Читать книгу Im Schatten des Unwissens - T. C. Garver - Страница 7

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Gewöhnungsbedürftig

Drei Wochen später standen Kris und Mona vor dem Kino und warteten auf Lisa, die sich wieder einmal verspätete. Die erste Woche meldeten sich Lisa bei der Arbeit ab, mit der Ausrede sie hätte die Grippe. Keiner der drei machten einen Schritt ohne die anderen, weil sie zusammen sein wollten, falls der Rauch erschien. In der zweiten Woche waren sie auch noch vorsichtig. Da Lisa noch einen Monat Kündigungsfrist hatte, musste sie wieder zur Arbeit. Nach dem Feierabend machte sie sich immer wieder auf dem Weg zu Kris und Mona. Deshalb entschied sie auch ihre Wohnungen zu kündigen, um bei Kris einzuziehen, da Mona auch schon eingezogen war. In der dritten Woche kam es ihnen bereits wie ein Traum vor. Als wäre das alles nie wirklich geschehen. Deshalb trauten sie sich augenblicklich wieder mehr raus, anstatt in Kris´ Wohnung rumzutrödeln und nur abzuwarten.

Lisa schlenderte ihnen endlich entgegen. Sie begrüssten sich und kauften dann die Tickets für die Spätvorstellung. Kaum hatten sie jedoch Platz genommen, erschien der Rauch. Sobald sie wieder klar sehen konnten, bewunderten sie den weiten Garten eines japanischen Palastes im Jahre 1900, in dem sie nun standen. Hinter ihnen ragte der Palast auf und vor ihnen ein großer See. Sie trugen metallähnliche Röcke, einen silbernen Brustpanzer, der nur der Brust als Schutz dienen sollte sowie einen silbernen Helm, der am Kinn mit zwei Schnürchen zusammengebunden war. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf geflochten. Niemand hatte sie bemerkt, als sie wie aus dem Nichts mit einem glänzenden Samurai-Schwert auftauchten. Sehr wahrscheinlich lag es nicht nur daran, dass es mitten in der Nacht war, sondern eher wegen ihrer Fähigkeit sich zu tarnen. Kurz standen sie still als die Transformation in ihren Körper stattfand. Sobald sie sich wieder mächtig, stark und kampfbereit fühlten, griffen sie an und sie mussten schnell sein, denn ihre Feinde drohten bereits in den Palast einzudringen. Dieser Kampf erschien ihnen weit schwieriger, vielleicht lag es daran, dass die Japaner ihre Hiebe bedacht studierten, bevor sie zuschlugen. Die drei warfen sich dennoch mutig ins Getümmel.

„Ich schwitze mir echt einen ab“, flüsterte Mona Kris zu, als sie per Zufall nebeneinander zum Stehen kamen.

Kris´ blaue Augen weiteten sich dermaßen, dass sie fast hellblau wirkten. Sie lachte herzhaft.

„Was ist los? Wieso lachst du so doof?“

„Bitte… Hör auf...“, Kris hielt sich den Mund zu, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Mona verstand sofort und musste ebenfalls lachen. Sie sprachen auf Japanisch miteinander, was sich wirklich komisch anhörte, da sie die Sprache eigentlich nicht beherrschen durften. Abgelenkt durch ihre neuen Sprachkenntnisse, übersahen sie die zwei heranschleichenden Gegner. Ein Schatten flog kurz darauf über ihre Köpfe. Sie blickten erschrocken hoch, doch Lisa schnellte bereits durch die Luft. Mit ihrem Samurai-Schwert trennte sie die Köpfe der zwei heranschleichenden Männer ab, ehe sie den Boden unter ihren Füssen erreichte. Irritiert drehten sich Kris und Mona zu ihr um.

„Wollt ihr noch eine Tasse Kaffee und vielleicht ein Stück Kuchen?“, tadelte Lisa und hielt sich im selben Moment die Hand vor ihren Mund. „Das war ja auf Japanisch“, stellte sie überrascht fest.

Bevor jemand etwas erwidern konnte, griffen die Gegner erneut an. Es war ein langer, anstrengender Kampf und jede Einzelne von ihnen, setzte unauffällig ihre Kräfte ein, um schneller voranzukommen. Mona schwang ihr Schwert in einer Geschwindigkeit, die das menschliche Auge nie erreichen würde.

Kris erledigte einen nach dem anderen innerhalb weniger Sekunden und Lisa sprang von einer Ecke in die andere, so schnell, dass sie eher wie ein Schatten wirkte. Die Feinde zogen sich geschlagen zurück, ein Jubel ertönte und schon war der Rauch in Sicht und weg waren sie wieder.

Zurück in der Gegenwart, hatte der Film soeben begonnen, doch ihr Adrenalinstoss war noch zu hoch. Sie schauten sich an, ohne ein Wort zu wechseln, standen auf und verließen eilig das Kino. Sie machten sich sofort auf dem Heimweg, um begeistert über die Ereignisse dieser Schlacht diskutieren zu können. Lisas Hoffnung wuchs, als sie den beiden zuhörte wie sie über ihre japanischen Kampfkünste und über die lustige Sprache redeten. Vielleicht würden auch Mona und Kris bald Lisas Meinung teilen, dass es wirklich erfreulich war, was ihnen widerfahren ist.

Am nächsten Abend saßen die drei beim Italiener und genehmigten sich einen Teller Pasta und ein Glas Wein. Der Rauch kam überraschend schon wieder und versetzte sie dieses Mal nach Amerika, in die Südstaatenschlacht, und da erst bemerkten sie, dass sie von Schlacht zu Schlacht geschickter wurden. Bei jeder dieser Schlachten, lernten sie etwas dazu. Auch hier wurden Menschen getötet und die Stimme behielt Recht, wenn es um das eigene Leben ging, oder das der Opfer, dann fiel es ihnen tatsächlich leichter zu töten.

Als sie wieder zurück waren und erneut am Tisch beim Italiener saßen, aßen sie ihre Pasta dieses Mal auf, tranken wie gewohnt ihren Wein und ließen euphorisch auch diese Ereignisse Revue passieren, bis das Restaurant schloss.

Zwei Wochen später landeten sie im Mittelalter in Irland und mussten fünf Frauen, die als Hexen beschimpft wurden, vor dem Tod retten. Sie töteten die Männer, die sie in den Fluss werfen wollten und brachten die Hexen in ein sicheres, abgelegenes Dorf. Die Hexen mussten ihnen hoch und heilig versprechen, nicht mehr so aufzufallen und ihre Meinung nicht so laut kundzutun, wenn sie am Leben bleiben wollten. Eine der fünf Frauen hatte sie angefleht, die Steine nicht loszubinden, die ihr von den Männern um die Füsse gebunden worden waren. Sie meinte, sie wäre lieber tot anstatt in solch einer Hölle weiterzuleben. Widerwillig mussten sie ihren Wunsch akzeptieren und die Frau ertrinken lassen.

Dieses Ereignis hatte Kris bisher als das Schlimmste empfunden. Sie sah das rothaarige Mädchen noch vor sich. Sie musste etwa im gleichen Alter wie Kris gewesen sein. Ihr Blick war flehend. Doch nicht nur das ging Kris unter die Haut, sondern auch das Gefühl, dass sie mit diesem Mädchen teilte, denn sie hätte das Gleiche getan. Lieber würde sie sterben, als in so einem Jahrhundert weiterleben zu wollen, in dem Frauen keine Rechte hatten und als Hexen beschimpft wurden, nur weil sie das Gesetz in Frage stellten, oder ihre Meinung Preis gaben. Kris zog ihre graue Steppdecke enger an ihren Körper, nahm einen Schluck Punsch aus der Tasse und kuschelte sich noch passender in den Rattan-Schaukelstuhl. Nie würde sie in einem anderen Jahrhundert leben wollen, als in ihrem eigenen. Lisa zum Beispiel hätte gern in der Barockzeit gelebt, Mona in der Zukunft, was Kris ein Rätsel war, weil doch keiner wusste was in der Zukunft vor sich gehen würde. Nein. Kris lebte lieber im Hier und Jetzt, wenn man das, wie sie momentan lebte, wirklich ein Leben nennen konnte. Obwohl sie zugeben musste, dass sie so etwas wie Spaß bei ihren Reisen empfand. Ihr gefiel es natürlich, die verschiedenen Orte in einer anderen Zeit zu betrachten und die Leute dort zu beobachten. Sogar ihre Fähigkeiten fingen an ihr Spaß zu machen, wenn sie einem Gegner gegenüberstand und ihm durch ihre Schnelligkeit und ihrer Stärke überlegen war. Sie schmunzelte in sich hinein. Wenn sie einen Fausthieb abkriegte, fühlte es sich immer so an, als würde der Zahnarzt unter Betäubung ein Loch flicken. Deshalb ließ sie sich gerne verprügeln. Sie wollte herausfinden, wo ihre schmerzensgrenze lag. Bis jetzt hatte sie es noch nicht ausfindig machen können. Sie blickte hinauf in den Sternenhimmel. Der kleine Wintergarten in ihrem Haus war für Kris, seit sie denken konnte, ihr Refugium gewesen. Er hatte etwas Heimeliges an sich. In ihm befanden sich ein runder kleiner Rattan-Tisch, zwei Stühle und ein Schaukelstuhl. Die graue fahle Farbe blätterte bereits von den Wänden ab. Vielleicht war genau das der Grund, weshalb sie sich hier so wohl fühlte, der Prunk ihrer sonstigen Wohnung fehlte hier schlichtweg.

Lisa und Mona waren heute wieder mal aus. Kris war zu müde gewesen und entschied sich deshalb zu Hause zu bleiben. Drei Monate waren verstrichen seitdem der Rauch das erste Mal erschienen war und voller Stolz musste sie zugeben, dass sie immer besser darin wurden ihre Feinde zu bekämpfen. Von den Schotten hatten sie in der kurzen Zeit einiges gelernt, und zwar kämpfe um dein Leben oder du stirbst. Bei den Japanern hatten sie gelernt die Gegner genauer zu beobachten. Von den Amerikanern hatte sie eigentlich nicht viel lernen können, außer der Tatsache, dass der bessere gewinnen möge. Mittlerweile verschwand sogar das beunruhigende Gefühl, wenn die Veränderung sich in ihren Körpern breitmachte. Doch das Wichtigste war, dass sie sich nun trauten ihren täglichen Gewohnheiten nachzugehen, ohne Angst haben zu müssen, dass der Rauch erscheinen könnte. Man konnte schon fast sagen - sie lebten einigermassen wieder im normalen Zustand. Wenn die Bezeichnung normal dazu passte, jeden Tag darauf zu warten, dass dieser Rauch erneut erschien. Kris nahm einen Schluck aus ihrer immer noch warmen Tasse. Sie fühlte, wie die heiße Flüssigkeit durch ihre Kehle rann und schloss die Augen. Ein leichter Windstoss blies ihr in den Nacken. Ihre Härchen an den Armen sträubten sich. Erschrocken öffnete sie die Augen. Sie blickte zu dem geschlossenen Fenster hinüber und setzte sich auf. Komisch, die Fenster waren doch alle geschlossen. Von woher kam dann dieser Windstoss? Wie eine Irre beäugte sie den Raum, da sie plötzlich das Gefühl hatte nicht mehr alleine in ihm zu sein. Doch niemand war zu sehen. Sie wartete einige Sekunden bis sich ihr Herzschlag regulierte. Dieses Gefühl hatte sie schon einmal empfunden, bei ihrer ersten Reise in die Vergangenheit. Sie hatte es Mona und Lisa nicht erzählt, weil Mona dann sicherlich wieder einen ihrer Witze gemacht hätte. Das Klingeln an der Tür ließ sie erschrocken zusammenzucken. Die Tasse rutschte ihr aus der Hand und zersplitterte auf dem Steinboden. „Scheiße“, fluchte sie laut. Stand jedoch auf und lief zur Tür. Sie spähte in die Kamera, eine müde Lisa und eine betrunkene Mona winkten der Kamera entgegen. Sie drückte den Knopf zur Sprechanlage. „Habt ihr den Schlüssel vergessen?“

„Jap.“ Antwortete Mona.

Kris drückte den Schalter, um ihnen die Tür zu öffnen und bemerkte im selben Moment, dass dieses Gefühl nicht alleine zu sein verschwunden war.

„Was macht ihr denn schon hier?“, fragte Kris als sie kurz darauf ins Wohnzimmer traten.

„Kris es ist bereits zwei Uhr nachts. Bist du etwa eingeschlafen?“, fragte Mona zurück.

Ein Blick auf die Uhr bestätigte Monas Aussage. Sie musste wohl die Zeit vergessen haben.

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen Kris?“, meinte Lisa.

„Wie viel hat sie eigentlich getrunken Li?“, fragte stattdessen Kris.

„Viiiel.“, antworte Mona lallend.

„Ja das sieht man dir an“, schmunzelte Kris.

Mona sprang sofort aufs Sofa und legte sich hin.

„Und wie war der Ausgang?“, fragte Kris in der Hoffnung Lisa würde nicht weiter auf ihrer Frage herumhacken.

Beide zuckten mit der Schulter. „Ich hab gar nicht viel mitgekriegt“, antwortete Mona, die Mühe hatte ihre Augen offen zu lassen.

„Du siehst recht bleich aus Kris. Ist alles in Ordnung?“, fragte Lisa erneut.

„Ja.“

„Du lügst doch. Man sieht es dir an, dass etwas nicht stimmt.“ Mona schien wieder aufgewacht zu sein.

Kris verdrehte die Augen. „Na gut. Versprecht mir nicht zu lachen, vor allem du nicht Mona.“

Neugierig setzte sich Lisa zu Mona und beide sahen sie gespannt an. „Spuck es schon aus Kris.“

Unruhig lief Kris auf und ab. „Also, als wir das erste Mal durch die Zeit gereist sind, fühlte ich mich eigenartig, weil ich mich beobachtet gefühlt habe und vorhin habe ich wieder das Gleiche empfunden, als wäre noch jemand im Raum, doch wenn ich um mich schaue ist dort niemand.“

„Wirklich?“ Lisas Augen weiteten sich.

„Ja. Meint ihr es hat etwas mit den Zeitreisen zu tun oder glaubt ihr ich werde langsam irre?“

„Verrückt wirst du bestimmt nicht. Ich glaub eher es hat was mit der Reise zu tun“, tröstete sie Lisa.

Mona lächelte beschwipst. „Also wenn ihr mich fragt, glaub ich auch dass es etwas mit der Zeitreise zu tun hat, seit dem Tag ist unser Leben auf dem Kopf gestellt. Alles was uns vorher nicht normal erschienen ist, kann jetzt möglich sein. Wenn ich an unsere Kindheit zurückdenke, find ich es nicht mal mehr anormal wie verschossen du in den Kerl gewesen bist.“

„Meinst du Jack Miller?“

„Nein, der vor ihm. Deine eeeerste grooooße Liebe. Damals hab ich dich doch für irre erklärt. Heute würde es mich nicht wundern, wenn wir ihm begegnen würden.“

Kris zog ihre Augen zu Schlitzen zusammen. Nahm sich ein Kissen und warf es voller Wucht auf Mona, die in letzter Sekunde lachend auswich. „He das war ernst gemeint“, lachte sie beschwipst.

„Ha Ha.“, äffte Kris sie nach.

Sogar Lisa schmunzelte, als sie antwortete. „Nein Kris, mach dir keine Sorgen. Es hat hundert pro etwas mit unseren Reisen zu tun.“ Kris sah nachdenklich in die Ferne. „Was ist, wenn mich jemand tot sehen will. Vielleich ist diese Präsenz ein böser Geist, der es auf mich abgesehen hat. Wir dürfen die Tatsache nicht außer Acht lassen, dass seit meine Eltern gestorben sind, mir komische Sachen widerfahren. Wisst ihr noch als wir auf den Bus gewartet haben und eine unsichtbare Macht mich geschubst hat? Der Bus hätte mich fast überfahren. Oder als wir durch die Baustelle gelaufen sind und ein Bohrer einem Arbeiter plötzlich aus der Hand gerutscht ist? Der Bohrer ist direkt auf mich zugeflogen.“

„Ja. Erinnert ihr euch noch? Bei der U-Bahn wärst du auch fast auf die Schienen gefallen, ohne dass dich jemand gestoßen hat“, gab nun auch Mona zu.

Kris´ Augen weiteten sich bei dieser Erinnerung. Das war vor etwa einem Jahr geschehen. Sie warteten auf die Tube. Kaum war sie in Sichtweite, verlor Kris jedoch das Gleichgewicht, so als hätte sie jemand von hinten angestoßen. Der Polizei hatte sie berichtet, ihr wäre schwindelig geworden, um nicht als Irre abgestempelt zu werden. Was sie mit der Zeit auch selbst bald glaubte. Nachdem sie auserkoren wurde, die Menschheit zu retten sah nun alles anders aus. Das Abstrakteste dieses Ganzen war jedoch, während sie fiel hatte sie das Gefühl jemand hätte sie davor bewahrt überfahren zu werden, denn sie landete knapp neben den Schienen. Die Tube musste eine Vollbremsung vollziehen. Schaulustige versammelten sich sofort Und der Fahrer der Tube stieg aus, um sich zu vergewissern, dass mit Kris alles in Ordnung sei.

Sie bekam noch heute eine Gänsehaut, wenn sie an die Situation zurückdachte.

Lisa riss sie abrupt aus ihren Gedanken. „Hör auf ihr Angst einzujagen, Mona!“

„Nein Li, sie macht mir keine Angst, das sind Tatsachen vor denen ich die Augen nicht länger verschließen darf. Seit meine Eltern gestorben sind, sind mir wirklich schräge Unfälle passiert.“

„Also glaubst du, die Präsenz die du spürst, ist jemand der dir etwas Böses will?“, fragte Lisa.

„Ich weiß nicht...“

„Wie fühlst du dich denn, wenn du das Gefühl hast, du wärst nicht allein?“, hakte Mona nach.

„Ganz eigenartig. Ich bekomme eine Gänsehaut, blicke um mich und sehe dann niemanden. Der erste Gedanke der mir durch den Kopf jagt, ist, bin ich jetzt Irre oder war da wirklich etwas.“

„Ok. Empfindest du Angst?“

„Schwierig zu beantworten. Es ist nicht so, dass ich aufspringe, nach einem Baseballschläger greife und in Stellung gehe.“

„Vielleicht solltest du nächstes Mal, wenn du diese Präsenz spürst, deine Gefühle analysieren.“ Meinte Mona und gähnte.

„Gute Idee“, sagte Kris.

„Ich glaub nicht, dass es etwas Böses ist. Ich fühle das einfach.“ Lisas Worten trösteten Kris keineswegs, wären sie aus Monas Mund gekommen vielleicht eher, denn Lisa war verträumt und sah überall ein Stück Romantik. Deshalb lächelte sie ihr schwach zu und meinte. „Kommt lasst uns jetzt schlafen gehen.“

Die darauffolgenden Wochen wurden sehr anstrengend. Jeden Abend wurden sie nun abgeholt. Mittags standen sie auf, aßen einen Happen und wollten den Tag verplanen, was leider nicht mehr ging, denn prompt fanden sie sich in der Vergangenheit wieder. Und da sie Stunden damit verbrachten, die Feinde auszulöschen, sanken sie später zu Hause todmüde ins Bett.

Mit Augenringen und verschlafenen Gesichter, saßen sie am Morgen darauf am Küchentisch und nippten an ihrem Kaffee. „Ich habe dringend eine Massage nötig“, jammerte Mona.

Lisa und Kris schauten sie verständnisvoll an.

„Wisst ihr was, ich lasse mich vom Rauch nicht unterkriegen. Ich gönne mir jetzt eine Massage, solange ich noch Zeit habe“, sagte Mona, schnappte sich ihr Handy und telefonierte mit ihrer Masseurin, die zufälligerweise in einer halben Stunde einen Termin frei hatte.

„Ihr solltet auch etwas unternehmen, das euch Spass macht, sonst verlieren wir noch den Hang zur Normalität.“ Sie verabschiedete sich und hastete hinaus.

Kris schaute zu Lisa. „Mona hat Recht. Wir sollten auch etwas unternehmen.“

„Einkaufsbummel?“ fragte Lisa. Kris lächelte. „Einkaufsbummel.“

Sie schlenderten die Oxfordstreet entlang, schauten sich ein Schaufenster nach dem anderen an, so als würden sie diese zum ersten Mal sehen und genossen die Menschenmenge. Sogar die nervigen Touristen, mit ihren Kameras, von denen manche sie anstupsten und sich an ihnen vorbei drängten, empfanden sie heute als prickelnd und aufregend. Das sonnige Wetter stimmte sie ebenfalls fröhlich und wäre nicht das klitzekleine Geheimnis, mit dem sie leben mussten, würden sie wie zwei normale Mädchen aussehen, die einen Einkaufsbummel tätigten.

Sie kauften sich ein Eis, das sie sich genüsslich gönnten. Als sie weiter gingen, spürte Kris wieder dieses Kribbeln im Nacken und bekam erneut eine Gänsehaut. Sie blieb stehen und rieb sich die Arme.

„Was ist los Kris?“ fragte Lisa. Suchend blickte Kris sich um, konnte durch die vielen Leute jedoch niemand Auffälligen entdecken, obwohl sie weiterhin eine Präsenz spürte. „Ich merke schon wieder, dass da jemand ist“, flüsterte sie.

Nun war es Lisa die ununterbrochen um sich schaute. „Ich kann nichts entdecken.“

„Ich weiß, verflucht nochmal.“ Sie ballte ihre Hand zu einer Faust und stampfte mit ihrem Bein auf den Boden.

„Kris, falls jetzt wieder einer deiner komischen Zwischenfälle passiert, wissen wir ob die Präsenz gut oder böse ist.“

Kris Augen weiteten sich. „Du hast Recht.“ Eine Zeitlang blieben sie stehen und blickten nervös um sich. „Verdammt Lisa, ich glaub ich verliere langsam den Verstand.“

Lisa schaute sie mitfühlend an. „Nein das tust du sicherlich nicht.“

Kris biss die Zähne zusammen. „Lass uns weiter gehen. Mal sehen ob wieder einer dieser eigenartigen Unfälle geschieht und ob ich die Präsenz dann immer noch spüre.“

Sie schlenderten also weiter. Die Angst saß Kris tief in den Knochen, denn sie war nicht erpicht darauf einen dieser fast tödlichen Unfälle zu erleben. Sie fühlte sich noch immer beobachtet und war deshalb umso nervöser und vorsichtiger, da sie nicht wusste was passieren würde. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ein Blick in Lisas Gesicht, bestätigte ihr, dass es ihr genauso erging.

In den Schaufenstern der Kleiderboutique `New Look´ entdeckte Lisa ein Kleid, dass ihr sehr gefiel. Kaum überquerten sie die Schwelle, erschien jedoch der Rauch und verschlang sie.

Mona lag relaxt auf der Kosmetikliege und wartete auf die Masseurin. Sie fluchte laut auf, als der Rauch auch sie einhüllte.

Sie standen plötzlich inmitten eines Duells im wilden Westen. Bevor der Feind abdrücken konnte, zog Kris ihre Pistole aus der Revolvertasche und schoss zuerst. Die Pistole flog dem Bösewicht aus der Hand. Er schrie auf. Einer seiner Kameraden zog daraufhin seinen Revolver und zielte auf Kris. In Sekundenschnelle schnappten Mona und Lisa gleichzeitig ebenfalls ihre zwei Pistolen. Mona war schneller, sie feuerte eine Kugel ab, die mitten ins Herz traf. Die restlichen acht Männer standen schussbereit, hatten jedoch keine Chance. Die drei Frauen waren wieder zügiger. Einer nach dem anderen fiel leblos zu Boden. Ein Jubeln, gefolgt von erfreutem Klatschten ertönte. Erst jetzt bemerkten die drei, dass das ganze Dorf anwesend war, sie traten aus ihren Verstecken hervor, mit dankbaren Gesichtern. Lisa, Mona und Kris fassten sich an die Spitze ihrer Cowboy-Hüte und nickten lächelnd.

Der Rauch erschien und zog sie zurück ins Jahr 2013. Mona lag wieder auf ihrem Massagestuhl. Ihre Masseurin hatte nichts von ihrem Verschwinden bemerkt, da die Zeit in der Gegenwart langsamer verlief. Mona schloss die Augen und genoss die Massage, bevor sie fast eindöste.

Lisa und Kris schauten sich an und irgendwie war beiden nun die Lust zum Shoppen vergangen. Sie machten kehrt und schritten zurück in die Bond Street Tube. An das einzige was sie nun noch denken konnten, war Schlaf.

Ihr Leben hatte sich drastisch verändert und hätten sie eine Wahl gehabt, hätten sie sich gegen die Superkräfte entschieden, so sahen es Mona und Kris, was Lisa betraf waren sie sich nicht sicher.

Shoppen, Kinobesuche, Abendessen, waren nur noch Wörter ohne Bedeutung. Sie fühlten sich total ausgelaugt. Von der Welt im Stich gelassen und immer mehr schwand die Normalität. Das Leben zog an ihnen vorbei wie ein rasender Zug. In der Zwischenzeit starb Lisas Grossmutter, die sie grossgezogen hatte, an einem Hirnschlag. Die Beerdigung verlief ohne Rauch und zu guter Letzt hatte Lisa sogar noch zwei Tage Zeit um zu trauern, bevor sie wieder geholt wurden. Eines Nachmittags, hatten Mona und Kris den Entschluss gefasst, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie saßen in Kris Zimmer und riefen nach der Stimme. Nichts geschah. Sie holten Lisa herbei. Zu dritt versuchten sie es, einen ganzen Nachmittag lang. Wie drei Irre saßen sie im Kreis auf den Boden, hielten sich die Hände und riefen nach der Stimme. Nichts.

Mona gab nicht auf. Sie überredete Lisa eine Kirche nach der anderen abzuklappen und zu beten, in der Hoffnung Gott würde sie erhören, falls er diese Stimme war. Sie versuchten es in mehreren Gotteshäusern, verschiedenster Religionen.

Kris, die seit dem Tod ihrer Eltern keine Kirche mehr besucht hatte, versuchte ihr Glück in Bibliotheken, um nachzuforschen ob es irgendein Buch oder sonst einen Hinweis darauf gab, dass die Stimme oder ihren Kräfte ähnlich war. Ebenfalls nichts.

Nach langer Suche und keinen vorzeigbaren Ergebnissen, gaben sie es auf. Sie fügten sich ihrem Schicksal, in der Hoffnung ihre Mission würde bald ihren Zweck erfüllt haben und sie würden Ruhe finden.

Im Schatten des Unwissens

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