Читать книгу M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los - tanja Voosen - Страница 10

Kapitel 6

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»Was genau machst du da, Cousinchen?«

Nele war kurz im Bad gewesen, um sich die Zähne zu putzen, und als sie wiederkam, hatte Romy ihr Bett in Beschlag genommen – und anscheinend alles, was ihr unnütz erschienen war, heruntergeworfen. Überhaupt lag allerhand von ihrem Zeug in der Mitte des Zimmers zu einem Haufen aufgetürmt.

»Diesen Plunder brauche ich nicht«, sagte Romy entschieden.

Nele schnaufte. Das Thema hatten sie doch schon mal gehabt!

Aber vielleicht brauchte Romy ja länger Zeit, um so was zu raffen? Zwischen »Prinzessin auf der Flucht« und »plötzlich normal« war ja nicht sehr viel Zeit vergangen. Also versuchte Nele es noch mal mit Ruhe und Vernunft. »Wir sind in meinem Zimmer. Und das sind meine Sachen. Ich würde mir wünschen, dass sie an ihrem Platz bleiben, okay?«

»Agent Wolf hat gesagt, dass ich dein Zimmer haben kann.«

Ruhe und Vernunft? Puh, bei Romy verpuffte beides im Nu.

»Er hat gesagt, dass wir es uns teilen«, erwiderte Nele. »T-E-I-L-E-N.«

»Na gut«, meinte Romy. »Teilen bedeutet auch, dass du mir Platz machst.«

Nele zählte in Gedanken bis drei, ehe sie etwas sagte, das sie bereuen würde.

»Klar mach ich dir Platz«, sagte sie bemüht freundlich.

»Wir sollten wirklich ausmisten und umräumen, wenn wir in dieser Besenkammer leben«, schob Romy nach. »Überleg dir das noch mal. Was ist mit diesem Ball dort?«

»Der ist mir wichtig«, sagte Nele und hob ihn vom Boden auf. »Er ist vom ersten Fußballspiel, das ich gewonnen habe.«

Die Prinzessin rümpfte die Nase. »Wenn du meinst.«

Nele musste sich arg zusammenreißen, nicht mit den Augen zu rollen.

»Kannst du mir jetzt helfen? Ich möchte gerne zu Bett gehen«, sagte Romy.

Nele kickte den Fußball unters Bett und nahm dann ein paar der anderen Dinge vom Boden, um sie zurückzustellen. »Papa holt gerade eine Luftmatratze vom Dachboden. Ich zeig ich dir, wo alles ist. Nachdem ich aufgeräumt habe.«

Wobei Romy natürlich keine Anstalten machte zu helfen …

»Danke, aber ich denke, das Bett wird schon irgendwie gehen«, sagte Romy. »Das ist wie das eine Mal im Prinzessinnen-Sommercamp, als wir draußen in Schlafsäcken übernachtet haben.«

»Es gibt ein Prinzessinnen-Sommercamp?«, fragte Nele verwundert.

»Natürlich! Wir müssen ja lernen, uns in die Perspektive des einfachen Volks zu versetzen«, sagte Romy und lächelte. »Stell dir vor, beim Frühstück gab es nur eine Sorte Marmelade und nur einen einzigen Löffel dafür! Das war wirklich grausig.«

Ob Nele Romy wohl verraten sollte, dass es bei ihnen gar keine Marmelade gab und ihr Papa manchmal sogar den Finger in seine geliebte Schokocreme steckte?

»Ja, grausig«, sagte sie höflich. Da vibrierte ihr Handy. Eine Nachricht von Luis.

Klar, der wollte wissen, was seit seinem unfreiwilligen Abgang passiert war.

Sie setzte an, eine Antwort zu tippen, da räusperte Romy sich laut.

Nele drehte sich wieder zu ihr. »Ach so, ja. Das Bad ist direkt gegenüber.«

Romy sah Nele verständnislos an. »Jemand muss mir aus meinen Kleidern helfen und mir ein Bad einlassen. Am besten mit Pfefferminzrosenessenz. Und mein Haar muss dringend entwirrt werden«, forderte sie. »Außerdem hätte ich gerne frische Seidenraupenlaken. Und bei meinem Nachtgewand muss der Stoff aus Nachtglanzwolle sein, sonst ist mir das zu kratzig auf der Haut. Meine eigenen Sachen sind ja noch im Palast. Und selbstverständlich fehlt auch noch der Lavendelnachttee, am liebsten hätte ich ihn mit einem Schuss Kristallblütenhonig.«

Wie bitte? Nele starrte zurück. »So was haben wir nicht.«

»Wenn es sein muss, nehme ich auch gewöhnlichen Honig.«

Nele ließ die Hand mit dem Handy sinken. »Wir sind hier nicht in Marabel.«

»Dann gibt es keinen Lavendelnachttee?«, fragte Romy enttäuscht.

»Nein!«, platzte es aus Nele heraus. »Und auch keine Pfefferminzrosenessenz oder sonst irgendwas von dem komischen Kram. Hier ist alles normal, kapiert?«

Zumindest bis du kamst, dachte Nele.

»In der untersten Schublade im Bad liegt bestimmt noch eine Ersatzzahnbürste«, meinte Nele. Mürrisch ging sie zu ihrem Kleiderschrank, zog einen ihrer alten Pyjamas aus der unteren Schublade und warf ihn neben Romy aufs Bett. »Da, bitte.«

Im Flur ertönte ein Poltern, als ihr Papa von der Leiter zum Dachboden stieg, und eine Sekunde später kam er samt Luftmatratze im Arm herein. »Oh, wie ich sehe, dekoriert ihr ein bisschen um? Ist ja schön, dass ihr euch so gut versteht.«

Umdekorieren, ha! Papa raffte ja mal wieder gar nichts!

Wortlos nahm Romy den Pyjama und ging hinüber ins Badezimmer. Als Nele den Wasserhahn laufen hörte, wandte sie sich an ihren Papa. Der pumpte die Luftmatratze mit einem automatischen Blasebalg auf und war fast fertig. Er lächelte Nele an.

»Romy ist wohl sehr anders als die Mädchen aus der Schule, was?«

»Das trifft es ziemlich gut«, murmelte Nele.

Auf der letzten Geburtstagsübernachtungsparty, auf der sie eingeladen gewesen war, hatte jedenfalls niemand um Raupentee und Lavendellaken gebeten. Oder war es andersherum gewesen? Was für ein Leben lebte Romy denn bitte in Marabel?

»Wo ist denn dieses Marabel überhaupt?«, fragte Nele möglichst beiläufig.

»Netter Versuch«, erwiderte ihr Papa und musterte Nele dann eine Weile. »Ich bin aber wirklich froh, dass du ihr eine Chance gibst. Ich wünsche euch eine gute Nacht.«

»Nacht, Papa«, murmelte Nele. Während sie das Gästebettzeug aus ihrem Kleiderschrank holte und frisch bezog, sagte sie sich selbst, dass diese Romy-Situation nur für kurze Zeit war.

Weil Romy noch weg war, schrieb Nele Luis rasch, dass sie morgen nach dem Fußballtraining bei ihm vorbeikommen würde, und räumte anschließend noch den Rest des Romy-Chaos auf. Dabei fiel ihr Blick auf ein altes Foto, das im Regal umgekippt war. Es zeigte ihre Mama mit Nele im Arm, da war Nele gerade vier geworden. Ihre Mama blies in eine alberne Geburtstagspfeife und schnitt dabei eine Grimasse. Nele wurde bei dem Anblick ganz wehmütig.

Ein Knarzen ließ sie herumfahren. Romy stand unsicher in der Tür.

Neles Pyjama mit den scheußlichen Ufos drauf, den ihre Tante ihr mal geschenkt hatte, sah an Romy gar nicht mehr doof aus. Mit ihrem elegant zusammengeflochtenen Haar wirkte er bei Romy wie ein cooles Modestatement.

War bestimmt so ein königliches Gen, das einen stets gut aussehen ließ.

»Du kannst das Bett haben«, sagte Nele und warf ihr Bettzeug auf die Luftmatratze.

Es herrschte eine komische Stimmung, weil Romy keinen Mucks mehr von sich gab. Nele überlegte, ob sie etwas sagen sollte, schwieg dann aber ebenso eisern. Sie wartete, bis Romy im Bett war, knipste das Licht aus und legte sich auch hin. Nele hätte gerne noch ein paar YouTube-Videos auf dem Kanal Furioser Fußball geschaut, aber mit Romy in einem Zimmer fühlte sich alles fremd an. Anders eben.

Zumindest eine Sache war gleich: Eine Handvoll Sterne begann, an der Decke zu leuchten. Manchmal fühlte Nele sich für diese Plastikdinger viel zu alt. Doch unter diesen Sternen hatte ihre Mama ihr Geschichten vorgelesen und ihr Papa mit ihr gelacht. Einiges veränderte sich, aber nicht diese Sterne.

»Wie ein Sternhaufen«, hörte sie Romy murmeln.

»Ein Sternhaufen?«, fragte Nele in die Dunkelheit hinein.

»Sternhaufen bestehen aus hundert bis tausend Sternen. Es sind riesige Ansammlungen Sterne auf einem Haufen«, antwortete Romy. »Sie sind aber selten.«

»Krass«, sagte Nele. »So was lernt man als Prinzessin?«

Kurz wurde es still. Eine Bettdecke raschelte leise.

»Mein Bruder Costa hat mir das erzählt. Wir sitzen oft zusammen im Westturm und schauen uns die Sterne an«, sagte Romy. »Manchmal, da … da fühle ich mich wie in so einem Sternhaufen. Im Schloss wimmelt es nur so von Menschen. Und egal, wie hell du leuchtest, du gehst einfach zwischen allen anderen unter.«

Nele spürte ein seltsames Pochen in der Brust. Das hörte sich so vertraut an …

»Das kenne ich«, flüsterte sie. »Vermisst du deinen Bruder? Deine Familie?«

Einige Momente verstrichen und Nele glaubte schon, Romy würde nicht darauf antworten, bis sie ein Seufzen hörte und die Prinzessin es dann doch tat.

»Ja. Sie alle. Aber …« Romy schien zu zögern. »… ich frage mich, ob sie gerade in diesem Moment vielleicht auch alle irgendwelche Sterne sehen und an mich denken.«

Das Gefühl in Neles Brust wurde zu einem wehmütigen Ziehen. »Ich weiß, wie das ist, jemanden zu vermissen. Ich vermisse meine Mama … sie wohnt nicht mehr bei uns. Es wäre schön, wenn sie die Sterne sieht und auch an mich denkt.«

Erneut wurde es ganz still, so still, dass Nele immer schläfriger wurde, während sie die Sterne betrachtete. Fast schon war sie eingeschlafen, da hörte sie Romy noch etwas flüstern. »Familie vermissen. Wir haben wohl doch was gemeinsam.«

»Ja«, wisperte Nele. »Scheint so. Gute Nacht, Romy.«

»Gute Nacht, Nele.«

M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los

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