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Teil I Lebendigkeit, natürliche Fruchtbarkeit und ワbervölkerung

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Lebendige Körper unterscheiden sich von toten durch ein inneres Fließgleichgewicht von Stoffen und Energien mit der Umgebung. Das gilt für alle Pflanzen, Tiere, Menschen und die einzelligen Mikroben. Lebewesen müssen sich ständig Moleküle aus ihrer Umwelt einverleiben und sie in lebendige Materie der eigenen Körpersubstanz umwandeln - vor allem Eiweiße oder Nukleinsäuren. Daraus wachsen sie, vergrößern ihre materielle Gestalt und vermehren sich auf Erden. Auch durch Fortpflanzung in Form gleichartiger Körper, also Erschaffung zusätzlicher Individuen ihrer jeweiligen biologischen Spezies.

In systemtheoretischer Formulierung (nach Niklas Luhman) hat sich mit dieser lebendigen "Еinheit einer Vielheit" von Molekülen etwas Neues an Komplexität gebildet: die neue Entwicklungsstufe lebender Materie. Dies lebendige System hat andere Eigenschaften als seine molekularen Teile. Das veränderte Verhalten der organischen Stoffe in belebten Körpern wird zu den natrlichen Erscheinungen gerechnet, die in Systemen beim Übergang von einer Stufe der Komplexität zur Nächsten überall spontan auftreten. Die Biologie fasst solche Phänomene unter den Begriff Emergenz.

Die ursprünglichste Einheit des Lebendigen lässt sich bei Einzellern noch heute mikroskopisch beobachten. Dem bekannten Pantoffeltierchen beispielsweise. Solche winzigen Eiweißklümpchen bewerkstelligen sämtliche Grundfunktionen lebender Materie in Selbstorganisation - durch nichtlinearen Austausch ihres Stoffwechsels mit der Umwelt. Außer Nahrungsaufnahme zur Erzeugung ihres Wachstums als Eiweißgallerte mit Erbsubstanz, verarbeiten die Lebewesen auch Informationen in Form von Reizen aus ihrer Umgebung. Diese beantworten sie mit zweckmäßigen Reaktionen zur Selbsterhaltung: Sinnlichen Wahrnehmungen, körperlichen Bewegungen ... bis zu Vervielfältigungen ihrer Leiblichkeit samt genetischer Information, also Fortpflanzung. Daher entstehen Möglichkeiten zu Evolution durch natürliche Selektion. Ursprünglich teilen sich allzu groß gewachsene Organismen einfach mitten durch in zwei ziemlich gleiche Hälften, die als vollständige Lebenswesen und voneinander völlig unabhängige Individuen fortexistieren. Prinzipiell bis in alle Ewigkeit oder zum Aussterben ihrer Spezies. Die biologische Wissenschaft fand in den Zellen daher Elementarteilchen des Lebens, ursprünglichste Einheiten, die sich im Austausch mit ihrer jeweiligen Umgebung selbst organisieren und spontan weiter entwickeln.

Lebendigkeit ist auf jeder Komplexitätsstufe eindringend, fressend, erobernd. Das bedeutet: alle Lebewesen entnehmen ihrer jeweiligen Umgebung molekulare Substanz, um die Fließgleichgewichte ihrer je eigenen Körper daraus zu bauen. Sie verleiben sich Teile ihrer materiellen Umwelt ein, tote und lebendige: je größer Tierkörper oder Pflanzen sind, umso mehr. Große Massen von lebenden Organismen können sogar die physikalisch-chemische Natur von Meer und Land verändern, ganze Lebensräume neu erschaffen. Beispiele dafür sind Wälder, Korallenriffe, Humusböden und die sauerstoffhaltige Atmosphäre unserer Erde. Zur Lebendigkeit und insbesondere ihrer Fortpflanzung gehört also auch immer ein Streben nach Erweiterung, ein organischer Imperialismus sozusagen, im Sinne von ausbeuten und einverleiben der Umgebung: ihrer Stoffe, Pflanzen, Tiere, Energien, Räume, aller irgendwie nutzbarer Nachbarschaft.

In vielzelligen Individuen haben sich einzellige Lebewesen zu größeren Körpern vereinigt und mittels wechselseitig bestimmender Einflüsse (Determination) Spezialisierungen zur funktionellen Aufgabenteilung zwischen den beteiligten Einzelzellen ausgebildet. Damit entsteht eine weitere Ebene der Komplexität von nichtlinearen, offenen (dissipativen) und dynamischen Systemen der lebendigen Materie. Schwämme und Staatsquallen sind Beispiele einfacher Vielzeller (Metazoa), deren Zusammenhalt und zelluläre Spezialisierung sich jederzeit rückgängig machen lässt. Und aus jeder Zelle kann wieder ein neuer Schwamm erwachsen.

Weiter evoluierte Körper vielzelliger Individuen haben unumkehrbar, irreversibel spezialisierte Einzelzellen, die lebenslang zusammenbleiben müssen - da eine Auflösung der Zellen-Gemeinschaft ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation zerstört, somit sterben und Tod zur Folge hat. Das Zusammenleben der Körperzellen ist daher bei vielzelligen Tieren unvermeidlich, obligatorisch. Biologietheorie fasst solche Metazoa auch als Zellenstaaten auf. Adolf Remane, einer der Begründer evolutionsbiologischer Zoologie Deutschlands (und Doktorvater meines Doktorvaters), schrieb 1976 in seinem letzten Buch "Sozialleben der Tiere": "Unser Körper und der Körper aller vielzelligen Tiere und Pflanzen ist eine Einheit aus einer Vielzahl lebender Einzelwesen, den Zellen. Er ist in diesem Sinne ein >Zellenstaat<.Wenn die Einzelwesen solcher Vielzeller sich verselbständigen, ergibt sich unorganisiertes Wachstum in den Körpern: Wucherungen, Tumore und Krebsgeschwüre.

Das Prinzip lebendiger Selbstorganisation zwischen den Zellen eines Tierkörpers vergleicht Konrad Lorenz mit Prägungslernen zwischen Eltern und ihren abhängigen Jungen zur Herstellung einer persönlichen Bindung. In Remanes Formulierung: "Lorenz [...] verglich den Vorgang mit Recht mit der Determination bestimmter Zellen oder Organe im Körper, die während der Entwicklung in einer sensiblen Phase durch Reize, die letztlich von anderen Zellen ausgehen, in bestimmter Richtung determiniert werden.

Insektenstaaten, mit Aufgabenteilung zwischen nahe verwandten Artgenossen und körperlicher Spezialisierung der Individuen für ihre Funktion im Sozialverband, fasst Remane als eine weitere Evolutionsstufe der Komplexität lebender Systeme auf. Er schreibt über diese zusätzliche soziale Ordnung unter vielzelligen Lebewesen: "Еs gibt in der funktionellen Ordnung also eine starke Formung der Einzelwesen innerhalb des Systems durch das System. Die Formung ist nicht eine beliebige Abänderung, sondern führt zur Umbildung des Einzelwesens zu einem spezifischen Funktionsteil des Ganzen. Durch die Beschränkung der Leistungen und oft auch des Körperbaus wird das Einzelwesen in seiner Existenz abhängig vom Gesamtsystem. Es ist in dieser spezialisierten Form als isoliertes selbständiges Geschöpf nicht mehr lebensfähig.“ Remane bezeichnet solche langfristig stabilen Gemeinschaften von spezialisierten, wechselseitig voneinander abhängigen Artgenossen auch als "Sozialkörper", weil in einem solchen Tierstaat alle Grundfunktionen einer lebendigen Einheit aufgabenteilig von eigens dafür spezialisierten Mitgliedern bewältigt werden. Das verwirklicht sich materiell durch Selbstorganisation - wie auch in jedem Einzeller und Vielzeller. Systemtheoretisch sind Tierstaaten Lebewesen einer neuen Stufe der Komplexität lebendiger Materie - aufgrund einer zusätzlichen Ordnung funktioneller Aufgabenteilung mit Artgenossen. Daraus entstehen neue Eigenschaften dieser obligatorisch sozialen Spezies, eine weitere Stufe lebendiger Emergenz: Eusozialität. Remane beschreibt als wesentlich neu entstandene Qualitäten solcher Zwangsvereinigungen eusozialer Lebewesen folgende: "Die funktionelle Ordnung kennt zwar eine egalité ihrer Einzelwesen in der Anlage, der Potenz. Diese egalité wird aber durch Differenzierung und Arbeitsteilung praktisch in eine >inegalité< umgeformt. ... so wird die funktionelle Ordnung beherrscht vom Staatsegoismus, der kein Eigenrecht seiner Teile zulässt und sie zunehmend in den totalen Funktionsprozess des Gesamtkörpers eingliedert." Der Zerfall solcher hochkomplexen Sozialverbände gleicht dem Sterben eines vielzelligen Lebewesens: die Mitglieder überleben nicht als Einzelne - wegen ihrer Ungleichheit durch Spezialisierung an Körper und Verhalten.

Naturfaktoren im Sozialleben

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