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II 2. Natürliche Evolution obligatorischer Sexualität

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Die allermeisten Tiere sind befähigt, sowohl asexuelle, als auch sexuelle Nachkommen hervorzubringen, je nach den Erfolgschancen dafür. Sie genießen das Beste beider Welten können sich durch klonen schnellstmöglich ihrer Umwelt präzise anpassen und, immer wenn es nötig wird, zusätzlich deren Veränderungen mit sexueller Variabilität begegnen. Nach Berechnungen des Soziobiologen C.G. Williams sind Spezies, die ihren ursprünglichen asexuellen Vermehrungen als Klons auch sexuelle Fortpflanzungen hinzufügen können, eindeutig überlegen gegenüber allen konkurrierenden Spezies, denen entweder nur das eine oder andere biologisch möglich ist.

Biologietheoretiker vermuten die ursprüngliche Funktion der Sexualität darin, eine vollständige Anpassung der Bevölkerung an ihre jeweilige Umwelt zu verhindern. Denn sexuell erzeugte Nachkommen verlieren den angepassten Genotyp ihrer Eltern, variieren breiter und haben fast alle keine optimal angepassten Erbeigenschaften für die jeweilige Umgebung, welche zuvor bereits ihre Elterngeneration selektierte. Sexuelle Fortpflanzung stabilisiert eine Spezies deshalb generell gegenüber Umwelteinflüssen. Sexualität gibt einen gewissen Schutz vor Aussterben, indem sie Artgenossen gelegentlich genetische Neukombinationen abverlangt, wobei sich zusätzliche Variabilität der Nachkommen ergibt. Allerdings auch größere Verluste unter ihnen. Mittels sexueller Vereinigung zweier halbierter Genome kann genetische Veränderung regelmäßig in artgemäßen Formen vor sich gehen. Anders als bei den zufälligen erblichen Abänderungen von Nachkommen durch Mutationen. Sexuelle Fortpflanzung wäre demnach eine Verweigerung perfekter Umweltanpassung im Rückzug auf die arteigenen genetischen Möglichkeiten, Verselbständigung der Spezies und ihres Genoms relativ zur Selektion durch ihre Umgebung.

C.G.Williams (1975) hat ein faszinierendes Gedankenexperiment dazu durchgefhrt, von der Frage ausgehend: "Wie lange braucht der beste vorhandene Genotyp, um die Norm zu werden, nach einer Umweltveränderung, bei asexuellen und sexuellen Populationen?" Für hochfruchtbare Spezies mit Millionen lebensfähiger Keimlinge fand er aufgrund theoretischer Modellkalkulationen: "In der asexuellen Population wird der beste vorhandene Genotyp sofort die Norm, in einer sexuellen nie." Dabei ist höchstwahrscheinlich der beste vorhandene Genotyp in der asexuellen Bevölkerung nicht so gut wie einige, die durch genetische Vermischung erzeugt werden könnten. Das Ergebnis seiner mathematischen Kalkulationen verschiedener Bevölkerungsmodelle ist: Die asexuellen Klons werden von einer sexuellen Variante ihrer Spezies regelmäßig auskonkurriert, wenn ihre Umwelt sehr veränderlich ist. Das ergibt sich infolge der geschwinden und präzisen Anpassung der Klons an ihre aktuelle Umgebung, worin der einelterliche Genotyp, mit seinen überlebensgeprften und also jeweils perfekt umwelttauglichen Eigenschaften, immer erhalten bleibt. Ihre geringe Variabilität entsteht allein durch zufällige Mutationen. Je mehr aber die Anpassung einer Spezies durch Selektion präzisierbar ist, umso regelmäßiger wird sie durch ein Verschwinden ihrer ologischen Nische aussterben, weil schon kleinere Umweltänderungen ihre Variationsbreite überfordern. Asexuelle Populationen können sich allzu schnell übermäßig spezialisieren, in Anpassung an vorübergehende Bedingungen. Williams rechnete dabei mit einer Bevölkerung, die sich immer perfekter an einen schwindenden Lebensraum anpasst.

Manche Tiere bringen sogar ihre eigene ologische Nische selbst zum Verschwinden, indem sie sich immer genauer an sie anpassen. Parasiten sind häufig von solchen Formen des Aussterbens betroffen. Ihre verbesserte Anpassung und entsprechende Ausbreitung in oder auf einem bestimmten Wirt, kann den befallenen Körper einfach umbringen. Ebenso kann in Räuber-Beute-Verhältnissen präzisierte Anpassung zur totalen Erschöpfung der Nahrungsobjekte führen, was entweder Abänderungen der Räuberspezies oder ihr Aussterben zur Folge hat.

Wieso konnte die sexuelle Fortpflanzung bei sämtlichen Warmblütern ältere Formen der asexuellen Vermehrung mit identischen Nachkommen gänzlich verdrängen? Dem biologischen Zweck genetischer Vermischung würde es eigentlich genügen, wenn zwei Individuen einer Spezies gelegentlich einige Gene austauschten oder ihre durch Reduktionsteilung (Meiose) halbierten Chromosomensätze vereinigten.

Warum sich gerade die höchstentwickelten Wirbeltiere ausschließlich sexuell vermehren und kein bisschen asexuell, auch im Notfall nicht blieb wissenschaftlich ungeklärt. Es gibt evolutionstheoretische Hypothesen, im naturhistorischen Nachhinein, mit einer Fülle von biologischen Belegen aus dem gesamten Reich der Lebewesen. Aber der Nachweis allgemein überlegener Fitness, insbesondere für Nachkommenausbreitung solcher Spezies fehlt. Da Naturforscher selbst zu einer Spezies mit obligatorischer Sexualität gehören, haben sie sich große Mühe gegeben, doch noch irgendwelchen Sinn und Zweck zu entdecken, in ihrer biologisch gegebenen Beschränkung auf sexuelle Fortpflanzung zur Erhaltung der Lebendigkeit menschlicher Eigenschaften. Das wissenschaftlich breit akzeptierte 'Red-Queen-Modell' geht von einem Wettlauf wechselseitiger Anpassung zwischen langlebigen Wirbeltierspezies und Krankheitserregern aus:

Wie in der Erzählung "Alice im Land hinter dem Spiegel" des Logikers Lewis Caroll (1872), müssen Alice und die rote Königin möglichst schnell laufen, um gegenber ihrer Umgebung nicht zurckzufallen: "Das merkwürdigste daran war, dass die Bäume und alles andere sich überhaupt nicht vom Fleck rührten. So schnell sie auch liefen, sie schienen nichts zu überholen. "Ich möchte wissen, ob alle mit uns laufen? dachte die arme verwirrte Alice bei sich.“

Im Körper langlebiger Tiere sind Bakterien, Viren und einzellige Parasiten mit Generationszeiten von Stunden sowie millionenfachen Vermehrungsraten sexuell und asexuell zu dramatischen Abänderungen ihrer Erbeigenschaften fähig. Während der Jahre oder Jahrzehnte dauernden Lebenszeit eines großen Wirbeltier-Wirts. Das bedeutet: Sie können sich den Bedingungen in jedem einzelnen Tier präzise anpassen. Unter diesen außergewöhnlichen Selektionsbedingungen einer 'Ko-Evolution' (wechselseitigen Anpassung) zweier Spezies, also Parasit und Wirt, kann ein Verlust des elterlichen Genotyps generell vorteilhaft sein. Solche gemeinsamen Anpassungen mit abhängigen Spezies beschleunigen die natürliche Evolution der betroffenen Tierarten sehr, da sich immer wieder Abänderungen der aufeinander folgenden Generationen als relativ überlebenstüchtiger erweisen gegenüber unveränderten Artgenossen. Gleiches gilt für eine Ko-Evolution von Raubtieren und Beutespezies.

Wenn kurzlebige Parasiten und andere Krankheitserreger sich durch natürliche Selektion in ihren vielen Generationen an einen bestimmten langlebigen Körper während dessen einer Generationszeit angepasst haben, sind genetisch veränderte Nachkommen aus sexueller Fortpflanzung generell begünstigt bei der innerartlichen Konkurrenz. Denn die koevoluierten Bakterien und Parasiten können ihnen weniger schaden als in der gleichen Generation asexuell erzeugten Klonkindern. Diese erben mit dem identischen Genotyp ihrer Eltern eben auch keinerlei neue Immuneigenschaften gegen die perfekt im Elternkörper angepassten Krankheitserreger.

Säugetierspezies, deren Individuen jahrelang leben, müssen sich mit jeder Generation verändern und genotypisch breit variierende Nachkommen erzeugen, um den Erkrankungen durch jeweils koevolutionierende Erreger zu entkommen. Mindestens braucht jede langlebige Generation gegen das Aussterben ihrer Spezies eine genügend große Anzahl von überlebenden Artgenossen. Nach dieser Hypothese wären Seuchen die veränderlichen und katastrophalen Selektionsbedingungen, welche unter höheren Wirbeltieren ausschließlich sexuelle Fortpflanzung begünstigten als eine Art Wettlauf zwischen Wirtsgenerationen und Parasiten. Im Alice-Bild ausgedrückt: Die Königin und das Kind laufen immer schneller, was hier bedeutet sich genetisch zu verändern, um den Krankheitserregern zu entkommen. Aber diese entwickeln sich wenigstens gleich schnell, sodass Alice die Bäume und Gräser sprich Bakterien und parasitische Einzeller ihrer Umgebung, nie zu überholen vermag. Egal wie sehr sie ihren Lauf auch beschleunigt.

In der wirklichen Naturgeschichte der Säugetiere, muss so eine Ko-Evolution angedauert haben, bis asexuelle Vermehrungsformen organisch unmöglich geworden waren. Wahrscheinlich geschah das im Zuge der Evolution von Sexchromosomen, die unter Reptilien entstanden und daher für sämtliche Säugetiere sowie Vögel erblich sind. Die Beschränkung dieser Warmblüter auf sexuelle Fortpflanzung wäre demnach von Natur aus einmal zweckmäßig gewesen und blieb in beiden Abstammungslinien bis heute erhalten. Aufgrund der dabei ererbten Geschlechtschromosomen - entweder doppelt X oder weit gehend erbanlagenfreies Y - erzeugen sämtliche Primatenspezies, inklusive der Gattung Homo, gleich viele weibliche und männliche Kinder. Die Stammesgeschichte des Menschen verwirklichte somit zwei Geschlechter als genetische Kasten, ein - infolge ihrer natrlichen Evolution aus Reptilien und Säugetieren - ererbter Naturfaktor menschlicher Vergesellschaftung.

Dieser wesentliche Geschlechtsunterschied bedeutet vor allem: Vermittelt ber Sexualhormone wachsen Frauen zusätzliche Nährorgane - ein Uterus mit Plazenta und zwei Milchdrüsen, daher die exklusiv weibliche Fähigkeit sämtliche mlichen Kinder der Spezies zu erschaffen. Neue Menschen entstanden während der bisherigen Gattungsgeschichte allein in und auf weiblichen Erwachsenen zwischen ihrem 16. und 50. Lebensjahr. Arbeitskräfte ebenfalls. Jede Frau ist körperlich befähigt Milchnahrung zu bilden, die alle Grundbedrfnisse menschlicher Säuglinge befriedigt - aber kein Mann. Wie hoch Gleichheit auch gehalten werden mag, als gesellschaftliches Ziel bürgerlicher Wertegemeinschaft, so entkommt die Spezies Homo sapiens doch nicht dieser körperlichen Verschiedenheit ihrer Individuen im Bereich artgemäßer Brutpflege und elterlicher Fürsorge mitsamt ihren Liebesbindungen.

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