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|7| Vorwort

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Wer sich mit den zentralen Werken der abendländischen Kirchenmusik beschäftigen will, kommt an der Geistlichen Chormusik von Heinrich Schütz nicht vorbei. Die 29 Kompositionen, die in diesem Kompendium enthalten sind, gelten in ihrer Gesamtheit nicht nur als das schönste Motettenwerk ihrer Zeit, sondern zählen zu den bedeutendsten Beiträgen zur protestantischen Kirchenmusik überhaupt.

Das erste Kapitel der vorliegenden Einführung bemüht sich um eine Einordnung dieses Werkes in seinen musikgeschichtlichen Kontext. 1648 in Dresden veröffentlicht, entstanden die Kompositionen dieser Sammlung in der Zeit eines tief greifenden Stilwandels, durch den die Gattung »Motette« zunehmend durch das generalbassbegleitete »Concert« verdrängt worden und eigentlich schon aus der Mode gekommen war. In der Geistlichen Chormusik legte Schütz nieder, was ihm überzeitlich erhaltenswert zu sein schien. Und indem er hierin demonstrierte, wie das tradierte Regelwerk der Satztechnik anzuwenden war, ist seine Sammlung ein Kompendium für kunstgerechtes Komponieren schlechthin.

Eine Glorifizierung des Alten intendierte Schütz damit freilich nicht. Ebenso wenig war dem Dresdner Hofkapellmeister daran gelegen, den Generalbass zu diskreditieren, den er selbst seit 1625 in jede seiner Kompositionen einbezogen hatte. Wichtig schien ihm nur, dass die Neuerungen in der Musik nicht zulasten ihrer qualitativen Substanz gingen und das kontrapunktische Regelwerk nicht relativierten oder gar außer Kraft setzten. Diese und andere Auffassungen erläuterte Schütz dem »günstigen Leser« seines inhaltsreichen Vorwortes mit Darlegungen zum Sinn und Zweck seiner Geistlichen Chormusik und dezidierten Vorschlägen zur Aufführungspraxis. Diesen Hinweisen nachzugehen und das Vorwort auf seine Inhalte im Einzelnen zu befragen, ist Gegenstand des zweiten Kapitels.

Kompositorisch sind die Motetten der Geistlichen Chormusik natürlich viel zu komplex, als dass sie auf einem Umfang von jeweils zwei bis drei Seiten erschöpfend zu analysieren wären. Kurze »Kommentare« im dritten Kapitel müssen genügen, um für jede Motette der Sammlung eine (erste) Orientierung zu bieten und womöglich zu helfen, Exemplarisches (schneller) aufzufinden.

|8| Die Motettentexte, die den jeweiligen Kommentaren vorangestellt sind, entsprechen der Versgliederung der Bibel. Die Werkbesprechungen selbst folgen dem Notentext, den Werner Breig für die »Neue Schütz-Ausgabe« (2 Bände, Kassel 2003 und 2006) erarbeitet hat und die mit einem Vorwort von Manfred Cordes und einer Continuo-Aussetzung von Antje Wissemann auch als Praktische Ausgabe erhältlich ist (2 Bände, Kassel 2012 und 2013). Im Sinne der besseren Lesbarkeit dieses Büchleins schien es in den Notenbeispielen mit nur einem System allerdings zweckmäßig, die Mensuralnotation (der Breigs Ausgabe verpflichtet ist) zugunsten von Taktstrichen aufzugeben und überhaupt von »Takten« zu sprechen. Die metrisch begrenzte Einheit von betonten und unbetonten Zählzeiten war bei Schütz schon viel stärker wirksam als noch in Werken der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts, weshalb schon Schütz’ Zeitgenossen »Taktstriche« in die gedruckten Exemplare nachgetragen haben. (Auch das Druckexemplar der Generalbass-Stimme der Geistlichen Chormusik hat bereits gliedernde »Taktstriche«.) Diesem Ziel der Vereinfachung dient auch die heute übliche Schreibweise des Titels von Schütz’ Sammlung und die Bezeichnung der Vokalpartien mit den heutigen Stimmlagen eines Chores, anstatt korrekterweise von »Geistlicher Chor-Music« bzw. von »Cantus«, »Quintus« usw. zu sprechen, wie Breig dies in der »Neuen Schütz-Ausgabe« selbstverständlich tut.

Die Rezeptionsgeschichte der Geistlichen Chormusik reicht weit zurück: Schon Schütz’ Zeitgenossen nahmen sich an dieser Sammlung ein Beispiel; mit ihr wurde Schütz Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt, und bis heute gehört sie – zumindest ausschnitthaft – zu seinen am häufigsten aufgeführten Werken. Der Vorbildcharakter dieses Kompendiums lässt sich nicht zuletzt aus dem Umstand ersehen, dass um die Wende zum 20. Jahrhundert bedeutende Komponisten im Umfeld der kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung den Werktitel Geistliche Chormusik für eigene Motettensammlungen adaptierten.

Die Übertragung von Schütz’ »Vorrede« in heutiges Deutsch am Ende dieses Buches ist der wiederholten Seminar-Erfahrung des Autors geschuldet, Kirchenmusikstudierende mit der Bitte um eine Paraphrasierung der Inhalte schlicht überfordert zu haben. Kundigen Lesern mag die Idee einer »Übersetzung« redundant erscheinen – sie seien um Nachsicht gebeten.

Bekundungen eines herzlichen Dankes sind dem Autor ein dringendes Bedürfnis: Danke an Professor Dr. Klaus Hofmann und Professor Dr. Matthias Schneider für ihre kritische Lektüre des Manuskripts und ihre |9| vielen guten Ideen zur inhaltlichen und sprachlichen Optimierung, danke auch an Hendrik Dochhorn M. A. für seine profunden Stellungnahmen zu »Stil«-Fragen. Danke an Dorothea Willerding für die ansprechende Gestaltung des Buches und an Dr. Daniel Lettgen für seine aufmerksame Textkorrektur. Danke nicht zuletzt an Dr. Jutta Schmoll-Barthel, die die Entstehung dieses Büchleins von Anfang an kritisch begleitet hat. Von ihrem Gespür für das schönere Wort, die genauere Beschreibung, die treffendere Formulierung profitierte mein Text in höherem Maße, als es der Dank für ihr einfühlsames Lektorat auszudrücken vermag.

Hamburg, im Sommer 2015

Sven Hiemke

Heinrich Schütz. Geistliche Chormusik

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