Читать книгу Auswirkungen des Spendensystems der DDR auf das Spendenverhalten in Ostdeutschland heute - - Susanne Tharun - Страница 7
Оглавление„Nach der eigenen Definition einer ‚sozialistischen Außenpolitik‘ trug diese einen „zutiefst internationalistischen, revolutionären und friedliebenden Charakter. […] Die „sozialistische Außenpolitik“ wurde zudem vom „Klassencharakter des sozialistischen Staates und der
„marxistisch-leninistischen Partei“ geprägt.“ (Storkmann 2008: 133). (Vgl.: IIB (1982: 20 f).)
In den Akten des Solidaritätskomitees selbst sind keine Hinweise auf die eigene aktive Beteiligung bei Waffenlieferungen zu finden, so Storkmann (2012:151). Er führt weiter aus, dass das Parteiarchiv die Beweisprotokolle aufbewahrt. Hierin sind ab 1972 Beschlüsse zu nichtzivilen Waffen- und Munitionslieferungen, beispielsweise nach Mosambik, Angola aber auch nach Guinea, die das Solidaritätskomitee beauftragt hat, zu finden. Über diese Lieferungen hinaus finanzierte das Solidaritätskomitee auch Ausbildungskosten ausländischer Militärs bei der NVA (Storkmann 2012: 152). (Vgl.: SAPMO-BArch, DY 30/J IV2/3A/2148.) Dennoch öffnete man sich in einer Politbürositzung im Januar 1967 mit Beschluss, den Waffenlieferungen für afrikanische Befreiungsbewegungen offen zu begegnen. „Galt bis dato generelle Zurückhaltung, waren solche Lieferungen nunmehr nicht nur erlaubt, sondern wurden als Akt der ‚tätigen Solidarität‘ mit dem Kampf der afrikanischen Völker ausdrücklich gutgeheißen.“ (DY 30/J IV 2/2A//1093).
In den Jahren ab 1974 stiegen die Unterstützungs-Forderungen der Dritten Welt (Storkmann 2008: 135 ff). Erich Honecker, seit 1976 Generalsekretär des ZK der SED, machte sich diese Angelegenheit zur Chefsache und willigte sämtlichen Forderungen ein. In einem Gespräch 1982, mit dem damaligen PLO-Chef Yassir Arafat gestand er ein, dass die Rüstungslieferungen der DDR nicht in gewünschtem Maße erfolgen können (ebd. 137). Honecker weiter:
„Man berichtet heute in der Westpresse sowieso schon sehr viel über unsere militärischen Vereinbarungen. Es tut mir leid, dass wir nicht so viel helfen können, wie man dort schreibt.“ (SAPMO-BArch, DY 30/2499, Bl. 79f). Die DDR unterstützte mit militärischer Hilfe die Dritte Welt zwischen 1965 und 1989 in Höhe von 950 Millionen Mark, so meldete es das MfAV 1990 dem BMVtg (vgl. Storkmann 2008: 132). Er weist darauf hin, dass die kostenlosen, als „Geschenk“ bezeichneten Lieferungen in enger Absprache mit dem Ministerrat der UdSSR abliefen, insbesondere wenn diese sowjetischer Bauart waren (ebd. 157).
Waffenlieferungen waren nicht allein für die DDR ein außenpolitisch wirksames Instrument. Auch in anderen Ost- und Westblock-Ländern war dies gängige Praxis (vgl. Storkmann 2012: 545 f). Unter Berücksichtigung der Verwendung von Spendengeldern der DDR-Bürger
wird in dieser Arbeit auf die Ideologie verwiesen. Storkmann zeigt auf, dass nicht auffindbare Akten und damit weitere fehlende Belege die Überzeugung der Entscheidungsträger in Partei und Armee nicht ungeschehen machen (vgl. 2012: 567f; 588 f). Einmal mehr hat der ostdeutsche Staat mit Waffenlieferungen an beide Seiten, beispielsweise im Golfkrieg „Schuld auf sich geladen“. Aus ökonomischen Gründen kann dies kaum erklärt werden (Storkmann 2012: 579 f). „Die DDR agierte sowohl mit Pragmatismus als auch mit Ideologie. Es gab sowohl Kommerz als auch Solidarität.“ (ebd.).
Die Betrachtung der „Geheimen Solidarität“ und damit die Betrachtung von Waffenlieferungen in Spannungsgebiete, in Bürgerkriegsregionen, dient nicht dem Selbstzweck, sondern versucht negative Ausläufer von sozialistisch geprägter Solidarität zu benennen.
1.3.2.2 „Brot für die Welt“
1957 wurde Brot für die Welt durch die evangelische Kirche zonenübergreifend gegründet. In Folge des Mauerbaus bildete die ostdeutsche Landeskirche in eigener Trägerschaft eine ostdeutsche Sektion aus. 1971 wurden der Facharbeitskreis Ökumenische Diakonie und der Bund der Evangelischen Kirchen ins Leben gerufen. Der Facharbeitskreis und Brot für die Welt unterhielten Kontakte zu Einrichtungen im Ausland mit entwicklungspolitischer Relevanz. Der Kontakt zur westdeutschen Schwesterkirche behielt ebenso Bestand, wie der Kontakt zwischen der West- und Ostsektion von Brot für die Welt. (Verburg 2012: 36 f).
Die Evangelische Kirche der DDR initiierte hauptsächlich Spendensammlungen für Hilfebedürftige in Afrika, Asien und Lateinamerika. Die Spendengelder wurden, so Verburg, an das Solidaritätskomitee weitergeben. Auf Empfehlung des Facharbeitskreises Ökumenische Diakonie wurde von 1971 bis in die 1980-er Jahre für Brot für die Welt zu Sonderkollekten aufgerufen (Verburg 2012: 38 f).
Eigene Initiativen sowie die Entsendung von Kirchenvertretern wurde bis Mitte der 1980er Jahre durch den Staat unterbunden. In der Folge durften einzelne, für den Staat relevante kirchliche Projekte in den Ländern verwirklicht werden. Hauptmotiv aller Aktivitäten war das der christlichen Nächstenliebe innewohnende Gebot der Linderung von Armut (Verburg 2012: 38 f).
Werbeaktionen konnten ausschließlich unter dem Dach der Kirche realisiert werden, da es keine Werbemittel für kirchliche Sammlungen gab. Bürger, die für nichtstaatliche Anliegen spenden wollten, fanden bei Brot für die Welt eine Alternative (ebd.).
1.3.2.3 „Eine Mark für Espenhain70“
Nach dem Verbot einer Unterschriftenaktion, als Protest gegen die Umweltbelastungen, durch das „Christliche Umweltseminar Rötha“, starteten Aktivisten im Juni 1988 eine Listensammlung. „Eine Mark für Espenhain – ein Protest bekommt Flügel“ sammelte pro Bürger eine Mark gegen Quittung ein und kombinierte so die verbotene Unterschriftenaktion mit der Listensammlung. Die eingenommenen Spendengelder sollten an die Betriebsleitung des Braunkohlewerks Espenhain gehen, um Umweltbelastungen zu reduzieren. Bis März 1989 kamen 13.000 Mark der DDR zusammen, insgesamt wurden 100.000 Mark der DDR gesammelt. Mit der Wende wurde auch das Braunkohlewerk geschlossen und die verbliebenen 75.000 DM bildeten den Grundstock für die „Zukunftsstiftung Südraum Leipzig“ (Daberstiel 2015).
1.3.2.4 INKOTA
Mangelndes entwicklungspolitisches Engagement der Kirchen brachte im März 1971 evangelische und katholische Studenten zu einem Treffen in Halle. Mangels Struktur beschloss man bei der folgenden Versammlung71 im Mai die Gründung der Initiative „INformation, KOordination, TAgungen. Aufgabe war Einzelmaßnahmen und Gruppenaktivitäten zu koordinieren sowie kirchliche Institutionen für die Not der Dritten Welt zu sensibilisieren (Olejniczak 1999: 212 f). Laut Letz entstand mit INKOTA die erste größere und weltliche NRO, trotz organisatorischer Nähe zur Kirche (Letz 1994: 51 ff). Er schreibt INKOTA die Einleitung des Reformprozesses zugunsten kirchlich-karitativer und staatsoffizieller Solidaritätsangebote zu. Die basisdemokratische Arbeit erfolgte in selbständigen Gruppen, welche Aktionen vor Ort realisierten. Das Netzwerk hatte eine Sonderrolle eingenommen, da es nur wenige weitere Gruppen gab (ebd.). Ein wesentliches Leitmotiv von INKOTA war Transparenz, daher
wurden Spendeneingänge und deren Verwendung dokumentiert (Olejniczak 1999: 214 ff). Die Solidaritätsinitiativen konnten nur für Länder erfolgen, zu denen auch der Staat Beziehungen unterhielt. Die Abwicklung72 konnte nur über offizielle staatliche Stellen73 erfolgen. Dennoch lief die Zusammenarbeit mit dem Solidaritätskomitee nur technokratisch, nicht inhaltlich, da das Solidaritätskomitee wohl die Philosophie von INKOTA nicht begriffen hatte (ebd. 221).
Anlässlich des 40-jährigen Bestehens von INKOTA erscheint der INKOTA-Brief mit minimalen Angaben zum Spendenaufkommen. Beispielsweise spendete eine 1975 in Karl-Marx- Stadt gegründete Gruppe von Studierenden über die „Aktion 5“74. Es kommen von 1975 bis 1977 3.200 Mark für das Leprakrankenhaus Ifakara in Tansania zusammen. Auch Sach- spenden, wie Papier und Briefumschläge werden für die INKOTA-Briefe gesammelt. „Wir wissen von den im DDR-Maßstab recht bescheidenen Geldspenden.“ heißt es weiter. (IN- KOTA 2011).
Auf der Herbsttagung 1989 verabschiedeten die Anwesenden einen offenen Brief an über 100 Empfänger (Dazu zählten: MfAA, FDJ, SK (ebd.).) mit der Forderung: „In diesem Prozess des Umdenkens, der Neuorientierung und der Entwicklung möglicher Alternativen […] ein bald möglichstes, öffentliches Fo rum aller Verantwortlichen durchzuführen.“ (Verburg 2012: 97 f). Bei wiederholten Treffen der angeschriebenen Vertreter wurde beschlossen, einen Entwicklungspolitischen Runden Tisch ins Leben zu rufen (ebd.). Dieser ERT wiederum rief einen Untersuchungsausschuss ins Leben, welcher zu dem größeren Teil aus ehemaligen Staatsoffiziellen bestand. „Die Problematik einer Untersuchung, geleitet von Personen, die am Untersuchungsgegenstand selbst beteiligt und somit betroffen waren, war uns von Anfang an bewusst, nur wir wussten keinen Ausweg, noch hatten wir Überblick, Insiderkenntnisse, Zugang zu Zahlen, Fakten sowie Zeit.“75 (ebd. 108). Dennoch waren sich die Aktiven am ERT einig, die entwicklungspolitischen Programme im Sinne der Solidarität fortzuführen. Mit Bekanntwerden der Veruntreuung von 100.000.000 Mark der DDR Spendengelder des Solidaritätskomitees durch den FDGB im November 1989 war die Empörung groß. Proteste veranlassten den FDGB zur Zahlung einer Wiedergutmachung in Höhe von einer Million Mark auf das INKOTA-Konto76 (ebd. 109).