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Kapitel 4

Meinen Sinn finden

Die große Abkürzung

Zu Beginn meiner Reise wurde ich, wie ich zugeben muss, oft eifersüchtig, wenn ich Leute beobachtete, die sich selbst liebten; ich saß da und machte ein finsteres Gesicht. Wer sich selbst und sein Leben hasst und dann auf Menschen trifft, die sich putzmunter und glücklich ihres Lebens erfreuen, würde diese Leute zunächst einmal am liebsten umbringen. Das klingt vielleicht arg hart, aber Sie wissen schon, was ich meine.

Ich nahm es übel, wie sie nach Lust und Laune Entscheidungen trafen, die für sie am besten passten, als ob das so einfach wäre. Doch dann ging mir auf: Vielleicht ist es eben so einfach. Vielleicht machten wir anderen es uns schwer. Wie mir klar wurde, hatte ich die lange Straße genommen, um mich gut zu fühlen. Diese Leute dagegen, die sich selbst liebten, nahmen die Abkürzung. Ich war auf der Jagd nach Glück, doch sie entschieden sich dafür.

Ich hatte keine Ahnung, was mich glücklich machen würde, ebenso wenig, was meine Lebensaufgabe bzw. der Sinn meines Lebens war. Doch inzwischen kenne ich die Wahrheit: Auf dem Weg zum Glück und zum Sinn des Lebens gibt es so etwas wie eine falsche Entscheidung nicht, denn es geht dabei nicht nur um eine Sache. Sein Glück und seinen Lebenssinn zu finden hat mit allen Entscheidungen zu tun. Zum besseren Verständnis folgen hier ein paar Beispiele aus meinem Leben.

In jüngeren Jahren wollte ich ein professionelles Model werden. Auf den ersten Blick ergab das überhaupt keinen Sinn. Ich war eine Denkerin und ein Wildfang, extrem introvertiert und verbrachte fast meine gesamte freie Zeit mit Schreiben.

Mit der Zeit ergab dieser Beruf sogar noch weniger Sinn. Ich hasste ihn. Es war ein erbarmungsloses, seichtes, unangenehmes Geschäft. Mein Versuch, in die Welt der Models zu passen, war wie der Versuch, einen viereckigen Zapfen in ein rundes Loch zu stecken. Doch wie ich inzwischen weiß, gibt es so etwas wie Fehler nicht, deshalb war dieser Schritt, so wenig er passte, dennoch auf vielerlei Art wertvoll. Meine Lebensberufung war das allerdings ganz bestimmt nicht.

Die Wahl zwischen College und Wurzelbehandlung

2006 war ich nach wie vor auf der Suche nach meinem Weg und entschied mich, das College zu besuchen und Philosophie als Hauptfach zu studieren. Ich stammte ja aus einer sehr gebildeten Familie und war davon überzeugt, mit einem College-Abschluss würde ich glaubwürdiger sein und mehr respektiert werden …, allerdings gab es da ein Problem. Ich hasse Unterricht. Ich saß in den dunklen Hörsälen, hörte den Vorlesungen zu und fühlte mich wie bei einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Es war einfach schrecklich.

Beim Anblick all der anderen Gesichter fragte ich mich, ob nur Leute Philosophie studieren, die, so wie ich, depressiv, passiv suizidal und verzweifelt auf der Suche nach einem Sinn im Leben sind. Nach einem Monat schwante mir, dass ein solcher Abschluss in Philosophie mir nie im Leben etwas nützen würde. Wenn wir erst einmal mit dem Studium fertig wären, würde uns kein Mensch dafür bezahlen, herumzusitzen und zu denken.

Ich fragte mich: Warum wünsche ich mir eigentlich Glaubwürdigkeit und Respekt? Die Antwort lautete: Es würde sich gut anfühlen. Plötzlich ergab ich für mich selbst keinen Sinn mehr. Da saß ich im College, fühlte mich miserabel und hasste jede Minute, weil ich mich gut fühlen wollte? Anders ausgedrückt: Ich fühle mich jetzt schlecht, weil ich denke, dass ich mich dadurch irgendwann mal gut fühle? Ich brachte da wohl etwas durcheinander.

Als Philosophiestudentin wusste ich natürlich meistens, wie solche geistigen Rätsel einen Sinn ergeben. Doch egal, von welcher Seite ich es betrachtete: Dies war überhaupt nicht sinnvoll. Anstatt direkt das in Angriff zu nehmen, wodurch ich mich gut fühlte, versuchte ich es mit einem Umweg. Also fragte ich mich: Was würde jemand, der sich selbst liebt, wohl tun?

Und sofort wusste ich die Antwort: Eine solche Person würde das, was sich gut für sie anfühlt, auf der Stelle tun.

Was fühlt sich für mich gut an? Wintersport. Ich liebte das Freiheitsgefühl, wenn ich auf meinen Schlittschuhen über die glatte Eisfläche glitt. Ein Jahr zuvor hatte ich es zwar ins U.S. Telemark Ski-Team geschafft, fand aber keinen Sponsor für meine Karriere als Skirennläuferin; also tauschte ich meine Skier offiziell gegen Schlittschuhe ein. Ich dachte, ich würde eine konkurrenzfähige Eisschnellläuferin werden.

Ich sagte mir, irgendeine Art Wintersport professionell zu betreiben sei besser als nichts, aber ich war nicht die beste Eisschnellläuferin der Welt. Ich hatte damit nicht in frühester Kindheit begonnen und war nicht mein Leben lang auf Inlinern herumgerast wie fast alle anderen professionellen Eisschnellläufer.

Ich hatte Potenzial, aber damit hatte es sich auch. Doch ich liebte jede einzelne Minute.

Auf der Suche nach einer anderen Abkürzung zum Glück

Auf meine Frage »Was würde jemand, der sich selbst liebt, tun?« lautete die Antwort: Gib die Schule auf, lass dich Vollzeit auf das Eisschnelllaufen ein und schau nie zurück.

Genau das tat ich. Ich nahm die Abkürzung zum Glück und lebte mein Leben gemäß der Frage »Was würde jemand, der sich selbst liebt, tun?«. Von nun an genoss ich mein Leben. Ich folgte meiner Leidenschaft, und es war toll.

Doch es dauerte nicht lange, und ich war erneut vor eine Entscheidung gestellt. Durch mein äußerst anstrengendes Training geriet ich in die vorzeitige Menopause, und die körperlichen Schäden an meinen Fortpflanzungsorganen aufgrund meiner Kindheitserlebnisse hatten das Zeitfenster für eigene Kinder bereits sehr einschränkt. Ich hatte eine Besprechung mit meinen beiden Frauenärztinnen, und beide meinten übereinstimmend, wenn ich weiterhin so hart trainierte, würde ich unter Umständen nie Kinder haben können.

Ich stand vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Ist es wichtiger, ein Kind zu haben – oder meinem olympischen Traum nachzujagen? Als Teenager hatte ich insgesamt durch erzwungene Abtreibungen, die mein Peiniger selbst vorgenommen hatte, vier Babys verloren, ein Zwillingspärchen und zwei weitere Babys. Ich hatte das tiefe Bedürfnis, zu erfahren, wie es wäre, mein Baby auszutragen und es nicht wieder zu verlieren. Ein Teil meiner selbst würde nie vollständig sein, wenn ich nie erfahren würde, dass es wenigstens einmal gut ging.

Zu der Zeit war ich gerade frisch verheiratet; mein Mann und ich entschieden gemeinsam, ein Kind zu haben wäre für uns beide wichtiger. Doch die Empfängnis war schwierig. Ich musste eine spezielle Behandlung gegen meine Unfruchtbarkeit mitmachen, und schließlich bekamen wir einen gesunden kleinen Jungen.

Die Geburt meines Sohnes stellte mich vor die nächste Entscheidung: Will ich ein ruhiges Privatleben führen und nur Hausfrau und Mutter sein, oder will ich mich mit meiner Vergangenheit outen, in die Welt hinausgehen und mit dem, was ich weiß und gelernt habe, anderen Menschen helfen, ein besseres Leben zu führen?

Die Antwort auf diese Frage kennen Sie ja schon.

Doch das Beste daran ist: Wenn ich daran denke, wie sich das alles zusammengefügt hat, kann ich eigentlich nur lachen. Als ich als Model arbeitete, lernte ich, mich extrovertiert zu präsentieren, wurde mit der Kamera und großen Menschenmengen vertraut. Heute verbringe ich fast meine ganze Zeit vor einer Kamera und vor Menschen.

Als professionelle Sportlerin erkannte ich, dass ich keine herausragenden Leistungen bringen konnte, solange ich mich nicht meinen inneren Dämonen gestellt und mich von ihnen befreit hätte. Sport resozialisierte mich und gab mir Kraft. Um Erfolg zu haben, musste ich gesund leben. So wurde ich immer besser. Ich wurde gesund. Ich lernte, mit Druck umzugehen. Ich wurde mutig genug, um mich der Öffentlichkeit zu stellen. Das war die perfekte Vorbereitung auf meine heutige Tätigkeit.

Mein Sohn brachte mich dazu, meine außersinnlichen Fähigkeiten anzunehmen; sie sind die Grundlage meines Berufes. Und was am besten ist: Jahre zuvor gab ich den Philosophie-Unterricht auf, nachdem mir klar geworden war, dass niemand jemanden mit einem Philosophie-Abschluss dafür bezahlen würde, herumzusitzen und zu denken. Doch jetzt, nachdem ich den direkten Weg zum Glück eingeschlagen habe und mein Motto ist, so zu leben und das zu tun, was Menschen, die sich selbst lieben, tun, werde ich tatsächlich dafür bezahlt, zu denken!

Andere Menschen zur Selbstliebe führen

Nach und nach nahm ich Klienten an – bzw. Klienten fanden den Weg zu mir. Dass die meisten Leute das, was ich über dieses Universum und seine Bewohner wusste und für selbstverständlich hielt, nicht kannten, überraschte mich. Noch überraschender war die Erkenntnis, dass ich mit meinem Wissen den Menschen wirklich helfen konnte. Ein Jahr lang arbeitete ich mit Klienten, und dann erkannte ich zu meiner Überraschung, dass ich diese heilungsorientierte Arbeit liebte. Meine größte Liebe entsprang dem, was ich immer am meisten gehasst hatte.

Ich erinnere mich insbesondere an einen Montagmorgen; ich saß im Schneidersitz auf dem Boden in meinem Schlafzimmer und bereitete mich auf den ersten Klienten des Tages vor. Ein Leben mit meinen Gaben hat nicht nur Vorteile; zum Beispiel ist es mit einem solchen Bewusstsein schwieriger, physisch im Körper präsent zu sein. Ich gleite sofort und unter Umständen unabsichtlich auf die Astralebene. Anfangs hatte ich überhaupt keine Kontrolle darüber und wurde manchmal bewusstlos; doch inzwischen habe ich gelernt, freiwillig präsent und im Körper zu bleiben. Auf die Astralebene zu gehen bedeutet, bewusst oder unbewusst auf eine andere Bewusstseinsebene zu wechseln, weg von der Wahrnehmung des Physischen hin zur Wahrnehmung des Nichtphysischen, wo Zeit und Entfernungen unbegrenzt sind.

Meine offene und bewusste Verbindung zu meinem Höheren Selbst ging in meiner Kindheit nicht verloren; ich stehe immer mit meinem Höheren Selbst in Verbindung und kann mit ihm kommunizieren, auch wenn ich das ignoriere. Deshalb habe ich meine Erinnerung an das, was diesem Leben vorausging und was nach dem Tod kommt, nicht verloren.

Ich kam also mit objektiven universalen Wahrheiten in dieses Leben; unter anderem habe ich Zugang zur Akasha-Chronik. Das sind sämtliche Informationen über alles, was jemals war und ist, verschlüsselt auf der nicht physischen Existenzebene; die Akasha-Chronik wird auch als »Plan Gottes« bezeichnet – eine Ansammlung grenzenloser Informationen, zu denen man Zugang hat, wenn man in einer Art »Quellbewusstsein« ist, beispielsweise in der Meditation, bei einer Astralreise oder unter Hypnose.

Je nachdem, in welchem Bewusstseinszustand ich bin, bin ich mir also vergangener Leben bewusst. Das ist eine Form der Postkognition. Wenn ich Leute kennenlerne, tauchen oft Bilder aus ihrem Leben und ihrer Kindheit und sogar aus vergangenen Leben in meinem Bewusstsein auf – was nützlich oder hinderlich sein kann, wenn ich versuche, mich hier auf dieser Erde auf sie zu fokussieren. Ich muss mich dazu bewusst erden, bevor ich einen Einzeltermin mit jemandem habe, insbesondere wenn mein bewusster Fokus im Hier und Jetzt gefordert ist.

An jenem Montagmorgen war ich also gerade dabei, mich zu erden, da klingelte es um Punkt elf Uhr an der Haustür. Es war Linda, eine 43-jährige Frau, die trotz ihres Alters nur so groß war wie eine Schülerin in der Mittelstufe. Ihr rostiger Kleinlaster war vor dem Haus geparkt und rauchte noch. Ihr fiel das Haar aus, und ihrem spindeldürren Körper, dünn wie ein Weidenzweig, wohnte eine große Traurigkeit inne, die sie mit einem männlichen Auftreten überspielte.

Die Wurzeln von Schuldgefühlen und Selbstverachtung erforschen

Sie trat durch die Tür ins Haus, und mich überschwemmten Bilder von ihr als weinendes, kleines Kind im Bettchen, das niemand hochhob. Auf einem dieser Bilder saß sie auf der Holztreppe ihres Elternhauses und hatte das Gefühl, sie gehörte nicht hierher; ihre Mutter schalt sie, weil sie ihr Spielzeug nicht aufräumte. Ich sah den emotionalen Mangel in ihrer Kindheit, und ich sah auch Bilder von ihrem Vater, wie er, als sie ein junger Teenager war, nachts zu ihr ans Bett kam und Sex von ihr wollte. Wie ich mir das antrainiert hatte, nahm ich die Informationen einfach in mich auf, ohne auf sie zu reagieren, legte sie im Geist beiseite, damit ich ihre diversen Energiesysteme und ihren Körper anschauen und sie sich mir öffnen konnte.

Wir setzten uns in meinen Therapieraum, und als Erstes sagte Linda, sie wisse nicht, warum sie überhaupt hier sei, sie glaube nicht an all das spirituelle Zeug, aber man hatte bei ihr MS diagnostiziert, und das wirkte sich so nachteilig auf ihre Arbeit aus, dass sie es aus lauter Verzweiflung einmal probieren wollte.

Ich fragte sie zunächst einmal, womit genau sie denn Probleme habe, und sie erklärte mir, sie sei Bauarbeiterin und müsse Tag für Tag am Straßenrand stehen. Dabei habe sie immer wieder Schwindelanfälle, ihre Beine würden kribbeln und taub werden; sie müsse sich dann hinsetzen, sonst würde sie zusammenbrechen und könnte den Rest des Tages nur noch am Stock gehen.

Linda fragte mich, ob ich Energieheilung bei ihr machen würde, denn sie hatte gehört, ich könne das. Ich sagte ihr, eventuell ja, aber ich behandle nicht gerne Krankheitssymptome, sondern lieber die Ursache. Das schien ihr nicht zu gefallen. Ich fragte sie, ob sie wirklich bereit sei, tief in sich hineinzugehen und herauszufinden, worin das Problem bestand. Sie nickte wie jemand kurz vor einem Bungee-Sprung.

Ich bat sie, so zu tun, als lebte sie in einer Welt, in der körperliche Beschwerden von schwierigen emotionalen und psychischen Problemen hervorgerufen würden. Dann fragte ich sie: »Was ist bzw. war für dich psychisch oder emotional belastend und schwierig, als die MS-Symptome das erste Mal auftraten?« Ich wollte herausfinden, wie bewusst ihr der Einfluss ihrer Vergangenheit auf ihre emotionale Befindlichkeit war.

Sie antwortete: »Na ja, ich habe das Gefühl, ich sterbe. Es ist, als ob mein Körper keine Nahrung mehr aufnimmt. Ich werde immer dünner und weiß nicht warum.«

Ganz sanft fragte ich sie: »Willst du leben?«

Sie schaute mich geschockt an, war ein paar Minuten lang erst einmal ganz still, um ihre Emotionen zu unterdrücken, und begann dann zu weinen.

»Nein!«, jammerte sie.

Ich kniete mich neben ihrem Stuhl nieder und hielt sie im Arm, während sie heftig schluchzte. Als sie so weit war, erzählte sie mir, sie sei furchtbar einsam, aber sie könne einfach mit niemandem eine enge Beziehung aufbauen und habe eine Zeit lang schon geglaubt, sie wäre lesbisch, weil sie vor Männern eine solche Angst hatte.

Ich fragte sie: »Weißt du, warum du Männern gegenüber solche Gefühle hast, Linda?«

»Na ja, mein Papa hat immer mit mir geschlafen, als meine Mama schwanger war.«

Ich sagte zu ihr: »Das allein reicht schon aus.«

Wieder begann Linda zu weinen; wie sie erzählte, war das die einzige Zeit, in der beide Eltern ihr Anerkennung entgegengebracht hätten, und sie fühle sich schuldig, weil sie sich so fühlen wollte. Ihr Vater schlief mit ihr und sagte ihr dann, sie sei so hübsch, deshalb halte er es einfach nicht in seinem eigenen Bett aus. Sie sei sein Lieblingskind, meinte er, und das sei ihr kleines Geheimnis.

Ich erklärte ihr, dass der Wunsch nach seiner Zuneigung, auch wenn sie vor ihm Angst hatte, bei einem sexuellen Trauma völlig normal ist. Dann fragte ich sie, welche Gefühle sie sich selbst gegenüber hegte.

»Ich bin okay«, antwortete sie.

»Möchtest du wissen, was ich glaube?«, fragte ich sie. »Ich glaube, du hasst dich selbst und wünschst dir, nie geboren worden zu sein.«

Wieder begann Linda zu schluchzen. »Ja, du hast recht«, gab sie zu. Wie bei so vielen Menschen, die Missbrauch überlebt haben, hatte sie die Schuld verinnerlicht, und Selbstverachtung war zu ihrer zweiten Natur geworden.

Wie Krankheit die Kontrolle übernimmt

Im Laufe der nächsten Stunde teilte ich Linda alles mit, was ich über sie wahrnahm, und bestätigte ihr, mit ihrem Gefühl, sie würde sterben, liege sie richtig. Ich erklärte: Wenn jemand nicht wirklich leben möchte, weil sein Leben so schwierig ist, fällt der Körper aus. Das ist so eine Art passiver Selbstmord. Linda hatte nicht nur MS, sondern ihr Körper hungerte sich selbst langsam zu Tode.

Ich erklärte weiter: MS ist eine Krankheit, von der Menschen befallen werden, die für alle Menschen alles sein wollen, weil sie überzeugt sind, das sei die einzige Möglichkeit, geliebt zu werden. Der Stress und der Druck sind zu viel, und da sie auch nicht um Hilfe bitten, macht ihr Körper irgendwann schlapp und zwingt sie, kürzer zu treten und sich von anderen helfen zu lassen. Ich sagte Linda, das sei eine Botschaft, damit andere Leute die Verantwortung für das Leben dieser Menschen übernehmen, und für sie, um sich nur noch auf sich zu konzentrieren.

Lindas Problem war die fehlende Selbstliebe. Da sie sich selbst nicht liebte, konnte sie auch von anderen Menschen keine Liebe annehmen. Auf einer energetischen Ebene ist der Versuch, ein Leben ohne Liebe zu leben, wie ein Körper, der versucht, ohne Wasser zu leben.

Gemeinsam entwickelten wir ein überschaubares Programm mit täglichen Übungen, bei denen es im Wesentlichen um Selbstliebe geht.

Sei es nun, weil sie dazu bereit war oder aus Verzweiflung – auf jeden Fall kam Linda sechs Monate lang alle zwei Wochen zu mir. Sie hat alle die in diesem Buch dargelegten Prozesse angewandt. Sie lernte, jede Entscheidung auf Selbstliebe zu gründen. Und nur ein Jahr später war sie ein völlig anderer Mensch. Ihr ganzes Leben hatte sich verändert.

Die große Macht der Selbstliebe

In der Woche nach unserem ersten Treffen erzählte mir Linda am Telefon, sie habe ihren Kleiderschrank durchforstet und gemerkt, dass sie nur schwarze und braune Kleidung trug. Daraufhin setzte sie sich im Schlafzimmer auf den Boden, vor sich ein Bild mit einer Farbpalette, und fragte sich: Was würde jemand, der sich selbst liebt, tun? Dabei blickte sie auf die Farbpalette und fühlte sich sofort von dem Farbmuster Pastellrosa angezogen.

Wie sie mir gestand, hatte sie Rosa eigentlich nie gemocht. Doch in Wirklichkeit hatte sie die Farbe mit eher »mädchenhaften« Mädchen assoziiert, die, wie sie ja wusste, verletzlich waren. Und das wollte sie nicht, also lehnte sie Rosa ab. Und weil sie sich nie wieder verletzlich fühlen wollte, lehnt sie auch Männer und alle ihre femininen Aspekte ab, ebenso ihre Persönlichkeit, und sie hatte sich sogar für einen, wie sie meinte, männlichen Job entschieden.

Zwei Wochen nach unserem ersten Treffen gestand mir Linda, sie habe gemerkt, dass sie ihre Arbeit eigentlich schon immer hasste: in der Hitze herumzustehen und die Verkehrsabgase einzuatmen, von Autofahrern angeschrien zu werden. Also kündigte sie und beschloss, ihre wahre Leidenschaft gelte den Pflanzen.

Drei Wochen nach unserem ersten Treffen kam sie zu mir und fing zu weinen an, sobald ich die Tür aufmachte. Sie erzählte: »Das ist das Schwierigste, was ich je im Leben gemacht habe. Ich musste alles verändern – und ich meine wirklich alles –, und so langsam wird mir klar, dass ich nicht einmal weiß, wer ich eigentlich bin.«

Eine solche Reaktion ist ganz normal. Zunächst fühlt es sich gut an, wenn man sich nach jahrelanger Vernachlässigung endlich wertschätzt. Doch das heißt auch, sich auf eine Welt voller Unsicherheiten einzulassen und so gut wie alles, was man der eigenen Meinung nach gewünscht und gewollt hat, aufzugeben und sich dafür ein brandneues Leben einzuhandeln.

Ganz von vorn anzufangen ist nicht einfach, ja es kann in echte Quälerei ausarten. Doch wie Linda herausfand, kommt der Schmerz, sein Leben im Namen der Selbstliebe umzuschreiben, nie an den Schmerz heran, der dadurch verursacht wird, dass man von seinem wahren Selbst abgespalten ist und nur halb lebt.

Das erste Jahr arbeiteten wir miteinander. Linda zog nach Kalifornien, um nahe am Meer zu sein. Sie lieh sich Geld und kaufte sich davon ein kleines Stück Land, wo sie in einem Hauszelt lebte. Sie baute Heilpflanzen an und eröffnete schließlich einen Online-Shop für den Verkauf ihrer natürlichen Körperpflegeprodukte.

Zwei Jahre später wurden ihre Produkte in einer Bioladenkette angeboten, und sie konnte sich den Kauf einer kleinen Farm leisten. Ihr Haar begann nachzuwachsen, und sie fand eine für sie stimmige Ernährungsweise, sodass sie auch etwas Gewicht zulegte. Sie lernte einen Mann kennen, der bei ihr immer frische Kräuter für sein kleines Restaurant in der Nähe kaufte. Die beiden heirateten, und trotz Lindas Zweifel hinsichtlich ihrer Empfängnisfähigkeit bekam sie vor Kurzem ein Kind. Und zum großen Erstaunen ihrer Ärzte hat sie seit über einem Jahr keinerlei MS-Symptome mehr.

Lindas Fall ist nur ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man sich selbst genug liebt – sich so liebt, dass es einem nicht egal ist, wie man sich fühlt, und man seine Gefühle so wichtig nimmt, dass man die richtigen Lebensentscheidungen trifft. Linda veränderte ihr Leben nicht, weil jemand anderes sie heilte. Sie entdeckte auch kein Wunderheilmittel. Aber sie war mutig und gab sich selbst das, was sie, wie sie immer gemeint hatte, hätte von anderen bekommen müssen. Sie war so mutig, dass sie alles riskierte, um zu lernen, sich selbst zu lieben.

Befreie dich durch Selbstliebe

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