehr Widerworte als sonst zu erwarten. Wie er jetzt schon die junge Frau ansah – er schwärmte sie geradezu an!
Maata seufzte innerlich. Es hatte dem Jungen nicht gutgetan, die Eltern so früh bei diesem Flugzeugunglück zu verlieren. Sie und Tamati waren einfach zu alt gewesen, um noch Kinder zu erziehen. Besonders einen Jungen in den Flegeljahren.
Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Gedanken weiter nachzuhängen, denn Rian Bonet hatte ihre Geschichte beendet.
Tamati nickte gemessen, doch er dankte ihr nur für die Geschichte. »Ich hoffe, ihr nehmt unsere Gastfreundschaft an«, sagte er, während er sich würdevoll erhob. »Zum Abendessen werden wir uns wiedersehen. Meine Enkelin Mahine wird euch unser Gästezimmer zeigen und sich um eure Verletzungen kümmern, sie ist Krankenschwester. Morgen könnt ihr dann mit meinem Neffen Tearoa zur Polizeistation nach Waitara fahren. Er wird euch zu Officer Spencer bringen. Der kann alles weitere veranlassen. Doch bitte seid heute unsere Gäste. E iti noa ana, na te aroha – auch wenn unser Geschenk klein ist, es ist mit dem Herzen gegeben.«
Rian und David waren offenbar zu verwirrt und zu müde, um das Angebot abzulehnen oder eine Alternative vorzuschlagen. Sie stützten einander, als Mahine sie nach oben führte, wo die Schlafzimmer lagen.
Die Gemeinde zerstreute sich nun auf ein Nicken und ein Klatschen von Tamati.
Nur Maata, Whetu und Teramati blieben noch. Jetzt setzte sich auch Maata mit an den Tisch. Die vier Dorfältesten sahen sich an.
Eine Weile sagte keiner ein Wort.
»Was sagst du, Teramati? Haben wir Glück?«, wollte Tamati Waka Nene schließlich wissen. Er sprach Maori. Zur Sicherheit. Jeder von ihnen hatte zwar Wert darauf gelegt, dass auch die jüngeren Generationen die Sprache übten – Jimmy Raunga lernte sie sogar in der Schule –, aber die beiden Fremden mussten nun wirklich nicht alles verstehen, was hier an diesem Küchentisch gesagt wurde.
Der ariki von Pukearuhe sah gedankenverloren aus dem Fenster hinter der Küchenzeile und antwortete nicht sofort.
»Bist du sicher, dass es die beiden sind, von denen die Sage spricht?«, fragte er und sah seinem jüngeren Bruder direkt ins Gesicht. Tamati Waka Nene runzelte die Stirn.
Kein gutes Zeichen, dachte Maata und versuchte, die Wogen schnell zu glätten. »Ich bin jedenfalls der Ansicht, dass Whetu und ich unseren heiligen Aufgaben gerecht geworden sind. Die Schutzzauber und Bannsprüche sind noch wirksam, das spüre ich!«
Whetu nickte bestätigend.
Tamati sah von Teramati zu seiner Frau. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich sofort und wurde weicher. »Ich würde nie annehmen, dass du deine Pflichten vernachlässigen könntest, Maata. Du und Whetu, ihr versteht eure Sache viel zu gut, meine Liebe.« Er wandte sich wieder seinem Bruder zu. »Du bist der ariki. Du solltest dich in den Zeichen der Götter mindestens so gut auskennen wie ich. Du stammst genauso vom Waka Nene wie ich auch. Diese beiden jungen Leute sind göttlicher Abstammung.«
»Göttlich? Mit ihrem Aussehen?« Whetu verzog das Gesicht. »Ich kenne mich auch ein wenig mit dem Andersweltlichen aus, Schwager, aber die beiden sind nicht göttlich. Ihr Aussehen hat mit Ranginui und Papatuanuku, von denen wir alle abstammen, nichts zu tun.«
»He toa taumata rau – Mut findet man an vielen Stellen«, sagte Tamati ungerührt. »Ich rede nicht von ihrer Haar- oder Hautfarbe. Seid ihr drei blind? Die besondere Aura, die sie beide umgibt, zeichnet sie als Angehörige der Anderswelt aus. Sie konnten nur durch einen Zugang hierher gelangen, denn weit und breit gab es in letzter Zeit keine Touristen, und diese Schwindelgeschichte, die sie uns da aufgetischt haben, haben sie sich doch selbst nicht abgenommen, das war deutlich zu merken. Die beiden sind urplötzlich erschienen, also kann es nur so sein, sie sind von dort. Und eines steht fest: Keiner von uns hat diesen Zugang.«
Maata sah ihren Gatten verblüfft an. Er klang so sicher. Sie dachte an das Gespräch und daran, was die junge Frau erzählt hatte. Vielleicht hatte sie ja etwas überhört, weil sie sich zu viele Gedanken über die Frisur der jungen Leute gemacht hatte? Und sich gefragt hatte, ob die Schutzzauber noch wirksam waren? Aber dennoch, Tamati hatte Recht, dieses Abenteuergarn nahm sie Rian Bonet nach einigem Nachdenken nicht ab. Und dann diese Blicke, die sie mit ihrem vorgeblichen Freund, in Wirklichkeit aber Bruder, getauscht hatte … Sie hatten improvisiert, mehr nicht.
»Was Tamati sagt, stimmt«, äußerte sie. »Wir sollten davon ausgehen, dass die beiden aus einer anderen Welt stammen als der, die durch die Trennung von Ranginui und Papatuanuku durch ihre Kinder entstand.«
Whetu schien immer noch nicht überzeugt, doch je länger Maata darüber nachdachte, desto mehr stimmte sie ihrem Mann zu. Es wäre das erste Mal gewesen, dass er sich in diesen Dingen irrte. Die beiden Fremden verbargen etwas.
»Tamati, angenommen, du hast Recht«, sagte Teramati. »Können wir den beiden wirklich unsere heikle Angelegenheit anvertrauen? Sie scheinen so jung zu sein und keiner von unseren Ahnen hat das je geschafft, egal, wie sehr sie es versucht haben.«
Auf Tamatis Gesicht breitete sich ein wissendes Lächeln aus. »Ich bin ganz sicher, Bruder, dass es diese beiden sind, von denen die Prophezeiung sprach. Und den Grund wird Whetu dir sagen, denn es ist der Grund, der sie daran zweifeln lässt.«
Seine Schwägerin funkelte ihn zornig an. »Teramati, du weißt, ich zweifle in der Regel nicht an irgendetwas, was dein Bruder sehen kann, er ist darin einer der begabtesten Schamanen, die ich je kennengelernt habe! Aber diese beiden Fremden haben eine seltsame Aura. Es ist keine menschliche Aura. Und sie wird dazu noch schwächer. Falls es wirklich so ist, wie Tamati sagt, und eigentlich zweifle ich auch nicht daran, dass es sich so verhält, ist ihre Aura leider nichts wert.«
Tamati lachte mit einem Mal dröhnend. »Die schwache Aura ist genau das, was uns nützen wird. Denn diese Wesen waren einst unsterblich, seht ihr das nicht? Das sind sie nicht mehr, da hat Whetu absolut Recht. Und das ist genau der Köder, den wir zu unserem Zweck verwenden werden. Sie sind durch das hierher geraten, was die pakeha Zufall nennen. Aber ich wette mit euch, es ist etwas Magisches gewesen, das sie hergebracht hat, etwas, das der anderen Welt angehört. Puauta! Nur diese beiden können es betreten. Und nur diese beiden haben die Kraft, Hine-nui-te po zu besiegen!«