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5. Kapitel

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An einem der nächsten Tage kam ich in das Haupthaus und hörte, wie meine Tante sich in der Küche mit Luise stritt.

„Das ist sehr ungezogen von dir, und ich werde es nicht dulden. Zur Strafe gehst du bis Sonntag zu Tante Anna. Und kein Widerspruch, junges Fräulein“, wies meine Tante ihre Tochter zurecht. Beide hatte ich so noch nie gesehen. Luise murmelte leise etwas vor sich hin und kam mit einem wütenden Gesicht aus der Küche geschossen. Sie sah mich mit einem vorwurfsvollen Blick an, rannte an mir vorbei und war verschwunden.

„Habe ich ihr etwas getan?“, fragte ich meine Tante.

Die fuchtelte mit den Armen, verdrehte die Augen und schnaubte.: „Ach was. Die ist nur wieder störrisch wie ein alter Esel. Na, das werde ich ihr schon noch austreiben.“

Damit klatschte sie einen Haufen Bohnen, die sie wohl vorher im Garten geerntet hatte, in ein Sieb, wies mit einem Blick auf den Stuhl am Tisch, und als ich mich gehorsam gesetzt hatte, stellte sie ihn mir auf den Schoß und sah mich bestimmend an. Ich hatte jetzt die Bohnenschoten zu pellen.

Ich lachte in mich rein und begann mit der Arbeit.

„Du bist wirklich ganz anders als Mutter“, entfuhr es mir, und ich bereute es im gleichen Moment. Aber ich hatte es immerhin liebevoll gesagt.

Meine Tante schob sich energisch die Ärmel ihrer Bluse hoch, weil sie abwaschen wollte. „Pah, das wollen wir ja hoffen. Deine Mutter war das liebenswerteste Mädchen, das ich je gekannt habe, aber lebenstauglich war sie nun nicht gerade. Alles musste man ihr beibringen, und manches ging ihr einfach nicht von der Hand. Wenn ich es nicht gemacht hätte, oh je, oh je.“

Ihr Blick glitt in die Vergangenheit.

Im Handumdrehen begann sie aus ihrer Kindheit zu erzählen und was sie mit meiner Mutter alles erlebt hatte. Vieles davon hatte ich gar nicht gewusst, und immer wieder hielt ich erstaunt mit dem Pellen der Bohnenschoten inne und sah sie einfach nur an. Langsam begann ich meine Mutter in einem etwas anderen Licht zu sehen. Aber dafür liebte ich sie nur noch mehr.

Ich weiß nicht, ob eine Mutter wie Tante Sabinelotte gut für mich gewesen wäre. Eine Kostprobe, wie sie wohl auch sein konnte, hatte ich ja gerade eben bekommen.

Als Tante Sabinelotte begann, das Geschirr abzutrocknen, sah sie kurz zu mir herüber. „So, Kind. Und jetzt erzählst du mir alles aus der letzten Zeit mit deiner Mutter. Ich weiß zwar nicht, ob ich es hören will, aber sie war meine Schwester, und ich habe sie sehr geliebt.“

Also begann nun ich zu erzählen, und schnell liefen mir die Tränen über die Wangen. Es tat immer noch weh, aber meine Tante schonte mich nicht. Bald begann auch sie zu weinen und musste sich immer wieder die Nase mit ihrem Taschentuch putzen. Dabei wippten ihre Locken.

Zum Schluss, als es nichts mehr zu erzählen gab, sanken wir uns weinend in die Arme und hielten uns fest. Wir hatten beide den liebsten Menschen verloren, und das schweißte uns zusammen.

Dann putzte sie sich noch einmal lautstark die Nase und setzte sich mir gegenüber auf die Küchenbank vor dem großen Tisch.

„So, Kind. Jetzt aber Schluss mit der Sentimentalität. Wir müssen uns um die Lebenden kümmern.“

Dabei sah sie mich an und prüfte wohl, ob sie mir zumuten konnte, was es zu sagen gab.

„Was meinst du?“, fragte ich sie.

Noch einmal sah sie mich an. Einen Moment lang zögerte sie, aber dann brach es doch aus ihr heraus. „Dein Vater, Kind. Er gefällt mir überhaupt nicht. Ich wollte schon den Arzt holen, aber er will das nicht. Dein Onkel Hans spricht noch mal mit ihm. Von dem lässt er sich mehr sagen als von mir. Irgendwie können die sich verständigen. Ist mir zwar ein Rätsel, wie, aber manchmal sehen die sich nur an und kapieren, worum es geht.“

Das holte mich schlagartig aus den Gedanken an meine Mutter zurück. „Ja, es geht ihm irgendwie nicht besser. Was können wir nur tun?“ Ich bekam Angst, und meine Tante bemerkte das wohl.

Sie streichelte mir über die Wange und sagte ganz sanft: „Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen. Ich glaube, dass er manchmal Schmerzen hat. Hast du das auch gemerkt?“

Entgeistert sah ich sie an. „Nein.“

„Mhm. Am besten, wir bringen ihn morgen mal zu Doktor Müller. Das ist unser Hausarzt. Der kennt uns alle, seit wir Kinder sind. Ist zwar schon ein bisschen tattrig, aber wenn einer herausfinden kann, was dein Vater hat, dann er. Ich glaube, der kann sogar ganz gut Englisch. Wenn mich nicht alles täuscht, hat der in England studiert. Warum bin ich eigentlich nicht schon früher darauf gekommen, ich dumme Kuh?“, sprach sie zu sich selber. „Vielleicht kann Hans sich ja am Nachmittag freimachen. Bestimmt geht dein Vater lieber mit ihm hin als mit mir.“

„Aber ich kann doch mitgehen“, erwiderte ich ängstlich.

„Kommt nicht infrage. Ärzte sind nichts für so ein junges Ding wie dich.“ Ihr Blick duldete keinerlei Widerspruch.

Als ich in die Einliegerwohnung zurückkam, lag mein Vater wieder einmal auf dem Bett. Er schlief, und ich bemerkte erst jetzt, wie sehr er abgenommen hatte. Warum war mir das denn nicht früher aufgefallen? Meine Freiburgbegeisterung hatte mir wohl den Blick getrübt.

Würde ich ihn jetzt auch verlieren? Dieser Gedanke jagte mir eine gewaltige Angst ein.

Ich setzte mich zu ihm ans Bett.

Vater wachte davon auf und sah mich liebevoll aus seinen gütigen Augen an. „Liebling, hattest du einen schönen Tag?“, fragte er mich müde.

Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Ja, Vater, einen sehr schönen. Und du?“

„Ach, auch gut. Ich bin froh, dass wir hier sind. Deine Tante tut mir gut, und ich spüre eine Verbindung zu deiner Mutter. In manchem sind sie sich so ähnlich.“

Erstaunt sah ich ihn an, weil ich vorhin das Gegenteil gedacht hatte. Aber darüber wollte ich nicht mit ihm reden.

„Hast du Schmerzen?“, wollte ich von ihm wissen.

Zweifelnd sah er mich an. „Merkst du das?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Aber Tante Sabinelotte hat es gemerkt.“

Dazu sagte er nichts, sah aber aus wie jemand, den man bei einem Streich ertappt hat.

„Onkel Hans will morgen mit dir zu einem Arzt gehen, der die ganze Familie kennt.“

„So?“ Und dann schob er hinterher: „Na, vielleicht ist das eine ganz gute Idee. Wenn Hans dabei ist, gehe ich. Er ist wie ein Bruder für mich. Nur weiß er es nicht.“

Da musste ich dann doch lachen, weil ich an die Worte meiner Tante ein paar Minuten vorher dachte. „Vater, ich glaube, das empfindet er auch so. Manchmal ist das bei Menschen so. Das habe selbst ich schon kapiert. Vicky ist für mich auch wie eine Schwester, obwohl wir nicht verwandt sind.“ Und in Gedanken setzte ich hinzu: Und mit Luise, mit der ich verwandt bin, verbindet mich gar nichts. Das Leben ist schon komisch.

In den nächsten Tagen schien es Vater fast ein wenig besser zu gehen. Vielleicht war es ja doch nur die lange, anstrengende Reise gewesen. Dr. Müller wollte noch keine Diagnose stellen. Er zog einen befreundeten Arzt hinzu, und es standen noch einige Untersuchungen aus.

Vater saß wieder im Garten, aß mit Appetit, worüber Tante Sabinelotte mehr als glücklich war, und fing sogar an, ein paar Brocken Deutsch zu lernen. „Sonst kann ich euch ja gar nicht verstehen.“

Das beruhigte mich. Also konnte ich wieder an meine Wünsche denken. Nachdem ich die Stadt nun schon gut erkundet hatte, fiel mir ein, dass ich als Kind immer die alte Zeichnung der Burgruine von Zähringen fasziniert angeschaut hatte. Aus irgendeinem Grund hatte meine Mutter sie mitgebracht, interessierte sich aber nicht weiter dafür. Sie war mit ihrer Schwester einmal dort gewesen, hatte es aber als ziemlich langweilig erachtet und war deshalb niemals wieder hingegangen.

Als ich Tante Sabinelotte danach fragte, sah sie mich erstaunt an. „Die alte Burgruine? Was willst du denn da? Da ist doch kaum ein Stein auf dem anderen.“

„Ich habe schon als Kind davon geträumt. Mutter hatte diese alte Zeichnung, die sie mir schenkte und die ich immer wieder ansehen musste.“

„So? Verstehe ich nicht. Jedenfalls ist das zu weit. Zähringen ist ein Vorort, und von dort ist es ein Stück Wegs durch den Wald. Friedrich muss wieder zur Schule. Wer soll dich denn dahin begleiten?“ Sie sah mich an, als zweifle sie an meinem Verstand. Plötzlich musste sie lachen. „Na, da kommt doch mal wieder deine Mutter durch. Die hatte auch ständig so verrückte Ideen. Also, wenn Luise mitgeht, dann vielleicht. Aber versprochen ist es noch nicht!“

Mit nichts anderem hatte ich gerechnet, und da ich sie inzwischen schon ein wenig kannte, war ich fürs Erste ruhig. Aber auf jeden Fall würde ich Luise demnächst fragen, ob sie mich begleiten würde.

Da Friedrich nun wieder in die Schule musste, bekam ich die Erlaubnis, alleine in die Stadt zu gehen.

Das tat ich zunächst ein wenig zögerlich, aber als ich bemerkte, dass sich niemand groß an mir störte und auch andere junge Frauen allein unterwegs waren, entspannte ich mich. Ich ließ mich treiben, sah mir die Geschäfte an und verweilte immer wieder an einem der vielen Brunnen. Natürlich stöberte ich auch weiter alle Stände auf dem Markt durch.

In einem Antiquariat entdeckte ich ein altes Buch über das ausgestorbene Geschlecht der Zähringer. Ich begann interessiert darin zu blättern.

„Entschuldigung, Miss. Könnten Sie mir vielleicht helfen?“, sprach mich ein junger Mann von der Seite her an.

Erschrocken sah ich auf, weil ich sein Kommen nicht bemerkt hatte.

„Oh, sorry. Ich wollte Sie nicht erschrecken, verzeihen Sie mir. Ich dachte nur, vielleicht könnten Sie mir helfen. Ich bin Engländer, und mein Deutsch ist nicht so gut wie ich dachte.“

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Natürlich hatte ich schon ein paar junge Männer kennengelernt, wenn ich mit Friedrich durch die Stadt gegangen war. Irgendwo hatte ich das Gesicht des Mannes auch schon einmal gesehen, aber manchmal spielt uns da ja unser Gehirn einen Schabernack. Ich kam nicht darauf.

„Ja. Wobei kann ich helfen?“

Er lächelte erleichtert wie ein kleiner Junge und zeigte mir ein Buch, dessen Titel er nicht verstand. Ich versuchte, es ihm so gut ich konnte zu erklären und merkte dabei gar nicht, dass ich ins Englische verfiel.

Entzückt sah er auf. „Oh, Sie sprechen fließend englisch? Mit so einem Glück hätte ich ja nie gerechnet.“

Wir unterhielten uns weiter auf Englisch. Da wir beide eine tiefe Liebe zu Büchern teilten, gab es gleich viel zu erzählen.

„Ich werde dieses Buch kaufen. Haben Sie nicht Lust, noch einen Kaffee mit mir zu trinken, dort drüben in dem kleinen Café?“

Ich sah zum Schaufenster hinaus und erblickte ein kleines Caféhaus, das mir schon aufgefallen war und in das ich gerne einmal gegangen wäre. Aber Friedrich hatte nicht gewollt. „Ist doch nur was für alte Tanten“, hatte er gesagt, und allein hatte ich mich noch nicht getraut.

Mit einem Rest Zweifel sah ich ihn an. Aber dann überwog die Neugier auf das Café. „Warum nicht? Aber wenn die Dämmerung einsetzt, muss ich sofort zurück.“

Er lächelte beglückt.

Es war herrlich, in diesem Café zu sitzen und mit ihm zu reden.

Er war groß, hatte dunkle Haare und ebenmäßige Züge, obwohl man ihn wohl nicht als ausgesprochen attraktiven Mann bezeichnet hätte. Seine Stimme war sehr wohltuend, und ich fühlte mich von ihm in keiner Weise bedrängt. Er schien einfach nur froh zu sein, eine Landsmännin getroffen zu haben. Und um ehrlich zu sein, ich freute mich auch, wieder einmal mit einem Engländer zu reden.

Ein wenig schamhaft fragte er mich: „Vermissen Sie auch unseren Tee?“

Ich musste laut lachen. „Manchmal. Es gibt hier welchen. Aber die Deutschen trinken lieber Kaffee. Nur in Norddeutschland ist es fast ähnlich wie bei uns.“

Er lächelte. „Na ja, der Kaffee ist ja ausgezeichnet. Nicht wie unserer.“

Da mussten wir beide lachen, denn der englische Kaffee kann da wirklich nicht mithalten.

Plötzlich stutzte er. „Entschuldigung. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Robert Penderroy. Ich habe eine Bildungsreise durch Europa gemacht und komme aus Wien. Freiburg ist quasi eine Station auf meiner Rückreise.“

„Aus Wien?“, fragte ich sofort zurück. „Da muss ich auch unbedingt einmal hin.“

Aber sofort fiel mir meine gute Erziehung wieder ein.

„Oh, Verzeihung. Ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Margarethe Harper. Ich bin mit meinem Vater hier. Er hat übrigens denselben Vornamen wie Sie. Wir wohnen bei Verwandten, meine Mutter kam aus Freiburg.“

„Sie kam aus Freiburg?“

Ich wusste zuerst nicht, was er meinte. „Wie bitte?“

„Sie haben die Vergangenheitsform benutzt.“

„Oh.“ Jetzt verstand ich. „Sie ist gestorben. Eigentlich sind wir wegen ihr hierhergereist.“

Darüber kamen wir ins Gespräch über unsere Familien. Ich erfuhr, dass Roberts Vater ein Lord war und er den Titel erben würde, sobald sein Vater stürbe.

„Na, einen echten Lord habe ich bisher auch noch nicht kennengelernt.“ Ich lächelte ihn an.

„Es irritiert Sie hoffentlich nicht.“

„Aber nein, wieso denn? Ich finde Sie sehr nett. Das ist alles, was zählt.“

In diesem Moment bemerkte ich, dass es draußen schon langsam dämmerte. Wenn ich mich jetzt nicht ganz schnell auf den Weg machen würde, dann könnte ich mich auf ein Donnerwetter gefasst machen, am Ende noch mit Ausgehverbot.

„Ich muss gehen, ich musste versprechen, bei beginnender Dämmerung zu Hause zu sein.“ Entschuldigend stand ich auf und gab ihm die Hand zum Abschied.

Er nahm sie und sagte: „Ich lasse Sie aber nur gehen, wenn Sie mir versprechen, dass wir uns wiedersehen. Ich bleibe noch ein paar Tage in Freiburg.“

Sorglos lachte ich ihn an. „Ja, gerne. Morgen zur selben Zeit wieder hier?“

Er willigte ein und verbeugte sich leicht vor mir. „Kommen Sie gut nach Hause.“

Ich lächelte zum Abschied und machte mich schnell auf den Heimweg.

Wenn ich ehrlich zu mir war, dann musste ich mir eingestehen, dass ich richtig froh war, einen Landsmann getroffen zu haben. Engländer und Deutsche sind sich zwar durchaus ähnlich, aber die deutsche Seele ist doch in Teilen anders als unsere. Wo wir eher zurückhaltend und mit einer inneren Ruhe das Leben betrachten, wollen die Deutschen alles sofort dominieren. Sie preschen vor und sind dabei sehr emotional. Wir halten uns mit unseren Gefühlen eher zurück.

So ging ich beschwingt nach Hause und freute mich auf das Abendessen.

Tante Sabinelotte sah mich nur von der Seite an, als ich heimkam. „Na, junges Fräulein. Das war aber auf die letzte Sekunde.“

Ich fiel ihr lächelnd um den Hals und drückte sie fest.

So traf ich Robert noch öfter. Wir hatten uns immer etwas zu erzählen, und schnell nannten wir uns beim Vornamen. Wir waren ja auch fast gleichaltrig. Er liebte Freiburg so wie ich, obwohl er von Wien noch mehr schwärmte. „Aber die Stadt ist viel viel größer. Das kann man gar nicht mit Freiburg vergleichen.“

Ob er dort auch mit jungen Engländerinnen ins Gespräch gekommen war?

Nach ein paar Tagen erzählte ich auch meinem Vater und Tante Sabinelotte von Robert. Mein Vater schien erleichtert, sagte aber weiter nichts.

„Was?“, fragte Tante Sabinelotte schockiert. „Ein junger Mann?“ Mit einem vernichtenden Blick sah sie mich an. „Was will der von dir?“ Sie sagte das so, als wüsste sie schon ganz genau, was er von mir wollte.

Darüber musste ich lachen. Ich war also bereits zu ihrer Tochter geworden, über die sie wie eine Glucke wachte, und der sie am liebsten den Kontakt mit dem anderen Geschlecht gänzlich verbieten würde. Wahrscheinlich tat sie das mit Luise genauso.

Auf jeden Fall wurde beschlossen, Robert einmal zum Kaffee einzuladen, damit ihn alle begutachten konnten. Allen voran natürlich Tante Sabinelotte. Er würde zunächst keinen guten Stand haben. Aber wenn er sich ein wenig Mühe gab, würde er ihr Herz schon gewinnen. Da war ich mir sicher.

Luise fragte mich kurz darauf, ob ich in ihn verliebt sei.

Erstaunt sah ich sie an. „Verliebt? In Robert?“

Darüber musste ich erst einmal nachdenken.

„Äh, ich weiß nicht. Ich war noch nie verliebt. Aber ich glaube eher nicht. Ich bin gerne mit ihm zusammen, und wir haben gemeinsame Interessen.“

Sie sah mich mit einem etwas lauernden Blick an.

„Wie ist es denn, verliebt zu sein?“, wollte ich von ihr wissen.

Da entspannten sich ihre Züge plötzlich und wurden weich. Und plötzlich erzählte mir meine Cousine, von der ich bislang geglaubt hatte, dass sie mich nicht mögen würde und eifersüchtig auf mich sei, haarklein, wie es für ein junges Mädchen war, in einen Jungen verliebt zu sein.

„Das klingt ja, als würdest du aus Erfahrung sprechen.“

Sie wurde rot und wandte sich ab.

Ich musste lachen. „Luise, du wirst ja rot. Wie süß. Erzähl. Wer ist es? Habe ich ihn schon gesehen? Kennt deine Mutter ihn?“

Und sie fing tatsächlich an zu erzählen, dankbar, dass sie es endlich jemandem von der Familie berichten konnte.

Es war ein Junge aus Zähringen, den sie schon lange kannte, und zu dem sie gerade zarte Bande knüpfte. Wie schön das klang, und wie neidisch ich in diesem Moment auf sie war. An diesem Abend mochte ich sie sogar ein ganz klein wenig.

Als ich im Bett lag, überlegte ich, ob ich in Robert verliebt war. Aber all das, was Luise mir von sich selbst und ihren Freundinnen erzählt hatte, traf auf mich nicht zu. Also war ich nicht in Robert verliebt, sondern wollte ihn nur als Freund. Ich schlief erleichtert ein.

Das Schloss am Moor

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