Читать книгу Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe - T.D. Amrein - Страница 7

4.Kapitel

Оглавление

Dornbach saß zum ersten Mal seit der Drogensache, wieder einen Tag in seinem Büro.

Die Geschäfte funktionierten praktisch von selbst, stellte er überrascht fest. Die Firma hatte während seiner Abwesenheit genauso weitergearbeitet, wie mit ihm. Nichts deutete überhaupt darauf hin, dass er einige Zeit gefehlt hatte. Seine Büroliegenschaften waren äußerst gefragt. Leerstände kamen praktisch nicht vor. Trotzdem verbrachte er jeden Arbeitstag in seinem Büro. Wozu? Aus Notwendigkeit oder nur weil er die Öffentlichkeit scheute?

Seine Vorzimmerdame hatte ihm einige Akten auf den Tisch gelegt. Aber diese hatte er nach wenigen Stunden erledigt. Es blieb nichts darin zu ändern oder zu entscheiden. Sein Personal funktionierte wie eine gut eingestellte Maschine. Seine Durchsicht diente nur der Kontrolle. Er wusste gerne Bescheid, redete er sich ein. Aber es interessierte ihn nicht mehr wirklich, fiel ihm auf.

Er überlegte die ganze Zeit, wen er für das Kokain verantwortlich machen konnte. Schon im Gefängnis hatte er viel Zeit damit verbracht. Er war jedoch noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Am Nachmittag erhielt er einen Anruf aus Argentinien. Ein alter Freund bedankte sich für die Summe, die er zum Hausbau überwiesen hatte. Zuletzt sagte er noch: „Auch einen lieben Gruß von Ricardo, er ist ein wenig krank.“

Dornbach zuckte zusammen. Das war das verabredete Code-Wort, falls sich Hinweise darauf ergaben, dass jemand in der Vergangenheit herumstöberte. Es bezog sich auf das Schicksal von Ricardo Klement, der vom Mossad entführt und in Israel hingerichtet worden war.

Dornbach hatte ihn unter seinem richtigen Namen gekannt: Adolf Eichmann. Es war ausgemacht, bei Verdacht, den Zustand mit ein wenig oder sehr krank zu beschreiben. Fragen durfte Dornbach keine stellen. Stets lebte er mit der Angst, abgehört zu werden.

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Mossad, natürlich. Der hatte ihm das Kokain untergeschoben.

Kein Aufwand für einen Geheimdienst. Beschlagnahmter Koks stand jedem Staat in rauen Mengen zur Verfügung. Eine solche Spur würde direkt den tatsächlich verantwortlichen Geschäftsführer jeder Firma ans Licht bringen. Dafür würde die deutsche Polizei zuverlässig sorgen.

Und seine Festnahme stand danach in allen Zeitungen. Damit war er enttarnt. Die Geheimdienstler hatten ganz bestimmt erwartet, dass er bald wieder freikommen würde, weil ihm ja nichts nachzuweisen war. Danach konnten sie ihn pflücken, wie reifes Obst.

Er musste sofort verschwinden. Natürlich waren mehrere Fluchtpläne längst vorbereitet. An erster Stelle stand die Villa in Argentinien. Aber unter diesen Umständen kam das natürlich nicht mehr in Frage.

Er rief nach seiner Sekretärin. „Ich mache ein paar Tage Urlaub. Melden Sie auf meiner Jacht, dass ich morgen komme. Sie sollen alles bereit machen, zum Fischen in Norwegen!“ Noch eine Nacht in Frankfurt, dachte er, kann ich mir leisten. So schnell schlagen die dann doch nicht zu. Einige Vorbereitungen würde auch der am besten organisierte Geheimdienst der Welt treffen müssen.

Außerdem war die Villa mit dem Zaun und den Hunden gut gesichert. So leicht kam da niemand rein.

Schon früh am nächsten Morgen, flog Dornbach mit seiner Privatmaschine an die Nordseeküste, wo seine Jacht, die Isolde lag. Er hatte nur seinen präparierten Koffer mit den eingenähten Pässen dabei. Alles was er sonst brauchte, war auf dem Schiff vorhanden. Die Jacht gehörte zu den konkreten Fluchtvorbereitungen. Die seltenen Urlaube dienten mehr der Tarnung. Manchmal fuhr er in die norwegischen Fjorde, um zu angeln. Er befahl seinem Kapitän, Kurs Nord, in die Fischgründe. Auf dem Schiff fühlte er sich sicher.

Nach zwei Tagen hatten sie ihr Ziel erreicht. Einen der vielen einsamen Fjorde, die für das Vorhaben Dornbachs bestens geeignet waren. Er ließ sich mit dem Schlauchboot absetzen. Seinen Koffer nahm er mit. Das fiel nicht weiter auf. Die Mannschaft wusste, dass er sehr misstrauisch war. Des Öfteren trug er die wichtigsten Dokumente bei sich, damit sie sonst niemand zu Gesicht bekommen konnte.

Er beauftragte seinen Kapitän, in der Zwischenzeit den Fjord zu überqueren. In dem kleinen Dorf am anderen Ufer sollte wichtige Post für ihn lagern. Zwei Stunden später solle er ihn wieder hier abholen.

Wenn Dornbach fischte, benutzte er immer das Schlauchboot. Auch das war nichts Ungewöhnliches.

An Bord der „Isolde“ befand sich eine festeingebaute Sprengladung, von der natürlich nur Dornbach wusste. Die Zündvorrichtung mit der Schaltuhr hatte er in seinem Koffer aus Frankfurt mitgebracht. Der Schacht zur Ladung war im Tresor seiner Kabine versteckt. Er hatte den Zeitzünder auf fünfundvierzig Minuten eingestellt. Die Abfahrt verzögerte er so, dass sich das Schiff etwa in der Mitte des Fjordes befinden würde, wenn die Zeit ablief.

Weit weg genug um sich selbst nicht zu gefährden, aber noch über einer Wassertiefe, die eine Suche nach dem Wrack praktisch verunmöglichte.

Er sah seinem Schiff nach, das sich plötzlich in einen Feuerball verwandelte, der sehr schnell verschwand. Nur noch Rauch trieb über dem Wasser, und etwas später erreichte ihn eine Druckwelle, die aber keinen Schaden anrichtete. Zwanzig Kilo Dynamit hatten locker ausgereicht, dachte Dornbach. Das beschäftigte ihn, weil er zuerst fünfzig Kilo einbauen wollte, die jedoch an der vorgesehenen Stelle möglicherweise bei Wartungsarbeiten aufgefallen wären.

An seine Mannschaft verschwendete er keinen Gedanken.

Schon in der Hitlerjugend hatte man ihm eingetrichtert, dass die einfachen Soldaten, sich der Sache zu opfern hatten. Wichtig war nur das übergeordnete Ziel. In diesem Fall, seinen Tod vorzutäuschen. Auf dem Wasser würden höchstens Kleinteile zu finden sein. Und vor allem die außen angehängten Rettungsringe mit dem Namen des Bootes.

Wer wollte anzweifeln, dass er sich auch auf dem Schiff befunden hatte. Dornbach wandte sich zufrieden ab, startete den Motor und schob den Gashebel nach unten.

Mit dem Schlauchboot hielt er sich an der Küste. Zweimal musste er nachtanken, bis er einen kleinen Ort erreichte.

Er wusste, dass es hier ein Hotel gab. Zwar nur ein Einfaches, aber er wollte nur solange bleiben, bis er mit einer Linienfähre verschwinden konnte.

Dornbach hieß jetzt Jens Müller. Er besaß einen sehr gut gefälschten Pass, auf Originalpapier, mit dem er problemlos reisen konnte. Das Schlauchboot hatte er in der Nacht verschwinden lassen. Alle Kammern mit einer dünnen Nadel angestochen, den Motor mit wenig Gas eingestellt, war es aufs Meer hinaus getuckert und schließlich in der Nacht verschwunden.

***

Erich Merz las wie jeden Morgen die FAZ, die er sich jetzt abonniert hatte. Als er auf den Artikel über die Freilassung Dornbachs stieß, rastete er völlig aus. Er warf, was ihm in die Hände kam, an die Wände seines Büros.

Die Nachbarn, aufgeschreckt durch den Lärm, klingelten besorgt bei ihm, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei?

Er wimmelte die Leute ab. Sein Triumph hatte nur drei Wochen gedauert. Er war sicher gewesen, Dornbach würde für ein paar Jahre verschwinden. Und jetzt. Der ganze Aufwand: umsonst. Merz konnte es nicht fassen. Er würde ihn kriegen. Koste es, was es wolle.

Merz überlegte sich von einer Bombe bis zum Auftragsmord, alles was möglich schien. Erst mit der Zeit fasste er sich wieder etwas.

Ich muss noch einen Stein in den Teich werfen, überlegte er. Er grübelte pausenlos über eine neue Falle nach, bis er drei Tage später wieder in der Zeitung eine Meldung über Dornbach fand. „Der kürzlich freigelassene Willhelm Dornbach, ( die FAZ berichtete ) ist bei einer Havarie seiner Jacht in Norwegen ums Leben gekommen.

Mit ihm seine gesamte Mannschaft von sechs Seeleuten. Als Ursache wird eine Explosion an Bord vermutet. Augenzeugen berichteten von einer Rauchwolke auf dem Fjord. Es wurden nur wenige Wrackteile geborgen. An eine Bergung ist infolge der großen Wassertiefe nicht zu denken. Die norwegischen Behörden erwarten kein Auftauchen von Leichen, wenn sie mit in die Tiefe gerissen wurden.“

Merz war nicht klar ob er lachen oder weinen sollte. Die letzten Tage hatte er sehr intensiv damit verbracht, Pläne zu schmieden, wie er Dornbach beikommen wollte. Und jetzt war er einfach tot.

Das Wechselbad der Gefühle ließ sich schwer ertragen. Eigentlich wollte er ihm wenigstens die Schuld am Tod seiner Freunde nachweisen, wenn schon seine Falle nichts gebracht hatte. Aber tot ist tot! Ich kann ihm nichts mehr tun, dachte er sich.

***

Dornbachs Söhne, die noch in Untersuchungshaft saßen, wurden natürlich auch über den Unfall ihres Vaters unterrichtet. Udo Dornbach sah die Zeit gekommen, sich an ihm schadlos zu halten.

Er verlangte nach Kommissar Hinrichs. Er wollte für sich einen strafmindernden Handel in die Wege leiten.

„Sie wollten mich sprechen?“, fragte der Kommissar.

„Ja, wenn ich einen Mord aufklären kann, wird sich das auf meine Strafe auswirken?“

Der Kommissar zog seine Brauen hoch. „Einen Mord. Um was für einen Mord soll es sich denn handeln?“

Udo wollte seine Trümpfe nicht so schnell aus der Hand geben. „Sichern Sie mir eine Verminderung meiner Strafe zu, wenn ich auspacke?“

Der Kommissar zuckte mit den Schultern. „Eine Garantie kann ich Ihnen nicht geben, aber wenn es wirklich die einzige Möglichkeit ist, ein Tötungsdelikt zu klären, wird sich das sicher positiv auswirken. Geben Sie mir ein paar Fakten?

Udo entschloss sich, darauf einzugehen. „Es geht um den Tod eines Mannes, der überfahren wurde. Seinen Namen weiß ich nicht. Ein Unfall mit Fahrerflucht. Der Mann war ein Detektiv, der in der Vergangenheit meines Vaters wühlte. Ich weiß den Namen des Fahrers und den des Auftraggebers.“

Kommissar Hinrichs fragte nach: „Wo soll sich das zugetragen haben. Kennen Sie den Tatort“

„Hier in Frankfurt, in der Nähe des Hauptbahnhofes“, lautete die Antwort.

Hinrichs stand auf. „Das ist nicht mein Ressort, aber ich werde einen Kollegen von der Mordkommission fragen. Wenn es so einen Fall gibt, wird er sich bei Ihnen melden.“

Sofort machte er sich auf den Weg ins Büro von Kommissar Reuter. „Hallo Alois!“, er reichte ihm die Hand. „Wie geht’s deinen Leichen?“

„Sie klagen nicht“, gab Reuter zurück. „Was führt dich zu mir? Ist dir der Stoff ausgegangen?“

Hinrichs lachte, „eine eiserne Reserve habe ich noch.“ Dann wurde er wieder ernst. „Hast du in der letzten Zeit einen tödlichen Unfall mit Fahrerflucht am Hauptbahnhof bearbeitet?“

„Ja, haben wir.“

„Bei mir sitzt ein Zeuge, der behauptet, den Fahrer und den Auftraggeber zu kennen.“

Reuter stand auf. „Wo ist er? Ich will so schnell wie möglich mit ihm sprechen.“

„Er läuft dir nicht weg, er sitzt in U-Haft. Udo Dornbach ist sein Name. Eine Drogengeschichte. Besitz und eventuell Handel. Er hofft auf Strafminderung, wenn er uns weiterhilft.“

„Die Sache ist festgefahren“, antwortete Reuter. „Wenn er wirklich etwas Konkretes weiß, sollte was möglich sein.“

„Sein Vater ist gerade verunglückt. Er hieß Willhelm Dornbach“, ergänzte Hinrichs.

„Das habe ich gelesen“, antwortete Reuter. „Ein Schiffsunglück in Norwegen.“

„Ja, genau.“

Hinrichs verabschiedete sich und Reuter ließ sich Udo Dornbach in sein Büro bringen.

„Sie haben mir etwas zu sagen?“, begann er das Verhör, „über einen Unfall mit Fahrerflucht?“

„Ja, Herr Kommissar. Aber zuerst möchte ich wissen, was für mich dabei herausspringt. Die Strafe, die ich zu erwarten habe, sollte wenigstens auf die Hälfte verringert werden.“

Der Kommissar zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie mir wirklich helfen können, kann ich für Sie ein gutes Wort einlegen. Mehr kann ich nicht versprechen. Solch einen Handel können Sie nur mit dem Staatsanwalt beim Prozess machen. Und auch nur in besonderen Fällen. Sie haben keinen Anspruch auf Straferlass. Tut mir leid.“

Udo bockte noch ein wenig. „Vielleicht sollte ich besser nichts sagen.“

Der Kommissar versuchte, ihn umzustimmen. „Es wird Ihnen sicher nicht schaden. Nur, wenn Sie warten, bis wir den Fall so gelöst haben, dann sind Ihre Informationen nichts mehr wert.“

„Also gut. Der Fahrer heißt Horst Pohl“.

Der Kommissar war sofort elektrisiert. „Horst Pohl? Sind Sie sicher?“

„Ganz sicher. So ein Neonazi, der für Geld Schmutzarbeit macht.“

„Wissen Sie etwas über das Motiv?“, fragte Reuter nach.

„Geld, ganz einfach. Ich kann Ihnen auch den Auftraggeber nennen, aber ich weiß nicht, ob das klug ist.“

Udo Dornbach atmete tief durch. Plötzlich waren ihm Zweifel gekommen. Nicht wegen der Person seines Vaters. Aber vielleicht gab es noch jemand, der davon wusste, und der ihm gefährlich werden konnte.

Reuter beruhigte ihn. „Wir können das vertraulich behandeln. Niemand wird erfahren, dass Sie uns informiert haben.“

„Können Sie das garantieren?“

„Das kann ich“, antwortete der Kommissar bestimmt. „Wenn Sie Recht haben, werden wir das ermitteln. Und falls das nicht möglich ist, gibt es ein Zeugenschutzprogramm, wodurch ihre Aussage vertraulich ans Gericht gelangt.“

„Haben Sie davon gehört, dass mein Vater gerade ums Leben gekommen ist?“

„Ja“, warf der Kommissar ein. „Mein Beileid“.

„Dieser Detektiv hat in der Vergangenheit meines Vaters ermittelt und deshalb hat er ihn umbringen lassen.“

Der Kommissar war erstaunt. „Sie beschuldigen ihren Vater des Mordes?“

„Er ist jetzt tot. Ich weiß nicht viel davon, was er im Krieg gemacht hat. Aber auf jeden Fall, musste er verhindern, dass darüber etwas bekannt wurde. Ich habe damit nichts zu tun. Und ich will nicht erpressbar sein, so wie er es die ganze Zeit war. Er hat stets gesagt, dass er uns schützen muss, aber in Wirklichkeit, ging es nur um ihn. Solange er am Leben war, konnte ich mich nicht davon befreien, aber jetzt mache ich reinen Tisch. Ihm schadet es nicht mehr.“

„Das kann ich verstehen“, sagte der Kommissar. „Sie haben mir sehr geholfen. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, beim Staatsanwalt. Ich danke Ihnen.“

Er ließ Udo wieder in seine Zelle bringen. Danach besorgte er sich einen Haftbefehl für Horst Pohl und ließ die Fahndung anlaufen. Er konnte zwar noch nichts beweisen, aber im Tatfahrzeug waren auch Faserspuren gesichert worden. Damit ließ sich bestimmt etwas anfangen.

Außerdem gab es jetzt einen Zeugen. Reuter hatte schon mit weniger auskommen müssen.

Hinzu kam noch die Verbindung zu Erich Merz, den Pohl nachweislich beobachtet hatte.

Nachdenklich stimmte Reuter, dass Merz den Namen Dornbach nicht erwähnt hatte.

Wenn dieser Detektiv gegen Dornbach ermittelt hatte, musste Merz den Namen doch kennen.

Möglicherweise ist er nur durch Zufall in die Nähe von Dornbach gelangt, und hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, darüber zu berichten, ging Reuter durch den Kopf.

Seltsam war auch gewesen, dass sie bei ihm keine Aufzeichnungen gefunden hatten. Jeder Detektiv notiert sich irgendwo Erkenntnisse. Es blieb natürlich möglich, dass seine Notizen von seinem Mörder mitgenommen wurden. Darüber hatte sich Reuter einige Zeit den Kopf zerbrochen. War der Täter wahrhaftig ausgestiegen. Er musste doch damit rechnen, gesehen zu werden.

Hatten sie ihm vielleicht zuerst das Buch abgenommen und ihn dann überfahren. In seiner Brieftasche waren mehr als tausend Mark geblieben.

Welcher Strolch würde das Geld zurücklassen. Der Kommissar hoffte, bald ein paar Antworten auf diese Fragen zu erhalten.

Bereits am nächsten Tag wurde Horst Pohl verhaftet. Er hatte geglaubt, sich nicht verstecken zu müssen. Woher sollte er auch wissen, dass er gesucht wurde.

In seiner Begleitung wurde auch Jens Kolb festgenommen. Gegen ihn lag eine Anzeige wegen Raub vor.

Der Kommissar verhörte Kolb zuerst. „Waren Sie am Mord an diesem Detektiv beteiligt?“

„Mord“, stammelte Jens Kolb. „Sie wollen mir einen Mord anhängen?“

Der Kommissar hakte sofort nach: „Sie waren doch sein Komplize?“

Kolb ließ sich leicht überrumpeln. „Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe nur den Wagen besorgt.“

„Sehen Sie“, lächelte der Kommissar. „Das ist in diesem Fall die Tatwaffe. Sie waren also doch dabei.“

„Nein, nein, Herr Kommissar! Ich habe damit nichts zu tun! Horst hat mir nicht gesagt, was er mit dem Wagen vorhat. Ich sollte nur, ein nicht zu kleines Auto mitbringen. Horst ist gefahren! Ich wusste nichts.“

„Waren Sie nun dabei bei dem Unfall oder nicht?“

Kolb wand sich. „Ich musste aufpassen, wann er kommt. Dass er ihn überfahren wollte, davon hat er mir nichts gesagt. Sonst hätte ich nicht mitgemacht, glauben Sie mir Herr Kommissar.“

Reuter war mit dem Verhör zufrieden. Dieser Kolb war wirklich nicht sehr intelligent. Er konnte sich gut vorstellen, wie er von Pohl benutzt wurde. Aber dass er auch seine schwache Stelle sein würde, das hatte Pohl vermutlich nicht bedacht.

Nun war Pohl an der Reihe, seine Aussage zu machen. Der Kommissar hatte seine Akte durchgeblättert. Pohl hatte schon einige Verhöre hinter sich.

„Sie wissen, warum wir Sie verhaftet haben?“, begann Reuter.

„Herr Kommissar, das muss ein Irrtum sein! Mordverdacht? Ich habe doch niemanden umgebracht. So etwas könnte ich gar nicht tun.“

„Es gibt aber zwei Zeugen, die genau das behaupten.“

„Die lügen, Herr Kommissar. Jemand will mich in die Pfanne hauen.“

Ja, ich, dachte Reuter. Laut sagte er freundlich: „Erinnern Sie sich noch, wo Sie in der Nacht vom dritten auf den vierten Juni dieses Jahres gewesen sind?“

Pohl dachte angestrengt nach. „Daran kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.“

„Sie waren in einem gestohlenen Wagen unterwegs“, half Reuter nach.

„Ich stehle doch keine Autos? Wie kommen Sie darauf?“

„Ja, das stimmt möglicherweise. Sie lassen sie stehlen. Von Jens Kolb.“

Pohl sprang von seinem Stuhl auf. „Behauptet der das etwa?“

„Setzen Sie sich wieder“, ermahnte ihn Reuter.

„Ja, wenn Sie mich solcher Dinge beschuldigen. Dieser Kolb ist ein Trottel. Der würde doch alle beschuldigen, nur um seinen Kopf zu retten. Ich weiß nichts von einem gestohlenen Auto.“

Der Kommissar wusste, dass er mit Pohl nicht in einem Zug zum Erfolg kommen würde. Stück für Stück würde er immer nur das zugeben, was er ihm klar beweisen konnte. Ein Anfang war gemacht. Pohl wusste jetzt, dass sein Komplize ausgepackt hatte. Er konnte sich über Nacht seine Situation klarmachen. In diesen Stückverhören, würde er sich früher oder später in Widersprüche verwickeln, der Kommissar kannte seine Kunden.

Reuter hatte dazu noch die Ergebnisse der Faserspuren im Hintergrund. Damit konnte er die beiden in die Enge treiben, falls sich eine Übereinstimmung fand. Dass dies der Fall sein würde, dessen war sich Reuter sicher. Niemand konnte einen Wagen fahren, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen.

Zuletzt, würde sich Pohl sicher auf einen Unfall herausreden wollen. Aber mit der Aussage von Kolb konnte er das Gericht nicht mehr täuschen.

Reuter ließ Pohl in seine Zelle zurückbringen.

Schwieriger würde es werden, den Beweis zu erbringen, dass Dornbach der Auftraggeber gewesen war.

Das wird Pohl sicher nicht zugeben, dachte er. Ein Auftragsmord ist vorsätzlich und aus niederen Motiven. Dornbach konnte nichts mehr sagen, das wird Pohl früher oder später erfahren.

Das Motiv solle in der Vergangenheit liegen, hatte Udo behauptet. In den Wirren des Krieges herum zu suchen, war schwierig. Überall taube Ohren, niemand wusste etwas.

Die Opfer sind tot. Die Täter, die den Alliierten entgangen waren, hatten gute Chancen, unentdeckt zu bleiben.

Reuter war davon überzeugt, dass er ohne Zufall, nichts finden konnte. Möglich, dass dieser Merz etwas weiß, das er mir auch verschweigt, ging ihm durch den Kopf. Er nahm sich vor, Merz noch einmal herzubestellen. Dann konnte er ihn direkt fragen.

***

Willhelm Dornbach hatte etwas ganz Neues. Zeit. Er wohnte in einem einfachen Hotel, in der Nähe von Oslo. Ab und zu ging er zum Angeln. Das war eigentlich alles, abgesehen von den Mahlzeiten.

Schon im Gefängnis hatte er manchmal darüber nachgedacht, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen wollte. Es war ihm klar geworden, dass er trotz seines Reichtums, in Wahrheit einfach jeden Tag in seinem Büro saß. Er arbeitete genauso, wie jemand, der dazu gezwungen ist, täglich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Für wen?

Seine Träume von einem Sohn oder der Wiederentstehung des Reiches musste er auch begraben.

Das sah er inzwischen ein. Das deutsche Volk ist einfach nicht reif genug, um sich seiner edlen Rasse bewusst zu sein, dachte er.

Die Juden, denen wir uns fast entledigen konnten, untergraben wieder unser Leben. Und mit ihnen kommen auch alle anderen Fremden immer mehr.

Für Dornbach war der Führer eine Art Messias der Deutschen gewesen. Seine Lehre, für ihn wie eine Religion.

Die neuen Bewegungen unterstützte er zwar mit Geld. Aber mit den Leuten, die sie verkörperten, konnte er sich nicht anfreunden. Sie hatten ihm einfach zu wenig Kultur.

Für uns war die Reinigung des Volkskörpers nur eine vorübergehende Phase. Wir wollten Großes schaffen.

Davon war Dornbach überzeugt. Die Geschichte wird uns Recht geben. Wenn es einmal keine Familien reinen Blutes mehr gibt, dann werden sie uns verfluchen, weil wir gescheitert sind.

Das unvorstellbare Leid, dass sie über die Welt gebracht hatten, wollte er nicht sehen. Wie die meisten Anhänger einer „reinen Lehre“, war er kaum fähig, die Taten zu hinterfragen. Nur die Sache, zählte.

So gesehen, war ihm die Flucht aus seinem bisherigen Leben gerade recht gekommen. Einzig seine Hunde vermisste er. Ich muss mir einen einsamen Platz in Deutschland suchen, wo ich in Ruhe leben kann, ging ihm durch den Kopf.

Im Schwarzwald besaß er ein Haus, das konnte er natürlich nicht mehr benutzen. Aber wenn er in der Nähe, durch einen Strohmann etwas Neues kaufen konnte, dann wollte er dort den Rest seines Lebens verbringen.

Auch der Führer hatte seine Eingebungen auf Waldspaziergängen gehabt. Die Natur, die Dornbach bis jetzt wenig genießen konnte, schien ihm auf einmal erstrebenswert. Sie verkörperte gewissermaßen die Vorstellungen, die Dornbach hatte. Nur der Starke überlebt, es gibt keine Moral. Der größte Baum wird jener, der am meisten andere verdrängen kann.

Dornbach entschied sich, zuerst nach Zürich zu fliegen. Dort besaß er Nummernkonten, die er rechtzeitig angelegt hatte. Erst das Geld beschaffen, dann ein Haus suchen, das waren die nächsten Ziele.

Mit einer Linienfähre, die in Norwegen oft verkehren, fuhr er nach Oslo. Den Flug hatte er vom Hotel aus gebucht, am Zoll gab es keine Schwierigkeiten. Sein Pass war schließlich ausgezeichnet gefälscht.

Am frühen Nachmittag traf er in Zürich ein. Der einzige Nachteil, seiner neuen Dokumente. Er besaß keinen Führerschein auf diesen Namen. Deshalb musste er sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen. In der Stadt stellte das kein Problem dar, aber für die geplante Suche im Schwarzwald musste er sich etwas einfallen lassen.

Dornbach schlenderte durch die Stadt. Er hatte sich, wie immer, nicht direkt zur Bank fahren lassen. Zu groß das Risiko, verfolgt zu werden.

An der Bahnhofstraße wurde er von jemandem angesprochen: „Sie sind doch Herr Meier aus Frankfurt.“

„Nein, nein, Sie irren sich“, gab er zur Antwort und ging einfach weiter.

Auch Erich Merz setzte seinen Weg fort. Er war sicher, das war der Mann, der sich auf seine Anzeige gemeldet hatte. Aber er maß der Begegnung keine besondere Bedeutung zu.

Dornbach dagegen ärgerte sich. Musste ihm jetzt gerade dieser junge Merz über den Weg laufen? Andererseits hatte er ihn mit Meier angesprochen. Also weiß er nicht, wer ich wirklich bin, dachte er.

Merz war zudem nicht stehengeblieben, um nachzufragen. Also fühlte sich Dornbach trotzdem einigermaßen sicher. Er wollte sowieso nicht in Zürich bleiben. Nur auf die Bank und dann weiter. Ein Hotel im Schwarzwald war das nächste Reiseziel, das er bis am Abend auch erreichte.

Natürlich war es kompliziert, ohne eigenen Wagen zu reisen. Dornbach, gewohnt, vorsichtig zu sein, passten diese Taxifahrer, die sich eventuell an ihn erinnerten, gar nicht.

Er brauchte unbedingt einen Führerschein. Dass er daran nicht gedacht hatte, ärgerte ihn jetzt. Er hatte noch eine zweite Identität in seinem Koffer eingenäht. Aber nur für den Notfall und auch nur einen Pass. So schnell wie möglich musste er sich darum kümmern. Die ganze Zeit auf der Flucht zu sein, das hatte er bei Bekannten erlebt, war äußerst mühsam. Deshalb hatte er seinen perfekten Tod erfolgreich inszeniert. Dass er jetzt an einer einfachen Polizeikontrolle scheitern konnte, das durfte auf keinen Fall sein.

***

Kommissar Reuter ließ sich Horst Pohl erneut in sein Büro bringen. Die Faserspuren stimmten überein, damit wollte er ihn heute konfrontieren.

Reuter blieb ganz freundlich, ließ Kaffee servieren, um ihn dann mit den Beweisen zu überrumpeln. „Aus diesen Spuren geht eindeutig hervor, dass Sie in diesem Wagen gefahren sind“, begann er.

Pohl verschluckte sich an seinem Kaffee. „Ja gut“, gab er zu. „Aber doch nur, weil Kolb mir seinen neuen Wagen vorführen wollte. Dass er geklaut war, habe ich nicht gewusst.“

„Und wie hat er Ihnen erklärt, dass er keinen Schlüssel hat. Zum Starten mussten Sie ja zwei Kabel zusammenhalten“, fragte der Kommissar freundlich.

„Ja, also…, er hat gesagt, darum war der Wagen so billig, er wollte ihn bald reparieren lassen.“

Reuter schüttelte den Kopf. „So hat das keinen Sinn, überlegen Sie sich eine bessere Geschichte. Ich weiß, dass Sie den alten Mann mit diesem Auto überfahren haben. Und das werde ich Ihnen auch nachweisen.“

Pohl antwortete nur noch betreten: „Wenn Sie mir einen Mord anhängen wollen, Herr Kommissar, dann kann ich nicht viel dagegen machen. Aber ich bin unschuldig. Ich sage jetzt nichts mehr.“

Reuter hatte heute auch noch kein Geständnis erwartet, aber manchmal wurden ihm die Ausreden doch zu viel. Entnervt rief er nach einem Beamten, um Pohl in seine Zelle zurückzubringen.

Der Kommissar war sich darüber klar, dass er einen Beweis brauchte, um Dornbach als Auftraggeber festzunageln. Auch wenn er tot war. Pohl würde zuletzt den Unfall zugeben. Aber niemals einen Auftragsmord.

Das war ihm in den letzten Tagen wieder und wieder durch den Kopf gegangen. Die einzige Möglichkeit, eine Verbindung herzustellen, war dieser Merz. Er entschloss sich. Nach reiflicher Überlegung, ihn zu bitten, noch einmal herzukommen. Er rief die Nummer an, die Merz hinterlassen hatte. Er konnte ihn da nicht erreichen, aber immerhin erhielt er die Zusage, dass man ihm seinen Anruf ausrichten wollte. So blieb nichts anderes, als zu warten.

***

Erich Merz hatte sich mit der neuen Situation noch nicht abgefunden. Er konnte sich weder konzentrieren noch richtig entspannen. Alles was er begann, schmiss er bald wieder hin. Egal ob es sich um eine geistige oder körperliche Anstrengung handelte. Er konnte einfach nicht am Ball bleiben.

Mit der Zeit schälte sich eine Möglichkeit heraus. Eine große Reportage über ein spannendes Thema, überlegte er, könnte mir vielleicht helfen.

Deshalb besuchte er schließlich seinen früheren Redaktor, um die Sache mit ihm zu besprechen. Offiziell war er immer noch beurlaubt und niemand in der Redaktion rechnete mit seinem Auftauchen. Darüber hatte sich Merz keine Gedanken gemacht. Als er seinen alten Arbeitsplatz betrat, wurde er von seinen früheren Kollegen größtenteils mit Spott empfangen. Natürlich waren die meisten bloß neidisch. Alle wussten, dass er ein großes Vermögen geerbt hatte. „Hallo Erich“, rief einer, „hast du die Pension schon satt?“

Alle lachten.

„Oder willst du vielleicht jetzt unsere Zeitung kaufen?“, rief ein Anderer.

Merz ärgerte sich maßlos. Wenn diese Idioten wüssten, was er in der letzten Zeit mitgemacht hatte.

Endlich hörte er doch eine nette Stimme: „Tschau Erich. Wie schön dich zu sehen.“ Erna, die ihm früher oft griesgrämig Kaffee gebracht hatte, lächelte verführerisch. Merz verstand nicht gleich, was er davon halten sollte. Bis ihm klar wurde, dass er jetzt als reicher Mann ganz andere Chancen hatte. Merz fand es einfach nur widerlich, wie sie sich jetzt vor ihm bewegte und zur Schau stellte.

„Ach ja“, sagte Erna schließlich. Gestern hat jemand für dich angerufen. Ein Kommissar aus Deutschland. Moment.“ Sie suchte einige Zeit nach einem Zettel. „Da hast du Name und Nummer.“

Merz bedankte sich höflich. Kommissar Reuter hatte ihn gesucht. Unter Umständen gab es bei ihm etwas Neues. Merz beschloss, sein Vorhaben abzubrechen. In diese Redaktion lasse ich mich nicht mit zehn Pferden noch einmal schleppen, zitierte er in Gedanken.

Beim Hinausgehen konnte er sich nicht verkneifen, laut zu rufen: „Dann arbeitet mal schön weiter. Auf mich wartet meine Hängematte.“

Als Antwort schwoll ein mehrstimmiges, „hau bloß ab“, an.

Aber Merz stand schon draußen und grinste.

Aus der nächsten Telefonzelle am Weg rief er Reuter an. „Ah, Herr Merz. Guten Tag. Schön dass Sie sich melden.“

„Haben Sie Neuigkeiten, Herr Kommissar?“

„Ja“, antwortete dieser. „Ich bin ein beträchtliches Stück weitergekommen. Ich bin sicher, den Täter gefasst zu haben, der Herr Hauser überfahren hat.“

„Wer war es?“, fragte Merz sofort.

„Ach, Herr Merz. Sie kennen den Mann ja doch nicht. Und seinen Namen möchte ich noch nicht offiziell nennen. Aber ich hätte eine Bitte an Sie. Wäre es Ihnen möglich, noch einmal herzukommen? Ich möchte Ihnen einige Dinge zeigen, die für den Fall von Belang sein könnten. Nur Fragen am Telefon helfen nicht direkt weiter. Außerdem müssten wir auch ein Protokoll erstellen. Können Sie kommen?“

Merz zögerte keinen Moment. Eine Abwechslung kam ihm geradewegs Recht. „Ja natürlich kann ich. Wann soll ich bei Ihnen sein?“

Der Kommissar freute sich: „Wann Sie wollen. Ich bin fast jeden Tag im Büro.“

Merz überlegte kurz. „Ich nehme morgen wieder den ersten Zug. Dann bin ich schon am Vormittag da.“

„Ausgezeichnet!“, antwortete Reuter. „Ich erwarte Sie.“

„Auf Wiedersehen, Herr Kommissar.“ Auf Wiedersehen Herr Merz. Und vielen Dank auch.“

Merz freute sich aufrichtig. Wenigstens den Mörder des Alten Fritz haben sie erwischt. Merz war sehr gespannt, was ihm der Kommissar zeigen wollte. Konnte er auf Dornbach gestoßen sein? Morgen weiß ich mehr, dachte er zufrieden.

Wie bei seiner ersten Reise nach Frankfurt musste er früh aufstehen und ging zu Fuß zum Bahnhof. Er hatte kein Gepäck mitgenommen. Wollte er doch am gleichen Tag zurückfahren. Unterwegs nahm er sich vor, auch Erika einen Besuch abzustatten. Eventuell hätte ich doch etwas mitnehmen sollen, ging ihm durch den Kopf. Jetzt kann ich nicht übernachten.

Gegen elf Uhr erreichte er das Polizeipräsidium in Frankfurt. Der Kommissar ließ ihn sofort in sein Büro führen.

„Danke, dass Sie kommen konnten, Herr Merz. Wie war die Reise?“ Reuter schüttelte ihm die Hand.

„Danke gut, Herr Kommissar. Jetzt bin ich doch gespannt, was Sie für mich haben.“

Reuter öffnete einen Ordner und entnahm eine Fotografie. „Kennen Sie diesen Mann?“

Merz schüttelte den Kopf. „Noch nie gesehen.“

„Das ist Horst Pohl. Er hat Ihren Freund auf dem Gewissen.“ Der Kommissar ließ eine kleine Pause verstreichen. „Ich muss Ihnen sagen, dass er auch Sie verfolgt und observiert hat“, fuhr er fort.

„Woher wollen Sie das wissen?“, entfuhr Merz. „Hat er das etwa gesagt? Das kann ich nicht glauben.“ Merz ging einiges durch den Kopf.

Dass er verfolgt wurde, hatte er ja bemerkt. Dass es die gleichen Leute waren, die Fritz umgebracht hatten, das hatte er vermutet. Aber woher wusste der Kommissar Bescheid.

„Nun, ja, das ist so.“ Der Kommissar wollte Merz nicht verärgern. „Ich hatte zwei ganz junge Beamte auf Sie angesetzt. Es ging natürlich nicht darum, Sie wirklich zu überwachen. Es war ganz einfach eine praktische Übung für die zwei. Dabei haben sie herausgefunden, dass Sie bereits überwacht wurden. Ab diesem Moment waren sie immer in Ihrer Nähe, um Sie zu schützen. Sie sind dann so schnell abgereist, dass mir keine Zeit blieb, mit Ihnen darüber zu sprechen.

Ich hatte, ehrlich gesagt, auch nicht damit gerechnet, dass Sie das einmal erfahren würden“, fügte Reuter hinzu.

Merz schluckte. Die Polizei hatte ihn überwacht. Aber auch geschützt. Kurz dachte Merz, was, wenn er etwas von dem Kokain weiß? Aber er verwarf den Gedanken wieder. „Diese Überwachung hat Sie auf seine Spur gebracht, Herr Kommissar?“, fragte Merz.

„Nein, eigentlich nicht. Aber davon später. Ich bin sicher, dieser Pohl hat den Wagen gefahren. Wir haben auch entsprechende Faserspuren sichergestellt. Aber den Auftrag, glaube ich, hat dieser Mann gegeben.“

Er zog eine weitere Fotografie aus dem Ordner. „Kennen Sie ihn?“

Merz musste nicht lange hinsehen. „Ja, das ist ein gewisser Meier. Ich habe einmal mit ihm gesprochen. Er hatte sich auf meine Anzeige gemeldet. Glauben Sie wirklich, der hat den Auftrag gegeben?“

„Mein lieber Freund“, sagte der Kommissar väterlich. „Wie kommen Sie auf den Namen Meier? Das ist Willhelm Dornbach.“

Merz sprang von seinem Stuhl auf und sah ihn entgeistert an. „Das ist nicht möglich, Herr Kommissar. Dieser Mann kann nicht Dornbach sein.“

Der Kommissar staunte über die heftige Reaktion von Merz. „Aber warum denn nicht, das ist ein Polizeifoto. Es handelt sich mit Sicherheit um Willhelm Dornbach.“

„Herr Kommissar“, Merz sah ihn mit glühenden Augen an. „Diesen Mann habe ich vor ein paar Tagen in Zürich auf der Bahnhofstraße getroffen. Dornbach ist doch tot.

Ich verstehe überhaupt nichts mehr“, fuhr Merz kopfschüttelnd weiter.

„Haben Sie vielleicht eine Zigarette, Herr Kommissar?“

Merz rauchte normalerweise nicht. Aber jetzt war ihm plötzlich danach. Der Kommissar stand auf, holte eine Kognakflasche und zwei Gläser aus dem Schrank. „Nehmen Sie erst mal einen Schluck. Die Zigarette kommt gleich.“

Merz musste sein Glas mit beiden Händen festhalten. Tausend Dinge rasten ihm gleichzeitig durch den Kopf. Der Kommissar wartete, bis er sich etwas beruhigt hatte, um dann zu fragen, „sind Sie sicher?“

„Absolut sicher, Herr Kommissar. Womöglich hat er einen Zwillingsbruder. Aber ich habe diesen Mann gesehen.“ Merz versuchte, Reuter mit den Händen zu beschwören.

Der Kommissar blieb skeptisch. „Wissen Sie, Herr Merz, wenn wir manchmal Leute suchen, mit Foto, haben wir jedes Mal Zeugen, die beschwören, diesen Mann zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten gesehen zu haben. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber überlegen Sie sich das noch einmal.“

„Für mich gibt es keinen Zweifel. Wenn dieser Mann!“, er deutete auf das Bild, „Willhelm Dornbach ist! Dann lebt er noch!“

Der Kommissar hakte ein. „Dann haben Sie diesen Namen zuvor bereits einmal gehört?“

„Ja, natürlich“, gab Merz zu. „Aber ich habe nie ein Bild von ihm gesehen.“

„Wollen Sie mir nicht erzählen, was Sie von ihm wissen?“, fragte Reuter.

„Das ist eine lange Geschichte, Herr Kommissar.“

„Fangen Sie ruhig an“, ermunterte Reuter.

Merz war irgendwie froh, endlich mit jemandem über sein Dilemma sprechen zu können. Natürlich sagte er nicht die ganze Wahrheit. Er erwähnte nur, dass er nicht sicher sei, woher das Geld stammte, das er von seinem Großvater geerbt hatte. „Darum habe ich den Alten Fritz losgeschickt. Ich konnte ja nicht wissen, wie gefährlich das ist. Aber trotzdem. Die Schuld lässt mir keine Ruhe. In seinem Notizbuch bin ich zum ersten Mal auf den Namen Dornbach gestoßen.“

„Das Notizbuch?“, fragte der Kommissar dazwischen. „Wie sind Sie daran gekommen?“

„Woher wissen Sie jetzt das wieder, Herr Kommissar?“

„Jeder Detektiv muss sich irgendwo Notizen machen. Dass es eins gab, war mir klar. Aber wir haben es nicht bei ihm gefunden.“

Merz erzählte von dem Schrank im Zimmer. Der Kommissar schüttelte den Kopf. „Wie konnten unsere Leute so etwas übersehen?“

„Die Geschichte mit der Kleinanzeige habe ich Ihnen bereits früher erzählt“, fuhr Merz fort. „Dass mir dabei bei diesem Meier seine teure Uhr unter dem schäbigen Anzug aufgefallen ist, jedoch nicht. Wenn ich geahnt hätte, dass er das ist.“ Merz machte eine bezeichnende Handbewegung. „Er wollte sicher nur hören, ob ich was weiß, das ist mir jetzt klar. Darum hat er mich überwachen lassen.

Nur so konnten sie von Mendel erfahren haben. Auch ihm habe ich den Tod gebracht. Ich will diesen Mann zur Rechenschaft ziehen, Herr Kommissar! Koste es, was es wolle! Wissen Sie, als ich bemerkte, dass ich verfolgt wurde, bin ich abgereist. Aber ich bin wiedergekommen.“

Jetzt zog der Kommissar ein erstauntes Gesicht.

Natürlich musste Merz in seiner Geschichte wieder eine Lücke lassen. „Ich hatte eine Detektei beauftragt, bei Dornbach nach Belastendem zu suchen. Bis zu dem Tag als er verhaftet wurde, konnten sie nichts Relevantes liefern. Leider auch kein Bild von ihm.

Ich war sicher, dass er für die Drogengeschichte zehn Jahre bekommt, und gab mich damit zufrieden. Dann habe ich von seiner Freilassung gelesen. Wieder war ich am Boden zerstört.

Danach die Geschichte von seinem Tod. Damit hielt ich die Sache für erledigt. Auch wenn ich dachte, er ist zu leicht davongekommen.

Und jetzt weiß ich, dass er noch am Leben ist. Ich werde ihn finden, egal wo er sich versteckt.“ Merz klang sehr entschlossen.

Reuter hatte nur zugehört. Aber er fühlte, dass noch etwas fehlte. „Wissen Sie, Herr Merz? Zuerst interessiert mich, was Dornbach verstecken wollte. Ich brauche eine klare Verbindung zu Pohl. Ich will Dornbach einen Auftragsmord an Ihrem Freund Hauser nachweisen.

Ich muss mit seiner Frau und seinem Umfeld sprechen. Jemand weiß oder ahnt wahrscheinlich, was er früher derart Schlimmes angestellt haben könnte, dass er dafür morden lässt.

Erst danach kann ich mich um Ihre Vermutung kümmern. Das BKA hat eine Dienststelle, die in solchen Fällen zusammen mit ausländischen Behörden ermittelt.“

Merz fiel ihm ins Wort. „Sie müssen sich selbst um die Sache kümmern. Wenn die nicht erwarten, dass Dornbach überlebt hat, werden sie nicht nach ihm suchen.“

Der Kommissar schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ich kann nicht nach Belieben in einer Sache ermitteln. Die Zuständigkeit ist klar geregelt. Außerdem sollten wir einmal abwarten, was die Kollegen finden. Die sind auch nicht von gestern, glauben Sie mir.“

„Ich werde selbst nach Norwegen fahren“, sagte Merz trotzig. „Daran können Sie mich nicht hindern.“

Der Kommissar zog die Brauen hoch. „Wie kommen Sie denn darauf, dass ich Sie daran hindern will. Bringen Sie mir einen Beweis, dass Dornbach noch lebt. Dann kann ich alles in Bewegung setzen, was wir haben. Mit einer Zielfahndung geht er früher oder später ins Netz. Nur müssten wir wissen, welchen Namen er benutzt“.

Der Kommissar stutzte kurz. „Ich hätte da eine Idee. Was machen Sie heute Abend?“

Merz schüttelte den Kopf. „Eigentlich wollte ich nach Hause fahren. Aber ich kann mir ein Zimmer suchen. Was haben Sie vor?“

Der Kommissar legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich möchte mit Ihnen über Ihr Vorhaben sprechen. Aber nicht in den Diensträumen. Kommen Sie heute Abend zu mir. Ich lebe allein, Sie können bei mir übernachten. Ich habe genügend Zimmer.“

Merz war skeptisch. „Es gibt genug Hotels in Frankfurt.“

„Tun Sie mir bitte den Gefallen. Wir werden viel Zeit brauchen“, antwortete der Kommissar.

„Na, gut“, antwortete Merz. „Ich werde sowieso nicht schlafen können.“

„Was machen Sie in der Zwischenzeit?“, fragte sich Reuter plötzlich. „Wir haben einen Ruheraum. Wollen Sie sich vielleicht ein wenig zurückziehen?“

Merz wehrte ab: „Aber nein, ich gehe gerne spazieren. Dabei kann ich ein wenig ordnen. Wo treffen wir uns?“

„Kommen Sie um siebzehn Uhr wieder in mein Büro. Dann gehen wir zusammen. Ich muss mir noch einige Unterlagen zusammenstellen, möglicherweise bekomme ich schon einen vorläufigen Bericht über die Sache in Norwegen.“ Reuter brachte ihn zur Tür. „Bis später!“

***

Merz spazierte gemütlich in der Stadt herum. Er besuchte mehre Restaurants, das war seine liebste Art, auszuspannen und nachzudenken. Die Zeit ging schnell vorbei. Um fünf Uhr traf er erneut den Kommissar, wie abgemacht.

Reuter wohnte nicht weit vom Präsidium. Allein in einer Dienstwohnung, die für eine Familie ausgelegt war. Im Erdgeschoß des Hauses gab es ein Lokal, wo er zu essen pflegte. Er lud seinen Gast dazu ein.

Merz zierte sich erst, aber willigte schließlich ein. Reuter bat ihn, den Kommissar wegzulassen. „Hier können Sie mich Alois nennen.“

„Dann sagen Sie Erich zu mir“, forderte Merz.

Reuter nickte zustimmend.

„Was haben Sie denn jetzt vor, Alois?“, fragte Merz.

„Wissen Sie, Erich. Unser Polizeiapparat ist effizient, aber er funktioniert nur nach bestimmten Regeln. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich auch nach Norwegen fahren. Deshalb will ich Sie, soweit es möglich ist, unterstützen. Ich kann für Sie Laboruntersuchungen machen lassen. Wenn es darum geht eine Passagierliste zu erhalten und so weiter. Für einfache Dinge kann ich einen Kollegen im Ausland direkt fragen, dazu brauchen wir den Dienstweg nicht einzuhalten. Wenn dann etwas Beweiskraft erlangen soll, können wir das immer noch nachholen.

Wenn Sie wollen Erich, können Sie mich jederzeit anrufen. Ohne den Apparat würden Sie nur auf gut Glück ermitteln. Und wohin das führen kann, haben Sie bereits erlebt. Vergessen Sie nicht. Wenn Dornbach Sie noch einmal zu Gesicht bekommt, dann wird er Sie umbringen. Der geht kein Risiko ein.

In Norwegen werden Sie kaum auf ihn treffen, aber Sie müssen jederzeit mit möglichen Komplizen rechnen. Die zum Beispiel aufpassen, ob sich jemand umhört. Ich will Ihnen keine Angst machen, aber seien Sie um Gottes willen vorsichtig.“

Der Kommissar zog einen dünnen Hefter aus seiner Mappe. „Ich habe hier erste Unterlagen. Natürlich wissen Sie, dass ich sie Ihnen nie gezeigt habe!“ Merz nickte zustimmend. „Der erste Bericht der norwegischen Polizei. Aus den Bruchstücken, die aus dem Wasser gefischt wurden, kann man eindeutig ablesen, dass das Schiff mit großer Kraft auseinandergerissen wurde. Im Klartext. Eine Explosion. Nicht vom Treibstoff. Es muss eine Bombe gewesen sein.

Es wurden Rettungsringe gefunden, mit der Aufschrift „Isolde“. So hieß das Schiff, das Dornbach angemeldet hatte. Es muss sehr schnell gesunken sein. Augenzeugen haben nur eine Rauchwolke gesehen, kein treibendes Wrack. Für eine größere Explosion spricht auch, dass bis jetzt kein Schlauchboot gefunden wurde. Offenbar war niemand mehr in der Lage, ein Rettungsboot klarzumachen, um das Schiff damit zu verlassen.

Der Fjord ist an der Unglücksstelle etwa achthundert Meter tief. Auch mit einem Tauchboot ist es fast unmöglich, das Wrack zu finden. Wenn die Explosion so stark war, wie vermutet, dann gibt es auch keins. Nur Bruchstücke, die im Schlick versinken.

Die Mannschaft bestand aus sechs Seeleuten. Auch von ihnen ist bis jetzt keine Spur aufgetaucht. Dass Dornbach möglicherweise allein an Bord gewesen sein könnte, ist nicht völlig auszuschließen jedoch kaum zu erwarten. Man rechnet deshalb vorsichtshalber mit mindestens sieben Todesopfern.

Der Rest bezieht sich auf technische Details, Gewicht, Motorleistung und so weiter. Das ist für uns im Moment nicht besonders wichtig. Sehen Sie Erich, wie ich Ihnen helfen kann?“

Merz nickte. „Wir zusammen kriegen ihn, da bin ich mir sicher.“

Reuter ließ sich nicht darauf ein, sondern legte das nächste Blatt um. Ein Kartenausschnitt erschien. Eine Seekarte, in der die vermutete Position des Schiffes mit einem roten Kreuz markiert war.

„Davon habe ich Ihnen eine Kopie angefertigt“, fuhr der Kommissar fort. „Die Stelle liegt etwa dreihundert Kilometer von Oslo entfernt. Ich denke, dass es eine Fährverbindung gibt.“ Reuter legte den Finger auf einen Punkt auf der Karte. „Bis hier. Wenn Sie die Örtlichkeit genauer absuchen wollen, brauchen Sie allerdings ein Boot. Die Küstenlinie ist endlos. Keine Straßen, überall kann man sich verstecken. Wenn Dornbach wirklich geflohen ist, muss er auch über ein Boot verfügt haben. Das er irgendwo, irgendwie zurücklassen musste. Danach würde ich stets Ausschau halten. Haben Sie schon einmal Fingerabdrücke genommen?“

Merz schüttelte den Kopf.

„Ich werde Ihnen zeigen, wie man das macht.“ Der Kommissar öffnete einen kleinen Karton. „Die Ausrüstung habe ich Ihnen bereitgestellt. Er nahm das Glas, welches Merz benutzt hatte und stäubte es mit einem schwarzen Pulver ein.

Seine Abdrücke wurden gleich deutlich sichtbar. „Damit fixieren Sie das Ergebnis.“ Reuter legte einen Klebestreifen über einen besonders deutlichen Abdruck und zog ihn wieder ab. „Sehen Sie, Erich, es ist ganz einfach. Ich habe Ihnen zum Vergleich, die Prints von Dornbach dazugelegt. Diese Tüten“, er schwenkte eine Versandtasche, „damit können Sie mir gesicherte Spuren schicken. Schreiben Sie nichts dazu. Ich weiß auch so, woher es kommt. Natürlich an meine Privatadresse.“ Der Kommissar legte eine Pause ein.

Merz gab sich beeindruckt. „Sie haben wirklich an alles gedacht, Alois.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Aber was wollen Sie ohne Hilfsmittel erreichen. Sie werden auch einen Dolmetscher brauchen. Oder sprechen Sie norwegisch?“

Erich schüttelte wieder den Kopf. „Ideal wäre natürlich jemand, der die Gegend kennt und gleichzeitig deutsch spricht. Vielleicht ist es besser, wenn Sie durchblicken lassen, dass Sie Schweizer sind. Gerade auf dem Land könnten noch Erinnerungen an unsere Vergangenheit wach sein.“

Der Kommissar goss Merz ein neues Glas ein. „Schkol“, sagte er lächelnd. „Oder ist das schwedisch?“

Sie diskutierten noch dies und das. Merz war sicher, bestens vorbereitet, auf die Jagd zu gehen.

Erst gegen Morgen legten sie sich endlich schlafen.

Als Merz erwachte, war er allein in der Wohnung.

Reuter hatte ihm ein Frühstück in der Küche bereitgestellt, dazu einen Zettel. „Bin im Büro, komme bis zehn Uhr zurück.“

Merz brühte den Kaffee wieder auf. Kauend überlegte er, was er noch mitnehmen könnte, um in Norwegen zum Erfolg zu kommen.

Er kannte den Norden kaum. Er liebte die Kälte nicht. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dorthin zu fahren ohne triftigen Grund. Aber er hatte davon gehört, dass es ausgezeichnete Fischgründe geben solle.

Als Junge hatte er manchmal geangelt. Deshalb entschied er sich, auch eine Angelausrüstung mitzunehmen. Damit kann ich unauffällig an der Küste herumfahren. Immer auf der Suche nach einem idealen Platz. Niemand wird das verdächtig finden, überlegte er.

Merz reiste immer noch in seinen Gedanken der Küste entlang, als Reuter zurückkam.

„Guten Morgen, Erich“, begrüßte er ihn. „Gut geschlafen?“

„Ja, ganz ausgezeichnet. Danke für das Frühstück“, gab Merz zurück.

„Keine Ursache, das ist doch selbstverständlich“, brummte Reuter. „Ich war kurz im Büro. Nichts Neues über den Fall. Mit Frau Dornbach kann ich auch noch nicht sprechen. Wir warten ab, ob sich Leichenteile oder andere Hinweise auf die Identität der Opfer finden.

Wenn die Umstände es erlauben, lassen wir ohnehin einige Tage verstreichen, bis sich die Angehörigen etwas gefasst haben.

Kollege Hinrichs hat die Dame früher einmal in einer anderen Sache befragt. Er glaubt nicht, dass sie viel über die Aktivitäten ihres Mannes weiß.“

„Dann hat es wohl wenig Sinn, dass ich noch hierbleibe“, antwortete Merz. „Ich bin, wie ich denke, gut vorbereitet für die Reise.“

Er erklärte dem Kommissar, dass er sich als Angler zu tarnen gedachte. Reuter hielt das ebenfalls für eine gute Idee. „Falls er dort Komplizen hat, sind Sie viel sicherer, Erich, wenn Sie offensichtlich einen Grund haben um nach Norwegen zu fahren. Angeltouristen, die ziellos herumreisen, sind im Norden nichts Ungewöhnliches.“

„Dann nehme ich wieder den Mittagszug!“, sagte Merz. „Der fährt um zwölf Uhr.“

Er begann seine Sachen zu packen. Der Kommissar lieh ihm eine kleine Reisetasche. Merz hatte ja kein Gepäck gehabt. Nur was ihm Reuter gegeben hatte, musste er jetzt mitnehmen.

Der bestellte Taxifahrer läutete kurz darauf an der Tür. Merz reichte dem Kommissar die Hand, „danke Alois, für Ihre Hilfe. Es wird schon klappen.“

„Gute Reise!“, antwortete Reuter. „Und vergessen Sie nicht, vorsichtig zu sein, Erich. Ich würde mir schwere Vorwürfe machen, wenn Ihnen etwas zustößt.“

„Unkraut vergeht nicht“, lachte Merz. „Ich passe auf mich auf. Machen Sie sich keine Sorgen.“

Merz verließ die Wohnung. Im Taxi schaute er sich öfters um, ob sie verfolgt wurden.

Aber eigentlich rechnete er nicht damit.

Die Rolle als Detektiv begann ihm Spaß zu machen. Bloß wenn er an den Alten Fritz dachte, wurde ihm bewusst, was er damit auch schon angerichtet hatte. Ich mache das auch für dich, sagte er in Gedanken zu sich. Dornbach wird seine Strafe bekommen. Ich werde nicht ruhen, bis du gerächt bist, und wenn ich bis ans Ende der Welt fahren muss.

Bald erreichten sie den Bahnhof. Merz blieb noch Zeit für einen Kaffee. Danach bestieg er den Zug nach Zürich, der pünktlich abfuhr.

Die Reise nutzte er, um weiter nachzudenken. Stück für Stück, ging er die Reise sorgfältig durch. Er war sicher, alles bedacht zu haben, als er in Zürich eintraf. Zufrieden mit sich und in bester Laune kam er nach Hause.

Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe

Подняться наверх