Читать книгу M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los - tanja Voosen - Страница 6
Kapitel 2
Оглавление»Luis, sieh mal!«, sagte Nele.
Vor lauter Vorfreude konnte sie nicht mehr still stehen. Sie lehnte ihr Rad gegen den Gartenzaun, scheuchte Caroul von den Stufen und kramte ihren Schlüssel hervor. Ihr Herz machte einen Salto, als sie den blauen Koffer im Flur sah.
»Papa! Ich bin zu Hause. Wo bist du?«
Neles Blick huschte zur Küche, aber die war leer. Sie lief zum Wohnzimmer und bemerkte die offene Terrassentür. Aus dem Garten drang ein komisches Geräusch …
»Ob er oben ist?«, wunderte sich Luis, der ihr gefolgt war.
»Ich weiß nicht«, sagte Nele. »Aber hörst du das auch?«
»Vielleicht hat dein Papa sich in einen Raben verwandelt«, scherzte Luis. Doch er hörte sich genauso unsicher an, wie Nele sich fühlte. »Sollen wir … mal nachsehen?«
»Ja«, murmelte Nele. »Ein Einbrecher wird wohl kaum so einen Lärm veranstalten.« Zur Sicherheit schnappte sie sich trotzdem den alten Besen aus der kleinen Vorratskammer der Küche. Bewaffnet und mit Luis dicht hinter sich, ging sie vorsichtig zum Garten.
Dort blieb sie verdutzt stehen. »Da ist ein Mädchen.«
»Was tut sie denn da?«, fragte Luis perplex.
»Ich weiß auch nicht … sie sieht aus wie Rapunzel, oder?«
Das besagte Mädchen trug ein altmodisch aussehendes Kleid mit langen Ärmeln, obwohl es ungefähr im selben Alter wie Luis und Nele sein musste. Seine goldglänzenden Haare waren wirklich so lang wie bei einer Märchenprinzessin. Und barfuß war das Mädchen auch. Eines seiner Spitzenschühchen hielt es in der Hand, das andere schien zu fehlen.
Rapunzel führte einen kuriosen Tanz auf, wenn man das so nennen konnte. Hopsend und mit den Armen fuchtelnd, machte sie Krächzgeräusche, als würde ihr was im Hals feststecken.
Nele ließ den Besen sinken und starrte sie an.
Und dann bemerkte Rapunzel sie auch. Sie wirbelte wie eine Ballerina um ihre eigne Achse und würgte wieder einige dieser Krächztöne heraus, und als die Blicke der beiden sich trafen, fing sie erschrocken an zu kreischen.
»Oh, du murksiges Makra! Ein Schlammgnom! Bleib weg von mir!«
»Was?«, entfuhr es Nele automatisch.
Zur Antwort warf das Mädchen seinen Schuh nach Nele, und da die viel zu perplex war, um zu begreifen, was geschah, traf das kitschige Ding sie genau an der Schulter.
»Aua!« Nele rieb sich die schmerzende Stelle. »Was soll das?«
»Hör auf, mit mir zu sprechen, Schlammgnom!«, stotterte die Fremde.
»Was soll ich denn sonst tun? So komisch krächzen wie du?«, fragte Nele.
Sie machte große Augen. »Krächzen? Das war Kakelon! Eine aussterbende Sprache, die nur die allerwenigsten in Marabel noch beherrschen«, sagte sie empört.
Neben ihr unterdrückte Luis ein Prusten. »Kakelon!«, jauchzte er.
»Ich hab eine Meise!«, sagte Rapunzel. »Helft mir doch.«
Die hatte sie wirklich, dachte Nele. Eine absolute Vollmeise!
»Wer bist du überhaupt und was machst du in unserem Garten?«, fragte Nele.
Sie ignorierte Neles Fragen, wandte sich wieder dem Baum zu und zeigte mit dem Finger auf einen der Äste, wo tatsächlich eine kleine Meise saß. »Die Meise muss mir gefolgt sein. Sie muss verschwinden, ehe sie was aufschnappt. Tu doch was!«
Nele runzelte genervt die Stirn. »Gefolgt? Hör auf mit dem Blödsinn!«
»Das ist bitterer Ernst«, jammerte sie. »Ich bin doch in Gefahr …«
Plötzlich wirkte sie ganz bedrückt. Nele bekam Mitleid mit ihr und machte einen Schritt vor. »Wie heißt du? Ich bin Nele.«
Die Miene des Mädchens verfinsterte sich. »Was für eine unverschämte Frage! Jeder weiß, wer ich bin. Und ich verlange, dass du endlich diese Meise entfernst!«
Schlagartig war Neles Mitleid wie weggewischt. Sie stampfte zum Baum und wedelte mit dem Besen herum, bis die Meise vom Ast flog. Mit zusammengekniffenen Augen funkelte sie Rapunzel an. »So, zufrieden? Kannst du jetzt gehen? Da vorne ist die Tür.«
Die rümpfte bloß die Nase. »Von jemandem, der nicht weiß, wie man anständig badet, lasse ich mir gar nichts sagen. Geh du doch durch die Tür.«
»Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ich wohne hier!«
»In unserem Schrank fehlt niemals auch nur eine Tasse. Die sind alle aus feinstem marabellanischem Porzellan und gehören nun mal zusammen«, erwiderte das Mädchen ziemlich hochnäsig.
Luis mischte sich ein. »Können wir nicht von vorne anfangen und versuchen, eine Lösung zu finden? Hallo, ich bin Luis und das ist Nele. Wer bist du?«
Rapunzel warf kokett ihr Haar zurück und streckte Luis dann eine Hand entgegen. »Mein Name ist Romina Cassandra Eleanor Wynter«, sagte sie hochnäsig.
»Ich glaube, sie wartet darauf, dass du ihre Hand küsst«, meinte Nele.
»Natürlich! Das ist ein Zeichen des Respekts der Königsfamilie gegenüber.«
Luis nahm Romina Dingensbums Wynters Hand und schüttelte sie sanft.
»So macht man das bei uns«, erklärte er. »Du kommst wohl nicht von hier?«
»Vielleicht hat sie ja ein Raumschiff im Garten abgesetzt«, flüsterte Nele.
Romina beäugte Luis’ Hand misstrauisch und zog ihre dann zurück. »Steht diese Nele in deinen Diensten? Warum sieht sie aus wie ein Schlammgnom?«
Nele verschränkte die Arme vor der Brust. Die hatte eindeutig zu viele Computerspiele gespielt oder warum laberte sie so verrücktes Zeug?
»Du siehst auch nicht gerade besser aus«, sagte Nele und wandte sich Luis zu, weil sie gar nicht länger mit ihr reden wollte. »Ich will, dass Romina geht.«
»Romina Cassandra Eleanor Wynter«, wurde Nele sogleich verbessert.
»Und wenn du noch zehn andere Namen hättest, mir schnurzpiepegal!« Sie fuhr wieder zu Romina herum. »Lass uns in Ruhe und verschwinde.«
Hinter ihnen räusperte sich jemand. »Ich befürchte, das ist nicht möglich.«