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2. Kapitel

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Bahnhof Freiburg, Ausgang in die Stadt. Mit vorsichtigen Schrittchen tapste ein Rentner die groben Steinstufen hinunter. Immer beide Hände am an der Wand angebrachten Handlauf. Auf einem Treppenabsatz ruhte er ein wenig aus, ließ die Eiligen an sich vorbeiziehen. Also fast alle.

Nur der Mann, der am Anfang der Treppe auf der Mauer saß, ein aufgeschlagenes Buch zwischen den Knien, die gleichzeitig noch einen dunkeln Rucksack festhielten, bildete die Ausnahme.

Der Rentner wartete auf eine Lücke im Menschenstrom, damit er auf das Geländer, das ab hier in der Mitte der Treppe aufragte, überwechseln konnte.

Endlich lichtete sich die Menge ein Stück weit. Der Rentner tapste auf dem Absatz seitlich soweit hinüber, wie seine Armlänge es ihm erlaubte. Mit der rechten Hand griff er nach dem glänzenden Metallrohr, ohne den Handlauf in der Linken loszulassen. Geschafft!

Mit weit ausgestreckten Armen verharrte er wie eine Puppe, in dieser Stellung.

Offenbar getraute er sich nicht, einen weiteren Schritt zu machen. Rasch entstand ein kleiner Stau. Allerdings nur solange, bis die ersten auf die freie Seite der Treppe schwenkten und achtlos weiter an ihm vorbei strömten.

Der Rentner sank auf die Knie. Immer noch mit beiden Händen an den Rohren festgekrallt.

Die ersten Passanten blieben stehen. Dann schien sich seine Blockade schlagartig aufzuheben. Wie ein Bündel Lumpen, rollte er die Stufen hinunter.

Einige schrien laut auf. Schnell teilte sich die Menge in diejenigen, die helfen wollten und in die, die sich so rasch wie möglich, entfernten.

Der Mann mit dem Rucksack, der trotz des Buches, alles genau beobachtet hatte, sah demonstrativ auf seine Uhr. Mit der vom Buch verdeckten Hand schob er die Anschlussklemmen in den Rucksack zurück. Danach klappte er das Buch zu, bevor er mit federnden Schritten im Bahnhof verschwand.

***

Krüger und Elisabeth fuhren am Freitagabend ins Elsass, wo sie das erste gemeinsame Wochenende in ihrem Ferienhaus verbringen wollten. Seine Dienstwohnung befand sich nun in einem Zustand, der auch ihren Ansprüchen genügte. Trotzdem hatten sie beschlossen, die Einrichtung erst in der nächsten Woche, in der Elisabeth noch nicht arbeiten musste, fertigzustellen.

Der Besitzer der Ferienwohnung erwartete sie bereits mit dem Schlüssel in der Hand, als Krüger den Wagen in die Einfahrt rollen ließ.

„Herzlich willkommen im Elsass, Madame und Monsieur Krüger“, begrüßte er sie überschwänglich.

Elisabeth stupste Krüger leicht in die Rippen: „Er hat uns schon verheiratet“, flüsterte sie ihm zu.

„Halb so schlimm“, antwortete er, was ihm einen weiteren, kräftigeren Stups eintrug.

Der Vermieter zog sich gleich wieder zurück: „Ich habe Ihnen das Feuer im Kamin angezündet. Nun will ich nicht länger stören“, verabschiedete er sich.

Krüger schleppte das Gepäck ins Schlafzimmer. Sie verschwand gleich in der Küche. Die Wohnung war vollständig eingerichtet. Mit schönen alten Möbeln. Auch Kochgeschirr, Besteck und Porzellan fanden sich im Überfluss, wie sie bei der ersten Besichtigung schon festgestellt hatten. Deshalb brauchten sie fast nichts mitzubringen, außer Kleidern und Toilettensachen. Lebensmittel konnten sie morgen im Dorf einkaufen.

Krüger ließ sich auf ein Polstermöbel sinken. Minutenlang betrachtete er reglos das Feuer. Genauso hatte er sich das vorgestellt.

Und sie? Schon wieder Arbeit gefunden? Sicher kontrolliert sie gleich, ob alles sauber ist, spann er den Gedanken weiter.

Die Überraschung war groß, als sie mit einem Tablett, darauf Gläser, eine Flasche Rotwein und etwas zum Knabbern, vor ihn, auf den antiken Salontisch stellte.

„Woher hast du das?“, fragte er verblüfft.

„Mitgebracht“, gab sie zurück, „versteckt.“

„Du bist wirklich wunderbar“, schwärmte er.

Sie wirkte tatsächlich etwas verlegen. „Schade, dass ich kein schönes Kleid mitgenommen habe“, antwortete sie.

„Du gefällst mir auch so“, hielt er fest.

Sie zögerte. „Öffnest du denn Wein! Ich bin gleich wieder da.“

Krüger machte sich ans Werk. Er hatte gerade den Korken gezogen, als sie wieder erschien. Ihr Anblick ließ ihn verharren. In einem durchsichtigen Negligé, das ihre Vorzüge gekonnt betonte, stellte sie sich vor ihm auf.

„Extra für dich gekauft“, legte sie noch drauf.

Krüger ließ die Flasche stehen, um sie eingehend zu betrachten.

„Und?“, fragte sie schließlich.

„Du bist eine richtige Sexbombe!“, sagte er grinsend.

„Sexbombe?“, wiederholte sie mit einem leichten Unterton, der ihm jedoch nicht besonders aufzufallen schien.

„Komm, lass dich entschärfen!“, forderte er sie auf.

Sie setzte sich neben ihn. Er war beeindruckt, das sah man ihm an. Deshalb verzieh sie ihm diesmal die ungeschickte Wortwahl, griff nach einem Glas, das er gleich füllte.

„Prost, meine Schöne!“, das Kaminfeuer ließ dazu passend eine Harzgalle platzen, „auf unser neues Leben!“

***

Gilbert Weber öffnete seine „besondere Post“, meistens erst am Abend, wenn er es sich bequem gemacht hatte. Soweit bequem, in diesem einzigen Zimmer, das er bewohnte, überhaupt möglich sein konnte.

Das Haus, ein flacher Bau am Stadtrand, hatte früher einmal als eine Art Wohnheim gedient. Fleckige, graue Filzteppiche überall. Die Toiletten auf den Gängen. Die Wände schienen aus Papier zu bestehen, so leicht hörte man alles.

Positiv blieb nur zu vermerken, die niedrigen Mieten und dass in den übrigen Zimmern ausschließlich junge Studentinnen wohnten.

Die riefen ihn ab und an zu Hilfe, wenn was klemmte oder nicht mehr funktionierte. Das brachte ihm wenigstens etwas Gesellschaft und manchmal auch einen interessanten Einblick. Für alles Andere waren sie zu jung und er zu alt.

Zumindest hatte er das auf diese Weise durchblicken lassen, um die Sache mit seiner Impotenz zu verbergen. Nicht dass er keine Lust auf die meistens unbekümmert zur Schau gestellte Erotik empfunden hätte. Ganz im Gegenteil. Er fühlte sich wie ein Ballon, der immer weiter aufgeblasen wurde. Bald würde er platzen, wenn er den Druck nicht irgendwie abbauen konnte.

Deshalb versuchte er auf diese Weise, willige Frauen zu finden. Zuvor wollte er es einmal in einem Bordell versuchen. Die Schlampen des Etablissements hatten ihn bloß ausgelacht. Von Verständnis, keine Spur.

Das erste Kuvert enthielt ein Bikinifoto einer, wie sie dazu schrieb, etwas molligen Dame. Gilbert schätzte sie auf rund hundertsechzig Kilo. Ihr Brief landete direkt im Papierkorb.

Der Zweite schien interessanter. Eine einsame Mittvierzigerin. Die Figur noch einigermaßen, leider nur ein schwarzweißes Bild, aber immerhin. Sie würde sich gerne fesseln lassen, von einem attraktiven, potenten ... Der Brief landete auf dem ersten.

Einer blieb noch übrig. Wenn der auch eine Niete sein sollte, dann musste er sich die störrische Luzia an diesem Wochenende noch einmal vornehmen, dachte er. Die entsprach seinen Ansprüchen. Tolle Figur und sie schien auch über Geld zu verfügen. Bei der sollte man sich einrichten können. Aber früher oder später, würde auch die mit Spielen allein, nicht mehr zu befriedigen sein. Gilbert hatte schon zu viel erlebt, um Illusionen nachzuhängen.

Mit leiser Hoffnung schnitt er das letzte Kuvert auf. Erst fingerte das Bild heraus, das die meisten, wie verlangt, beilegten. Dann schnappte er unwillkürlich nach Luft. Die war höchstens fünfundzwanzig. Hundert, sechzig, neunzig, schätzte er mit Kennerblick. Eine absolute Luxuspuppe. So etwas, das hatte er gesucht.

Genüsslich studierte er das Foto. Sie trug nur schwarze Spitzenunterwäsche, die ihre Weiblichkeit kaum verbergen konnte. Unglaublich, diese Rundungen. Die schlanken Fesseln, zu denen er perfekt passende Metallbügel in seinem Spielzeugkoffer bereithielt.

Bedächtig faltete er den beiliegenden Brief auseinander: „Hallo lieber Meister“, stand da. „Ich suche eine harte Hand, die mich ab und zu in Ketten legt!“

„Aber gern“, murmelte er.

„Keine Beziehung, kein GV, nur gelegentliche Treffen.“

Das war die Richtige. Heureka, hätte er am liebsten gebrüllt, aber bei diesen dünnen Wänden ließ er es bleiben. Unten am Brief fand er in winzigen Buchstaben noch einen kleinen Satz als PS: Das Bild ist nicht von mir. Aber ich sehe fast genauso aus.

Gilbert lief rot an vor Wut. Wie schafften es die verfluchten Weiber bloß, ihn immer wieder zu verarschen.

Sehe fast genauso aus, das fand er zum Brüllen. Eventuell, wenn man sich darauf beschränkte, dass sie auch zwei Beine und zwei Arme besaß, dann stimmte es möglicherweise noch. Wütend zerriss er den Brief.

Das Bild dagegen, stellte er auf seinen Nachttisch. Zu dieser Luzia konnte er jetzt auch nicht mehr gehen. Er würde bestimmt die Kontrolle verlieren.

So wie letztes Mal.

Die hatte ihm Sex in jeder gewünschten Art versprochen, wenn er ihr eine Ampulle kaufen würde.

Danach hatte sie ihn mit in ihre Wohnung genommen. Eine richtige Drogenhöhle. Mehrere Junkies lagen apathisch herum, keiner ansprechbar. Die bemerkten überhaupt nicht, dass noch jemand gekommen war.

Zuerst wollte sie sich den Schuss setzen. Klar, das hatte er erwartet.

Sofort glitt sie in ihr Nirwana. Kein Interesse mehr für ihn. Sie wehrte sich zwar nicht, als er ihre Brüste auspackte. Es schien ihr offenbar ganz einfach, egal zu sein.

Deshalb machte er allein weiter. Mühsam begann er, der in Embryohaltung zusammengekrümmten Gestalt die Hose auszuziehen. Bis er ihre unglaublich schmutzige Unterhose entdeckte.

Angewidert ließ er sie liegen. Auch diese Schlampe hatte ihn bloß reingelegt. Alles Schütteln half nichts. Er wollte, dass sie duschte. Aber sie kicherte nur oder stöhnte herum, das war alles.

Schließlich packte ihn diese unkontrollierbare Wut. Er drehte sie auf den Bauch, damit er sie nicht länger ansehen musste.

Sein Blick fiel auf die achtlos auf den Boden geworfene Spritze. Die Ampulle daneben war noch zu Dreiviertel gefüllt.

Gilbert kannte sich mit Spritzen aus. Er führte auf der Arbeit auch regelmäßig Tierversuche durch. Sie hatte doch Drogen haben wollen, ging ihm durch den Kopf. Also würde er ihr welche geben.

Eigentlich war ihm klar, was er da tat. Dieser Schuss würde ihr Letzter sein. In einer Mischung aus Wut und Trotz, drückte er auf den Kolben.

Die Zufriedenheit währte nur kurz. Er erwachte wie aus einem bösen Traum.

Schnell zog er sie wieder an und schleppte sie aus der Wohnung.

Sie lebte noch, als er sie in einer dunkeln Einfahrt zu Boden gleiten ließ.

Gilbert besaß schon lange kein Auto mehr. Das war früher einmal gewesen. Zu gefährlich für ihn, sie durch die Stadt zu einem Arzt zu tragen. Außerdem dauerte das viel zu lange.

Wenn er über ein Fahrzeug verfügt hätte, dann hätte er sie noch zur Uniklinik gefahren.

Ja, wenn.

Er schlich sich noch einmal in die Wohnung. Den Schlüssel hatte er beim Gehen schon mitgenommen. Gründlich beseitigte er mögliche Fingerspuren. Die Spritze und die Ampulle hatte er schon vorher in die Tasche seiner Jacke gesteckt.

Auf ihrem Bett lag noch die offene Blechschachtel, gefüllt mit neuen Spritzen und einigen leeren Ampullen. Also reinigte er die verwendeten Utensilien, um sie dazuzulegen.

Wenn sie das Besteck bei ihr fanden, dann bestand die Chance, dass es als einfache Überdosis durchging.

***

Gilbert trug wieder seine Lederhandschuhe, als er neben ihr niederkniete. Deshalb versuchte er gar nicht erst, ihren Puls zu fühlen.

Sie lag noch genauso da, wie er sie verlassen hatte. Den Schlüssel schob er in ihre Hosentasche, die Schachtel verschwand unter ihrem Pullover. Was sollte anders aussehen, wenn sie das selbst getan hätte. Noch ein letzter Blick, dann schlich er davon.

***

Holger Tauber packte zufrieden seine Messinstrumente zusammen. Als Hobby Elektroniker hatte er jetzt Sphären erreicht, die auch einen Fachmann beeindruckt hätten. Sein Wechselstrom Generator mit stufenlosem Frequenzgang zwischen dreißig und neunzig Hertz funktionierte einwandfrei. Sogar den Einsatz, mit fast widerstandslosem Material, das die Gefahr eines Kurzschlusses in sich barg, hatte das Gerät ohne nennenswerte Schwankungen ertragen.

Das Schwierigste, mit so kleinen Strömen zu arbeiten, dass eine einfache Blockbatterie ausreichte, hatte er zuletzt auch gelöst. Jetzt war er gerüstet, von einem angenehmen Kribbeln bis zu tödlichem Herzflimmern, alles auszulösen. Ohne Spuren zu hinterlassen. Holger war ein echter Perfektionist. In seiner Umgebung gab es nichts Ungeordnetes. Er hasste Chaos aus tiefstem Herzen. Wenn jemand in seiner Wohnung die akribisch ausgerichteten Möbel und Einrichtungsgegenstände sehen könnte, verstünde er sofort, welches Genie hier herrschte. Dazu kam es jedoch nie. Holger duldete keinen Besuch in seinen Räumen.

Die Testreihen, inklusive Feldversuch am Bahnhof, hatte er erfolgreich abgeschlossen.

Schon bald, konnte er eines dieser unglaublich gutbezahlten Videos drehen, das ihm ein sorgloses Leben ermöglichen sollte.

Nur einer seiner Beweggründe. Der Wichtigste blieb: dass die Behauptung, es sei unmöglich, das perfekte Verbrechen zu begehen, für ihn eine absolut unwiderstehliche Versuchung darstellte.

***

Am Mittwoch erhielt Luzia einen neuen Brief. Erst wollte sie ihn gleich wegschmeißen, aber dann öffnete sie ihn doch.

„Du hast dich sehr ungezogen aufgeführt. Aber weil Du noch neu bist, wird Deine erste Strafe milde sein.“ Luzia starrte ungläubig auf das Papier. Was bildete der sich ein?

Trotzdem, las sie weiter: „Am Samstagabend um acht, werde ich Dich besuchen. Dabei erkläre ich Dir, wie Du Dich Deinem Meister gegenüber zu benehmen hast. Auch Deine verdiente Strafe wirst Du bei dieser Gelegenheit von mir empfangen dürfen.“

Am Schluss stand eine elegante Unterschrift. Die von Gilbert, die sie kannte.

Am Samstag bin ich bestimmt nicht da, war ihr erster Gedanke. Das ist doch wohl nicht möglich, der Zweite.

Den Brief hatte er auffallend sorgfältig verfasst. Alle Anreden mit Großbuchstaben. Geschrieben mit richtiger Tinte, nicht bloß mit einfachem Kugelschreiber.

Sie schwankte zwischen Bewunderung und Abscheu. Sollte sie sich etwa doch darauf einlassen?

„Auf keinen Fall!“, schalt sie sich selbst. Sie legte den Brief für den Moment ab. Heute standen wichtige Termine an, sie hatte jetzt keine Zeit, sich mit Gilberts wilden Fantasien auseinanderzusetzen.

Aber die Sache beschäftigte sie den ganzen Tag, so sehr sie auch versuchte, die aus ihrem Kopf zu kriegen.

***

Holger Tauber saß missmutig an seinem Schreibtisch. Seit Jahren musste er auf seine Beförderung in die Ebene der Geschäftsleitung warten. Jetzt wäre er an der Reihe gewesen. Bald stand die Pensionierung eines Teilhabers an, ganz natürlich sollte er da nachrutschen. Jedoch dieser Andreas Riemenschneider, der erst lächerliche drei Jahre in der Firma vorweisen konnte, würde ihn offenbar einfach überholen. Sie planten Bauprojekte. Keine gewöhnlichen Bauten. Ausschließlich Häuser für höchste Ansprüche oder extravagante Villen auf der ganzen Welt.

Allerdings erhielt Holger in der letzten Zeit immer öfters Details zur Bearbeitung, während sein neuer Kollege an die wichtigen Sitzungen gerufen wurde.

Die Begründung, dass Holger einfach der Beste sei, um beispielsweise sämtliche Nasszellen in einem Gebäude mit dreißig Zimmern zu planen, stimmte natürlich. Daran lag es nicht.

Aber wenn dieser Grünschnabel die ihm zustehende Stellung erhielt, dann würde er zu seinem direkten Vorgesetzten aufsteigen. Und nicht bloß dafür sorgen, dass es Holger niemals mehr bis in die Geschäftsleitung schaffen konnte. Sondern ihn darüber hinaus jederzeit schikanieren und piesacken, wie es ihm gefiel.

Riemenschneider war noch ehrgeiziger als Holger selbst. Einer der wenigen Bereiche, wo er ihm das Wasser tatsächlich nicht reichen konnte.

Genaugenommen wusste Holger längst, was er zu tun hatte. Jedoch hier in der eigenen Firma?

Riemenschneider befand sich genau im richtigen Alter für den ersten Infarkt. Er arbeitete meistens an die sechzig Stunden in der Woche. Urlaub hatte er schon lange nicht mehr genommen. Niemand würde sich im Geringsten wundern, wenn sein Herz den Geist aufgab.

Wo konnte Holger zuschlagen? Privat hatten sie keinen Kontakt. Dass Riemenschneider im Büro an seinem Schreibtisch zusammenbrach, kam nicht in Frage. Zumindest nicht als direkte Folge von Holgers Generator.

Bei Auslandaufenthalten waren sie noch nie zusammen gewesen. Einer reichte vollkommen, beharrte der Chef. Was Holger auch richtig fand. Die Vorstellung, mit Riemenschneider im gleichen Hotel zu wohnen? Einfach ekelhaft.

Holger gab sich einen Ruck. Er begann damit, eine mehrfach verschlüsselte Tabellenkalkulation anzulegen, worin er die Gewohnheiten Riemenschneiders in Bezug zur Tageszeit eintragen konnte.

Was trieb der Kerl eigentlich am Wochenende? Vermutlich arbeitete er die ganze Zeit, gab Holger sich die Antwort selbst. Er würde ihn erstmal beschatten und seine Eigenheiten studieren. Auch ein Typ wie Riemenschneider hatte eine schwache Stelle, davon war Holger überzeugt.

***

Kommissar Krüger verbrachte eine ruhige Woche. Der Fall Petra Heimlich brachte zwar eine Menge Routinearbeit, die Krüger jedoch problemlos an seine Mitarbeiter delegieren konnte. Eine heiße Spur hatte sich noch nicht ergeben. Wie auch? In diesem Umfeld, wo sich jeder nur um seinen nächsten Schuss kümmerte, schien es fast unmöglich, an Informationen zu kommen. Auch Petra war kaum in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Meistens blieb sie tagelang in der Wohnung. Nur wenn das Geld der Eltern und der Stoff knapp wurden, ging sie zuweilen betteln.

Die anderen Junkies, die in ihrer Wohnung herumlagen, wussten zum Teil nicht einmal Petras Namen. Einfach ein Ort, wo man ungestört und gemütlich im Warmen liegen konnte. Niemand stellte völlig uninteressante Fragen wie: Wer die Wohnung bezahlte oder wem die Möbel gehörten.

***

Elisabeth hatte die Einrichtung der Dienstwohnung inzwischen fertiggestellt. Am Donnerstag kochte sie zum ersten Mal ein großes Abendessen. Gedacht als eine Art Abschlussfeier.

Krüger trug einen prächtigen Strauß Rosen und eine Flasche Wein mit sich, als er zu Hause eintraf. Schon im Eingang duftete es verführerisch nach Braten, wie er befriedigt feststellte.

Am Wochenende im Elsass hatten sie die ganze Zeit im Restaurant gegessen, außer zum Frühstück. Elisabeth hatte ihn beim Wort genommen, dass sie nichts arbeiten durfte. Das Frühstück konnte Krüger inzwischen auch selbst zubereiten.

In Freiburg hatten sie bis gestern immer noch im Hotel gewohnt. Deshalb freute er sich besonders auf den Abend und die erste Nacht mit ihr in seiner eigenen Wohnung.

„Hallo Spatz!“, rief er laut, während er sich rückwärts durch die Tür schob. Keine Antwort. Sie hielt wahrscheinlich die Küchentür geschlossen und konnte ihn deshalb nicht hören, dachte er. Das neben der Tür ein Paar Damen- und ein Paar Herrenschuhe standen, fiel ihm zwar auf, irritierte in jedoch nicht im Geringsten.

Mit dem freien Arm öffnete er die Küchentür. Elisabeth sah ihn erstaunt an, während er sie mit den Rosen an den Herd drängte.

„Einen Kuss!“, verlangte er.

Ein Stoß in die Rippen ließ ihn zusammenzucken.

„Wir haben Besuch!“, sagte sie nur.

Krüger fuhr herum. Sandra und ein junger Mann saßen am Küchentisch und grinsten ungeniert.

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