Читать книгу Leichen, die auf Kühe starren - Tatjana Kruse - Страница 10

Lass das mal den Fachmann machen
(Gilt für alle Handwerksberufe, auch für Mörder)

Оглавление

Arno Gümpel produzierte seine erste Leiche im zarten Alter von 13, als er – angetrunken – im Opel Manta seines Vaters eine Ausfahrt wagte. Er kam nicht weit. Schon an der ersten Ecke fuhr er einen Nachbarn platt. Das verlieh seinem Lebenslauf eine völlig neue Wendung.

Arno Gümpel war durch diesen Vorfall nämlich keineswegs traumatisiert. Im Gegenteil. Er war begeistert. Und weil er nicht darauf warten wollte, bis sich so ein euphorisierendes Ereignis bei seinen regelmäßigen Saufeskapaden von allein wiederholte, trat er der Jugendgruppe der Anonymen Alkoholiker bei, damit er seinem neuen Hobby nüchtern nachgehen konnte. Anfangs tötete er Insekten und Kleintiere. Schon bald auch Zweibeiner aus der Familie der Hominidae, Gattung Homo sapiens. Man durfte mit Fug und Recht sagen: Arno Gümpel war keiner von den Guten.

Und während sein Großvater, sein Vater und seine älteren Brüder ein ereignisloses Leben als Kleinverbrecher führten, strebte Arno nach Höherem. Er wurde Auftragskiller. Wobei er sich selbst lieber als Hitman bezeichnete. Das klang cooler.

Deswegen trug Arno auch immer Maßanzüge. Und Sonnenbrillen mit Spiegelgläsern. Selbst an grauen Tagen, an denen er hinter der Sonnenbrille so gut wie nichts sehen konnte. So wie jetzt.

Arno Gümpel war der bestgekleidete hauptberufliche Auftragsmörder. Weltweit. Insoweit er das beurteilen konnte – Auftragskiller hatten ja keinen Newsletter mit Modeseiten und auch keine Jahrestreffen mit Catwalk. Es war einfach nur seine Einschätzung nach fast 20 Jahren im Job.

Er fuhr am Ortsschild von Kitzbühel vorbei, im schnittigen Cabrio sitzend, den linken Ellbogen lässig über die Fahrertür drapiert. Arno liebte Frauen – und wie! –, aber sollte er jemals die Seiten wechseln – weil beispielsweise durch einen Asteroideneinschlag sämtliche Frauen dieser Erde ausgelöscht wurden –, dann würde er auf Kerle stehen, die so waren wie er selbst: nicht schön, aber mit Muskeln und Grazie.

Der Fahrtwind blies ihm um die Nase. Er kam gerade vom Golfplatz.

Golfen – auch so ein cooler Sport.

Arno frönte allerdings keiner organisierten körperlichen Ertüchtigung, da hielt er es mit Churchill. No sports! Wobei er natürlich unglaublich viel Gymnastik betrieb. Horizontalgymnastik, um genau zu sein. Gewisse Kreise – also die Frauen dieser Welt – nannten Arno nur „die Fleischwurst“. Warum, lag auf der Hand. Und man sah es auch sofort bei jeder Begegnung mit Arno, denn er trug – zur kontinuierlichen Konsternation seines Maßschneiders – ausnahmslos Hosen, die eine Nummer zu klein waren. Damit sein Gemächt besonders prall zur Geltung kam. Das er stets links trug. Denn Arno Gümpel war bekennender Linksträger. Und stolz darauf.

Im Sitzen war das nicht immer bequem, also hatte er den Knopf seiner Hose geöffnet, um freier atmen zu können.

Er musste sich konzentrieren. Arno war zum ersten Mal in Kitzbühel und wollte die Ausfahrt zur Hütte nicht verpassen.

Das ständige Klopfen aus dem Kofferraum nervte. Wie sollte er sich dabei konzentrieren?

„Scheiße“, brummte Arno, als ihm klar wurde, dass er rechts hätte abbiegen müssen. Die Weichei-Lusche vom GPS hatte noch gesagt „an der nächsten Kreuzung rechts abbiegen“, aber wenn er sich aufregte, gab sein Bleifuß immer Gas, und so war er vorbeigebrettert.

„Wenn möglich, bitte wenden“, verkündete die sonore Männerstimme. Es war ein Leihwagen. Wenn Arno die Wahl hatte, bevorzugte er weibliche Stimmen. Von Kerlen ließ er sich nämlich nicht gern was sagen, da war er Alpha-Rüde.

Tock-tock-tock, machte es im Kofferraum.

„Ruhe!“, brüllte Arno. Eben noch so glücklich, jetzt angefressen.

Es klopfte ununterbrochen weiter. Arno hätte mehr Chloroform verwenden sollen, aber er hatte nicht überdosieren wollen. Der Doktor wurde noch gebraucht. Da hatte die Chefin keinen Zweifel aufkommen lassen. Er musste den Typ im Kofferraum lebend in der Hütte abliefern.

Was ein eher ungewöhnlicher Auftrag für ihn war. Normalerweise killte er die Leute – und gut. Tote Menschen waren ihm am liebsten, Lebende machten immer nur Stress.

Auch der hinten im Kofferraum. Lästig wie ein Furunkel am Arsch.

„Gib endlich Ruhe!“, brüllte Arno.

Es klopfte trotzig weiter.

Waren das Morsezeichen?

In Arno köchelte es. Wenn das noch lange so weiterging, würde er anhalten und seine Faust sprechen lassen.

Er würde den Doktor auf jeden Fall lebend abliefern – schließlich war Arno „die Fleischwurst“ Gümpel Profi. Ja, lebend – aber mit Veilchen!

Leichen, die auf Kühe starren

Подняться наверх