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2.6.5.3 Latein

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Latein ist die gemeinsame Basis und „Mutter“ der romanischen beziehungsweise europäischen Sprachen (vgl. Müller-Lancé 2012: 11). Stefan Kipf (2014) beispielsweise, führt aus, dass der Lateinunterricht den Schülerinnen und Schülern einen akribischen Zugang zur Tradition der europäischen Kultur gewähre, ihr historisches Bewusstsein fördere, und dass allgemein Latein einen grundlegenden Beitrag zur „Förderung einer gemeinsamen europäischen Identität“ leiste (Kipf 2014: 139). Allerdings befindet sich das Lateinische aus der Sicht der Schulsprachenpolitik weiterhin in einer eher kritischen Lage (vgl. Haag & Stern 2002: 523 sowie auch Jakisch 2015: 36f.), insofern als der Anspruch des Europarates – nebst der Muttersprache, Kenntnisse in zwei weiteren europäischen Sprachen zu erwerben – auf moderne Fremdsprachen und auf deren aktive Sprachverwendung in konkreten Begegnungssituationen zurückgreift. Dieser Erklärung zufolge wird Latein als alte Sprache ausgeschlossen (vgl. Jakisch 2015: 36). Während die lebenden Fremdsprachen die Entwicklung einer Kommunikationsfähigkeit und einer interkulturellen Handlungskompetenz anstreben, bei welchen rezeptive und produktive Fertigkeiten ausgebildet werden (vgl. Neveling 2010), schult das Lateinische dagegen eher kognitive und rezeptive Kompetenzen, im Besonderen die Sprachbewusstheit, die Reflexion und Betrachtung durch die Lernenden von Sprachstrukturen mittels antiker literarischer Texte, die umsichtig und kontrastiv mit dem Deutschen in Übersetzungsarbeit reflektiert und hermeneutisch erschlossen werden (vgl. dazu Haag & Stern 2002; Große 2013: 190f.; Kipf 2014). Sowohl das Hör-/Sehverstehen als auch die Sprechfähigkeit und das Schreiben werden dabei weitgehend außer Acht gelassen (vgl. Haag & Stern 2002: 524).

Transfereffekte lassen sich vorwiegend bei der Vokabelarbeit auf das Erlernen einer modernen, romanischen Sprache feststellen (Haag & Stern 2002: 523), denn die allermeisten Lexeme in den romanischen Sprachen haben einen lateinischen Ursprung. Ludwig Haag und Elsbeth Stern (2002), die untersucht haben, ob sich Französisch oder Latein besser als Brückensprache eignen würden, empfehlen – wie auch andere Sprachdidaktiker und Linguisten (z.B. Meißner 2000, 2003; Müller-Lancé 2001; Neveling 2006) – das Erlernen von Latein nur als freiwillige dritte oder sogar vierte Fremdsprache (vgl. Haag & Stern 2002: 525). Ihrer Ansicht nach liefere Latein nur wenige Transferbasen, die Morphosyntax sei typologisch unterschiedlich zu betrachten und der panromanische Basiswortschatz differiere ebenfalls; es bestünde nur ein minimal wahrnehmbares Verwandtschaftsverhältnis betreffend der sprachlichen Ähnlichkeiten (vgl. Haag & Stern 2002: 524f.). Darüber hinaus schule es als tote Sprache zudem die kommunikative Kompetenz nicht.

Die möglichen Nachteile des Lateinischen als Brückensprache bedeuten aber nicht, dass ihr Erlernen überhaupt keine positiven Auswirkungen mit sich brächte. Im Laufe der Jahre hat sich das Fach positiv weiterentwickelt (Kipf 2014: 139; Große 2015: 189; Siebel 2011, 2017), so wie es das statische Bundesamt 2013 in einer Statistik attestiert hat (vgl. Hinweis in Kipf 2014: 139).

Das Fach Latein hat die Prinzipien der Mehrsprachigkeits- und Interkomprehensionsdidaktik mitaufgenommen (vgl. Kipf 2014: 141) und kann dabei als „reflexionsbasierte neutrale Brücke zwischen Erst- und Zweitsprache“ fungieren (Große 2015: 195). Im Sprachvergleich ergeben sich hierbei sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in Bezug auf die moderne Zielsprache. Das Fach schult im Besonderen die Sprachbewusstheit und die Sprachreflexion seiner Lernenden (vgl. Große 2015: 192ff.). Man kann dem Lateinischen also im Hinblick auf die Ausbildung rezeptiver Kompetenzen keineswegs sein Transferpotenzial absprechen.

Abschließend betrachtet ist es nicht zwingend notwendig, Latein im Sinne der Mehrsprachigkeitsdidaktik zu erlernen. Jedoch leistet die Sprache auch eine bedeutende Stützfunktion für alle weiteren (Fremd-)sprachen.

Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht

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