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5. Du und ich sind wir

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In dieser Phase, nach all den vorangegangenen Kämpfen, sind die Liebenden in der Lage, eine ausgewogene Balance zwischen den Bedürfnissen nach Geborgenheit und Bindung sowie dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit zu leben. Jeder ist sich seiner selbst sicherer und die Beziehung kann nun zu dem Zufluchtsort werden, für die man sie zu Beginn der Liebe gehalten hat.

Toni: Das bedeutet doch im Grunde, entweder ich lerne seine Andersartigkeit zu akzeptieren oder es geht nicht?

Wenn es zu viel gibt, was dich stört und womit du nicht leben kannst, also zu wenig von dem, was dich anzieht, passt es in der Tat manchmal einfach nicht. Deshalb gibt es viele Trennungen bereits nach zwei bis drei Jahren. Und man darf den Tanz um die Nähe-Distanz- Themen nicht vergessen. Die müssen erst mal getanzt werden.

Wenn ich an ein befreundetes Paar denke, sie sind sechs Jahre zusammen, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass sie diese Phasen durchgemacht haben. Sie wirken super harmonisch. Da gab und gibt es keine Vorwürfe. Niemals!

Wir reden ja über Paartherapie. Paare, die sich arrangieren und einrichten in welcher Phase auch immer, werden wir in der Praxis nie sehen. Wo keine Not ist, gibt es keinen Auftrag für uns. Aber eine andere neugierige Frage: Wie findest du deine Freunde in ihrer harmonischen Beziehung?

Sie machen mich oft eine Spur aggressiv.

Da kannst du mal davon ausgehen, dass es auch bei ihnen eine Spur von Aggressionen gibt. Gut gedeckelt. Wahrscheinlich mit viel Angst davor, dass der Deckel hochgehen könnte. Zumindest sind die Gefühle in der Gegenübertragung bei dir da, die alten Gefühle (hier: Aggression) werden in aktuellen Beziehungen oft reaktiviert. Nicht nur in Beziehungen zwischen Therapeuten und Klienten, das ist auch bei anderen Kontakten möglich.

Sie kommen beide aus ziemlich wüsten Elternhäusern und wollen es auf keinen Fall so haben wie früher bei ihren Eltern. Laut, dramatisch, Türenknallen, stundenlanges Anschreien, bis einer das Haus verlässt. Aggressiv. Sie haben sich also das Gegenteil gesucht.

Hypothesen, Hypothesen. Und dennoch, trotz aller Sehnsucht nach Harmonie bekommen die beiden ihre alten Themen in einem anderen Kleid geschenkt. Die Aggressionen sind zwar nicht sichtbar, dennoch scheinen sie da zu sein.

Das heißt, sie müssten lernen, dass es zwischen bedrohlicher Aggression und deckelnder Harmonie noch ziemlich viel dazwischen gibt. Ich schick sie mal zu dir.

Mit Schicken wirst du nicht weit kommen. Das Nichtgesagte, das Ausgeblendete wird sich irgendwann einen Weg suchen. Einer von beiden wird vielleicht explodieren. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht und sie schaffen es noch viele Jahre, ihre Themen wegzudrücken. Aber alles, was wir hier reden, ist hypothetisch. Könnte so sein oder auch ganz anders.

Hypothesen sind oft so hilfreich. Ich kann alles, was in mir auftaucht, als Hypothese formulieren und zur Verfügung stellen. Kann es sein, dass …

Genau, du kannst erst mal alles, was du denkst, zur Verfügung stellen und anschließend müssen die Hypothesen geprüft werden. Wenn sie etwas taugen, wird die Spur weiterverfolgt, wenn sie nichts taugen, fliegen sie über Bord. Und ob sie etwas taugen, wird das Paar entscheiden, nicht wir. Selbst wenn wir zutiefst davon überzeugt sind, dass unsere Hypothese stimmt. Wir müssen sie wieder loslassen, gedanklich flexibel bleiben und mit dem Paar schwingen.

Okay, soweit verstanden. Machen wir weiter. Ich habe eine erste Frage.

Eure Liebe

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