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Eileen

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Trotz des ausladenden Sonnenhutes mit venezianischer Spitze schirmte Eileen ihre Augen noch mit einer Hand gegen die hoch am Himmel stehende Sonne ab. In der anderen hielt sie die Stoppuhr, während sie den Lauf von In A Secret Word verfolgte. Sie hatte den zweijährigen Hengst erst vor knapp drei Wochen gekauft und wollte ihn bereits kommenden Monat beim Rennen in Musselburgh starten lassen. Jack Mycroft, ihr bisheriger Trainer, fand das zu früh, weshalb sie sich vorgestern von ihm getrennt hatte. Neun Pferde hatte er für sie in den letzten anderthalb Jahren betreut und nichts dabei zuwege gebracht. Nun trainierte sie dieses hier selbst mithilfe des vielversprechenden jungen Bereiters Heath, der auch jetzt im Sattel saß und Secret über die Bahn jagte. Als er die Markierung passierte, stoppte Eileen die Zeit. Siebenundfünfzig Sekunden. Gar nicht mal schlecht. Es würde noch nicht für einen Sieg reichen, aber zumindest für eine Platzierung. Diesmal, dessen war sie sich sicher, hatte sie einen wirklich guten Kauf gemacht. Das war auch dringend nötig. Alle Pferde, die sie bisher gekauft hatte, waren ein Reinfall gewesen, was sie – ihrer Wut zum Trotz – nicht allein Jack zum Vorwurf machen konnte, sondern auch ihrer Unerfahrenheit beim Kauf. Secret würde diese Pechsträhne hoffentlich beenden. Er war ein Tipp eines guten Bekannten gewesen, der relativ erfolgreich in die Szene investierte. Eine Szene, zu der Eileen um jeden Preis ebenfalls gehören wollte, denn sie würde ihr die Tür in einen weiteren elitären Kreis der High Society öffnen und ihr helfen, weiterhin ihren Lebensstandard beizubehalten. Unabhängig von ihrem Mann – und auch unabhängig von Rose, sobald die Withurst Hall übernahm.

Nur darum ging es Eileen, denn sie war nicht bereit, in Zukunft Abstriche zu machen. Doch allmählich sah sie ihre Felle davonschwimmen. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wenn sie weiterhin ihren Traum leben wollte.

Heath ließ das Pferd ausgaloppieren und dann in einen leichten Trab fallen, ehe er es wendete und zu ihr ritt. Reiter und Pferd waren beide verschwitzt und außer Atem. Ihre Muskeln zeichneten sich deutlich ab, was Eileen ausgesprochen attraktiv fand, vor allem bei Heath. Zugegeben, sie hatte eine Schwäche für gut aussehende, jüngere Männer. Aber warum auch nicht. Schade eigentlich, dass die Jockeys bei den Rennen nicht solch eine Augenweide waren. Aber die ritten sowieso nicht in Muscle-Shirts wie Heath.

„Er läuft gut“, lobte er den Hengst und klopfte ihm den Hals. „Aber auf der letzten Gerade geht ihm immer noch die Puste aus.“

Secret tänzelte nervös, trotzdem blieb Heath lässig im Sattel sitzen und grinste Eileen herausfordernd an.

„Wir haben ja noch ein paar Wochen. Ich werde morgen mit Parker Jefferson sprechen, damit wir einen guten Jockey für ihn bekommen. Wenn er die Strecke unter fünfzig Sekunden schafft, haben wir uns vielleicht einen Champion eingekauft.“

Heath nickte zuversichtlich. „Ich denke, der Bursche schafft das. Mit dem richtigen Training versteht sich. Es war gut, dass du Jack rausgeschmissen hast, Eileen. Er hat einfach nicht den nötigen Biss, macht sich zu viele Gedanken.“

Eileen hob warnend eine Augenbraue, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging Richtung Stallungen. Heath würde ihr folgen, auch ohne dass sie ihn dazu aufforderte. Der Kerl fraß ihr aus der Hand, und das war gut so, aber er nahm sich auch verdammt viel heraus, obwohl sie ein paar klare Regeln aufgestellt hatte.

Eileen mochte es nicht, wenn Leute ihren Träumen im Weg standen oder ihr einreden wollten, dass sie etwas nicht schaffen könnte. Darum hatte Jack Withurst Hall verlassen müssen. Heath war anders, er riskierte auch mal was und teilte ihre Einstellung zum Leben. Wenn man etwas wirklich wollte, war nichts unmöglich. Anfangs hatte er sie und Jack lediglich beraten, als sie sich zwei junge Vollblutstuten in Wales angesehen hatten, die er betreute. Er hatte die beiden Pferde nach Schottland gebracht, ihr Training in den ersten Tagen begleitet und hätte dann zurückfahren sollen. Aber er war geblieben. Aus mehreren Gründen, und Eileen bereute bisher nicht einen davon.

Vor dem Eingang zu den Boxen traf sie auf den Stallburschen, der gerade eine Karre mit Mist wegfuhr. „Mick, kümmere dich um Secret, wenn Heath von der Bahn kommt“, wies sie ihn an. „Er muss in die Führanlage, bis er sich abgekühlt hat. Danach wasche ihn und stell ihn unters Rotlicht, das ist gut für die Muskeln, hat man mir gesagt. Dr. Dean hat Secrets Futterration neu zusammengestellt, der Plan hängt an seiner Box. Keine Fehler, verstanden? Wenn das Pferd beim Rennen nicht in Topform ist, weil du deine Arbeit nicht gewissenhaft genug machst, bist du deinen Job los.“

Der Junge nickte hektisch und gab kein einziges Widerwort. Man musste seinen Angestellten immer wieder vor Augen führen, wer das Sagen hatte, sonst wurden sie nachlässig. Das konnte sie gerade jetzt nicht gebrauchen.

Hufgetrappel vor dem Stall kündigte Heath an. Mick eilte sofort herbei und nahm dem Bereiter das Pferd ab. Der ging erst einmal zum Brunnen und warf sich einen Schwall kühles Wasser ins Gesicht, das in winzig kleinen Perlen und Rinnsalen über seine erhitzte Haut rann. Der Anblick war atemberaubend.

„Heath? Auf ein Wort in mein Büro“, forderte Eileen scharf. „Ich möchte das heutige Training noch einmal mit Ihnen durchsprechen.“

Der Bereiter stockte kurz, neigte fragend den Kopf zur Seite, bis er schließlich nickte. „Ja, Mrs McBain. Ich zieh mir nur noch schnell …“

„Sofort!“, unterbrach sie ihn und hielt bereits auffordernd die Tür zu dem kleinen Zimmer auf, in das sie ihr persönliches Büro verlegt hatte, damit ihr Mann sie nicht störte. Sir Robin mied den Pferdestall zumeist. Er hielt sich lieber an Golf.

„Natürlich, Sie sind der Boss, Ma’am.“

„Ganz genau“, bestätigte sie und lächelte kühl.

Sie hatte die Tür hinter ihnen beiden kaum geschlossen, als der Zorn auch schon aus ihr herausbrach. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht mit meinem Vornamen anreden sollst, wenn wir nicht allein sind.“

Das Funkeln in Heaths Augen zeigte, was er von ihrem Vorwurf hielt. „Bleib locker, Eileen. Es war doch weit und breit niemand in der Nähe der Bahn zu sehen.“

„Und wenn doch jemand vorbeigekommen wäre? Überraschend. Verdammt, Heath, ich habe einen Ruf. Ich habe einen Rang in der Gesellschaft, den ich nicht verlieren will. Nicht verlieren darf, verstanden?“

Statt sich reumütig zu zeigen, grinste er nur. Demonstrativ drehte er den Schlüssel im Schloss und sperrte damit jeden Störenfried aus. Mit zwei Schritten war er bei ihr, zog sie in seine Arme und presste seine Lippen verlangend auf ihre. Eileen war überrumpelt, stemmte die Fäuste gegen seinen Brustkorb, doch er wusste einfach zu genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste, damit sie einbrach. Der Kuss raubte ihr den Atem, weckte ein Verlangen in Eileen, das für ihren Mann schon seit Jahren keine Bedeutung mehr hatte. Wer wollte ihr vorwerfen, dass sie sich in solche Abenteuer flüchtete? Sie brauchte das Gefühl, attraktiv und begehrt zu sein und nicht bloß ein hübsches Aushängeschild für das Familienimage.

Heath zog eine glühende Spur aus Küssen entlang ihrer Kehle bis zu ihrem Schlüsselbein. Gleichzeitig öffnete er die Knöpfe ihrer Bluse und fing an, ihre Brüste zu streicheln. Eileen stöhnte verhalten auf, machte sich an seiner Hose zu schaffen. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in diesem Büro ein kleines Stelldichein gaben, und wenn Heath vom Reiten erhitzt war und nach dieser Mischung aus Leder, Schweiß und herbem Männerparfüm roch, übte er auf Eileen einen unwiderstehlichen Reiz aus.

Er umfasste ihre Hüften und hob sie auf den Schreibtisch, griff ihr fast ein bisschen grob zwischen die Beine und erstickte ihren lustvollen Schrei mit einem weiteren Kuss.

Nur vage hörte Eileen Schritte draußen im Gang, doch als jemand nach ihr rief, blieb ihr fast das Herz stehen.

„Tante Eileen? Bist du hier?“

Eine kalte Dusche hätte nicht effektiver wirken können. Augenblicklich war ihre Lust dahin. Stattdessen stieß sie Heath in aufwallender Panik von sich und drehte sich zur Tür um. „Oh Gott, das ist Rose. Verdammt, sie hätte doch erst heute Nachmittag zurück sein sollen.“

Hastig knöpfte sich Eileen die Bluse zu und versuchte, ihre zerzauste Frisur wieder zu richten. Wo war denn der verdammte Hut?

„Wenn wir uns ins Stroh kuscheln, übersieht sie uns vielleicht“, raunte Heath, schlang von hinten seine Arme um ihren Körper und knöpfte die Bluse von unten wieder auf. Seine Erektion presste sich gegen ihren Po, was durchaus nicht unangenehm war, aber gerade hatte sie dafür absolut keinen Sinn.

„Jetzt nicht. Sie darf uns auf keinen Fall so zusammen sehen.“ Genervt schlug sie seine Hände beiseite, was ihn nicht davon abhielt, ihren Nacken zu küssen. Wenn er so weitermachte, würde sie doch noch schwach werden. Entschlossen drehte sie sich um und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.

„Verdammt, was soll das?“ Zornig funkelte er sie an.

„Ich habe gesagt, jetzt nicht“, zischte sie, nur um gleich darauf mit zuckersüßer Stimme ihrer Nichte zu antworten. „Ich bin hier, Liebes. Warte bitte einen Moment, ich bin gleich bei dir.“

Sie richtete ihre Kleidung und klopfte den Staub von ihrem weißen Hut, der bei dem stürmischen Kuss zu Boden gefallen war, da packte Heath sie schmerzhaft an den Handgelenken. „Ich warne dich, Eileen. Spiel keine Spielchen mit mir. Ich bin nicht einer deiner Laufburschen. Die Ohrfeige wirst du mir noch büßen, darauf kannst du Gift nehmen.“

Sie hielt seinem bohrenden Blick mühelos stand und reckte stolz ihr Kinn. Der Mann, von dem sie sich Angst einjagen ließ, musste erst noch geboren werden. „Darüber reden wir noch, Mr Summer. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich um meine Nichte kümmern.“

***

Der Herbst des Falken

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