Читать книгу Weltretten für Anfänger - Susanne Frohlich - Страница 8
SO ISSES …
ОглавлениеAls ich erst für mich und dann für dieses Buch anfing, mich mit dem Zustand unseres Planeten zu befassen, fielen mir die Arztwitze ein, die mit dem Satz beginnen: „Wollen Sie zuerst die gute oder die schlechte Nachricht?“ Natürlich will man als Erstes die gute Nachricht hören … Die lautet: „Also, Sie haben noch zwei Tage zu leben.“ Und nein, der Arzt hat sich nicht in der Reihenfolge vertan. Denn die schlechte Nachricht klingt so: „Ich versuche, Sie schon seit vorgestern zu erreichen!“
So ungefähr sieht die Lage aus, in der wir uns befinden. Natürlich könnte man es weiterhin so genau gar nicht wissen wollen. Man könnte sich, wie kürzlich Donald Trump, seine Wetterkarte auch einfach selbst malen. Wäre durchaus legitim und letztlich ja Privatangelegenheit, ob man entspannt in einem brennenden Haus sitzen bleibt, weil ganz bestimmt irgendjemand vorbeikommen wird, um das Feuer zu löschen … Oder ob man schon mal den SUV verkauft oder weniger Fleisch isst oder den Einkauf im Textildiscounter streicht. Man könnte auch schlichtweg behaupten, es würde gar nicht brennen … Oder dass das Problem ganz einfach mit einer Klimaanlage zu beheben sei und man den Vorgarten planieren könne, weil dort eh nichts mehr wächst und man deshalb genauso gut einen Parkplatz draus machen kann.
Solange die Arktis nicht vor unserer Tür schmilzt, der Regenwald nicht um die Ecke brennt und die Kinder, die in den Kobaltminen im Kongo Nachschub für unsere Smartphone-Akkus fördern, nicht an unserer Haustür vorbei zur Sklavenarbeit gehen, ist es ja ohnehin ganz leicht, sich all die Notausgänge offenzuhalten, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben. Nämlich: Das ganze Gedöns ums Klima als Hysterie abzutun. Und zu glauben, dass diese eine Jeans, diese eine Avocado, diese eine Flugreise bestimmt wegen Geringfügigkeit unter dem Umweltradar durchfliegen. Oder wie es eine Bekannte nach einem Rundflug über ein Naturschutzgebiet in Kanada formulierte: „Ehrlich, ich verstehe die ganze Aufregung um die Kaffeekapseln nicht. Ist doch noch so viel Natur da!“
Ja, es war wirklich sehr nett von der Klimaerwärmung, der Vermüllung der Meere, dem Artensterben, den Sturmfluten, dem Gletschertod, sich irgendwo anders auszutoben. Das Gute am Schlimmen war ja, dass es nie dort stattfand, wo wir uns gerade aufhielten – und wir uns so für nichts verantwortlich zu fühlen brauchten, weil wir auch für nichts die Konsequenzen tragen mussten.
Aber jetzt ist langsam auch vor der eigenen Haustür Schluss mit lustig: Morgens singen kaum noch Vögel, die Sommer sind so heiß, dass man es nur noch in der abgedunkelten Wohnung aushält, und nicht mal mehr drei Tage kann man wegfahren, ohne den Schrebergarten unversorgt zu lassen, weil sonst alles vertrocknet. Kein Tag vergeht, in dem nicht in den Zeitungen oder im Fernsehen über eine weitere Umwelttragödie berichtet wird. Manchmal wünsche ich mir dann schon, weiterhin ahnungslos vor mich hinleben zu können.
Andererseits bin ich auch froh, die Eckdaten der Katastrophen zu kennen, die sich allerorten anbahnen – um zu verstehen, dass Veränderungen alternativlos sind. Und zwar nicht nur die kleinen, sondern gleich auch die mittleren und großen. So seltsam es klingt, aber ich bin damit gleichzeitig David und Goliath. Weil ich zu den vielen gehöre, die sich weit mehr herausgenommen haben und herausnehmen, als ihnen zusteht und als die Natur, als unser Planet verträgt. Zumindest kann ich jetzt versuchen, etwas zu ändern und also auch David sein, der bei aller Aussichtslosigkeit es wenigstens probiert haben will. Denn eines habe ich verstanden: Es geht längst nicht mehr um Verzicht und darum, ob es zumutbar ist, die Bahn zu nehmen statt des Fliegers, und die Heizung etwas herunterzudrehen. Sondern darum, ob man die Zukunft des Planeten und die seiner Kinder gleich noch mit stornieren will. Deshalb an dieser Stelle am besten schon mal Taschentücher bereitlegen. Aus Stoff natürlich. Denn für die Herstellung der Papiervarianten werden viel Energie, Wasser und auch Chemie verbraucht, und das werden Sie spätestens nach der Lektüre der nächsten Absätze nicht mehr wollen.