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Kapitel 1

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Der Vampir stopfte sich eine Handvoll Popcorn zwischen die spitzen Zähne und ging an Nele vorbei. Verdutzt sah sie ihm nach. Ihr bester Freund Luis kam gerade aus der Toilette und wäre vor Schreck über den Anblick fast über seine eigenen Füße gestolpert. Nele verkniff sich ein Kichern, weil Luis den Mund nicht mehr zubekam.

»Was war das denn?«, fragte er.

»Ein Vampir mit Vorliebe für Popcorn«, sagte Nele. »In seinem Becher war bestimmt Blutorangenlimonade, damit er im Dunkeln niemanden vor Durst aussaugen muss.«

»Ganz bestimmt«, meinte Luis und grinste.

»Oder heute ist die Premiere von diesem neuen Gruselstreifen.«

»Wir sollten uns einen neuen Kinotag suchen, sonst treffen wir das nächste Mal noch auf einen Clown«, murrte Luis. »Die sind so was von gruselig!«

»Gruseliger als die schlechte Schauspielerei aus dem Film heute geht’s nicht«, scherzte Nele. »Beim nächsten Mal darf zum Glück ich wieder aussuchen.«

Luis seufzte. »Der Film war echt ganz schön blöd. Gar nicht wie die Comics.«

Nele nickte nur. Sobald Luis mit seinen geliebten Comics anfing, war das nämlich das Beste, was man tun konnte – dann redete er wie ein Wasserfall und vergaß die Welt um sich herum. So wie jetzt. Nele musste ihn beim Rausgehen am Arm packen, damit er nicht gegen die Schiebetür latschte, und zog den quatschenden Luis zu den Fahrradständern.

Er bemerkte auch gar nicht, dass vorm Eingang des Kinos noch einige andere Leute in Vampirkostümen standen. So was sah Nele sonst nicht mal an Fasching oder Halloween. Da waren ihr die Schwert schwingenden Alien-Kopfgeldjäger aus der Comic-Verfilmung echt lieber – Nele hatte die gar nicht so übel gefunden.

»Erde an Luis, können wir los?«

»Oh«, entfuhr es Luis. »Klar. Sorry.«

Die beiden ketteten ihre Fahrräder ab und schoben sie ein Stück die Straße hinunter, ehe sie nach der Fußgängerzone aufstiegen und losfuhren.

»Wie war eigentlich Fußball?«, fragte Luis.

»Das ist leider ausgefallen«, antwortete Nele.

»Oh, wie blöd«, sagte Luis.

»Jaaa, richtig blöd. Du könntest mich ja aufmuntern.«

»Lass mich raten, mit einem Wettrennen?«, murmelte Luis.

»Ne, schon gut. Du fährst ja lieber im Schneckentempo«, sagte Nele.

Die zwei grinsten einander kurz an, ehe sie um eine Ecke bogen.

»Magst du mit zu mir?«, fragte Nele. »Das Popcorn hat irgendwie doch nicht als Mittagessen gereicht. Papa hat Lasagne gemacht.«

»Lasagne?«, horchte Luis auf. »Ist er denn zurück?«

Die Frage stimmte Nele kurz traurig. Ihr Papa war viel zu oft wegen seinem Job unterwegs. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, dass sie das letzte Mal zusammen gefrühstückt hatten und er dabei einen seiner blöden Witze gerissen hatte. Seit Tagen spürte Nele schon dieses Ziehen im Bauch, weil sie ihn so vermisste.

»Ne«, antwortete sie etwas verspätet. »Aber er hat so viel gekocht und eingefroren, dass ich damit unsere ganze Klasse durchs Jahr bringen könnte. Alsooo?«

Sie merkte, wie Luis sie einen Moment ansah. »Ich bleib, solange du magst.«

Ihr wurde ganz warm ums Herz. Luis verstand sie. Er wusste, dass es nicht cool war, wenn man ein ganzes Haus so oft für sich hatte. Wenn ihre Freundin Kat davon schwärmte, was Nele alles während der »sturmfreien Zeit« anstellen könnte, spürte Nele nur einen Kloß im Hals. Das wurde auf Dauer nämlich echt einsam …

»Weißt du, was? Ich hab jetzt Lust auf ein Wettrennen bis zu dir.«

»Echt?«, fragte Nele verblüfft.

»Auf drei? Eins. Zwei. Drei!«

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, trat Nele hastig in die Pedale.

»Jippie!«, stieß sie aus. Sie hatte so was von die Nase vorn!

Doch dann flatterte ihr das dunkelbraune Haar vor die Augen und für eine Sekunde sah sie nichts mehr. Sie trat auf die Bremse, aber da ruckelte ihr Rad über einen dicken Stein und Nele flog aus dem Sattel geradewegs in ein Blumenbeet.

Stöhnend stemmte Nele sich hoch.

»Ist alles okay?« Luis sprang vom Rad und schob es das Stück zum Garten.

»Mir tut alles weh. Ich glaube, ich muss morgen mit Ganzkörpergips zur Schule.«

Sie verzog das Gesicht und rappelte sich auf. Auf ihrem Trikot klebte Dreck. Und einige der armen Blumen im Beet hatte sie auch geköpft. Zu allem Überfluss ging auch noch der Rasensprinkler los. Der Sprühregen aus Wasser erwischte Nele eiskalt und ihr entwich ein Quieken. Luis sprang automatisch zurück.

»Oh, Mist! Das ist ja Frau Wus Beet!«, sagte er.

»Die habe ich frisch eingepflanzt!«, brüllte da auch schon jemand los.

Nele drehte sich um. Aus der Haustür trat eine Frau mit langem schwarzem Haar und funkelnden dunklen Augen. Frau Wu! Oje, das gab jetzt aber Ärger!

»Entschuldigung!«, rief Nele. »Das war keine Absicht.«

Frau Wu kam mit strammen Schritten näher. »Davon werden die armen Blumen auch nicht wieder heil. Das werde ich deinem Vater erzählen, Nele Marie Wolf!«

»Ich bezahl’s von meinem Taschengeld«, presste Nele hervor.

»Hör lieber mal auf, mir die Petunien von der Fensterbank zu kicken oder mich umzufahren, wenn ich Einkaufstüten trage«, erwiderte Frau Wu. »Das würde reichen.«

Neles schlechtes Gewissen wurde größer – auch wenn das schon etwas unfair von Frau Wu war. Das klang ja fast, als würde Nele absichtlich ständig solche Dinge machen. Dabei waren das bloß ein paar Unfälle gewesen, weil sie zu stürmisch war.

»Ich versuch’s. Auf Wiedersehen«, sagte Nele höflich und drehte sich um.

Hoffentlich stand Frau Wu später nicht wirklich bei ihnen auf der Matte, um sich über sie zu beschweren. Das war nämlich schon passiert – auch wenn sie Neles Papa recht gern zu haben schien und nach einer Tasse Kaffee wieder besänftigt war.

Luis hatte Neles Rad inzwischen aufgestellt und sie nahm es ihm ab. Beim Schieben eierte der Vorderreifen so schlimm, dass sie sich fühlte, als würde sie auf Treibsand damit laufen. Verflixt! Das setzte allem echt die Krone auf …

»Woher kennt Frau Wu eigentlich deinen zweiten Namen?«, fragte Luis.

Nele warf einen nachdenklichen Blick zurück. »Frau Wu weiß seltsam viele Dinge.«

Beim Weitergehen begann die Schramme an ihrem linken Ellbogen plötzlich, höllisch zu brennen, und sie verzog das Gesicht. Zum Glück war sie sonst okay.

Luis musterte sie besorgt. »Geht’s?«

»Ich bin vom Fußball Schlimmeres gewohnt«, antwortete Nele. Vom letzten Spiel hatte sie noch immer einen dicken blauen Fleck am Schienbein. »Aber mein Rad …«

»Ja, das sieht echt übel aus«, sagte Luis mitfühlend. »Vielleicht kann dein Papa es reparieren?« In seine Augen trat ein verträumter Glanz, wie kleine Funken von Abenteuerlust. »Ich meine, der ist jetzt irgendwo da draußen und tut … gefährliche Dinge! Ein verbogenes Rad kriegt der mit verbundenen Augen hin.«

Die Vorstellung von ihrem Papa mit Augenbinde und Werkzeug heiterte Nele sofort auf. Warum Luis so unbedingt auch mal was Aufregendes erleben wollte, war ihr allerdings schleierhaft. Zusammen mit vier Schwestern unter einem Dach zu leben, erschien ihr schon abenteuerlich genug. Luis hatte eine Schwester für jede Gelegenheit – und Nele? Einen Papa, den sie mit seinem Job teilen musste.

»Was glaubst du, macht er gerade? Ist er vielleicht …«

»Psst!«, unterbrach Nele ihn. »Wir reden nur im Clubhaus über so was.«

»Natürlich!« Luis’ Gesicht wurde ernst. »Ich habe feierlich geschworen, die Geheimnisse deiner Familie zu wahren! Bis zum Planeten Zorkaja und noch weiter!«

Nele lachte. »Du redest manchmal nur Unsinn.«

»Hey! Das ist aus ›Die Rückkehr der Sternenpatrouille‹.«

Bei dem schmalen Haus mit der Nummer dreizehn hielten sie an. Nele und ihr Papa lebten schon viele Jahre in der Lilienstraße in Kumpferberg und seit ihrem Einzug damals hatte sich an den Backsteinhäusern und gepflegten Vorgärten nicht viel verändert. Auf den Stufen vor ihrem Haus saß wie jeden Tag, wenn Nele heimkam, Caroul, der dicke weiße Kater der Schuhmanns von schräg gegenüber. Herr Schuhmann und seine Tochter Kira sahen nach Nele, wenn ihr Papa unterwegs war. Doch heute würde das nicht nötig sein, denn …

Das schwarze Auto dort kannte Nele nur zu gut: Ihr Papa war wieder da!

M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los

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