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Abigail

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Die Türklingel ließ mich am nächsten Tag erschrocken hochfahren. Ein Blick auf den Wecker und ich war hellwach. Es war zwölf Uhr mittags! Nachdem ich die Party verlassen hatte und von Ethan nach Hause gebracht worden war, hatte ich in meinem angetrunkenen Zustand noch in dem Roman von Mary gelesen und in den Fantasien der älteren Frau geschwelgt. Sie hatte mich von der ersten Seite an abgeholt und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Mir war nun klar, warum sich ihre Romane dermaßen erfolgreich verkauften. Im Laufe der Nacht war ich langsam nüchtern geworden und die Situationen in Marys Haus und später dann mit Ethan vor meiner Tür, erschien mir mehr als peinlich. Auf den letzten Seiten des E-Books hatte die Hauptperson namens Jamie merkwürdigerweise das Gesicht von Ethan angenommen. Der Kerl hatte mich ganz anständig nach Hause begleitet und keinerlei Anstalten gemacht, sich an mich heranzuschmeißen – leider. Nein, im Grunde genommen war ich froh, ich hätte ihm schließlich einen Korb gegeben, da ich Männern abgeschworen hatte.

Müde schlurfte ich zur Tür. Derjenige, der dort unten stand, hatte nicht aufgegeben und seinem Anliegen mit einem weiteren Klingeln Nachdruck verliehen.

Genervt drückte ich auf den Summer und richtete mir noch schnell die Haare, um einen nicht ganz so verschlafenen Anblick zu bieten. Der Schlafanzug, den ich trug, war neu und sah eher wie ein Hausanzug aus, der musste genügen, um unangekündigten Besuch zu empfangen. Doch als ich sah, wer die Treppe hinauf kam, fiel mir im wortwörtlichen Sinne die Kinnlade herunter.

Mrs Snyder höchstpersönlich schwebte über die Stufen, als stellten sie keine Hürde dar. Ihr akkurater grauer Bob sah selbst bei der künstlichen Billiglampe in unserem Mietshaus noch silberfarben aus.

»Mrs Snyder, guten Tag.« Mehr fiel mir in diesem Moment nicht ein. Mein Hirn lag ganz bestimmt noch in der Ladeschale auf dem Nachttisch.

Meine Vorgesetzte blickte mich skeptisch von oben bis unten an und hob die Augenbraue, als ihr abschließendes Urteil vermutlich nicht gerade befriedigend ausfiel. »Miss Jones, wie ich sehe, geht es Ihnen nicht unbedingt gut, aber nicht annähernd so schlecht, wie ich gedacht habe.«

Irritiert legte ich meine Stirn in Falten, was den fürchterlichen Anblick meiner Kreatur wahrscheinlich noch zusätzlich unterstrich. »Warum sollte es mir schlecht gehen?«

»Ich versuche Sie seit heute Morgen zu erreichen. An Ihrem Handy hat jemand das Telefonat angenommen, den ich nicht kenne, nun ist es ausgeschaltet und ihr Festnetz ist abgemeldet. Als ich meine Assistentin heute Morgen hierhergeschickt habe und niemand geöffnet hat, musste ich vom Schlimmsten ausgehen. Deshalb wollte ich mir persönlich ein Bild machen, schließlich habe ich Ihnen diesen Job aufgebrummt.« Entrüstet und mit verschränkten Armen wartete sie auf eine Antwort von mir, die mir partout nicht einfallen wollte.

Stattdessen fing ich an zu stammeln, was meinen geistesgestörten Anblick für Mrs Snyder unterstreichen musste. »Ähm, ja ... gut möglich, dass ich sehr fest geschlafen habe. Diese Millionärsromane ... haben es in sich. Wollen Sie hereinkommen?« Wer sollte denn bitte an mein Handy gegangen sein? Wahrscheinlich hatte sie die falsche Nummer gewählt.

Meine Vorgesetzte sah mich entsetzt an. »Nein, auf keinen Fall!«

Sollte ich das als Beleidigung auffassen? Ich entschied mich dagegen.

»Ich wollte mich lediglich davon überzeugen, dass Sie noch am Leben sind. Das sind Sie offensichtlich, also werde ich wieder zurück ins Büro fahren.«

Diese ganze Unterhaltung irritierte mich. Seit wann kümmerte sich die Snyder persönlich um die Angestellten?

»Vielen Dank, dass Sie sich um mich Sorgen gemacht haben und mir notfalls geholfen hätten«, bedankte ich mich höflich.

»Ich habe mir keine Sorgen um SIE gemacht, sondern darum, dass wir den Artikel rechtzeitig bekommen, um morgen in den Druck der neuen Ausgabe zu gehen.« Ihr Gesicht wies einen angewiderten Ausdruck auf, während sie sich umdrehte und die Treppe hinunterging. Damit war dann wohl auch geklärt, warum sie versucht hatte mich zu erreichen.

»Ach, Miss Jones?«, rief die Snyder, als sie schon aus meinem Blickfeld verschwunden war.

»Ja?«

»Abgabe ist in zwei Stunden!«

Mit einem triumphierenden Grinsen schloss ich die Wohnungstür. Der erste Artikel lag bereits seit gestern fertig auf meiner Festplatte. Ehe ich ihn per Mail ins Büro schicken würde, musste ich ihn lediglich noch einmal Korrektur lesen.


Eine halbe Stunde später drückte ich auf Senden und hoffte, dass der Text Snyders strengem Auge genügen würde. Zwar war ich überzeugt von meinem Artikel, aber die alte Schachtel hatte bekanntlich an allem etwas auszusetzen. Als ich schon im Begriff war den Laptop zuzuklappen, blinkte mir eine eingegangene Mail entgegen. Neugierig wie ich nun mal bin, klickte ich sie an. Clodette Poirot stand dort als Absenderin.

Mein Interesse war erwacht. Wollte sie mich zur Schnecke machen, weil ich mich gestern daneben benommen hatte? Nein, eigentlich hatte ich das gar nicht. Es war viel eher ihr Barkeeper gewesen, der mir einen Drink gemixt hatte, dass ich dachte, das Läuten des Big Ben zu hören. Ich wollte den Kerl küssen! Unfassbar. Vielleicht enthielt das Zeug irgendeine Art von Aphrodisiakum. Es hatte mir die Schuhe ausgezogen und gleichzeitig war ich voller Energie gewesen, dass ich die ganze Nacht hindurch gelesen hatte.

Ich schüttelte kurz den Kopf über mich selbst und konzentrierte mich auf die Mail von Mary.


Liebe Abigail

Ich wollte mich noch einmal bei Ihnen entschuldigen. Ethan hatte die ausdrückliche Anweisung bekommen, diesen bestimmten Drink nicht mehr zu mixen. Weiß der Geier, wo er das Rezept für das Gesöff des Teufels her hat!

Nun gut, das ist jetzt nicht mehr zu ändern.

Als Sie gestern die Party verlassen hatten, haben Sie ihren Mantel bei uns liegen lassen. Zuerst war das nicht aufgefallen, bis ihr Handy mein Personal aufgescheucht hat, weil es immer wieder klingelte. Ich persönlich kann diesen Dingern nichts abgewinnen. Immer und überall erreichbar sein, wer will das schon? Also ich nicht!

Da Ethan heute noch hier ist, werde ich ihn mit Ihrem Mantel und Handy zu Ihnen schicken. Er wird gegen drei Uhr am Nachmittag bei Ihnen eintreffen. Ich hoffe, das ist Ihnen recht?

Ich würde mich freuen, bald wieder von Ihnen zu hören und vielleicht gemeinsam eine Tasse Tee zu trinken. Was halten Sie davon?

Mit lieben Grüßen

Mary oder Clodette?

Wer weiß schon, wer ich gerade war, als ich das schrieb?

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen und kicherte immer noch, als ich bereits unter der Dusche stand und meine Haare wusch. Wenn schon ein drittes Mal an diesem Tag an meiner Haustür geklingelt werden würde, wollte ich zumindest einigermaßen vorzeigbar sein. Dass es an Ethan liegen könnte, dass ich dieses Bedürfnis verspürte, lehnte ich kategorisch ab.


Gegen zwei Uhr saß ich an meinem Küchentisch und lackierte meine Finger- und Fußnägel, hatte mir meine Haare geföhnt und mich dezent geschminkt. Die Jeans, die ich trug, war von einem dunklen Blau und dazu hatte ich mir ein weißes Langarmshirt ausgesucht. Das wirkte leger und nicht groß zurechtgemacht, hoffte ich zumindest. Auf keinen Fall wollte ich, dass Ethan den Eindruck bekam, ich würde mich extra für ihn aufbrezeln. Was ich nicht getan hatte, schließlich musste jeder mal duschen, oder?

Je näher der Zeiger auf drei Uhr zuschritt, umso unruhiger wurde ich. Warum war ich eigentlich so nervös?

Um mich ein wenig abzulenken, griff ich nach meinem Tablet und scrollte mich durch die Romane von Clodette. Puh, das war eine Auswahl, dass ich mich gar nicht recht entscheiden konnte, welchen ich als Nächsten lesen wollte.

Ich tippte blind auf einen und lud ihn mir herunter, ohne den Klappentext zu lesen. Da er von Clodette war, war ich davon überzeugt, dass er gut sein musste. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich noch zwanzig Minuten Zeit hatte.

Zum Artikelschreiben war mir das zu wenig, also begann ich mit dem Lesen des Romans. Innerhalb kürzester Zeit vergaß ich alles um mich herum und schreckte jäh hoch, als es an der Tür klingelte. Sofort schlug mein Herz in wildem Galopp. Barfuß öffnete ich die Wohnungstür, nachdem ich den elektronischen Türöffner gedrückt hatte.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend kam Ethan die Treppe herauf. Wenn ich gedacht hatte, dass er gestern Abend eine tolle Figur in dem dunklen Anzug gemacht hatte, musste ich nun zugeben, dass er in Jeans und Shirt noch attraktiver wirkte. Er hatte sich genau wie ich für eine dunkelblaue Jeans entschieden und ebenso ein weißes Shirt gewählt.

»Hey, Abigail!« Sein Blick glitt über meinen Körper hinweg und blieb schließlich an meinem Gesicht hängen. Beinahe hatte ich das Gefühl, zu spüren wie er mich berührte. »Wir scheinen heute Morgen beide in derselben Stimmung gewesen zu sein«, sagte er lächelnd.

Begriffsstutzig sah ich zu ihm auf, weil er mich einen guten Kopf überragte. Seine Anwesenheit sorgte dafür, dass die Blutzufuhr zu meinem Gehirn gekappt wurde und das Lächeln auf seinem Gesicht tat das Übrige.

»Ich meine Ihre Kleidung«, erklärte er mir geduldig und wies zwischen uns hin und her.

»Ja, scheint so«, antwortete ich lahm.

Wo war nur meine Schlagfertigkeit hin? Normalerweise hatte ich immer einen frechen Spruch auf den Lippen und mich brachte so schnell nichts aus der Ruhe. Doch in Ethans Gegenwart löste sich mein Ich in Luft auf und eine völlig andere Frau besetzte meinen Körper. Das war erschreckend! Das musste aufhören – schnellstens!

»Geht es Ihnen gut? Ich habe gestern Mist gebaut. Deshalb habe ich Mary gegenüber auch darauf bestanden, Ihnen Ihre Sachen persönlich bringen zu dürfen. Außerdem wollte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Wegen mir mussten Sie so früh von der Party verschwinden.« Betreten schaute er mich an, doch um seine Augen konnte ich das Grinsen erkennen, das er unterdrücken musste. So leid tat es ihm gar nicht.

»Ist schon gut. Sie haben mich anschließend brav nach Hause gebracht, ohne die Situation auszunutzen. Von daher, verzeihe ich Ihnen.« Ich merkte selbst, wie abweisend ich mich anhörte, doch der Mann, der mir da im Hausflur gegenüberstand, hatte eine Wirkung auf mich, die ich nicht mochte – die ich nicht brauchen konnte. Deshalb streckte ich auffordernd meine Hand aus. Mit leichtem Bedauern im Blick reichte er mir den Mantel und mein Handy.

»Ihre Gastgeberin hätte mir den Kopf abgerissen, wenn Ihnen etwas zugestoßen wäre oder ich Ihre Notlage womöglich ausgenutzt hätte.« Mit einem Zucken der Augenbrauen verdeutlichte er das, was er mit den letzten Worten ausdrücken wollte.

Doch anstatt eines Lachens, das die Situation aufgelockert hätte, schnürte es mir die Kehle zu. Mein Herz fing an zu rasen und mein Gehirn malte farbenfrohe Bilder von Ethan und mir, während er Dinge mit mir tat, die auffallende Ähnlichkeit mit den erotischen Szenen hatten, die ich in den E-Books der Millionärsromane in den vergangenen Tagen gelesen hatte. Mir trieb es die Schamesröte ins Gesicht. Seit dem Moment, da ich das Büro der Snyder verlassen hatte, war ich eine völlig andere Frau. Wo war nur meine Selbstsicherheit hin? »Danke, dass Sie mir die Sachen gebracht haben«, stieß ich hervor.

»Kein Problem. War schön, Sie wiederzusehen.« Er wandte sich um und ging langsam die Treppe hinunter, so als warte er, dass ich ihn zurückrief, doch das tat ich nicht.

Insgeheim verfluchte ich meine eigene Sturheit, was Männer betraf, aber ich kannte ihn nicht. Selbst wenn ich ihn gekannt hätte, wäre ich nicht willens gewesen, von meinem Standpunkt – ein Leben ohne Mann zu führen – abzuweichen – auch nicht, um meinen willigen Körper an seinen zu pressen.

Mit hängenden Schultern schlurfte ich zurück ins Wohnzimmer, schnappte mir den Laptop und fing an, den Artikel mit dem Interview zu schreiben. Die Snyder würde mir eine Gehaltserhöhung geben müssen, so sehr würden die Auflagenzahlen ansteigen, dank meiner Serie. Ja, da war es wieder - mein Selbstbewusstsein.

Love Rules - Geheimnisse

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