Читать книгу Love Rules - Geheimnisse - Tanja Neise - Страница 7

Abigail

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Meine Kollegin Maddy beugte sich über ihren Schreibtisch, als ich an ihr vorbeiging und flüsterte: „Hast du es schon gehört? Der Boss will die alte Schachtel feuern!« Seit ich hier arbeitete, verbrachten wir öfter unsere Mittagspause zusammen. Sie war unter all den Mitarbeitern bei Cosmostar die Einzige, der ich zumindest ansatzweise vertraute.

Ehrlich gesagt, käme der Rauswurf der Snyder einem Sechser im Lotto gleich, denn ich konnte die alte Schachtel nicht leiden. Sie machte mir das Leben zur Hölle, sobald sie mich zu Gesicht bekam. Ich wusste beim besten Willen nicht, warum sie es auf mich abgesehen hatte, aber mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden. »Nein, noch nix von gehört«, antwortete ich möglichst neutral.

»Laura hat es mir gerade erzählt. Die Snyder ist in diesem Moment im Büro vom Oberboss.« Verschwörerisch grinste Maddy mich an. Niemand - und ich meine wirklich niemand - mochte Mrs Snyder. Und ich musste zugeben, dass es mir da nicht anders ging, auch wenn ich sonst immer positiv auf andere Menschen zuging. Bei ihr konnte ich das einfach nicht. Sie war einer der karriereorientiertesten Menschen, die mir bis dahin begegnet waren und so, wie ich sie einschätzte, war sie bereit, über Leichen zu gehen.

»Und hat Laura auch verraten, was die beiden Wichtiges zu besprechen haben? Ich frage ja nur, weil sie anscheinend auch weiß, dass es um den Rauswurf von der alten Schachtel geht.« Fragend zog ich die Augenbrauen hoch.

Es war einfach ermüdend, ständig dieses Getratsche zu hören, deshalb war es nicht verwunderlich, dass ich mich genervt anhörte. Vielleicht stresste es mich auch so sehr, weil ich selbst eine von den Kolleginnen war, die nicht zur inneren Riege gehörten. Oder es lag daran, dass ich insgeheim Mrs Snyder trotz meiner Abneigung ein wenig bewunderte, denn eines Tages wollte ich dort oben an der Spitze sitzen. Jedoch nicht um jeden Preis.

Mrs Snyder gehörte zum Inventar unseres Verlags und es rankten sich die wildesten Gerüchte um sie. Eigentlich war sie noch gar nicht so alt, maximal um die fünfzig, doch sie war die einzige Angestellte, die von Anfang an mit dabei war. Sie hatte unser Magazin sozusagen mit aufgebaut. Außerdem war sie die heimliche Chefin, der Oberboss vertrat uns nur nach außen hin, doch die innere Herrschaft oblag eindeutig Mrs Snyder.

Wenn sie wollte, dass wir zukünftig eher politisch korrekt berichten sollten, dann würde das auch genauso geschehen. Sollte sie der Meinung sein, dass sich zu wenig Modeseiten im Heft wiederfanden, dann würde das schnellstens geändert werden. Kurzum, sie war die Göttin von Cosmostar!

»Nein, hat sie nicht. Ich vermute, ist mal wieder falscher Alarm.« Dennoch würde unsere Kollegin Laura fröhlich weiter das Gerücht verbreiten. Maddy und sie liebten Bettgeschichten und Dinge, die nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurden, weshalb sie bei uns im Haus genau dafür verantwortlich waren - für den Klatsch und Tratsch in der Promiszene.

Manchmal, wenn Maddy und ich zu Mittag aßen und sie mir ein paar der Storys erzählte, bekam ich rote Ohren. Leider konnten wir nicht alles drucken, was sie in Erfahrung brachten, sei es wegen zu junger Leserinnen unseres Magazins, zu wenig Beweisen oder klagewütigen Prominenten.

In diesem Moment klingelte mein Mobiltelefon, und als ich auf das Display sah, stand mein Herz für einen Augenblick still, bevor es in rasendem Tempo weiter schlug. Mrs Snyders Name leuchtete mir höhnisch entgegen. Das konnte nichts Gutes bedeuten, wenn sie zuvor beim Boss gewesen war.

War ich etwa diejenige, die alles abbekommen würde? Sollte ich gefeuert werden und gar nicht Mrs Snyder? Mein Magen zog sich zusammen. Auch wenn ich hin und wieder über die alte Schachtel herzog und manches an meinem Job mir auf den Senkel ging, war ich dennoch auf ihn angewiesen.

Mit weichen Knien stand ich auf, und Maddy sah mich fragend an. Ich quetschte mir ein unbekümmertes Lächeln heraus, denn neben ihr war, wie ein Hund, der Blut riecht, Laura aufgetaucht. Ich hoffte, dass es nicht zu einer Grimasse verkam.

»Bis später, muss noch was erledigen.« Auf keinen Fall durfte ich mir etwas anmerken lassen. Sollte Laura davon Wind bekommen, lägen innerhalb kürzester Zeit Mitleidsbekundungen auf meinem Schreibtisch, weil sie dachten, ich würde meinen Job verlieren.


Der Panzer, den ich mir zum Schutz angelegt hatte, wurde mit jedem Schritt dicker. So schnell würde ich mich nicht von der alten Schachtel einschüchtern lassen. Falls sie darauf spekulierte, konnte sie das gleich vergessen. Ständig war sie auf der Suche nach einer Schwachstelle bei ihrem Gegenüber. Ich hatte natürlich solche Stellen, doch die durfte ich ihr gar nicht erst preisgeben, sonst würde sie mich bei lebendigem Leib verschlingen.

Das Vorzimmer der unangefochtenen Königin war mit dicken Teppichen ausgelegt, die meinen Schritten die Härte nahmen. An den cremefarbenen Wänden hingen postmoderne Bilder, die nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen. Die Sofalandschaft war nur dem Anschein nach gemütlich, wenn man sich darauf niederließ, musste man automatisch nach vorne rutschen und kerzengerade sitzen, da die Polsterung steinhart war.

Mrs Snyder hatte mit Sicherheit eine versteckte Kamera installiert und amüsierte sich königlich, während sie ihre Untergebenen beobachtete, wie sie unwohl auf dem Mobiliar herumrutschten. Vorsichtshalber würde ich stehen bleiben, bis mich die Sekretärin zu ihr ließ.

Innerlich machte ich mich auf das Schlimmste gefasst und legte mir schon mal einen Plan B für mein zukünftiges Leben zurecht. Ob ich in Chicago bleiben könnte, wenn ich diesen Job verlieren würde? Zurück in das kleine Nest in Nebraska, aus dem ich kam, wollte ich auf keinen Fall. Ich war nicht für das Dasein in einem Dorf geschaffen, denn ich brauchte das urbane Leben, den Chic und die Möglichkeit, dass ich mir zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Chai Latte an der nächsten Straßenecke kaufen konnte. Allein der Gedanke an die verstaubten Straßen meiner Heimat verursachte mir eine Gänsehaut. Dennoch mischte sich auch ein wenig Wehmut in meine Gedanken. Ich war viel zu lange nicht zu Hause gewesen.

»Miss Jones?« Hastig drehte ich mich zu der piepsigen Stimme um. Snyders Sekretärin hörte sich zwar an wie Minnie Maus, war aber alles andere als handzahm. Die Frau hatte Haare auf den Zähnen, die sie definitiv auch haben musste, bei dieser direkten Vorgesetzten.

»Ja?«

»Mrs Snyder erwartet Sie jetzt.« Gute zehn Minuten hatte sie mich warten lassen, das war für ihre Verhältnisse wenig und sprach davon, wie eilig sie es hatte, mich fertig zu machen.

Ich strich über meinen knielangen Rock und zog kurz an dem dunklen Blazer, bevor ich den Weg in den Löwenkäfig antrat. Keine Schwachstelle war mein Mantra. Innerlich litt ich Höllenqualen, aber das war und würde auch weiterhin mein Geheimnis bleiben.

Kurz bevor ich am Schreibtisch der Vorzimmerdame vorbeikam, trat ein Mann aus dem Büro meiner Chefin. Der Anblick irritierte mich. Das dunkle Haar wirkte zerzaust und seine Kleiderwahl passte nicht recht in die Chefetage von Cosmostar. Der Typ sah wie ein Physiotherapeut aus, ein heißer Physiotherapeut, wie ich feststellte. Doch wenn ich eins wusste, dann, dass die Snyder niemals Privates mit Beruflichem vermischte. Sie würde sich sicherlich nicht in ihrem Büro behandeln lassen. Doch was tat ein Mann wie dieser hier bei meiner Chefin? Kurz trafen sich unsere Blicke und ich erhaschte den Hauch seines Aftershaves, als wir aneinander vorbeiliefen. Der Kerl war definitiv heiß, wie das Kribbeln in meinem Magen verdeutlichte, aber ich blockte dieses Gefühl sofort ab. Kein Mann. Und bei diesem Vorsatz würde ich auch bleiben. Als er aus meinem Blickfeld verschwunden war, besann ich mich auf das, was vor mir lag. Und das war nicht heiß, ganz im Gegenteil. Die Snyder war eiskalt und mir graute ein wenig vor dem, was mich erwarten würde.

Die Tür fiel dumpf ins Schloss, als sich auch schon der imposante Schreibtischstuhl umdrehte. Mrs Snyder, die ein Telefonat führte, bedeutete mir mit einer energischen Geste, mich zu setzen. Ich versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, und tat so, als würde mich die Aussicht auf die Skyline von Chicago brennend interessieren, während ich dem Gespräch lauschte.

»Ja, ja, ich weiß, Jim. Ja, ich habe in diesem Moment schon eine meiner besten Journalistinnen hier sitzen. Ich werde das Konzept vertrauensvoll in die Hände von Miss Jones legen. Sie sieht gut aus und passt hervorragend. Ja, mach dir keine Sorgen. Das wird auf jeden Fall großartig. Ich kann es schon vor meinem inneren Auge sehen.«

Ich sah gut aus und war eine ihrer besten Journalistinnen? Nun gut, das bedeutete zumindest, dass mir mein Job sicher war. Das beruhigte und entspannte mich ein wenig. Meine Nerven lagen dennoch blank, da ich nicht wusste, auf was das Ganze hinauslaufen würde. Die Snyder lobte niemanden ohne Grund. Warum dann mich?

Endlich beendete sie ihr Telefonat und ihr Blick durchbohrte mich.

»Miss Jones, reden wir nicht lange um den heißen Brei. Das war der Boss, der nun Ihren Namen, den er bis heute vermutlich noch nie gehört hat, kennt.« Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie mich an.

Huhu, jetzt bekomme ich es aber mit der Angst zu tun, dachte ich ironisch. Erwartete sie darauf eine Antwort? Ich ersparte mir diese und wartete ab, was noch kam. Dann tat ich es ihr gleich, hob eine Augenbraue und hielt ihrem Blick stand. Diesen Blick hatte ich vor meinem Badezimmer perfektioniert.

Offenbar hatte ich damit ihre volle Aufmerksamkeit errungen, denn sie legte den Kopf schräg und sah mich an, als nähme sie mich zum ersten Mal wahr. »Ich hatte heute ein Gespräch mit Mister Keaton, ein nicht sehr erfreuliches, wenn Sie mich fragen. Aber das interessiert Sie wahrscheinlich reichlich wenig. Nun gut, es ist so, Mister Keaton kam auf die, seiner Meinung nach, großartige Idee, das Thema mit den Millionärsromanen aufzugreifen.« Mit aufgestützten Ellenbogen sah sie mich über den Tisch hinweg an.

Hatte ich irgendeine Frage verpasst? Was wollte die alte Schachtel jetzt von mir? »Ja?«, fragte ich stattdessen, weil mir nicht klar war, um welche Millionärsromane es ging.

»Ich übertrage Ihnen hiermit die Verantwortung für diese Reportage. Nicht, weil Sie, wie von mir erwähnt, eine der besten Journalistinnen im Haus sind, sondern weil ich glaube, dass sie es eines Tages werden können. Sie sind eine harte Nuss. Und das in allen Lebenslagen.« Ein schräges Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht und ich verschluckte mich fast an meiner Spucke, dermaßen warf mich ihre Mimik aus dem Gleichgewicht. Außer mit einem kalten Blick und einem Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt immer denselben Gesichtsausdruck zur Schau stellte, hatte ich sie noch nie gesehen. Kein einziges Mal – bis heute.

»Aha, und was soll die harte Nuss nun mit dem Thema Millionärsromane anstellen?«, fragte ich betont gelassen und lehnte mich ein wenig in dem ungemütlichen Stuhl zurück. Diese Frau hatte eine sadistische Ader, andernfalls konnte ich mir die unbequemen Sitzmöbel, die sie in ihrer Nähe aufstellte, nicht erklären. Das erwähnte Thema fand ich interessant und insgeheim machte ich mir bereits in meinem Kopf Notizen. Diese ganzen Frauen konnte ich nicht verstehen, die sich an den Hals eines reichen Typs schmissen, sich selbst vergaßen, nur um ein wenig von dem Luxus des anderen abzubekommen.

Zuerst bekam ich nur ein trockenes Lachen zur Antwort, doch die Frau mir gegenüber riss sich schnell wieder zusammen und antwortete: »Wir werden das Thema von A bis Z aufrollen. Recherchieren Sie, was das Zeug hält. Wer liest diesen Schund, wer schreibt diesen Schwachsinn, welche Umsätze hat der Markt mit dieser Art von Geschreibe? Und wenn Sie den ganzen theoretischen Kram abgehakt haben, werden Sie sich unter die Millionäre mischen und sich einen angeln.« Mir fiel fast die Kinnlade herunter, als mir die Bedeutung ihrer letzten Worte bewusst wurde. »Aufhänger wird sein: Wie angele ich mir einen Millionär. Und Jones?«

»Ich höre.« Was ich wirklich tat. Zu mehr war ich im Moment nicht imstande, da ich kurzfristig mit dem Gedanken gespielt hatte, zu kündigen. Dieser Auftrag erschien mir fast, als würde ich mit dem Artikel nicht nur meine Seele an Cosmostar verkaufen, sondern auch meinen Körper. Wie weit sollte ich für diesen Bericht gehen? Doch hoffentlich nicht bis zum Äußersten, denn dazu war ich nicht bereit. Panik überschwemmte meinen Körper und ließ mich ins Schwitzen geraten. Aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich ja eine harte Nuss war, laut Mrs Snyder, und riss mich vorerst zusammen.

»Kommen Sie nicht auf die Idee, tatsächlich mit einem dieser reichen Junggesellen ins Bett zu hüpfen, das würde uns nur jede Menge Ärger einbringen und die Glaubwürdigkeit unseres Magazins untergraben.«

Beinahe hätte ich erleichtert ausgeatmet, aber nur beinahe. Die harte Nuss, wie sie mich nannte, blieb nach außen gefasst. Keine Schwachstellen!

»Von daher bleiben Sie unnahbar und bringen mir jede Menge Beweise. Wie Sie das machen, ist mir schlichtweg egal, aber bleiben sie professionell - Zeitungsbranchen-professionell. Haben wir uns verstanden?«

Sie kniff die Augen leicht zusammen und sah mich unter ihren Lidern hinweg an, als wäre ich ein Tier, das sie gerade sezierte.

»Ja, das haben wir. Zeitlimit?«, fragte ich mit kühlem Ton. Wenn ich mich nicht sehr täuschte, huschte für einen Sekundenbruchteil ein anerkennender Ausdruck über ihr Gesicht.

»Ich gebe Ihnen zwei Monate für das gesamte Projekt. Spesen werden übernommen, soweit Sie mir nicht zu unangemessen erscheinen. Sollten Sie Zugang zur High Society benötigen, der Boss ist dermaßen von diesem Projekt überzeugt, dass er Sie sogar zu diversen Partys einladen, beziehungsweise mitnehmen wird.«

Snyder beobachtete mich immer noch mit diesem Sezierblick, weshalb ich mir keinen Fehler erlauben durfte.

»In Ordnung. Dann mache ich mich mal an die Arbeit.« Rasch stand ich auf und wollte schon zur Tür gehen, als sich Mrs Snyder plötzlich räusperte.

»Ich erwarte spätestens in drei Tagen den ersten Teil der Reportage auf meinem Tisch. Sie können zu Hause arbeiten und zu niemandem ein Wort. Der Boss möchte die Story als Einziger in der Branche auf dem Titelblatt haben. Maulwürfe gibt es in diesem Haus genug. Absolutes Stillschweigen, Sie kommunizieren ausschließlich mit mir über dieses Thema.«

»Ich habe verstanden.«

Als ich die Tür hinter mir schloss, erlaubte ich mir endlich, durchzuatmen. Matt lehnte ich mich für einen Augenblick an die Wand. So schlecht war es gar nicht gelaufen. Ich war zu der Snyder gegangen, in der Annahme meinen Job zu verlieren, und hatte nun einen Spezialauftrag an Land gezogen. Das war großartig. Es war nicht unbedingt das Thema, das ich mir selbst ausgesucht hätte, aber in meinem Kopf ratterte es schon gewaltig. Nur der Part mit dem Angeln des Millionärs, der lag mir noch wie ein Stein im Magen.

Love Rules - Geheimnisse

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