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EINHIMMELWEITERUNTERSCHIED

ES GIBT KEIN SCHLECHTES WETTER,NUR SCHLECHTE VORBEREITUNG!

Sonja ahnt, warum es so viele Synonyme und Ausdrücke gibt, die den Regen beschreiben. Bisher hat es fast täglich auf eine andere Art geregnet. Mal tröpfelt es, dann strömt es. Und heute: Bindfäden augenscheinlich. So etwas hat sie noch nie gesehen. Dass es mal so richtig gießt, natürlich, aber das, was sich draußen vor den Fenstern der Redaktion abspielt, besitzt eine andere Dimension. Der Regen reißt nicht einmal mehr ab, bevor er auf die Erde trifft, er ähnelt wirklich vom Himmel aus gesponnenen Fäden. Fasziniert schaut sie zu. »Du siehst aus, als würdest du fernsehgucken. Habt ihr in Bayern keinen Regen?« Grietje schaut ihr neugierig über die Schulter.

Seit gut zwei Wochen wohnt Sonja jetzt in ihrem kleinen Häuschen in der Altstadt von Leer. Gestern hat sie alle Kartons ausgepackt, die Sachen verstaut und festgestellt, dass sie sich wirklich wohl fühlt. Sie mag die Backsteinhäuschen in Ostfriesland. Sie wirken sauberer als die verputzten Häuser in Süddeutschland, deren Fassaden schnell schmutzig werden. Die wenigen verputzten Bauten in der Leeraner Altstadt dagegen werden penibel in Schuss gehalten.

Mit Grietje versteht sich Sonja bisher am besten, was zum einen daran liegt, dass sie in etwa demselben Alter sind, zum anderen an ihrer direkten und herzlichen Art. Ihre Kollegin Nantje aus der Sportredaktion mag sie ebenfalls, mit ihr wird sie nur leider wenig zu tun haben, da sie gerade im siebten Monat schwanger ist und bald in den Mutterschutz geht. Ansonsten sind die Kollegen zwar nett, aber etwas wortkarger.

Sonja schaut über die Schulter zu Grietje. »Schwäbische Alb, wenn ich bitten darf. Das liegt in Baden-Württemberg, und dazwischen liegt ein himmelweiter Unterschied, genau wie zwischen dem Regen bei uns und bei euch. Der haut einen glatt aus den Socken.« Augenscheinlich hat der Wind gedreht, denn gerade in diesem Moment hämmert der Regen gegen die Scheibe. »Sieh dir das mal an.« Hätte sie nur nicht so lange aus dem Fenster geschaut und über den Regen sinniert. Das hätte ihr vielleicht den Termin mit der Anwohnerin erspart, deren Haus regelmäßig überschwemmt wird.

Zwanzig Minuten später steht sie samt neuen Stoffturnschuhen im Fehntjer Morast. Die Brille beschlagen, von allen Seiten durchnässt, versucht sie gegen Regen und Wind schreiend zwischen Sielacht und Anwohnerin zu vermitteln. Dass sie aber auch nicht dazulernt.

KLOOKSCHIETER: DIE SIELACHT

Ein Siel ist ein Gewässerdurchlass in einem Deich. Bei höherem Wasserspiegel steigt der Druck auf der Meerseite und der Vorfluter schließt sich. Steigt der Druck auf der Binnenseite, so öffnet er sich. Die Sielacht ist ein Wasser- und Bodenverband und hat die Aufgabe, mithilfe der Vorfluter Gebiete zu entwässern, um sie vor Überschwemmungen zu schützen. Dazu gehört auch, dass die Sielacht Siele baut und instand hält – ebenso wie die Entwässerungskanäle, die Ostfriesland durchziehen. In Marschgebieten wie Ostfriesland, das zusammen mit den Flächen auf niederländischer und dänischer Seite das größte Marschgebiet weltweit bildet, sind diese besonders wichtig. Noch dazu liegen Teile Ostfrieslands 2,5 Meter unter dem Meeresspiegel – ohne die Entwässerungsverbände wie die Sielacht wäre die Region unbewohnbar. Die Gebühren, die Ostfriesen für diese Arbeit entrichten müssen, zahlen die meisten deshalb klaglos.

»Ihr Kanal entwässert nicht mehr, er bewässert!« Die Anwohnerin ist außer sich. Wild gestikulierend steht sie am Ufer und zeigt auf das Entwässerungssystem. Sie rauft sich die Haare, stochert mit den Fingern in der Luft vor den Männern der Sielacht herum und schnauft. Ihr Grundstück sinke ab, die Mauern des Hauses seien freigelegt, dabei hätte all das die Altersvorsorge sein sollen.

Bewässert werde ich auch gerade, denkt Sonja. Nichts an ihr ist noch trocken, sie ist bis auf die Haut durchnässt. Wobei das in Anbetracht des Problems der Dame eher zweitrangig ist. Sie hat Mitleid. Dem Wetter scheint die Diskussion hingegen herzlich egal zu sein, es legt noch eine Schippe drauf. Um sie herum tanzt der Regen munter seine Pirouetten. Wenn es hier jeden Tag so gießt, wundert es sie eigentlich, dass das Haus überhaupt noch steht.

»Was sollen wir denn gegen den Niederschlag unternehmen, gute Frau?«, antwortet der Mitarbeiter der Sielacht. »Einen riesigen Regenschirm entfalten?« Zu allem Überfluss lacht er noch. Doch das ist der Tropfen, mit dem er das Fass zum Überlaufen bringt. Eine Einigung ist spätestens jetzt in weiter Ferne, genau wie die Klärung der Witterungsverhältnisse. Die Anwohnerin fuchtelt noch wilder mit den Händen in der Luft herum, während die Sielacht mauert.

Nachdem Sonja alle nötigen Informationen beisammenhat, verabschiedet sie sich mit Blick auf ihre ehemals beigefarbenen Wildlederschuhe und seufzt. Der Sielacht-Mitarbeiter folgt ihrem Blick und gibt ihr noch einen Spruch mit auf den Weg: »Es gibt kein schlechtes Wetter – nur schlechte Vorbereitung. Die können Sie wohl wegschmeißen.«

Sonja lächelt ihn schmallippig an. »Wieso geht dann das Haus hier unter, wäre das nicht eigentlich Ihr Job, die Vorbereitung?« Dann nickt sie der Frau zu und macht sich auf dem Weg zum Auto. So ein Hornochse. Auf die Idee, ihr seinen tollen Schirm zu leihen, ist er natürlich nicht gekommen.

Wat’n Mallöör

Der Norden: regnerisch, stürmisch, kalt. Denkt man ans Wetter in Ostfriesland, wird den wenigsten warm ums Herz. Doch was steckt eigentlich hinter dem Schlechtwetter-Mythos – ist es wirklich so schlimm?

Tatsächlich sind die Temperaturen durch die Lage an der Nordsee recht ausgeglichen, die Sommer warm, die Winter mild. So lagen die Sommertemperaturen der letzten Jahre gar über dem Bundesdurchschnitt. Trotzdem liegt auch die Niederschlagsmenge 100 Millimeter über dem Durchschnitt: Statistisch gesehen fallen im Laufe des Jahres rund 800 Millimeter Niederschlag. Im Landesinneren regnet es in den Sommermonaten Juni und Juli am meisten, auf den Inseln dafür erst im Herbst. Trotzdem ist es vor allem der Wind, der verglichen mit dem deutschen Durchschnitt häufiger und stärker weht. Deshalb gibt es in Ostfriesland auch häufiger Sturmgefahr.

Wer nun aber seinen Urlaub wegen schlechten Wetters abblasen möchte, trifft die falsche Entscheidung. Der Wind hat nämlich auch gute Seiten: Er sorgt für ständige Veränderung am Himmel – lange währt der Regen selten. Schnell treibt der Wind die Regenwolken davon. Außerdem stärkt das ostfriesische Reizklima das Immunsystem, nicht umsonst fahren Menschen mit Atemwegs- und Hauterkrankungen auf die Ostfriesischen Inseln. Die salzhaltige Luft wirkt zusammen mit den Temperaturschwankungen kleine Wunder. Und seien wir mal ehrlich: Was wäre Ostfriesland ohne die steife Brise, einen ordentlichen Regenschauer und die Schäfchenwolken am Himmel?

KLOOKSCHIETER: FÜNF GOLDENE SCHIETWEER-TIPPS

Natürlich hat der Mann von der Sielacht recht: In Ostfriesland gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Vorbereitung. Und so wappnen Sie sich:

 Gummistiefel. Auch wenn der Regen sich längst verzogen hat, der Boden bleibt nass, lassen Sie sich nicht täuschen. Durch die Marschlandschaft gleicht der Grund oftmals einem vollgesogenen Schwamm. Wildlederstiefel sind schön, aber schnell ruiniert. Besser Sie haben immer ein Paar Gummistiefel im Auto.

 Eine wasserfeste Jacke. Wenn der Regen kommt, kommt er von allen Seiten. Eine Regenjacke mit Kapuze ist da allemal angebracht. Am besten bringen Sie sich, wenn Sie schon einmal da sind, einen Ostfriesennerz mit. Dazu mehr im nächsten Kapitel.

 Zwiebellook. Vielleicht nicht unbedingt die schönste Art und Weise, sich zu kleiden, dafür aber die praktischste: Ziehen Sie sich so an, dass Sie einzelne Schichten bei Bedarf ablegen können. So schnell, wie der Regen kommt, verschwindet er manchmal auch wieder.

 Kein Regenschirm. Ein Schirm ist nur bei Windstille eine gute Idee, ansonsten in Ostfriesland bedingt zu empfehlen. Er fliegt Ihnen schneller davon, als Sie gucken können.

 Positiv denken. Bei höheren Temperaturen kann so ein schöner Sommerregen auch mal erfrischend sein: Arme ausstrecken, Nase in die Luft, einmal im Kreis drehen. Anderenfalls fluchen, Fersengas geben und ab zur Teetied. Wie sagt der Ostfriese so schön: Abwarten und Tee trinken. Bis der Tee getrunken ist, hat der Wind die Wolken bestimmt wieder gedreht.

Fettnäpfchenführer Ostfriesland

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