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II 1. Surplus Males
ОглавлениеBei Säugetieren gehört das männliche Geschlecht sehr weit gehend zur überschüssigen Bevölkerung für die Wirkungen selektiver Anpassung. Wieso lässt sich biologisch folgendermaßen erklären: Der Soziobiologe C.G.Williams (1970) berechnete für jeden Akt sexueller Fortpflanzung einen doppelten Nachteil gegenber asexueller Vermehrung, insofern männliche Nachkommen, außer meiotischer Chromosomenteilung zur Erzeugung ihrer haploiden Spermien, kaum Beiträge leisten für Fortpflanzungserfolge von Eltern, der Sippe oder Spezies. Denn wie viele Jungtiere geboren werden und heranwachsen hängt zumeist vom Muttertier ab. Der Populationsgenetiker Maynard Smith (1978) bezeichnet diesen Evolutionsnachteil sexueller Fortpflanzung als 'Produktion überflüssiger Männchen' (surplus males im Englischen). Außerdem geht bei der Reduktionsteilung (Meiose) zur Herstellung von weiblichen Eiern und männlichen Spermien gerade jene bewährte Erbkombination der Elternindividuen verloren, die sie befähigte bis ins Erwachsenenalter zu berleben. Denn in jeder sexuellen Vereinigung werden die Gene von zwei Eltern neu kombiniert.
Fast alle sexuell erzeugten Nachkommen sind relativ zur Umwelt und ihren jeweiligen Eltern schlechter angepasste Individuen. Aber es gibt auch immer einige wenige besonders tüchtige Neukombinationen mit deutlich verbesserten Eigenschaften. Also wesentlich höherer Fitness. Denn einzelne Gene und halbe Chromosomensätze zweier Artgenossen lassen sich in ihnen sexuell vereinigen, was besonders günstige Veränderungen von Erbeigenschaften ermöglicht. Mutationen, die bei verschiedenen Individuen einer Spezies spontan aufgetreten sind, können einigermaßen wahrscheinlich in irgendeinem sexuellen Nachkommen zusammen finden. In asexuellen aber praktisch nie. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allzu gering. Eine Kombination mehrerer gnstiger Gene in einem Individuum sexueller Spezies muss auch nicht rein zufällig gelingen, denn durch Wettbewerb unter Artgenossen wirken besondere Gesetzmäßigkeiten sozialer Selektion zusätzlich darauf hin. Wenn eine Spezies sehr streng selektiert wird, sodass von Millionen sexueller Nachkommen nur jeweils eine Hand voll erwachsen werden, enthalten diese mit hoher Wahrscheinlichkeit eine genetische Superkombination. Williams nennt sie ,Sysiphus-Genotypen' abgeleitet vom mythologischen und philosophischen Konzept eines mit endloser Mühsal unproduktiver Schwerarbeit - von seinen Göttern! - bestraften Menschen.
Viele Meerestiere schweben in dauernd unvorhersagbar wechselnder Umwelt und werden dermaßen streng selektiert, dass in ihrer Stammesgeschichte oftmals nur Sysiphus-Genotypen überlebten. Williams erklärt damit die Entstehung und Erhaltung sexueller Fortpflanzung neben der asexuellen trotz der surplus males, also für maximale Nachkommenausbreitung hinderlicher Erzeugung sehr vieler überflüssiger männlicher Artgenossen.
Spektakulärer Männerüberschuss entsteht bei einer Spezies, falls einige biologische Eigenschaften zusammen wirken:
1 sexuelle Fortpflanzung als einzige Vermehrung und daher obligatorische Sexualität;
2 lebenslänglich auf ein Geschlecht beschränkte Individuen;
3 Entstehung gleich vieler männlicher und weiblicher Artgenossen pro Generation;
4 keine Monogamie mit lebenslanger Einehe.
All das trifft zu für männliche Säugetiere und unterwirft diese generell einer strengeren sexuellen Selektion als weibliche. Bei vielen Spezies können sie genetischer Überflssigkeit schwerlich entkommen. Herdentiere geben eine Fülle von Beispielen für solche starken sozialen Selektionsmechanismen (von Darwin sexuelle Selektion genannt), welche allein am männlichen Geschlecht ansetzen. Unter Wildpferden oder frei lebenden Rindern pflanzen sich Hengste und Bullen nur dann berhaupt fort, wenn sie zu den kampftchtigsten 10% gehören. Die restlichen 90% männlicher Artgenossen bleiben unfruchtbar, wirken als lebendiges Spielmaterial der Selektion. Natürlicher Männerüberschuss. Zusätzlich konkurrieren die Abermillionen Spermien eines männlichen Ejakulats um fünf oder zehn reife Eier. Manchmal sogar nur um eins. Deshalb können auch bei solchen Spezies, mit relativ niedriger Fruchtbarkeit von einigen hundert möglichen Nachkommen pro Individuum, wenige sexuell erzeugte Superkombinationen ihrer Genotypen die einzigen sein, welche wirklich in zuknftigen Generationen weiterleben. Und zwar relativ viele davon - verglichen mit dem männlichen Durchschnitt der Spezies.