Читать книгу Im Schatten des Unwissens - T. C. Garver - Страница 8

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Vergangenheit

Mit geschlossenen Augen lag Kris im Liegestuhl auf ihrer Terrasse und ließ genüsslich die Sonnenstrahlen ihre Haut erwärmen. Es war Mitte September und unglaublich heiß für diese Jahreszeit. Der rote Triangel-Bikini, den sie trug, ließ ihre olivfarbene Haut noch dunkler wirken. Ihre dunkelbraunen glatten Haare, die ihr sonst über den Rücken fielen, hatte sie zu einem Knoten gebunden. Sie drehte sich auf den Rücken. Ein Blick zu Lisa und Mona bestätigte Kris, dass auch sie es genossen. Beide lagen relaxt mit dem Gesicht entgegen der Sonne.

Vier Jahre waren vergangen, seit der Rauch sie zum ersten Mal geholt hatte. Vor vier Jahren waren sie noch gute 20 Jahre alt gewesen und glaubten es wäre das Coolste der Welt, doch mittlerweile wussten sie es besser und genossen jede freie Minute, und sei es auch nur ein Sonnenstrahl. Ihre Kräfte vermochten sie nun geschickter einzusetzen, ohne Angst zu haben, erwischt zu werden. Mehrere Tricks hatten sie sich durch die verschiedenen Epochen angeeignet. Aus ihnen waren richtige Profis geworden, deshalb waren ihre Aufenthalte in der Vergangenheit nun immer kürzer.

Sie hatte diese Zeitreisen satt. Das Gefühl solche Kräfte zu besitzen war unbeschreiblich, doch der Preis war zu hoch. Sie wollte ihr altes, langweiliges Leben zurück, indem sie so viele Filme wie möglich anschauen konnte, oder gemütlich shoppen gehen konnte, oder einfach ihr Abendessen geniessen wenn sie in einem Restaurant saß, einen Kerl kennenlernen, mit ihm Zeit verbringen, einfach all die Kleinigkeiten die sie früher nie geschätzt hatte und nun nicht mehr zum alltäglichen Leben gehörten. Diese Zeiten waren längst vorbei und das traurigste war, dass sie keine Chance hatten die Stimme ausfindig zu machen. Jetzt lag sie hier an der prallen Sonne, die sie vorher eigentlich nie wirklich gemocht hatte und genoss diese sogar. Ironie des Schicksals. Ihr Blick schweifte zu Lisa. Lisa war auch nicht mehr so motiviert und euphorisch wie vor vier Jahren, auch wenn sie es nie zugeben würde. Kris wusste, dass auch ihr das gewohnte Leben fehlte.

Mona fügte sich indifferent ihr Schicksal. Da sie geahnt hatte, dass es so kommen würde, war sie nicht wirklich enttäuscht nur genervt.

Kris wünschte sich zutiefst, dass die Stimme sich bald meldete und sie von ihrer Mission befreite. Sie stand auf und schlenderte zur Brüstung ihrer Terrasse, der Boden brannte unter ihren nackten Füssen, sie schlüpfte in ihre Flipflops, um der Hitze zu entkommen. Ihr Blick huschte durch die Stadt, die fast menschenleer wirkte, was verständlich war, bei diesen Temperaturen. Die meisten Menschen verbrachten sicherlich den Nachmittag im Freibad oder an der Themse.

Sie wohnte an der Castelnau Road, einem noblen Viertel in der Nähe von Kingston, in dem die Häuser alle neben einander aufgereiht waren, genau wie die gegenüber. Doch Kris´ Terrasse zeigte in die andere Richtung, in der Verkehr und Leben herrschte. Die Touristenmasse fehlte hier, genau wie die Menschenmengen, die man am Piccadilly, an der Oxfordstreet oder am Westmister im Übermaß fand. Dennoch konnte sie nicht sagen, dass sie wirklich abgelegen lebte. Wenn sie die Castelnau Road entlang schlenderte fand man das nötigste zum Leben, eine Videothek, einen Haarsalon, ein gemütliches Restaurant und noch viele weitere kleine Läden.

Sie liebte ihr Zuhause. Hier herrschte noch Ruhe und Geborgenheit. Das Zimmer ihre Eltern, hatte sie zu einem Büroraum umgewandelt, mit einem LCD Fernseher, einem großen Bildschirm für den Computer, der den Schreibtisch schmückte, einem roten gemütlichen Zweisitzer und einem kleinen runden Glastisch. Das Zimmer war gemütlich eingerichtet, dennoch betrat sie den Raum so gut wie nie, außer sie verspürte den Drang ihren Eltern nahe zu sein. Monas und Lisas Zimmer lagen gegenüber von dem Zimmer ihrer Eltern, den schmalen Flur entlang, bevor das Wohnzimmer sichtbar wurde. Ein grosszügiges Bad mit einer runden Badewanne, stand ihnen auch zur Verfügung. Kris Zimmer war auf der oberen Etage, in die sie durch die Wendeltreppen gelangen konnte, die sich nahe dem Eingang befand. Die Küche war groß und ganz in weiß gehalten, mit einem schwarzen Esstisch und sechs Stühlen sowie einem silbernen Bistrotisch, den sie meistens benutzten. Der Wintergarten lag am hintersten Winkel des Flurs, neben dem Gäste-WC und den übrigen Zimmern, die eine kahle Einrichtung enthielten und eigentlich als Gästezimmer benutzt werden sollten. Da sie nie Gäste empfingen, waren das eher sinnlose Zimmer, so nannten sie die drei auch. Ja sie fühlten sich hier immer noch zu Hause und würde diesen Ort nie verlassen.

Staub sammelte sich an, der immer dicker wurde. Na toll, dachte sie verbittert. „Ladies, die Pflicht ruft.“ rief Kris den beiden anderen zu.

„Oh Mann“, riefen beide unisono, bevor der Rauch sie ganz umschlang und sie in die Vergangenheit zog.

Sie standen dieses Mal in einem Vorhof in Spanien im Jahre 1400. In der Mitte des Hofes stand ein Dorfbrunnen, der aus Stein gemeißelt war. Um den Hof herum stapelten sich mehrere Backsteinhäuser und vor ihnen ragten königlich die zinnbedeckten Türme des Palastes auf. Die Sonne brannte hoch über ihren Köpfen. Sie steckten in einer Ritterausrüstung, die sie ganz einhüllte, so dass nur ihre Augen zu sehen waren. Sobald die Wandlung vorbei war, brausten sie auch schon auf die Angreifer zu.

Mona eilte einem Mann zur Hilfe der sich bereits mit 4 Gegnern abmühte.

Die Feinde trugen schwarze Umhänge, sodass sie nicht zu unterscheiden waren. In kürzester Zeit lagen jedoch alle 4 tot am Boden. Verblüfft schaute der Mann zu Mona auf, doch seine Irritation hielt nicht lange an, denn mehrere Angreifer stürmten erneut herbei und er sich nun gegen diese verteidigen musste. Mona ließ ihn nicht mehr aus den Augen und stand ihm zur Seite.

Lisa schlich sich an einen Kreis heran, indem ein Mann umzingelt wurde. Geräuschlos und mit einer überdimensionalen Geschwindigkeit, schlitzte sie von hinten einen nach dem anderen die Kehle auf. Leblos sackten sie alle zu Boden. Zurück blieb ein uniformierter Soldat der sich lächelnd bedankte. Plötzlich fuhr sein Schwert in ihre Richtung, doch sie wich in letzter Sekunde aus. Bevor sie ausrufen konnte, hörte sie hinter sich ein Keuchen. Sie drehte sich um und sah wie einer der Gegner am Boden lag. Sie lächelte, was sinnlos war, da der Mann es durch den Helm nicht erkennen konnte.

Kris hörte wie ein Mann abermals verzweifelt schrie. „Ich kann dich nicht mehr halten!“ Sie folgte der Stimme und entdeckte eine Frau, gekleidet wie eine Prinzessin. Sie hielt sich an einem steinernen Fenstersims des Schlosses fest. Ihr Körper baumelte in der Luft.

Kris blickte um sich. Zu viele Zeugen waren anwesend. Ein Sprung in dieser Höhe würde auffallen. Sie krallte sich an die Steine. Auf allen vieren, kletterte sie die Wand hoch, als wäre sie Spiderman.

Kurz bevor sie bei der Frau ankam, fiel diese jedoch in die Tiefe. Kris kriegte sie glücklicherweise noch zu fassen. Mit dem freien Arm hielt sie sie fest und mit dem anderen rappelte sie sich weiter bis zur Öffnung hoch, das als Fenster dienen sollte.

Kris überreichte sie dem Mann, der bereits mit ausgestreckten Armen im Fensterrahmen stand. Überrascht stellte sie fest, dass er gar keinen Helm trug. Er hatte schwarzes kinnlanges Haar und meerblaue Augen. Die Stoppeln an seinem Kinn, verliehen seinem Aussehen etwas Gefährliches und Sinnliches zugleich.

„Kommst du?“ fragte er.

Erst da entdeckte sie seine dargebotene Hand. Sie nahm sie und ließ sich von ihm über den Sims zeihen. Er verengte die Augen zu Schlitzen und musterte sie eingehend. „Du wiegst ja so viel wie ein Kind.“

Kris antwortete nicht. Einer der Feinde hatte sich hinter dem Helmlosen gestellt. Sie zog ihr Schwert aus der Scheide, seine meerblauen Augen weiteten sich. Mit einem kontrollierten Stoss stach sie zu. Keuchend fiel der Feind zu Boden. Der Helmlose blickte hinter sich. Er lächelte als er wieder zu Kris schaute. „Danke.“

Kris gab ihm nur ein Nicken als Antwort, denn sechs schwarzbekleidete Männer stürmten herbei und umzingelten die drei. Sie standen in einem engen steinernen Treppenhaus, die Frau dicht hinter dem Mann und Kris neben ihm. Eine Treppe führte nach oben und die andere nach unten. Es gab nicht viel Spielraum und die Gegner waren in der Überzahl. Kris bewegte sich schnell, jedoch nicht zu schnell, als das es auffallen konnte. Gleichzeitig bewegte sich auch der Helmlose. Kris war verblüfft über seine Schnelligkeit und Präzision.

In derselben Zeit hatte er drei Gegner niedergeschlagen. Genau wie sie selbst. Er nahm die Hand der Frau und lief mit ihr die Treppe hoch. Kris folgte ihnen. Er befahl der Frau sich zu verstecken, gab ihr noch einen Kuss auf den Mund und drehte sich dann zu Kris. „Wir dürfen keiner hier rauf lassen.“

Kris nickte wieder.

Er beobachtet sie skeptisch. „Kannst du nicht reden?“

Gerade als sie etwas erwidern wollte stürmten die Angreifer auf die Terrasse und das von allen Seiten. Kris griff die Flanke an und er bearbeitete die Angreifer frontal. Sie nahm eine bekannte Bewegung wahr. Mona landete mit einer eleganten Bewegung auf der Terrasse. Wie ein Krieger metzelte sie die Feinde nieder. Kris zuckte plötzlich zusammen. Der Schmerz fühlte sich so an, als hätte ihr ein Arzt eine Spritze verpasst. Blut quoll aus der Schnittwunde an ihrem Arm. Ihr Gegner hatte ihre Ablenkung ausgenutzt und sie mit dem Messer verletzt. Sie blickte in seine schwarzen Augen, packte ihn am Hals und brach ihm das Genick. Die Wunde war tief, dennoch verspürte sie keine Schmerzen, nur ein leichtes Brennen. Dann sah sie zu wie sich die Wunde langsam schloss. Das getrocknete Blut war der einzige mickrige Beweis, dass es je eine Wunde gegeben hatte.

„Alles ok?“, fragte Mona hinter ihr.

„Ja. Hast du das gesehen?“ Sie bezog sich auf ihre schnelle Heilung. „Hammer! nicht wahr?“

Kris lächelte. „Hammer!“

Sie kämpften weiter. Drei gegen Zwanzig , ein unfairer Kampf, den sie aber gewannen. Nachdem die zwanzig Männer tot am Boden lagen, blickte der Helmlose zu Mona und Kris. Er war verwirrt. „Wer seid ihr?“

Bevor eine der beiden antworten konnte, ertönten erneut Schreie. Sie rannten zu den Mauern und blickten nach unten. Eine wütende Schlacht war immer noch in Gange und es gab keinen Zweifel daran, dass die Feinde diese Schlacht gewinnen würde.

Der Helmlose stand bereits auf der Mauer. Er überkreuzte die Arme auf seinen Brustkorb und ließ sich, den Kopf voran, fallen.

„Hey“, rief ihm Kris hinterher.

Überrascht schaute er zu ihr auf. Da entdeckte sie, dass er sich ein Seil um die Fussgelenke gebunden hatte. Bevor er am Boden aufschlug, vollführte er eine elegante Drehung und kam auf den Füßen zum Stehen. Kris und Mona waren begeistert. Sie beobachteten ihn noch eine Weile. Mit flinken Bewegungen wich er den Hieben aus. Federleicht schwang er das Schwert und traf sein Ziel. Fünf Gegner hatte er binnen kurzer Zeit erledigt und noch keinen Schlag selbst kassiert. Das Ultimativste war, als er die Mauer entlang rann, einen Salto vollführte und sich wie ein Rocker auf einem Konzert in die Menge stürzte. Dieser Mann besaß Mut, Stärke und eine Keckheit, die Kris noch nie zuvor gesehen hatte. Und ihr waren mittlerweile schon manche Kämpfer begegnet.

Zu sechst stürzten die Gegner nun auf ihn ein. Mona und Kris wechselten einen Blick. „Ich eile ihm zur Hilfe“, sagte Kris.

„Und ich knöpfe mir den Rest vor.“ Sie sprangen, genau wie der Helmlose vor ein paar Minuten. Nur dass sie an keinem Seil gesichert waren.

Mühelos packte Kris den schwarzbekleidenden Mann, der seinen Arm an den Hals des Helmlosen drückte und warf ihn über ihre Schulter. Er fiel auf den Rücken und sie boxte ihm ins Gesicht wobei er sofort den Tot erlag. Sie blickte zum Helmlosen, der sich weiterhin mit den anderen Feinden abmühte. Kris stellte sich neben ihn und zog ihr Schwert. Sie kämpften, als hätten sie sich abgesprochen. Er gab ihr die nötige Rückendeckung und umgekehrt. Sie passte sich seinen Bewegungen an und er den ihren und so fiel einer nach dem anderen der Angreifer zu Boden.

Der Ton einer Trompete dröhnte nun durch den Hof. Die Feinde rannten augenblicklich aus der Burg.

Auch diese Schlacht war gewonnen. Ab nach Hause unter die Dusche und dann ins Bett, dachte Kris und unterdrückte ein Gähnen. Skeptisch schaute sie auf den Boden, doch es erschien keinen Rauch. Komisch. Sie blickte zu Mona und Lisa die auf sie zuschritten und merkte an ihren Bewegungen, dass sie dasselbe dachten.

„Du bist eine Frau?“

Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie den Helmlosen vergessen hatte. Sie blinzelte. „Jap.“

Seine meerblauen Augen weiteten sich. „Ich bin begeistert.“

„Danke, ebenfalls“, antwortete Kris lachend, was auch ihm ein Lächeln entlockte. „Danke für deine Hilfe.“

„Nicht der Rede wert.“

„Damian! Damian!“ Die Frau, die sie vor dem Absturz gerettet hatten, rannte über den Hof auf ihn zu. Sie war eine schöne Frau, etwa im gleichen Alter wie Kris. Rotes glänzendes Haar, stahlgrüne Augen, ein herzförmiges Gesicht mit perfekt geformten Lippen. Sie fiel in seine Arme und weinte an seiner Brust. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

Kris wollte die Zweisamkeit der beiden nicht stören, deshalb schritt sie Mona und Lisa entgegen. „Leute, wir sind noch immer hier. Wieso das?“ flüsterte Kris.

Verwirrt blickten sie einander an. „Keine Ahnung. Der Rauch hätte uns längst holen sollen. Die Feinde sind tot. Die Opfer gerettet“, antwortete Mona.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Lisa.

„Abwarten. Der Rauch kommt sicher bald.“, meinte Mona.

„Ich hoffe es, sonst wären wir wirklich aufgeschmissen und um die Wahrheit zu sagen wäre ich nicht erpicht hierzubleiben. Ich hasse die Sonne und die Vergangenheit ist nicht mein Ding.“, meinte Kris mit einem Hauch von Panik in der Stimme.

Mona griff nach ihrer Hand. „Der Rauch wird sicher bald kommen.“

Kris war sich nicht sicher wem Mona Mut zusprechen wollte.

„Ich weiss nicht wer ihr seid Fremde, doch lasst mich euch sagen, dass wir diese Verräter ohne eure Hilfe nicht vertrieben hätten.“

Die drei Frauen zuckten gleichzeitig zusammen. Langsam drehten sie sich zu der Stimme hinter sich um. Mehrere Soldaten blickten sie an. Sie fühlten sich wie auf einem Präsentierteller.

Der Mann der mit ihnen gesprochen hatte lächelte sie dankbar an. Seinen Helm hielt er in den Händen. Er musste Damians Bruder sein. Die Ähnlichkeit war enorm. Dieselben meerblauen Augen, derselbe Stoppelbart, dieselbe Haarlänge. Nur das sein Haar nicht schwarz war sondern rostbraun. Sie konnten beide nicht viel älter sein als Kris.

Der Mann der Damian so ähnlich sah, sprach weiter. „Wir sind euch zu großem Dank verpflichtet. Ein Hoch auf unsere Helfer.“

Alle jubelten auf. Würde die Situation in der sie sich befanden nicht so nerv zerreissend sein, hätten sich die drei ins Fäustchen gelacht. Doch der Rauch war nicht in Sicht und ließ in ihnen daher panikähnliche Gefühle aufsteigen.

Sobald die Menge verstummte, richtete er wieder das Wort an die drei. „Ich bin Prinz Kasus, das ist mein Bruder Prinz Savon.“ Er breitete die Hand nach seinem Bruder aus, um ihn aufzufordern sich zu ihnen zu gesellen. Ein breit gewachsener Mann mit einem Volumen an schwarzen Locken trat hervor. Seine haselnussbraunen Augen wirkten freundlich. Er lächelte, was ihn noch sympathischer wirken ließ.

„Das ist der Typ dem ich geholfen habe.“, flüsterte Lisa Mona und Kris zu.

„Und das ist mein Bruder Damian.“, er blickte um sich, „Wo ist denn Damian?“

Kris zeigte in die Richtung, wo sie ihn mit der Frau zuletzt gesehen hatte.

„Damian“, rief Kasus und winkte ihn herbei. Hand in Hand liefen die beiden nun auf sie zu.

„Damian, mein kleiner Bruder. Wo bleiben deine Manieren. Wir waren gerade dabei uns zu bedanken.“ Kasus klopfte ihm auf die Schulter, beugte sich vor und machte eine Handbewegung. Der Rest tat es ihm gleich.

„Ich habe mich bei ihr bereits bedankt“, er zeigte dabei auf Kris. „Ihr?“ Kasus Stirn fiel in Falten.

„Unglaublich, nicht wahr Bruderherz? Eine Frau hat uns geholfen“, er schmunzelte Kris schelmisch zu.

Wenn der Rauch nicht bald erschien, würde die Situation noch eskalieren, dachte Kris nervös. Kasus lief auf Kris zu. Scheiße, wo blieb bloß dieser verdammte Rauch?

Direkt vor ihr blieb er stehen. „Bist du wirklich eine Frau? Nicht das ich meinem Bruder keinen Glauben schenken würde. Aber Damian hat ab und zu einen schwarzen Humor“, er lachte nervös.

Kris nickte, blickte zu Mona und Lisa die starr wie Statuen da standen. Er wartete. Kris wusste was er wollte, er wollte sehen wer sich unter dem Helm verbarg.

„Ist es zu forsch, von dir zu verlangen, dein Gesicht zu zeigen?“, fragte Kasus.

Kris schaute wieder zu Lisa und Mona, die immer noch wie Stauten dastanden. Was sollte sie bloß tun? Die Stimme hatte ihnen strikt untersagt ihre Identität preiszugeben? Aber es blieb ihr keine andere Wahl. Kris biss die Zähne aufeinander und antwortete so gelassen wie nur möglich. „Nein im Gegenteil, ich bin froh wenn ich das Teil von mir kriege.“ Sie zog den Helm ab und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Ihr dunkelbraunes Haar klebte an ihrem Gesicht. Sie blickte Kasus geradewegs in die Augen. Dabei entging ihr sein bewundernder Blick nicht.

„Oh“, raunten die Soldaten und schauten sie mit weit aufgerissenen Augen an, als hätten sie noch nie zuvor ein weibliches Wesen gesehen.

„Verzeih mir meine Manieren, aber lass mich sagen, dass deine Schönheit nicht meiner Vorstellungskraft entsprach.“

Kris musste willkürlich lachen. „Danke.“

„Habt ihr auch einen Namen?“, fragte Kasus weiter.

Verdammt! So viele Fragen die sie eigentlich nicht beantworten durfte. Wo blieb nur der Rauch! Sie musste ihren Namen preisgeben, es gab keine andere Wahl. „Ich bin Kris und das sind meine Schwestern Lisa und Mona.“ Die Lüge kam ihr einfach so über die Lippen. Sie zeigte auf die beiden, die sich daran machten ebenfalls ihren Helm zu lösen. Auch Monas schwarzes glattes Haar klebte an ihrem Kopf, genau wie Lisas Lockenpracht.

Die Soldaten zeigten die gleiche Reaktion beim Anblick Lisas und Monas. Mit der Ausnahme das Kasus Mona länger und intensiver musterte, genau wie Savon Lisa. Als Kasus den Blick von Mona löste, sagte er laut. „Dann sagt mir Fremde, woher kommt ihr und wer führt euch zu uns und um Gottes Willen, wer hat euch beigebracht wie Männer zu kämpfen?“ Seine Worte hörten sich neugierig, verwundert und begeistert an.

Unsicher betrachtete Kris ihre Freundinnen, die genau so unsicher ihren Blick erwiderten. Sollte sie die Stimme noch weiter herausfordern und die Wahrheit sagen? Ein verlockender Gedanke. Dennoch war Kris nicht dumm, sie würden als Hexen beschimpft werden und bei lebendigem Leib verbrannt. Welche Strafe auch immer für sie vorgesehen war, es war sicherlich keine gute. Deshalb musste sie so schnell wie möglich eine plausible Lüge erfinden.

Wieso kam der Rauch nicht? Dachte sie abermals und wieso verhielt sich Mona so eigenartig? Mona war stets diejenige, die wusste was zu sagen war. Nun gut, in so einer Situation waren sie alle noch nie gewesen, aber trotzdem, sie brauchte Hilfe - entweder von Lisa oder Mona, denn Kris war gar nicht gut im Lügen. Dennoch riss sie sich zusammen und versuchte eine gleichmütige Haltung zu bewahren. „Um die Wahrheit zu sagen, kommen wir von sehr weit weg. Unser Lebensstil ist im Vergleich zu dem euren ganz anders, deshalb können wir auch kämpfen.“ Sie lächelte und hoffte ihr Lächeln würde nicht zu verkrampft wirken.

Kasus und seine zwei Brüder musterten sie eingehend. Kris wurde es unbehaglich. „Und wer schickt euch?“

Na toll! „Gute Frage, willst du sie nicht beantworten Mona?“

Mona blinzelte nervös. „Also, wir, ich...“, sie errötete und war umso dankbarer als Lisa ihr ins Wort fiel. Was war nur mit Mona heute los?

„Wir sind Kriegerinnen, Prinz. Wir haben Aufträge zu erfüllen und dieser hier, ist einer davon und so wie es aussieht, müssen wir hier noch etwas erledigen bevor wir abgeholt werden.“

Kasus Blick wurde neugierig. „Kriegerinnen? Ich habe noch nie von euch gehört, geschweige jemals eine Kriegerin selbst gesehen.“

„Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir die Ersten sind“, schmunzelte Lisa stolz.

„Und woher kommt ihr genau?“

„Das dürfen wir leider nicht verraten, so Leid es mir tut, Prinz. Wir sind dazu auserkoren zu helfen und dann zu verschwinden.“

„Das heißt ihr werdet noch hier bleiben, um uns zu helfen?“ mischte sich Savon nun ein, dabei trat ein erfreutes Schmunzeln auf sein Gesicht. Lisa Wangen färbten sich rot, als sie nickte und ihn verlegen anlächelte. Kris verstand die Welt nicht mehr! Mona verhielt sich eigenartig und Lisa versuchte zu flirten, mit einem Mann aus der Vergangenheit!

„Braucht ihr denn noch Hilfe?“, fragte Kris geradeheraus, denn sie war kurz davor die Nerven zu verlieren.

Savons haselnussbraune Augen waren betrübt. „Ja. Wir sind für jede Hilfe dankbar.“

Vielleicht war das der Grund, weshalb sie noch hier waren. Ihre Mission war noch nicht bis zum Ende ausgeführt.

„Savon hat Recht. Wir können jede gute Hilfe gebrauchen. Und wir würden uns geehrt fühlen, eure Gesellschaft genießen zu dürfen. Ihr seid unserer Gäste, solange ihr wollt.“

„Die Ehre ist auf unserer Seite“, Lisa machte doch tatsächlich einen Knicks, blickte dabei zu Mona und Kris, um ihnen zu bedeuten das Gleiche zu tun.

„Ihr seid sicher hungrig. Kommt mit uns.“ Sie schritten über den Vorhof und passierten kurz darauf ein hölzernes Tor. Keine der drei wusste wohin sie schauen sollte. Auf jeder Seite ragten Backsteinhäuschen auf und verwinkelte enge Gässchen wanden sich bis zum Schloss. Sie passierten eine der Gassen und befanden sich dann in einem Innenhof. Eine Mauer mit hübschen Verzierungen, die die Form eines Schneckenhauses besaß, war direkt in der Mitte platziert. Begeistert blieben sie stehen und schauten sich mit großen Augen um. Ein Labyrinth von Wegen, die alle von hohen Mauern umgarnt wurden, erstreckte sich vor ihnen. Alles war aus Backstein gehauen und es roch nach frischen Blumen und Sommer.

Kasus trat hinter Mona. Er lächelte stolz. „Atemberaubend, nicht wahr? Mein Vater hat diesen Teil des Schlosses bauen lassen.“

Mit glänzenden Augen schaute Mona ihn an. „Es ist wirklich imposant.“

Er lachte. „Kommt, drinnen gibt es noch viel mehr zu entdecken.“

Sie watschelten ihm hinterher. Dabei schauten sie sich weiter interessiert um. Kasus und seine Brüder gingen voran und hinter ihnen sammelten sich die restlichen Soldaten. Der Duft von Orangen und Zitronen stieg ihnen in die Nase und plötzlich standen sie in einem kleinen Garten, der von Orangenbäumen und Zitronenbäumen übersät war. Das Farbenspiel war prächtig.

An einer schmalen Wendeltreppe hielten sie an. Die Soldaten salutierten und schritten davon. Sie stiegen die Wendeltreppe hoch, überquerten einen breiten Gang, in dem antike hölzerne Möbel standen und bemalte Fenster installiert waren die auf den Garten zeigten. Sie schritten durch eine hölzerne Tür, mit goldigen Umrandungen, und befanden sich dann in einem gewölbten Saal, der mit einem roten langen Teppich geschmückt war. Die Decke bestand aus mehreren Kritzeleien und an den Wänden hangen Bilder mit Abbildungen der Vorfahren. Ein Bild fesselte Kris besonders. Sie lief auf dieses zu und betrachtete es eingehend. Das Bild zeigte ein Mann mit schwarzen langen Haaren und einem Bart. Seine stahlblauen Augen schauten belustigt, obwohl sein Gesicht ernst gemalt war. Sein Blick wirkte spitzbübisch und genau das machte dieses Bild so interessant. Er war der einzige, der so fungierte. Die anderen standen in ernsthafter Pose, so wie man es von Königen erwartet. Widerwillig musste Kris lächeln.

„Kasus wird dein Lachen nicht gefallen“, flüsterte Damian ihr ins Ohr.

Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme so nahe an ihrem Ohr wahrnahm und wollte soeben etwas erwidern, doch Kasus funkte ihr dazwischen.

„Was ist an dem Gemälde so lustig, wenn ich fragen darf?“ Kasus stellte die Frage höflich, dennoch war die Empörung unüberhörbar. Verdammtes verklemmtes Jahrhundert, dachte Kris und blickte ihn an. „Er ist der Einzige der menschlich aussieht und dazu noch sympathisch.“

Kasus Mine hellte sich auf. Voller Stolz verkündete er, dass es sich hier um seinen Vater handelte. Dann wandte er sich dem dürren schwarzen Mann zu, der die ganze Zeit wie ein Geist im Abseits gestanden hatte. „Diener, bereite den besten Wein und unser bestes Fleisch vor. Heute Abend gibt es ein Fest.“

„Ihr müsst unseretwillen kein Fest veranstalten und euer bestes Fleisch und euren Wein verschwenden.“

Kris machte grosse Augen als Mona Kasus so ansprach und auch er schien verwundert. Er stockte kurz. Betrachtete ihr Gesicht und antwortete. „Ihr kommt wirklich von sehr weit her. Wir feiern immer nach einer gewonnen Schlacht und das ist das mindeste was ich für euch tun kann. Und es wäre mir eine Ehre neben dir sitzen zu dürfen.“

„Ja. Sicher liebend gern.“, beschämt schaute Mona um sich und begegnete Kris´ Blick, die sie misstrauisch musterte, sofort schaute sie zur Seite.

„Kasus, bei den Umständen die hier herrschen, weiß ich nicht ob es angebracht wäre ein Fest zu organisieren“, sagte nun auch Savon. „Meine Brüder, was sollte das Volk von uns denken, wenn wir aufhören unsere Siege zu feiern?“

„Das wir trauern!“, antworte Damian scharf.

„Ihr seid nicht die Erstgeborenen. Ihr wisst nicht, welche Verantwortung ich zu tragen habe.“ Dabei glitt Kasus Blick zu Mona. Er lächelte charmant, nahm ihre Hand in die seine und meinte. „Es ist eine schwere Bürde die ich tragen muss.“ Sie errötete und erwiderte. „Das kann ich mir gut vorstellen.“

Kris verdrehte die Augen und packte Mona am Ärmel. “Ich stör euer Techtelmechtel nur ungern, doch ich muss kurz mit meinen Schwestern reden. Allein.“ Sie zog Mona mit sich. „Lisa!“, rief sie über ihre Schulter. Ein wenig abseits des Ganzen, sprudelte es aus Kris heraus. „Habt ihr nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wir sitzen hier in der Scheisse und ihr verhält euch wie frisch verliebte Teenager! Wir sollten schon längst in unserer Zeit sein! Sind wir aber nicht! Wir hängen in der Vergangenheit von sonst wann irgendwo fest! Wir sind am Arsch! Hier gibt es keine Zivilisation! Das Einzige was wir hier haben, ist eine Horde Spanier, die wir jetzt anlügen und sehr wahrscheinlich vor einem bösen König retten müssen, um nach Hause zu kommen oder so ein Scheiss! Ich will hier weg. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich auch nur daran denke in einem Jahrhundert gefangen zu sein, wo es keine Dusche, keinen Fernseher, keine Zigaretten, in der es einfach nichts gibt, was wir bisher gewohnt waren. Ich drehe gleich durch. Das wir uns in einer Sprache unterhalten, die wir gar nicht kennen müssten, find ich auch zum kotzen.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Kris, beruhige dich erst mal“, versuchte Lisa sie zu beschwichtigen.

„Beruhigen? Ich kann und will mich nicht beruhigen!“

Hilfesuchend schaute Lisa zu Mona. Mona legte eine Hand auf Kris Arm. „Ja, wir stecken hier fest. Und da wir nichts dagegen tun können, müssen wir uns trotzdem fügen und versuchen die Nerven zu behalten. Mir gefällt die Situation auch nicht wirklich. Dennoch reiße ich mich zusammen, denn mir bleibt nichts anderes übrig.“

Kris Gemüt schien sich ein wenig zu glätten. Sie schaute von einer zur anderen und meinte. „Ich muss dir Recht geben, sonst verliere ich wirklich noch den Verstand und dass bringt nichts.“

„Gut.“ Mona drückte ihr kurz den Arm. „Und wahrscheinlich hast du Recht und wir müssen noch eine Mission erfüllen, bevor der Rauch kommt.“

„Ich hoffe es, dass wir dann zurück können“, antwortete Kris.

Sie blickten beide zu Lisa, die an der Unterhaltung gar kein Interesse zeigte. Ihr Interesse galt gerade nur Savon, der sie ebenfalls mit Blicken verschlang.

„Lisa!“, zischte Kris.

Lisas Kopf schnellte zu Kris. „Was ist?“

„Du hast sie wohl nicht mehr alle! Du flirtest mit einem Typen den du bald nie mehr sehen wirst. Beteilige dich lieber an unserem Gespräch.“, fuhr Kris sie an.

Lisa liess sich nicht einschüchtern. Sie zuckte mit den Schultern, dabei lächelte sie. „Ach Kris ein wenig Flirten schadet niemand. Wann warst du das letzte Mal mit einem Mann aus, vor vier Jahren nicht wahr? Bei mir sind es mittlerweile fünf, deshalb lass mir einfach die Freude. Ich weiß das unsere Situation im Moment nicht gut aussieht, aber ich glaub ich habe unsere Prinzen ruhigstellen können.“

Unsere Prinzen?

Lisa und Mona wechselten einen Blick, wobei sie zu kichern begannen.

Kris biss sich auf die Unterlippe, um sich ihre nächste Bemerkung zu verkneifen. „Du hast wirklich gute Arbeit geleistet und nicht mal wirklich gelogen.“, gab Kris zu.

Lisa lächelte stolz. „Sag ich doch!“ Ihre Augen bekamen etwas Verträumtes. „Ich fühle mich wie in einem Märchen. Wir sind hier in Olite in Spanien und falls mein Gedächtnis mich nicht trügt, regiert König Carl der Noble. Er ist berüchtigt für seine Menschlichkeit. Es ist unglaublich! Ich hoffe wir werden ihn zu Gesicht bekommen. Und wisst ihr was das Unglaublichste ist, das Savon, der Kerl der mir gefällt, sein Sohn ist. Oh mein Gott!“

Kris blickte zu Mona, die Lisa wissend anlächelte. „Verdammt, du bist auch hin und weg.“, stellte Kris enttäuscht fest. Mona schaute zu Kris. Ihre grünen Augen schienen förmlich zu glühen. „Kris, du musst blind sein, um nicht zu erkennen, dass die drei Brüder aus einem Männermagazin entstammen könnten. Und ja, Kasus hat irgendetwas an sich, dass mich anzieht.“ Sie hob ihren Kopf und blickte zu Kasus, der sich gerade aus einem Trog das Gesicht wusch. „Ok, ja das sind drei außergewöhnlich gutaussehende Männer, aber diese Schwärmerei für Männer die in unserer Zeit tot sind, ist irgendwie abartig.“, äusserte Kris.

„Wie dem auch sei, ich werde flirten, solange wir noch hier sind. Es ist zu lange her und mir wird es gut tun. Da keine von uns eine Ahnung hat, wenn wir wieder einmal das Glück haben überhaupt männlichen Kontakt zu genießen. Und dein Pessimismus wird mich nicht davon abhalten.“, sagte Lisa entschieden.

„Pass lieber auf, dass du dich nicht verliebst, denn dieses Mal ist es wirklich aussichtslos.“

„Da hat Kris Recht.“, beeilte sich Mona zu sagen, denn auch sie wusste, würde sich Lisa verlieben, würde sie es nicht verkraften.

Gleichgültig zuckte Lisa mit den Schultern. „Ich würde ihn dennoch nicht von der Bettkante stoßen.“

Savon winkte sie herbei. Sie schlenderten zu ihm rüber. „Und du Kris, pass auf deine Wortwahl auf. Du weißt was auf dem Spiel steht“, mahnte Mona.

„Ja, Ja. Der Frieden auf Erden und das Wohl der Menschheit.“

Als sie wieder bei den Männern standen, hatten alle ihre Rüstungen ausgezogen. Kris musste einsehen, dass es wirklich sehr attraktive Männer waren und dazu noch sehr kräftige. Sie trugen einfache Leinenhemden und auch Leinenhosen, dabei sah man die Konturen der Muskelstränge sehr deutlich.

„Gibt es Probleme?“, fragte Kasus.

„Nein. Es ist alles in Ordnung.“, antwortete Mona.

„Ihr seid sicher müde? Carina, die Verlobte von Damian, wird euch in euer Gemach bringen. Dort könnt ihr euch ein wenig hinlegen und euch frisch machen, bevor das Fest beginnt“, meinte Kasus.

„Vorher würde ich gern noch wissen, in was für Schwierigkeiten ihr steckt und womit wir euch helfen können.“, antwortete Kris.

Anerkennung lag in Kasus Blick. „Setzt euch.“ Er zeigte auf den braunen Holztisch, der neben einem der bemalten Fenster stand. Sie setzten sich alle hin.

„Das Ganze geschah vor zwei Tagen. Wir wollten die Hochzeit unseren jüngsten Bruder Damian und das seiner zukünftigen Prinzessin Carina feiern. Es hätte ein Fest der Freude werden sollen, doch alles ging nach hinten los. Die Hochzeit konnte nicht stattfinden, da mein Onkel Leute angestiftet hatte, um uns anzugreifen. Mein Vater verschwand und mein Onkel hat dem Volk weisgemacht, wir haben ihn getötet. Ob er wirklich tot ist wissen wir nicht. Den Leichnam haben wir bisher nicht gefunden. Es waren dieselben schwarz gekleideten Männer, die uns heute auch angegriffen haben. Er will uns ebenfalls tot sehen, damit er den Thron besteigen kann.“

„Vater ist nicht tot, Kasus, das weiß ich. Ludwig würde nie sein eigenes Blut töten. Er steckt irgendwo im Kerker“, sagte Damian nun.

„Das müssen wir herausfinden“, meinte Kasus.

„In welchem Kerker kann er denn stecken?“ fragte Mona.

„In Pamplona, nicht weit von hier entfernt, gibt es ein Schloss in dem ebenfalls mein Vater residierte. Mein Onkel hat sich dort eingenistet und versucht das Volk von dort aus auf seine Seite zu ziehen. Damian glaubt, er hat Vater dort in den Kerker geworfen.“ „Und was denkst du?“

„Ich denke wir sollten nachschauen gehen.“

„Habt ihr ein Plan?“, fragte Mona erneut.

„Wir wollten Morgen in das Schloss eindringen, um nachzusehen ob es noch Verbündete gibt die mit uns unser Onkel stürzen würden. Er ist so raffiniert, dass er es geschafft hat die Leute mit seiner gespielten Trauer zu überzeugen. Viele haben Mitleid mit ihm und halten ihn für gütig. Dabei ist er genau das Gegenteil und ich will mich versichern, ob unser Vater nicht doch noch lebt.“

„Ist das nicht gefährlich? Ich meine, das sind Leute die euch kennen und jetzt einen anderen König anbeten.“, meinte Mona.

„Er ist noch nicht König.“

„Als Erstgeborener, wärst du an der Reihe.“, sagte Lisa.

Kasus nickte. „Deshalb will er uns auch töten und falls das nicht klappt, würde er das Volk auf seiner Seite haben.“ Seine Kiefermuskeln spannten sich an. „Morgen hat er ein Fest verkündet. Das ganze Volk wird ihn ehren. Wir werden uns unter das Volk mischen, dazu werden wir wie normale Bürger angezogen sein, damit wir nicht auffallen. Es gibt zwei Soldatenführer, der eine heißt Mesas und der andere heißt Sem. Das sind Männer denen wir sicher vertrauen können, wenn sie die Wahrheit kennen. Wir müssten, einen der beiden, eine Nachricht zukommen lassen.“

Mona dachte kurz nach, blickte zu Kris und dann zu Lisa. Beide nickten. Dann galt Monas Aufmerksamkeit wieder Kasus. “Wir werden gehen, wenn ihr es erlaubt. Uns kennt niemand, wir könnten uns unters Volk mischen und die Leute unauffällig ausquetschen, und wir könnten Mesas oder Sem die Nachricht übergeben und dann ins Schloss eindringen.“

Die drei Brüder blickten sich an.

„Jemand von uns muss mitkommen. Ihr wisst nicht wie Mesas oder Sem aussehen und ihr kennt das Schloss nicht. Lass mich mit ihnen ziehen, Kasus.“

„Das hättest du wohl gern Damian. Ich werde mit ihnen gehen“, sagte Savon.

Die Brüder schauten zu Kasus.

„Kasus, Damian ist zu kühn. Die Gefahr, dass er wieder zu weit geht ist enorm“, versuchte ihn Savon zu überreden.

Nach kurzer Überlegung antworte er. „Damian ist der flinkere von euch beiden. Er wird mit ihnen gehen.“

Damian schenkte Savon ein gewinnendes Lächeln.

„Kurz bevor die Sonne aufgeht, werdet ihr morgen nach Pamplona reiten. Und Damian - keine unüberlegten Handlungen. Es steht zu viel auf dem Spiel.“

Damian nickte.

„Gut, dann sollten wir uns langsam frisch machen“, meinte Kris und stand auf. Alle am Tisch standen ebenfalls auf und verabschiedeten sich. Die Frauen schritten Carina hinterher. Sie gingen durch ein Labyrinth aus Gängen und Wendeltreppen. Carina ging zuletzt durch eine Tür und plötzlich standen sie in einem großen Raum, der von Kleidern und Spiegeln übersät war. Drei Zofen senkten den Kopf, als Carina eintrat. „Prinzessin“, sagten sie wie aus einem Munde.

„Wir haben Besuch meine Damen. Sie bekommen die besten Kleider und die beste schminke aufgetragen.“

Die drei Zofen blickten hoch, sie konnten nicht älter als sechzehn sein. Sie lächelten unterwürfig.

Carina drehte sich zu den dreien um. „Das sind meine Zofen, sie werden euch helfen die Kleider auszusuchen und euch zurechtzumachen.“ Lächelnd lief sie zu Kris und nahm ihre Hand in die ihre. Ihre Augen strahlten. „Ich muss mich bei dir bedanken. Du hast mir das Leben gerettet und bist meinem Verlobten und meinem Volk zur Hilfe geeilt…Ihr alle drei…“. Sie blickte zu Mona und Lisa. „Danke! Fühlt euch hier wie zu Hause, egal was ihr braucht. Ihr könnt euch an mich wenden oder an die Zofen.“ Sie drückte abermals Kris´ Hand und hauchte nochmals ihren Dank. „Kein Problem“, antwortete Kris.

Sie ließ ihre Hand los und lächelte wieder. „Gut. Dann werden wir uns nun frisch machen.“ Die Dienerinnen Carinas halfen ihnen, aus einem Trog voller Wasser und Seife, der nach Jasmin roch, die Haare zu waschen. Sie lehnten dankend ab, als sie ihnen auch beim Körperwaschen helfen wollten. Die Hilfe ihnen Bekleidung anzulegen, nahmen sie jedoch herzlichst entgegen. Ein fremdes Gefühl beschlich sie, wie Prinzessinnen behandelt zu werden. Sie stiegen in einen Unterrock und wurden dann in mehrere Stoffe übereinander gehüllt. Als das Korsett zugeschnürt wurde, glaubten sie keine Luft zu kriegen.

„Müssen wir das immer tragen?“, fragte Kris.

Die Zofen schenkten ihr einen skeptischen Blick.

„Das ist kein Witz. Die Frage ist ernst gemeint.“

Nach langem Zögern antworte eine von ihnen „Eigentlich schon.“

„Na toll.“

„Kris wenn du dich sehen würdest, wäre dir das Korsett egal, denn du siehst wirklich atemberaubend aus.“ Lisas Augen strahlten, was klar war, denn sie waren in Lisas Lieblingsjahrhundert hängen geblieben. Für Lisa musste das alles hier wie ein langersehnter Traum sein, der endlich in Erfüllung ging.

Die Haare wurden ihnen mit einem lockenstabähnlichen Teil frisiert. Das war der angenehme Teil. Sie konnten sich zurück lehnen und es einfach geniessen. Die Türe öffnete sich einen Spalt. Carina trat hinein und musterte voller Zufriedenheit die drei Frauen, die wie Soldaten begutachtet wurden. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf ihre vollen Lippen. Ihre grünen Augen verengte sie zu Schlitzen. „Irgendetwas fehlt“, sagte sie Gedanken verloren. „Schminke. Das fehlt.“

Ihr vollkommenes Gesicht strahlte. Nachdem sie mit Kohle und Rouge geschminkt wurden, durften sie sich im Spiegel betrachten. Verblüfft starrten sie ihr Spiegelbild an. Sie sahen aus als würden sie in dieses Jahrhundert gehören. Mona trug ein grünes Barockkleid, das perfekt zu ihrer Augenfarbe passte, Lisa ein hellblaues und Kris trug ein rotes, das zu ihrer olivbraunen Haut passte. Die Haare waren ihnen aufgesteckt worden, mehrere Löckchen fielen auf ihre Schultern. Sie sahen aus wie Einheimische.

Carina stellte sich hinter sie. Stolz schmunzelte sie. „Ihr seid unglaublich schön, alle drei. Kommt lasst uns gehen, das Fest ist schon im Gange.“

Kris blickte zu Mona, die ihren Blick erwiderte. Nervös knabberte Mona an ihren Fingernägeln. Sie schauten beide zu Lisa. Zuversichtlich lächelte sie ihnen entgegen. Mit gemischten Gefühlen, trotteten sie Carina hinterher. Sie wussten nicht, was sie erwartete und wie sie sich dem Jahrhundert entsprechend verhalten sollten. Sie begaben sich in den östlichen Teil des Schlosses. Kaum hatten sie den passiert, hörten sie Violinen töne. Zwei Wachen, die vor der Tür postiert waren, öffneten ihnen die Tür. Das Bild das sich ihnen daraufhin darbot, war wirklich wie in einem Film. Lehmkrüge aus Wein sowie mehrere tranchierte Schweine mit Obst und Gemüse standen auf den langen hölzernen Tischen. Die goldigen Kerzenständer, die als Dekoration dienten, standen ebenfalls auf den Tischen. Die Männer sahen schon recht beschwipst aus und die Frauen saßen in einer beklemmten Haltung daneben. Im hintersten Winkel saßen drei Männer, die auf Violinen die sanften Töne spielten. Frontal gab es eine Erhöhung, mit zwei roten Thronen, auf denen jedoch keiner saß. Vor dem Thron war ein runder Tisch mit weißen Bezügen gedeckt und mit einem Blumengesteck geschmückt. Mehrere köstliche Esswaren, standen ebenfalls darauf. Damian, Savon und Kasus saßen bereits dort. Sie standen auf, als sich die vier zu ihnen gesellten. Die Bewunderung war ihnen ins Gesicht geschrieben, als sie die drei Frauen anschauten.

„Meine Verlobte hat gute Arbeit geleistet“, Damian strahlte Carina an und gab ihr einen Kuss auf die Wangen. „Kompliment, ihr seht wirklich hinreissend aus.“

Sie lächelten ihn dankbar an. „Ich kann mich meinem Bruder nur anschliessen“, sagte Kasus und streckte seine Hand in Monas Richtung aus. Verlegen nahm sie diese entgegen und setzte sich neben ihm. Savon lächelte spitzbübisch. Lief um den Tisch und zog gentlemanlike Kris´ Stuhl nach hinten. „Sie haben Recht, ihr seht bezaubernd aus.“ „Danke“, antwortete Kris und nahm Platz.

Lisa wartete ungeduldig. Als er ihre Hand, um seinen Arm legte strahlten ihre Augen und ihre Wangen bekamen einen rötlichen Teint. Sobald sie alle saßen, ergriff Kasus das Wort. „Ich finde es ist in unser beider Interesse, wenn wir geheim halten, dass ihr uns geholfen habt. Die Leute hier haben böse Zungen. Und es wäre nicht angebracht, wenn uns jemand auf die Schliche kommen würde. Wir werden den Leuten sagen, dass ihr weite Verwandte von Carina seid.“ „Das geht in Ordnung“, antworte Kris, weil sie überzeugt war, dass sie morgen sowieso nicht mehr hier sein würden, sobald die Aufgabe erfüllt war. Sie aßen und tranken und Kris bemerkte schnell, dass sie das fünfte Rad am Wagen war. Deshalb trank sie umso mehr.

Lisa und Savon sahen aus, als hätten sie vergessen, dass noch mehr Leute am Tisch saßen. Sie warfen sich zweideutige Blicke zu, flüsterten beim Reden und lachten sehr viel. Sie schienen in ihrer Welt gefangen.

Mona bombardierte Kasus mit Fragen über Fragen, die er jedoch sorgfältig und präzise beantwortete. Er hatte die Haltung eines Königs, genau wie seine Aussprache.

Carina und Damian sahen aus, als wüssten sie nicht über was sie reden sollten. Sie warfen sich mehrmals Blicke zu und lächelten. Kris hörte nicht wirklich zu. Sie hoffte, der Alkohol würde bald seine Wirkung zeigen und sie vergessen lassen, dass sie hier in einem anderen Jahrhundert stecken geblieben waren. Monas gereizter Unterton, ließ Kris aufblicken.

„Du hast zwei Frauen?“

„Ja und wenn alles gut kommt, wird noch eine dazu kommen.“

„Einen ganzen Harem also.“

Kasus lächelte stolz.

„Ich finde das absurd“, sagte sie geradeheraus.

„Wieso?“, fragte er verständnislos.

„Weil ein Mann nur eine Frau haben sollte.“

„Das ist doch Schwachsinn. Sieh dir Carina an, sie wird Damians erste Frau und nicht die letzte sein und es macht ihr nichts aus.“

Carina versuchte ihre Mine zu verbergen.

„Also ich würde sagen, sie sieht nicht gerade begeistert aus“, mischte sich Kris ein.

Alle blickten zur Prinzessin.

„Das ist das Gesetz. Jeder Mann darf ein Harem halten“, sagte sie an Kris gewandt.

„Scheiß auf das Gesetz, Carina. Wenn du jemanden liebst, willst du ihn doch mit niemand teilen. Ich teile Monas Meinung, ein Mann sollte nur eine Frau haben.“

Kris bemerkte wie Damian sie aufmerksam musterte.

„Mein Vater hatte auch nur eine Frau.“, sagte er dann leise.

„Und wieso hatte er nur eine?“, fragte Kris.

Er zuckte mit den Schultern.

„Weil mein Vater ein hoffnungsloser Romantiker ist“, sagte Kasus.

„Oder weil er einfach ein verliebter Mann ist“, erwiderte Kris.

„Wie viele Frauen hast du Savon?“, fragte Lisa ängstlich.

„Eine.“

Lisa sah aus als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen.

„Was bringt es euch mehrere Frauen zu haben?“

Kasus schenkte Kris einen missbilligenden Blick. „Wegen der Nachfahren und des Amüsements.“

„Ihr habt nicht so eine hohe Meinung von Frauen“, sagte Kris geradeheraus.

Der Blick, den sie nun erntete, war gereizt. „Ich kann verstehen, dass du das nicht verstehst. Du bist eine Kriegerin und nicht fürs Gebären geschaffen.“

Kris lachte ihm ins Gesicht. „Du meinst, weil ich wie ein Mann kämpfe, könnte ich keine Kinder auf die Welt setzten?“

Er nickte.

„Blödsinn.“ Sie wandte sich von ihm ab und blickte zu Damian. „Und wieso wollt ihr heiraten?“

„Unsere Hochzeit haben unsere Eltern vorgeplant. Durch unsere Heirat werden sich Tafala und Olite vereinen.“

Kris sagte nichts mehr dazu. Sie verstand diese Sitten nicht und wollte sie auch nicht verstehen.

Mona und Kasus führten mittlerweile eine Debatte. Kris wurde es langweilig, da die Debatte sich wieder in ein Flirten verwandelte. “Was würde ich für eine Zigarette tun…“ flüsterte sie vor sich hin. „Was ist eine Zigarette?“, flüsterte Damian zurück.

„Nichts. Meine Schwester hat zwischendurch einen komischen Humor.“ Beeilte sich Mona zu sagen.

Kris beschäftigte sich wieder mit ihren eigenen Gedanken. Sie fühlte sich so fehl am Platz und konnte sich nun noch weniger vorstellen, wie man in so einem Jahrhundert leben können wollte. Die Frauen wurden nicht geschätzt und die Männer sahen wie Trunkenbolde aus. Die Gäste jedoch amüsierten sich prächtig. Es wurde getanzt, gelacht und gegessen. Immer wieder schrie einer „Auf das Wohl der Prinzen!“ und alle jubelten und das Spiel zog sich in die Länge. Kris´ Blick schweifte auf den Thron und die Sessel nebendran. Verlassen und alleine standen sie dort und spiegelten ihre eigenen Gefühle wieder. Sie hielt es nicht länger aus und stand auf.

„Wo willst du hin?“ fragte Mona.

„Frische Luft schnappen“, antwortete Kris knapp.

„Soll ich mitkommen?“ Am liebsten hätte sie mit „Ja“ geantwortet, sie bemerkte jedoch wie Mona die Gesellschaft von Kasus genoss und erwiderte. „Nein. Ich will ein wenig für mich sein.“ Sie schritt die Wendeltreppe hinab und ging auf den gut riechenden Garten zu. Sie wollte sich nicht zu weit entfernen, da dieser Palast wie ein Labyrinth war, in dem sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit verlaufen würde. Eine kühle Brise fegte ihre Haare nach hinten. Sie setzte sich auf eine steinerne Bank und genoss den Duft der verschiedenen Früchte, der ihr in die Nase stieg. Sie musste nur noch heute ausharren, morgen würde sie wieder in ihrer Wohnung sitzen und darüber lachen. Doch heute war ihr überhaupt nicht nach Lachen zumute. Sie fühlte sich unwohl.

Sie stütze ihre Ellenbogen auf ihre Beine und hörte dem Zirpen der Grillen zu. Ein Kribbeln im Nacken, verursachte ihr eine Gänsehaut. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie schaute nicht mehr um sich oder hatte Angst. Kris hatte die imaginäre Präsenz durch die Jahre akzeptiert und heute fühlte sie sich durch diese sogar geborgener.

„Wieso kannst du nicht real sein. Ich hätte heute gern jemanden der mich vergessen lässt wo ich bin.“ Sie verlor langsam den Verstand, jetzt sprach sie sogar mit diesem unsichtbaren Schatten. Dennoch wartete sie, in der Hoffnung auf eine Antwort. Nichts. Plötzlich hörte sie ein Wimmern. Kris blickte um sich und folgte der Stimme. Je näher sie dem Wimmern kam, desto deutlicher nahm sie auch ein Flüstern wahr. Eine Frau weinte und die andere versuchte sie zu beschwichtigen. Das Wimmern wurde zu einem Schluchzen. „Wieso hat er ihn von mir genommen.“

Kris schaute um sich. Hinter einem Gebüsch sah sie zwei Umrisse. Eine Frau kniete am Boden und die andere hielt sie an den Schultern fest.

„Sag Kasus er soll augenblicklich dieses Fest beenden!“

„Das kann ich nicht, meine Königin. Kasus hat dies befohlen.“

„Es ist mir egal. Mein Mann ist vor 2 Tagen gestorben. Kein Sohn würde dann ein Fest feiern.“

Die andere Frau sagte nichts mehr.

Die Königin rappelte sich hoch. „Ich werde diesem Fest ein Ende setzten.“

„Das werdet Ihr nicht. Wir gehen zurück in Euer Zimmer. Ihr werdet ein Ladanum nehmen und dann all Eure Sorgen vergessen.“ „Nein!“

„Meine Königin, bitte, das bringt doch nichts. Wenn uns hier draußen jemand sieht!“

„Es ist mir egal, was die Leute denken! Mein Mann ist tot.“ Sie brach wieder in Tränen aus.

„Wir wissen noch nicht, ob der König tot ist. Ich werde Euch nun in Euer Gemach bringen. Kommt.“

„Lass mich los, Margarete. Wieso ist Kasus so darauf erpicht zu feiern? Er ist ganz anders, als Damian und Savon. Er ist gierig. Das ist nicht gut. Gar nicht gut.“

„Meine Königin, Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt. Ihr steht noch immer unter Schock.“

„Oh nein meine gute Freundin. Du weißt es genau wie ich. Savon oder Damian hätten nie ein Fest veranstaltet.“

„Reden wir morgen darüber. Jetzt sollten wir zurück ins Zimmer.“

Schritte ertönten. Kris und die Frau blickten gleichzeitig in ihre Richtung.

„Meine Königin, ich muss Euch augenblicklich ins Gemach bringen. Ihr müsst mir helfen, ich schaff dass nicht ohne Eure Hilfe. Die Wachen sind in Anmarsch. Schnell. Bevor sie uns entdecken. Das Geschwätz der Leute.“

Die Königin bewegte sich nicht. Stur wie ein Kind blieb sie stehen. Kris wusste nicht, ob sie einschreiten sollte. Entschied sich jedoch wegzuschleichen und trat dabei auf einen knarrenden Ast. Beide Frauen verstummten einen Augenblick. Bewegungslos stand Kris da.

„Ist hier jemand?“, flüsterte die Magd.

Kris empfand das Versteckspiel als kindisch und zeigte sich den zwei Damen. „Ich wollte nicht lauschen. Ich habe jemanden weinen gehört und wollte sichergehen, dass alles in Ordnung ist.“

Sie erntete skeptische Blicke. „Wer bist du? Ich habe dich vorher noch nie in meinem Palast gesehen“, fragte die Königin.

„Mein Name ist Kristine. Ich bin heute das erste Mal hier.“ Sie wusste nicht genau wie sie sich verhalten sollte.

„Bist du eine der Kriegerinnen?“

„Ja.“

„Damian hat mir von dir erzählt. Wieso bist du nicht auf dem Fest?“ „Ich bin nicht in Feststimmung.“

Die Königin nickte, so als würde sie wissen, was Kris damit meinte. Die Schritte kamen näher, die andere Frau wurde immer ungeduldiger.

„Kann ich helfen?“, fragte Kris.

Die andere Frau sagte. „Könnt Ihr mir helfen, die Königin in Ihr Gemach zu bringen bevor uns jemand entdeckt?“

„Klar.“

Kris nahm den einen Arm der Königin und legte ihn sich um ihre Schulter und die Zofe tat das gleiche mit dem anderen Arm. Mit schnellen Schritten eilten sie ins Gemach der Königin. Sie legten sie auf das Himmelbett und deckten sie zu. Erst da bemerkte Kris, dass die Königin ihren Schlafanzug trug. Als sie ihr eine gute Nacht wünschte, rief die Königin sie zurück. „Setz dich.“ Sie zeigte auf den Stuhl der neben dem Bett lag. „Margarete, das Laudanum nehme ich später, denn ich brauche meinen Verstand, wenn ich ein vernünftiges Gespräch führen will.“

Die Zofe nickte und setzte sich auf einen hölzernen Stuhl, ans andere Ende des Zimmers und begann zu stricken.

„Stimmt es wirklich, was mein Sohn mir erzählt hat? Du hast das Leben seiner Verlobten gerettet, genau wie sein Leben und das unserer Männer?“

„Nicht ich allein. Meine Schwestern haben ebenfalls geholfen und so viel mussten wir gar nicht machen. Ihr habt gute Soldaten und Damian ist ein wenig waghalsig, aber auch ein ausgezeichneter Kämpfer.“

Die Königin lächelte und ihre braunen, verweinten Augen bekamen einen neugierigen Glanz. „Und wie kommt es, dass ihr zu uns geschickt wurdet?“

Kris wartete einen Augenblick. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht aus. „Den Grund kenne ich nicht. Wir erhalten Aufträge und dürfen keine Fragen stellen.“

Ein spitzbübischer Ausdruck trat in das Gesicht der Königin. Verträumt sagte sie: „Wie mystisch. Es muss sicher abwechslungsreich sein so frei zu Leben.“

Kris lachte trocken auf. „Frei würde ich es nicht nennen. Es ist nicht so, dass wir eine Wahl gehabt hätten. Es wurde uns aufgezwungen.“

„Es behagt dir nicht, diese Arbeit zu vollbringen?“

„Anfangs war es aufregend. Doch mittlerweile haben wir kein Privatleben mehr…“ Kris dachte kurz nach. „Könnte ich mich frei entscheiden, würde ich mich für das Leben entscheiden, dass ich vorher hatte.“

Sie musterte sie eingehend. Nach einer Weile fragte sie. „Du hast mehrere Männer getötet?“

Kris nickte.

Die Königin schien in ihren Gedanken versunken. Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Sie blickte Kris direkt in die Augen, als sie ihre Hand in die ihre nahm. „Töte bitte den Mann der meinen Mann umgebracht hat.“

Kris bekam Mitleid mit dieser Frau, die wie ein Wrack langsam in sich zusammen fiel, und beneidete sie um die Liebe die sie für ihren Mann empfand. „Wir werden morgen nachsehen ob der König noch lebt, falls er am Leben ist, gebe ich Euch mein Wort, dass ich ihn persönlich zu Euch zurückbringe. Um den Tod seines Mörders, müsst Ihr Euch keine Gedanken machen, der ist so oder so vorgesehen.“

Sie nahm Kris Hand in die ihre und drückte sie. „Ich danke dir.“ Kris nickte wieder und stand auf. Die Zofe öffnete ihr die Tür.

„Es wird der Tag kommen in denen deine Taten belohnt werden, schöne Kristine.“

Kris drehte den Kopf zur Königin. „Diese Hoffnung gab es nie, Eure Hoheit.“

Sie ging zurück in den Saal. Während sie zum Tisch lief, schauten Mona und Lisa sie besorgt an, standen sofort auf und kamen ihr entgegen.

„Wo bist du gewesen?“, fragte Lisa.

„Du warst lange weg. Wir haben uns Sorgen gemacht“, mischte sich nun auch Mona ein.

„Ich war draußen und habe die Königin kennengelernt. Die arme Frau.“ Kris schilderte ihnen was vorgefallen war. Entschied sich dann schlafen gehen, weil sie so schnell wie möglich wieder nach Hause wollte. Und ließ sich daher von einer der drei Zofen ins Zimmer begleiten, dass sie mit Lisa und Mona teilte. Die Zofe half ihr aus den Kleidern und zog ihr ein weißes Leinennachthemd über. Kris stieg sofort ins Bett, als die Zofe sich verabschiedete. Sie nahm das Zimmer gar nicht wahr, dass mit drei Himmelbetten, zwei Schminkkommoden und einer Couch prunkvoll eingerichtet war. Sofort schlief sie ein.

Im Schatten des Unwissens

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