Читать книгу Die Gilde der Rose - Talira Tal - Страница 7
K A P I T E L 1
ОглавлениеDer großgewachsene Mann strich seine langen schwarzen Haare zurück und spannte seine breiten Flügel auf. Er wirkte majestätisch und unnahbar. Seine muskulöse Figur steckte in einer engen Lederhose. Der Oberkörper war nackt, sodass man die wellenförmige Tätowierung erkennen konnte. Wie eine Ranke lief sie verschnörkelt im Bund seiner Hose zusammen. Seine Schwingen waren schwarz, und dieses spiegelte die Farbe seiner Seele, die er schon lange der dunklen Seite geschenkt hatte. Obwohl man nicht unbedingt von geschenkt sprechen konnte. Baron Karmath, wie er sich so gerne nannte, hatte es geschafft. Er war einer von wenigen, ein direkter Berater des Teufels. Der gefallene Engel hatte dafür in Äonen von Jahren viel, sehr viel in Kauf genommen. Und nun hatte er einen neuen, grandiosen Schlachtplan gegen das Gute in der Tasche, und das hatte mit den beiden Mädchen zu tun, die ihn aufgesucht hatten.
Der Baron konnte spüren, dass Nunzia, die Brünette, ihn mit ihren Blicken verschlang. Billig, beide sind sie sie billig, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Die Brünette wäre ein williges Spielzeug, aber wer gab sich schon mit Plagiaten zufrieden, wenn er das Original genießen konnte? Karmath nicht! Er hätte die Möglichkeit, die schönsten Frauen der ganzen Welt zu besitzen. Mit einem gewinnenden Lächeln trat er auf seine Besucherinnen zu. Wie zufällig berührte er Nunzias Arm, sodass diese in freudiger Erwartung zusammenzuckte. Sie grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd.
Der Engel blendete ihre schmachtenden Blicke aus und konzentrierte sich auf die Blonde. Sie war genauso niveaulos wie ihre Freundin, hatte aber diesen gewissen Ehrgeiz in ihren Augen, das zu bekommen, was sie sich vorgenommen hatte. Er schätzte Ehrgeiz, und das bescherte ihr schon einmal Pluspunkte. Aber sie waren hier nicht beim Bachelor. Er wollte sie für weitaus wichtigere Dinge gewinnen.
Karmath holte ein kleines Kästchen aus einem Schrank. Es war reich verziert mit Schnitzereien, die aus Dämonenfratzen und schwarz-magischen Symbolen bestanden. Er grinste innerlich. Der Inhalt war ein Bonbon für die Blonde. Damit würde sie sich und ihm sehr viel Freude bereiten können. Davon war er felsenfest überzeugt.
Der Baron hielt ihr die Schatulle entgegen und erklärte: »Ich habe mir etwas überlegt. Ihr sollt die Chance bekommen, als neugeschaffene Werwölfe in unserer Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ich gebe euch die Regeln mit, damit ihr noch einmal darüber schlafen könnt. Vielleicht habt ihr dann auch keine Lust mehr, zu uns zu gehören. Das Kästchen ...», er tippte mit dem Finger auf den antiken Holzdeckel, »... darfst du nur behalten, wenn ihr euch uns anschließt. Aber bedenkt, wenn ihr euch einmal zu uns bekannt habt, gibt es kein Zurück mehr. Wer den Verbund verlassen will, muss sterben.«
Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie Nunzia bei seinen Worten zusammenzuckte. Die Blonde blieb cool, das gefiel ihm.
»Was ist das?«, fragte sie ihn und zeigte auf die Holzbox.
Der dunkle Engel lächelte geheimnisvoll, trat auf sie zu und hauchte ihr etwas ins Ohr, das ihre blauen Augen strahlen ließ.
»Okay, gib uns die Regeln. Wir werden morgen wiederkommen«, entschied sie kühl, ohne ihre Freundin zu fragen.
Karmath reichte Nunzia eine Kladde. »Hier steht alles Wichtige drin. Lest es euch durch und entscheidet euch.« Seine Hand berührte die der Brünetten, während er ihr das Schriftstück übergab.
»Danke, werden wir machen. Ich freue mich auf unser morgiges Wiedersehen«, säuselte sie ihm entzückt zu.
Jenny übernahm das Kästchen. Sein Blick bohrte sich in den ihren. »Das hoffe ich doch«, antwortete er Nunzia, ohne den Blick von Jenny zu nehmen. Stattdessen verzog er seine Lippen zu einem charmanten Lächeln.
Ehe sich die beiden Frauen versahen, hatte er sie nach draußen geführt, die Tür hinter ihnen geschlossen, und sie fanden sich auf der Straße wieder.
Verträumt drückte Nunzia die Kladde an sich und schwärmte: »Wow, was für ein toller Typ.«
»Ey, komm mal wieder runter. Wir sollten uns, so schnell es geht, die Regeln durchlesen«, belehrte Jenny sie.
»Was hat er dir da gegeben? Was ist da drin?«, fragte die Brünette neugierig und zeigte auf das antike Holzkästchen.
Jenny grinste diabolisch. »Ein todsicheres Mittel, um mein Ziel zu erreichen.«
Nunzia ging nicht weiter auf ihre kryptischen Andeutungen ein. Taumelig vor Glück warf sie einen Blick auf die in Handschrift sauber aufgeführten Regeln der Vereinigung, zu der sie bald gehören sollten. Ihre Euphorie verpuffte augenblicklich. »So etwas müssen wir wirklich machen?«
Jenny winkte genervt ab. »Weißt du, wie scheißegal mir das alles ist? Wir haben das erreicht, was ich wollte. Ich will endlich Rache an Michael Graf nehmen, und dieser Verband bietet mir eine super Gelegenheit, ihn und die dämliche kleine Bitch auszuschalten.«
K A P I T E L 2
Alles war mir vertraut und doch war irgendetwas anders. Aber was hat dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt, in mir hervorgerufen? Meine Finger strichen über die Blätter des Basilikums. Ich bin zu Hause. Mama ist nur kurz im Dorf. Sie will Stoffe für uns erwerben. Warum bin ich so beunruhigt?
Ein ohrenbetäubendes Krachen ließ mich zusammenzucken. Ich erschrak heftig und riss dabei das Basilikumblatt ab. Was ist das? Haben wir Krieg? Mir war nichts davon zu Ohren gekommen. Wenn ja, waren wir in allergrößter Gefahr. Unsere Kate lag außerhalb der Stadtmauern am Waldrand und hatte daher keinen Schutz.
Erneut rumste es schrecklich. Ich richtete mich auf, raffte meine Röcke und blickte in Richtung des Dorftores.
»Freyja!«, durchschnitt eine Stimme die Stille, die ringsherum herrschte.
Ich sah mich um. Ich bin alleine. Hier ist niemand. Dann sah ich das Geschöpf, das direkt auf mich zuflog.
»Freyja, ihr müsst fliehen!« Den Drachen, der näher kam, kannte ich. Es war meine Großmutter Katharina, oder besser gesagt: ihre Wiedergeburt. Ich wollte ihr antworten, als es ein weiteres Mal krachte.
»Gefahr!« Die männliche Stimme erklang direkt hinter mir. Ich fuhr zu ihr herum, und sah eine durchscheinende Person mit langen blonden Locken. Er sieht aus wie ein Engel, fuhr mir der Gedanke durch den Kopf. Das Bild verschwamm vor meinen Augen. Ich wurde durch Raum und Zeit katapultiert.
Erschrocken schlug ich die Augen auf. Im Zimmer verteilt standen mehrere schwarzgekleidete Männer in Soldatenuniformen. Und als wenn das nicht alles schon schlimm genug wäre, nein: Sie hatten auch noch ihre Gewehre auf mich gerichtet.
»Wo ist Michael Graf, Hexe?«, knurrte mich der größte der breitschultrigen Soldaten an.
Ich besann mich. Ich hatte das mit meiner Kate nur geträumt. In Wirklichkeit hatte ich neben Michel im Bett geschlafen, bis diese verfluchten Kerle mich geweckt hatten. Ich war mir sicher, dass das nichts Gutes bedeutete. Die Burschen wollten ihm sicherlich nicht nur einen netten Besuch abstatten.
Mein Blick fiel auf Michels Seite des Bettes. Sie war leer, aber das war eigentlich logisch, denn sonst hätten die Typen nicht nach ihm gefragt. Ich setzte mich aufrecht hin, bedeckte meinen Körper, der nur in einem kurzen Nachthemd steckte, mit der Bettdecke, und zuckte ahnungslos mit den Schultern.
Der Mann, der meinem Bett am Nächsten stand, schnellte vor. Er packte meinen Arm und riss mich aus meinem Bett. Ich verlor den Halt und landete schmerzvoll auf meinen Knien, direkt vor seinen Füßen. Himmel, bitte, lass es nur ein böser Traum sein! Wer sind die Kerle, was wollen sie von Michel? Der Typ verdrehte meinen Arm, und ich konnte ein qualvolles Stöhnen nicht unterdrücken.
»Freyja Rose, wir sind von der NWO. Wir wissen, was für ein Subjekt du bist, und deshalb haben wir auch Kenntnis darüber, dass du Michael Graf unsichtbar gezaubert hast. Wo ist er?«, herrschte mich der breitschultrige Soldat an.
Die Gedanken in meinem Kopf fuhren Karussell. NWO? Natürlich kenne ich diese gefährliche Organisation, die sich als Ziel gesetzt hat, die Weltherrschaft an sich zu reißen. In den Medien hörte man andauernd etwas über ihr Wirken. Es verschwanden Menschen spurlos, die man mit der NWO in Verbindung brachte. Michel hatte mir erzählt, dass sie unschuldige Menschen und Werwölfe, die nicht ihrer Meinung waren, unterdrückten und sogar einsperrten.
Er gab seinem Untergebenen einen Wink, auf dass dieser meinen Arm noch weiter verrenkte. Ich schrie auf.
Der Anführer kam näher, trat mir vor den Oberschenkel, dass ich glaubte, mein Bein würde aufplatzen. Nicht heulen!, befahl ich mir und schluckte die Jammerlaute, die aus meinem Mund wollten, hinunter.
Ich beschloss mich dumm zu stellen. Fragend blickte ich den Typen an. »Was ist die NWO?« Ich bemerkte, dass mein Atem stoßweise kam und mich am vernünftigen Reden hinderte.
Der Typ lachte grell, und es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Diese Monster gehen über Leichen!
Für einen kurzen Moment kehrte die Erinnerung an den Kampf mit den Höllenhunden zurück, den ich hier in Michels ‚Bude‘ gehabt hatte. Es war gefährlich und schwierig gewesen, und doch hatte ich gegen die beiden Höllenkreaturen eine Chance gehabt. Ich hatte sogar einen getötet. Nun standen mir vier breitschultrige Soldaten in voller Montur gegenüber. Selbst wenn ich wirklich einen erledigen würde, was ich arg bezweifelte, hätte ich gegen die anderen drei keine Chance.
»Du kennst die NWO nicht, du dumme Hexe?« Ich schüttelte den Kopf und versuchte meine Angst in Schach zu halten. »NWO bedeutet ‚Neue Werwolf Ordnung‘! Gestern fanden die Wahlen statt und es wurde geklärt, wer alle Werwölfe in Zukunft anführen soll. Die NWO hat gewonnen. Michael Graf ist des Hochverrats angeklagt, weil er …« Er brach ab, wahrscheinlich, damit ich Zeit hatte, seine Worte sacken zu lassen.
»Ich habe nichts von einer Wahl gewusst«, erklärte ich mit naiver Miene.
Der Anführer schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Alle Werwölfe haben davon erfahren, auch Michael Graf. Die neuen Gesetze gelten ab sofort. Er weiß, was das für ihn bedeutet. Er wird zum Tode verurteilt. Verräter wie ihn kann die NWO nicht dulden. Er und sein dreckiger Clan sind Rebellen.«
Seine Worte ließen mich erschauern. Sie wollen Michel hinrichten, weil seine Familie sich gegen die NWO auflehnt?
»Was hat er denn getan?«, fragte ich verzweifelt.
Mister Obercool schien von meiner Fragerei genervt zu sein. Er schüttelte stur den Kopf. »Du hast genug erfahren, Hexe. Es macht keinen Sinn mehr, ihn weiter zu verstecken.«
»Aber ich habe ihn doch gar nicht ...« Ich kam nicht weiter, da hatte er sich zu mir gebückt, meinen Hals gepackt und mich hochgerissen. Ich spürte keinen festen Boden mehr unter den Füßen und bekam unter dem unsäglichen Druck keine Luft.
»Das Lügen wird dir noch vergehen. Am besten wirst du gleich mit ihm hingerichtet. Niemand belügt Soldaten der NWO.«
Ich konnte ihm nicht mehr antworten. Alles um mich herum verschwamm, und mir wurde schwarz vor Augen.