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4.

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Als ich am Montagnachmittag aus der Firma nach Hause kam, stand ein Umzugswagen vor der Türe. Endlich, dachte ich. Die Wohnung neben meiner hatte ein ganzes Jahr lang leer gestanden. Ein altes Ehepaar hatte über vierzig Jahre in der Wohnung gelebt, und nachdem der alte Herr verstorben und die alte Dame in eine Heim gezogen war, hatte der Vermieter begonnen, die Wohnung aufwändig zu sanieren. Das war eine Zeit, sag ich Ihnen! Ständiger Lärm und Dreck! Und zur Krönung musste ich das Treppenhaus natürlich immer allein putzen, ich war schließlich die einzige Bewohnerin der Etage. Umso mehr hatte ich mich gefreut, als die Wohnung vor etwa zwei Monaten endlich fertig geworden war, und seitdem wartete ich jeden Tag gespannt darauf, wer oder was da wohl einziehen würde. Ich ging sehr langsam auf das Haus zu, um Gelegenheit zu haben, die neue Nachbarschaft zunächst aus der Ferne zu begutachten. Sechs Männer liefen ständig rein und raus und schleppten Kartons und Möbel in die Wohnung. Fünf der Männer trugen Overalls mit dem Firmenlogo, das auch auf dem LKW zu sehen war. Nur einer trug eine zerschlissene Jeans und ein vergilbtes T-Shirt. Das musste dann wohl mein neuer Nachbar sein. Er war etwa einen Kopf größer als ich, hatte eine durchschnittliche Figur und sah überhaupt sehr durchschnittlich aus. Das Auffälligste an ihm waren seine roten Haare. Normalerweise mag ich keine roten Haare, aber bei ihm sah das überraschenderweise gar nicht so schlecht aus. Hätte er nicht so ein verkniffenes, angespanntes Gesicht gemacht, hätte er direkt als 'gutaussehend' durchgehen können. Stattdessen wackelte die randlose Brille, die ihm das Aussehen eines Mathematikstudenten verlieh, auf seiner Nase hin und her, wenn er bei jeder Kraftanstrengung das Gesicht verzog. Er trug einen Karton, der ein ganz schönes Gewicht zu haben schien.

Ich ging ins Haus hinein, in das mein Nachbar auch gerade verschwunden war. An seiner Wohnungstüre schien es etwas zu geben, das auf den ersten Blick wie ein Gerangel aussah. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass in der Wohnung zwei der Umzugshelfer versuchten, mit einem Stück Couchgarnitur um die Ecke zu kommen und mein neuer Nachbar daher gerade nicht in die Wohnung konnte. Er starrte gebannt in die Wohnung hinein und verzog immerzu das Gesicht, als würde er einen Boxkampf beobachten und zusehen müssen, wie der Favorit, auf den er gesetzt hatte, einen Hieb nach dem anderen einstecken musste. Ich schloss daraus, dass er seine Couchgarnitur sehr liebte. Da er aber nun gerade da stand und nichts zu tun hatte, nutzte ich die Gelegenheit, ging auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin. "Hallo, ich bin Kathi Dresen, ihre Nachbarin." - "Nicht jetzt", erwiderte er abwesend und sah mich dabei nicht mal an. Ich entgegnete, höflich, aber bestimmt: "Doch, ich bin auch jetzt, in diesem Moment, Kathi Dresen, und wenn sie da" - ich deutete mit der Hand auf seine Wohnungstüre - "einziehen, dann bin ich tatsächlich auch in diesem Moment ihre neue Nachbarin." Ich war sehr zufrieden mit mir. Ich bin nicht immer sonderlich schlagfertig, aber das schien ein guter Tag zu sein. Mein neuer Nachbar sah das offenbar nicht so. Er schaute mich jetzt an, und ich sah am Zittern seiner Gesichtsmuskulatur, (das sah übrigens lustig aus!), dass er ganz und gar nicht erfreut war, mich kennenzulernen. Jetzt sprach er: "Hören sie mal, ich ziehe gerade hier ein, und ich habe jetzt wirklich keine Zeit für sie. Kommen sie doch ein anderes Mal wieder, aber stören sie mich jetzt nicht weiter!" Ich ärgerte mich, wollte das aber nicht zeigen. Der Vorhang in meinem Kopf war elegant zur Seite geglitten. Der kleine Mann zerlegte gerade wenig fachgerecht eine antik anmutende Vitrine aus dunklem, edlen Holz. Mit ironischem Unterton entgegnete ich: "Das wird der Beginn einer wunderbaren Nachbarschaft", und verschwand in meiner Wohnung. Ich rief sofort Marc an und erzählte ihm von der ersten Begegnung mit dem neuen Nachbarn. "Sehr sympathisch!" meinte Marc, "aber sieh es positiv. Du musst Dich nicht mit ihm abgeben und hast jemanden, der sich mit dir die Treppenhausreinigung teilt." Da hatte er recht.

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