Читать книгу Hugo Bauklotz - Ein Zaun - Tarius Toxditis - Страница 16

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Ausschnitt aus dem Blatt 376 (Engelein, Engelein, schwebe weiter)

Engelin Lysiane.. Engelein, Engelein, schwebe weiter. Hinweg über das Städtchen, das schon lange kein Städtchen mehr ist, hinweg über Wald, über Flur, hinweg, das Rascheln, das Zwitschern der Vögel. Irgendwo ein Fluss, Gerüche von Stall und Dung hinauf bis zu meiner Wolke, das Tuckern eines Traktors, und ich glaube, es war mir so, als ob es gerade zur zwölften Stunde geschlagen hat – war dem nicht so? Eine alte Kirchturmuhr, die tratschenden Bäuerinnen nicht zu vergessen, vor den Läden, mit Murmeln spielenden Kindern davor, der Marktbrunnen, so, als ob nie was Anderes gewesen wäre. Das Quietschen eines Heuwagens, friedlich – ja, hier werde ich mich niederlassen. Und schaut, das schmale Sträßchen, über das ich geschwebt, scheinbar unberührt von einen jeglichen Baggerschlägen dieser Welt. Doch was erblicke ich, was ist dies? Dass mir nicht mal hier mal etwas Ruhe vergönnt wird? Ruhe und Frieden?

Eine, eine – eine Karawane, eine heranrückende wohlgemerkt - eine Blech–, eine Blechkarawane genauer gesagt. Auf dem Sträßchen durch das scheinbar von dem Wandel der Zeiten unberührt gebliebenen Dörfchen. Hübsch anzusehende Luxuswagen, einer wie der andere, ohne Frage, aber störend irgendwie - wie auf einer Perlenschnur gezogen. Wohin ihr Weg? Wohin nur, bis zum Ende des Dörfchens – hm. Hinaus. Hinaus und dann vorbei. Vorbei an Feldern, vorbei an Fluren, hinauf, eine steile Auffahrt. Steil, bis zu einem Abzweig. Wo ein wunderschöner Apfelbaum; eine schlummernde Ebene, unendliche Weiten und Felder, soweit das Auge reicht. Von weitem das Rauschen eines friedlichen Flusses, ein uralter Holzsteg, ein Bauernhof. Und das Sträßchen hinab in die Ebene weiter und weiter, bis zum Horizont, die grüne Ebene. Ein gemütliches Fleckchen Erde, ach, was will ich mehr? Ist es nicht haargenau das, was ich gesucht habe? Haargenau das, wonach ich mich gesehnt?

Ausschnitt aus dem Blatt 164 (Sehr geehrter Kontoinhaber)

RLG...Durchgerungen haben wir uns nun dazu, uns unter Anbetracht des haarsträubenden Minus von neunzehn goldenen Omegas von Münze zu Münze zu angeln, nicht zuletzt um Ihnen den Gang zu Ihrem ganz persönlichen Buchhändler doch noch zu ersparen. Unsere Hoffnung beruft sich im Übrigen darauf, dass Sie dies ohnehin nie ernstlich in Betracht gezogen haben. Was nicht nur uns zusätzlich beflügeln würde, auch die Rettungschancen für das Leben von Herrn Lembel, dem Verlagsdirektor. Ja, alles wieder im Lot, und geht es schließlich nicht nur darum? Dass am Ende für alle Frieden, Freude und Eierkuchen eintritt; für Herr Lembel, für Sie, und natürlich uns nicht zu vergessen. Selbstverständlich, was denn sonst auch? Ganz zu schweigen von einem wie dem Tuchfühlung.

Für das Erreichen unserer Ziele haben wir uns einen kleinen Schlachtplan zurechtgelegt; Sie selbst brauchen nichts weiter zu tun, wie sich zurücklehnen, und dass Absinken Ihrer Schulden auf Ihren Kontoblättern zu beobachten. Beziehungsweise zu genießen, und hinterher die Blätter einfach auf die leeren Seiten Ihres Buches kleben. Na, was meinen Sie dazu, hört sich alles doch gar nicht so schlecht an, oder etwa doch?

Aber es kommt ja noch toller, gerade für Sie, glauben Sie mir ruhig, der Erste von uns steht nämlich, um es mal so zu formulieren, bereits in den Startlöchern, so dass er in Kürze mit dem ersten Omega aufwarten wird – ja, tatsächlich ist dem so, ob Sie‘ s nun glauben mögen. Oder auch nicht.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch, bevor ich die Bahn wieder freimache, unser Autorenquintett für die neunzehn goldenen Omegas vorstellen. Beginnen wird also gleich Radius Lehr, der eigentliche Verursacher Ihres neuartigen, bisher doch noch allzu leeren Buches. Der für Sie wie alle anderen Co – Autoren insgesamt vier Omegas auffüllen wird.

Ausschnitt aus dem Blatt 86 (Erleichtert)

ßilberling Etwas später war Lembel beim Ordnen jener Vertragsdokumente, die für die Vereinbarungen mit Kleinbürgermeister Klein relevant waren. Demzufolge sollten fünfzehntausend neue Stadtpläne gedruckt werden. Normal verliefen zunächst die Vormittagsstunden. Beziehungsweise ohne besondere Vorkommnisse, doch schon sehr bald sollte er abermals in der Ruhe gestört werden – und zwar so, wie er es sich in kühnsten Träumen nie hätte vorstellen können. Der tief in Manuskripte Vergrabene schaute verwundert auf, als es zunächst ein Rumpeln und Poltern war, das bis zu ihm ins Büro vordrang, und das immer lauter und lauter wurde. Lauter und lauter, zu jenen Furcht einflößenden Geräuschen gesellte sich wildestes Geschrei, Männer, zweifelsohne, lauter und lauter, wilder und wilder, und bevor Lembel sich für einen der nächsten ihm zur Verfügung stehenden Momente wenigstens noch einigermaßen hätte orientieren können, was denn da draußen eigentlich los war, wurde seine Bürotür auch schon aufgestoßen. Von außen wohlgemerkt, laut, und wie aus einem heiteren Nichts fiel eine scheinbar von Taranteln gestochene Horde ein, deren Gesichter ihm allzu bekannt waren. Kein Wunder, denn es waren schließlich und ausnahmslos die Buchhändler aus der ganzen Stadt, beziehungsweise Region. Das was die total erregten Männer ihm an Verbalen entgegen schrien, war aber keineswegs Angenehmes. Ohne Zweifel, ganz im Gegenteil, ganz im Gegenteil: „Lembel, Sie verflixter Betrüger“; „Stümper“; „Sie denken auch nur ans schnelle Geld“; „Sie Hai“; „Sie Ausbund an Unverschämtheit“; „Sie Schwein“; „Ihnen sollte man das Handwerk legen“ ; „was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind“; „Sie glauben, Sie können sich wirklich alles raus nehmen“; „arroganter Schnösel“ ; „Totengräber der Literatur“. Und so weiter, und so heiter, und so fort.

Ihre Wut, ihre Unmutsäußerungen, und dann fingen sie auch noch an, mitgebrachte, sehr schwere Kartons in die Höhe zu stemmen. Und schon wurde ihm der erste entgegengeschleudert. Gerade schaffte es der Lembel noch, unter den Schreibtisch zu hechten, als das Geschoss auf eine seiner stolzen Glasvitrinen donnerte. Es knirschte und klirrte, während der zweite Karton in der Luft aufplatzte und auf dem Schreibtisch krachte. Unzählige Bücher flatterten durch das Büro, auf dem Boden, überall hin, auf dem Schreibtisch, auf die Vitrinen, in und an die Regale, überall, ein furchterregendes Kartonbombardement erschütterte Lembels Büro bis in seine Grundfestungen. Es krachte und zischte, wirbelte und knallte, und immer mehr Bücher raschelten durch die Gegend und auf den Boden. Überall, und es dauerte wenige Minuten, bis der Bücherhagel endlich nachließ. Frei nach dem Motto „waren denen am Ende etwa die Kartons ausgegangen?“

Hugo Bauklotz - Ein Zaun

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