Читать книгу Auswirkungen des Spendensystems der DDR auf das Spendenverhalten in Ostdeutschland heute - - Susanne Tharun - Страница 5
1.2 Die Bundesrepublik Deutschland bis zur Wiedervereinigung
Оглавление1.2.1 Geschichte und Politisches System
Der hier beschriebene kurze Überblick dient zur Erläuterung möglicher Parallelen oder auch Gegensätze zur Geschichte der DDR. Im Zentrum der Ausführungen stehen Sozialisation und finanzielle Voraussetzungen der Bürger als Hinleitung zum Spendenverhalten heute.
Eine Kriegsfolge war die Inflation. Ihr begegnete man in der westlichen Besatzungszone mit der Währungsreform1 am 2. Juni 1948 (vgl. Pötzsch 1998: 63 ff). Mit Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister entschied man sich für die Einführung der sozialen Marktwirtschaft. „Wohlstand für alle“, auf Basis von Steuergesetzen und Gesetzen gegen Wettbewerbsbeschränkung zur Unterbindung von Machtkonzentration, so Pötzsch weiter (1998: 91 ff), also basierend auf einem Ordnungssystem, was nicht auf staatlich geplante und gelenkte Zentralverwaltungswirtschaft, wie in den kommunistischen Staaten üblich, aufbaut (vgl. Sontheimer/Bleek 1997: 121).
Zeitgleich mit der Währungsreform verabschiedete der amerikanische Außenminister George C. Marshall ein internationales Hilfsprogramm, den Marshallplan. Um ein wirtschaftlich und politisch stabiles Europa zu sichern, musste die westdeutsche Wirtschaft florieren. Von 1948 bis 1952 erhielt Westdeutschland einen Kredit sowie Hilfslieferungen. Später einigte man sich auf eine teilweise Tilgung des Kredites. Der Marshallplan war nicht nur das Ticket zurück in die Staatengemeinschaft und auf den Weltmarkt, er war, wenn auch wissenschaftlich nicht belegt, eine Zutat für das „Wirtschaftswunder“ (Pötzsch 1998: 51 f).
Am 23. Mai 19492 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet (Pötzsch 1998: 80 ff). Mit Ende der 1950er Jahre wuchsen die Spannungen zwischen Ost und West. Infolgedessen begann am 13. August 1961 der Bau der Mauer sowie die Errichtung der Grenze. Die Auswirkungen waren weitreichend (Hüttmann 2012: 19 f).
Die Betrachtung der Einkommenssituation mit Gründung der BRD zeigt, dass der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer 1949 mit monatlich rund 237 Deutsche Mark anfangs weniger als sein „Kollege“ im Osten verdiente. Bis zur Wiedervereinigung stiegen die Durchschnittseinkommen im Westen auf 3.340 DM erheblich an (Statista GmbH 1990). In der DDR lag 1989 das Durchschnittseinkommen bei 1.300 Mark der DDR.
1.2.2 Entstehung des Spendenwesens der BRD als Grundlage des heutigen Fundraisings
Wichtige Voraussetzungen für das Spendenwesen schaffte die bundesdeutsche Sozialpolitik. Die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden3, die Wettbewerbsbeschränkung4 oder werbewirksame Beteiligung durch Politiker bei Spendenaufrufen waren nur einige staatlich gelenkte Einflüsse (Lingelbach 2009: 80). So förderten sie als Schirmherren5 das Spendenwesen und brachten damit bestimmten Organisationen einen Wettbewerbsvorteil. Beworbene Einrichtungen waren freie Wohlfahrtsverbände, der Deutsche Ausschuss für den Kampf gegen den Hunger oder das Müttergenesungswerk. Besonders ragte 1958 die politische Unterstützung für das Kuratorium Unteilbares Deutschland heraus.6 (ebd. 104 ff).
Mit den beginnenden 1950er Jahren wuchs das staatliche Interesse an nichtstaatlichen Spendenaktivitäten7. Staatliche Etats wurden entlastet, den Spitzenverbänden (AWO, Caritas, Parität DRK, Diakonie, ZWST.) wurde eine besondere Stellung zugebilligt und das sozialmoralische Milieu gestärkt. Die Beeinflussung des Spendenmarktes durch staatliche Instanzen bestand nicht zuletzt in der Sozialpolitik an sich und an Finanztransfers an bestimmte Wohltätigkeitsorganisationen (Lingelbach 2009: 79 f).
Mithilfe von Steuervergünstigungen förderte oder beeinflusste der Staat die Spendentätigkeit. Das Einkommens- und auch das Körperschaftssteuergesetz sahen für Spenden, Zuwendungen und Mitgliedsbeiträge Steuervergünstigungen bis zu einer Höchstgrenze von 5 Prozent des steuerpflichtigen Einkommens vor. Die steuerbegünstigten Sammler waren ab 1949 klar definiert. Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, Fürsorge für Verfolgte, Flüchtlinge, Vertriebene und Kriegsopfer, Rettung aus Lebensgefahr, Förderung des Sports, der Kunst und der internationalen Verständigung waren die begünstigten Zwecke (Lingelbach 2009: 103).
Die Einführung sozialer Sicherungssysteme ließen bei der Bevölkerung den Schluss zu, dass es kaum noch Bedürftige gäbe und diese durch Steuer- und Versicherungszahlungen unterstützt würden. Die Spender wandten ihre Unterstützung folglich anderen Zwecken, wie Natur- und Umweltschutz und der Unterstützung ausländischer Bedürftiger, zu. Mit Verabschiedung des Bundessozialhilfe- und des Jugendwohlfahrtgesetzes 1961 erlangte das Subsidiaritätsprinzip in der sozialen Arbeit wieder (Wie in der Weimarer Republik (ebd.).) an Bedeutung. Der Staat überließ den freien Wohlfahrtsverbänden die Erledigung sozialer Dienste und unterstützte sie mit öffentlichen Mitteln. Die mittlerweile zu Dienstleistungsunternehmen herangewachsenen Verbände waren somit unabhängig von privaten Spendengeldern (Lingelbach 2009: 106 ff).
Brot für die Welt und Misereor hatten zur Aufgabe, notleidenden Menschen „Hilfe zur Selbst- hilfe“ zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten die dekolonialisierten Länder damit von dem Weg in den Kommunismus abgehalten werden. Beide Kollekten-Aktionen waren ein Meilenstein im bundesdeutschen Spendenmarkt, da sie die Bevölkerung zu nennenswerten Spendensummen animierten, indem der Spendenzweck akzeptiert und die Träger als seriös anerkannt waren. Lingelbach stellt als bedeutende Wettbewerbsvorteile der Kirchen die Möglichkeit der Sammlung im Rahmen der Gottesdienste heraus. Zudem genießen die Kirchen ein Grundvertrauen was auch trotz Entkirchlichung ab den 1960er Jahren den Spendenzulauf anwachsen lies (Lingelbach 2009: 136 f).
Hilfen für Länder der Dritten Welt brachten Interessenskonflikte und Machtkämpfe innerhalb bestimmter Länder mit sich. Engagement für ethnisch und religiös geteilte Gebiete, Kriegsregionen, ehemalige Kolonialgebiete und Länder, jenseits des Eisernen Vorhangs, konnten einer Instrumentalisierung nicht entgehen9. Die Politisierung der bundesdeutschen Spendenaktionen wirkte sich Ende der 1960er Jahre auf das Spendenwesen aus und bewirkte in den 1970er Jahren einen Zuwachs an Parteimitgliedern und bei der Wahlbeteiligung (Vgl. hierzu: Knoch (2007: 9 ff).) Das politische Interesse der Bevölkerung wuchs. Auch kirchliche Organisationen agierten politischer und thematisierten Menschenrechte als „Gottesrechte“. (Lingelbach 2009: 304 f).
Die wachsende Politisierung brachte neue Organisationen hervor. In den späten 1960er und 1970er Jahren entstanden, oft lokalen Ursprungs, Organisationen mit politischen Spenden- zwecken. Diese Gruppen erhofften sich eine strikte Reform der Entwicklungshilfepolitik10. Brot für die Welt wurde vorgeworfen, nur die Symptome der Armut nicht die Ursachen zu bekämpfen und nur die revolutionären Kräfte zu unterstützen. Den konfessionellen Organisationen schlug Skepsis der Bevölkerung entgegen, da die Missionsarbeit als Politisierung im Sinne der westlichen Kapitalisierung gedeutet wurde (Lingelbach 2009: 306 f).
In den 1980er Jahren prägte die staatliche Entwicklungspolitik ein wirtschaftliches Interesse aus. Die staatliche Förderung der NRO wuchs schneller als die Spendeneinnahmen. Mit der Aufforderung an die NRO sich aktiv an der entwicklungspolitischen Arbeit zu beteiligen, war die Hoffnung an die Entwicklung des Dritten Sektor unübersehbar (Olejniczak 1999: 141).
1.2.2.1 Rolle der Medien
Die Medien spielen eine maßgebliche Rolle für das Spendenwesen. Aus Sicht der Organisationen fungieren sie nicht nur als Türöffner, sie können auch durch kritische Berichte das Gegenteil bewirken. Der potenzielle Spender kann sich wiederum über Notstände und die Seriosität von NRO informieren, um eine Entscheidung zu treffen (Lingelbach 2009: 22 f).
Kritische Berichte, etwa wegen Veruntreuung der Spendengelder und zu hohen Verwaltungskosten, warnten die Spender. Zahlenmäßig waren die Negativberichte überschaubar und kaum gegen die Wohlfahrtsverbände gerichtet. Dies stellte wiederum einen Wettbewerbsvorteil für die Wohlfahrtsverbände dar (Lingelbach 2009: 209 f).
Mit der Liberalisierung des Spendenmarktes und Aufhebung des bundesdeutschen Sammlungsgesetzes erstarkte der Einfluss der Medien. In den auslaufenden 1960er Jahren er- langten die Medien einen, den Spendenmarkt regulierenden Einfluss. Die Werbung in den Medien, wie Berichterstattungen oder Anzeigen, waren für den Bekanntheitsgrad aus- schlaggebend. Aus dem Schatten der Wohlfahrtsverbände traten in den Medien teils junge Organisationen11 mit Spendenaufforderungen hervor. Auch die Fernsehberichterstattung er- reichte immer mehr Menschen. Schockbilder aus Katastrophen- oder Krisengebieten in den Printmedien bewirkten einen intensiveren Hilfsimpuls. Direkte Nennung einer Organisation in Bezug auf Unglücke multiplizierte das Spendenaufkommen (Lingelbach 2009: 276 f).
Die Medien, zunehmend auch die sozialen Netzwerke, bringen die Katastrophen-Meldungen sehr nah an den Rezipienten und erzielen mit ihren Bildern Ohnmacht und Mitleid. Herausforderung für Berichterstatter und Redakteure ist der Brückenschlag zwischen Aufklärungspflicht12 und Wecken emotionaler Betroffenheit. Sie tragen die Verantwortung für die Auswahl der zu übermittelnden Informationen (Moke/Rüther 2013: 171 ff).