Читать книгу Eure Liebe - Sylke Richter - Страница 20
Einzelstunden vorab?
ОглавлениеToni: Manchmal fragen Klienten ja direkt am Telefon nach, ob sie schon ein bisschen was erzählen sollen oder ob ich vor dem Beginn etwas wissen müsse. Oder auch, ob ich vorab, bevor es losgeht, mit jedem einen Einzeltermin verabrede. Wie mach ich das am besten?
Wenn man noch unerfahren ist, neigt man dazu, sich viel erzählen zu lassen. Getreu dem Motto »Viel hilft viel« und es schadet natürlich überhaupt nichts. Viele Kollegen arbeiten erfolgreich mit ausführlichen Anamnesebögen. Du musst herausfinden, was dir ein gutes, sicheres Gefühl gibt.
Mir reichen inzwischen die Informationen aus, wie lange sie ein Paar sind, ob sie zusammenleben oder jeder im eigenen Wohnraum, ob es Kinder gibt, wer noch zum Leben gehört. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich alles Relevante in den ersten Minuten, wenn alle zusammensitzen, zeigen wird.
»Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte, bevor wir starten?«, ist eine meiner typischen Anfangsfragen.
Heißt das, du bietest keine Einzeltermine vorher an?
Nein, ich biete keine Einzeltermine vor dem eigentlichen Termin an, da ich darin weder für das Paar noch für mich einen Mehrwert sehe. Ich weiß aber, dass die Kollegen da sehr unterschiedlicher Meinung sind. Einige bieten standardmäßig Einzelstunden vorab an, andere tun es nur ab und zu, wenn sie das Gefühl haben, sich einen ersten Überblick verschaffen zu müssen, wieder andere verzichten ganz darauf. Da muss wohl jeder seinen eigenen Weg finden.
Gerade habe ich wieder so eine Anfrage von zwei Frauen. Die eine, die mich angeschrieben und nach einem Termin für beide gefragt hat, bittet mich vorab um ein Telefongespräch. Nur sie und ich. Ich schreibe ihr, dass ich es so handhabe, mit beiden gleichzeitig zu starten und begründe es auch:
•gleicher Wissensstand für uns drei
•keine Zweierbündnisse mit der Therapeutin
•keine Geheimnisse
•Transparenz als oberstes Gebot.
Sind die Anrufer dann nicht enttäuscht, dass du gar nichts wissen willst?
Ich erkläre hoffentlich gut, dass ich keinen Wissensvorsprung möchte und nicht schon über die Themen reden, wenn die Partnerin oder der Partner nicht dabei ist. Und ich stelle auch die Frage, wie es für sie wäre (die Frau, mit der ich gerade rede), wenn es umgedreht wäre. Ihre Partnerin würde mir am Telefon schon lang und breit ihre Sicht der Dinge erklären und mit diesem Halbwissen würde ich dann in den ersten Kontakt gehen. Meistens reicht das Beispiel, um sich einfühlen zu können. Hilfreich ist auch, darauf zu verweisen, dass es um ihre Beziehung geht, nicht um die andere Person.
Falls ich dennoch das Gefühl habe, meine Gesprächspartnerin ist enttäuscht, lasse ich mir wenigstens eine Überschrift geben. Ungefähr so: »Wenn Ihre Konflikte eine Überschrift hätten, wie hieße die aus Ihrer Sicht?«
»Die Schöne und das Biest«, antwortete die Frau von neulich lachend und wie aus der Pistole geschossen.
Toni lässt nicht locker: Aber dann weißt du ja trotzdem schon ein bisschen mehr als die Partnerin.
Stimmt. Damit steige ich dann in die Live-Paarberatung ein, indem ich es wiederhole. Erkläre der Partnerin, dass ich am Telefon nach einer Überschrift ihrer Konflikte/Themen gefragt hätte und dass die Antwort »Die Schöne und das Biest« gewesen sei. Frage weiter, ob sie das ähnlich wie ihre Partnerin sieht, oder ob ihr Titel ein anderer wäre, und so habe ich wieder Gleichstand.
Und was hat sie gesagt?
Sie hat herzhaft gelacht und ihre Partnerin gefragt, ob sie in dem Bild die Schöne sei, und glaub mir, wenn du die beiden nebeneinander gesehen hättest, war sie definitiv nicht die Schönere, aber entwaffnend sympathisch. Keck hat sie den Titel verändert in »Das Schöne im Biest und das Biestige in der Schönen«. Ein wunderbarer Einstieg. Mit Bildern und Metaphern kann man sehr gut weiterarbeiten.