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K A P I T E L 5

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Ich war gespannt, welche Erklärung mir Karmath geben würde. Die Erinnerung an Zeratostus erzeugte Angst in mir. Er war der Dämon, der meine Mutter aus unserer Zeit, es war das Jahr des Herrn 1616, geraubt und 400 Jahre in die Zukunft verschleppt hatte. Wir hatten ihn zwar besiegt, oder besser gesagt, gebannt, aber etwas anderes war passiert, das wir alle nicht vermutet hatten. Meine Mama bekam ein Kind von ihm. Keiner von uns wusste, welche Gene der Vater dem Baby hinterlassen würde.

»Das weiß ich auch nicht«, riss Karmath mich aus meinen Grübeleien. »Aber bestimmt können wir es gemeinsam herausfinden, warum ich ihm so ähnlich sehe.« Er beugte sich noch näher zu mir, hauchte in mein Ohr, sodass sein heißer Atem meine Haut kitzelte. »Folge mir, Freyja Rose. Verlass diese Zelle und lebe mit mir in Freiheit. Sei endlich du selbst und glücklich.«

Seine Worte hören sich so schön an. Es war, als ob seine Gedanken langsam Besitz von mir ergriffen, sich tief in mein Innerstes bohrten. Ich öffnete den Mund und wollte tatsächlich meine Zustimmung geben, da hörte ich eine Stimme in mir: „Niemals darfst du unser Blut dunklen Kreaturen anbieten. Niemals, Freyja.“ Großmutter Katharina. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand aus einem tiefen Schlaf geweckt. Ich wich vor Karmath zurück und schüttelte angeekelt den Kopf. »Wir Hexen der Familie Rose mischen unser Blut nicht mit der dunklen Seite.«

Er schnaubte verächtlich, und aus seinen Augen schossen rote Energieblitze, die er auf mich schleuderte. Geschickt wich ich ihnen aus, indem ich mich zur Seite wegrollte. Mit einem Sprung war ich wieder auf den Beinen. Der Baron schien von meiner akrobatischen Vorstellung unbeeindruckt. Mutig blickte ich meinem Widersacher entgegen.

»Du dummes Kind.« Herablassend schüttelte er den Kopf. »Ich, würde mich für so ein hässliches Wesen, wie du es bist, opfern, doch du ziehst es vor, für diesen Playboy zu sterben.« Seine Stimme donnerte und erfüllte die Zelle. Ich hatte das Gefühl, inmitten eines Orkans zu stehen. »Dann lass dich doch töten. Dann hast du viel gewonnen. Eines merke dir! Ich bin nicht der Anführer der NWO. Ich habe lediglich Kontakte, die dich retten könnten, wenn ich es wollte. Deshalb höre mein Ultimatum an! Ich werde dir Bedenkzeit geben. In zwei Tagen komme ich zurück und frage dich ein letztes Mal nach deiner Entscheidung.« Mit diesen Worten löste er sich vor meinen Augen in Luft auf.

Ich kauerte mich auf dem Boden zusammen, dachte über das gerade Erlebte nach und konnte es nicht verhindern, dass sich meine Tränen einen Weg suchten. Michel, hast du mir das wirklich angetan und unsere Liebe verraten? Unter der Verzweiflung schlief ich erschöpft ein.

*

Ich erwachte von Vogelgezwitscher. Wo kommt das Geräusch her? Vorsichtig öffnete ich die Augen und konnte mein Glück nicht fassen. Es waren tatsächlich meine magischen Vögel, Blitz und Donner. Sie sahen wie gewöhnliche Spatzen aus. Einzig und alleine ihr goldenes Gefieder zeugte von ihrer Besonderheit. Normalerweise sprachen sie mit mir in der menschlichen Sprache. Nun zwitscherte Donner, was mich, noch schlaftrunken, irritierte. Dann fiel mir auf, dass Blitz ziemlich gerupft aussah, als hätte sie eine Katze erwischt. »Was ist dir widerfahren?«, fragte ich leise und bemerkte sofort, dass ich automatisch in die mittelalterliche Redeweise rutschte, wenn ich mich mit meinen beiden Vögeln unterhielt.

Es wurde mit einem Mal ganz still, und jetzt geschah etwas sehr Sonderbares. Üblicherweise antworteten die zwei Tiere immer synchron, aber nun war es nur Donner, der sich äußerte. Das hatte ich noch nie erlebt, und es verursachte ein ungutes Gefühl in mir.

»Wir müssen sehr vorsichtig sein«, flüsterte Donner und schielte zu seiner Gefährtin.

»Was ist denn mit dir passiert?«, hakte ich erneut nach.

Aber Blitz blinzelte, als wäre sie nicht im Hier und Jetzt. »Sie steht unter Schock«, erklärte mir Donner. »Vorhin hat sie ein Soldat gepackt und ihr fast einen Flügel ausgerissen.«

Ich schnappte erschrocken nach Luft.

»Bevor der miese Kerl den Flügel abreißen konnte, wurde er zum Glück von einem Kollegen gerufen. Aber er sperrte Blitz unter ein Wasserglas.«

Mir wurde immer mulmiger, wenn ich daran dachte, dass sie hätte ersticken können. Arme Blitzi. Was hatte sie meinetwegen alles durchmachen müssen?

»Natürlich bereitete es mir keine Probleme, sie zu befreien«, bekundete Donner mit stolz aufgeplusterter Brust.

»Natürlich nicht«, bestätigte ich ihm sofort. Meine beiden Vögel waren schnell in ihrer Eitelkeit gekränkt. Das wollte ich auf keinen Fall provozieren. Ehe Donner mir ausführlicher von seiner Heldentat berichten konnte, fragte ich ihn höflich: »Wisst ihr denn, wo ich hier gefangen gehalten werde?«

Donner blickte wieder zu seiner Gefährtin, aber Blitz reagierte nicht. »Du bist in eine üble Sache hineingeraten, Freyja. Wirklich in eine sehr üble.«

»Das dachte ich mir bereits.« Ich war heilfroh, dass meine beiden gefiederten Freunde bei mir waren und nichts Dramatischeres geschehen war. Wie man an Blitz sehen konnte, hatten sie in allergrößter Gefahr geschwebt. Am liebsten hätte ich ihr über das Gefieder gestrichen, doch ich ahnte, dass es ihr ganz und gar nicht recht wäre. So beschränkte ich mich auf Worte, um ihnen meine Dankbarkeit und Freude zu zeigen. »Ich bin sehr glücklich, dass ihr bei mir seid und es überstanden habt. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn euch meinetwegen etwas noch Schlimmeres zugestoßen wäre.«

Donner schenkte Blitz einen kurzen Blick, tippte mit seinem Schnabel behutsam gegen ihren, dann drehte er sich wieder zu mir, hopste auf meinen Kopf. »Du weißt, dass wir eine Familie sind, Freyja. Wir würden uns auch nie verzeihen, wenn wir dich im Stich lassen würden.«

Ich war so gerührt, dass ich Tränen in mir aufsteigen fühlte. Ehe ich noch sentimentaler wurde, fragte ich Donner: »Was wisst ihr denn über diese NWO?«

»Die NWO ist eine spezielle Vereinigung von Werwölfen. Sie streben die Weltherrschaft an. Sie haben ihre Leute überall sitzen, in der Politik, im Showbusiness, in vielen Ämtern. Alle Werwölfe, die nicht mit ihren Gesetzen und Regeln konform gehen, werden eliminiert.«

Ich konnte es nicht fassen und rief lauter als beabsichtigt: »Aber das ist doch irre. Sie können doch nicht einfach alle töten. Außerdem gibt es auch Menschen, die haben Gesetze, und werden das nie erlauben. Was haben sie denn mit denen geplant?«

»Du befindest dich auf dem Holzweg. Sie bringen nicht alle Werwölfe um, die nicht ihrer Meinung sind. Vielmehr manipulieren sie deren Verstand. ‚Mind Control‘ ist das Zauberwort. Du musst dir das als eine Art Gehirnwäsche vorstellen. Nach dieser mentalen Folter sind die Gefangenen auf ihrer Seite und lassen sich willenlos wie Marionetten lenken. Die Menschen wollen sie ebenfalls mit den gleichen Methoden auf ihre Seite ziehen.«

Er klang wie ein Professor, wo auch immer er diese Ausdrucksweise aufgeschnappt hatte. Ich war über sein Gesagtes entsetzt. »Alle Menschen? Das ist ja verrückt! Wollen sie etwa alle beißen und zu Werwölfen wandeln?«

Donner zögerte, bevor er mir eine Antwort gab. »Nein, das wollen sie nicht, Freyja.« Mit diesen Worten flatterte er wieder zu Blitz und grub seinen Schnabel in ihr Gefieder.

Ich atmete erleichtert auf, aber das Blut gefror in meinen Adern, als Donner weitersprach: »Sie indoktrinieren die Menschen, sie dirigieren sie in eine Richtung, damit sie ihnen als Futterquelle und als Wild für ihre Jagd dienen.«

»Nein«, keuchte ich. »So grausam kann doch niemand sein.«

»Leider doch, Freyja. Sie sind durch und durch böse.«

Ich schüttelte angewidert den Kopf. Ich kannte nur einen Werwolf, und dem würde ich so ein blutrünstiges Verhalten niemals zutrauen. Gut, Michel hatte seine Macken, ganz besonders wenn Vollmond war. An den Tagen war er gereizt und sogar aggressiv, wenn es nicht nach seinen Wünschen lief. Aber Menschen fressen oder zum Spaß jagen? Nein, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

»Warum sind diese Monster hinter Michel her?« Das waren sie in meinen Augen. Monster. Wesen, die sich so verhalten, müssen Ungeheuer sein.

Donners Knopfaugen sahen mich traurig an. »Das werden wir auch noch herausbekommen, welche Rolle dein Michael ... «, der Vogel sprach den Namen überdeutlich aus, »... in dem ganzen bösen Plan spielt.«

Meine beiden Vögel mochten es von Anfang an nicht, dass ich Michael Graf immer nur Michel nannte. Aber das war er für mich schon immer gewesen. Ich kannte den Namen aus unserem früheren Dorf, und ich persönlich finde, dass Michel schöner klingt, und der Name wunderbar zu meinem Freund passt. Warum soll ich da Michael sagen?

Donner schien mit einem Mal ganz aufgeregt. Er flog auf meine Schulter und sagte leise: »Still, Freyja, es kommt jemand.«

Ich wollte noch etwas auf diese Warnung erwidern, aber ehe ich mich versah, waren meine beiden Vögel vor meinen Augen verschwunden. Sind sie unsichtbar oder wirklich fort? Ich versuchte mich auf meine Schulter zu konzentrieren. Sitzt Donner noch dort?

Ich hatte keine Zeit, den beiden Zaubervögeln nachzuspüren, da öffnete sich meine Zellentür. Ich fuhr herum und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.

Die Gilde der Rose

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