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3. Die großen Frauen und das starke Geschlecht

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Körperhöhe

Die Strecke zwischen Scheitel und Sohle ist der am meisten genetisch bestimmte Faktor menschlicher Körpergröße. Zusammengesetzt hauptsächlich aus Rumpfproportion und Beinlänge. Die erwachsene Körperhöhe wird von zahlreichen Genen mit jeweils kleiner Wirkung kontrolliert, die zu verschiedenen Zeiten während des Heranwachsens in Kindheit und Jugend ihren Einfluss entfalten. In all seinen Einzelheiten ist dieser Mechanismus bislang noch nicht geklärt, kann aber vereinfacht in drei Wachstumsphasen dargestellt werden: Eine erste Aktivierung von bestimmten Genen reguliert pränatales Wachstum, eine zweite mit anderem Genlocus steuert das Längenwachstum in der Kindheit, eine dritte genetische Aktivität an einem weiteren Komplex von Erbanlagen den pubertären Wachstumsschub. Jede dieser Entwicklungsphasen verwirklicht einen Teil des erblichen Programms für die erwachsene Körperhöhe eines Menschen. Alle sind hormonell vermittelt und empfindlich gegen Umwelteinflüsse, insbesondere die Ernährung und körperliche Belastungen, wie Schlafmangel, Krankheit und Überarbeitung. Auch seelischer oder sozialer Stress kann die Sekretion des Wachstumshormons beeinträchtigen. Andererseits bringen Fleisch und andere lysinhaltige Nahrungsmittel bei Kindern bis zu 2cm mehr an Körperhöhe hervor. Training und körperliche Übungen haben keinen messbaren Einfluss.

Insgesamt können umweltbedingte Wachstumshemmungen die realisierte Körperhöhe um circa 10cm gegenüber der genetisch möglichen zurückbleiben lassen, wie eine weltweite Untersuchung, über den Einfluss von Armut und Mangelernährung auf die menschliche Körpergröße ergab. Die ökonomisch besser gestellten jugendlichen Afrikaner, aus der Stadt Kingston auf Jamaika beispielsweise, sind gegen Ende ihres pubertären Wachstumsschubs, mit siebzehn Jahren durchschnittlich 12cm größer als ihre Altersgenossen afrikanischer Abstammung in ländlichen Gegenden.

Demnach wäre es wohl möglich den sexuellen Unterschied an Körperhöhe verschwinden zu lassen, wenn männliche Kinder und Jugendliche generell in Armut lebten, weibliche dagegen wohl situiert. Wie wir alle wissen, ist das historisch niemals der Fall gewesen - eher war es umgekehrt: In streng patriarchalischen Familien essen zuerst der Vater und die Söhne, danach bekommen die Mutter und die Töchter was übrig bleibt. Das ist im mittelalterlichen Europa meist durch Tischsitten so geregelt gewesen und führte dazu, dass in weniger guten Zeiten die Frauen kaum je ein ordentliches Stück Fleisch abkriegten.

Wie viel Mangelernährung und ein schweres Leben ausmachen kann, belegt auch das Phänomen einer allgemeinen Vergrößerung der Nordeuropäer seit dem Mittelalter: Diese ‘säkulare Akzeleration’ kann ebenfalls auf verbesserte Lebensumstände, vollwertige Ernährung und behütetes Wachstum in Kindheit und Jugend zurückgeführt werden. Zumal nicht nur europäische Bevölkerung von dieser Tendenz zur Vergrößerung erfasst wurde, sondern sogar Buschleute der Kalahari-Wüste Südafrikas und australische Ureinwohner, die von ihrer traditionellen Lebensweise als Jäger und Sammler zu mehr Sesshaftigkeit übergegangen sind. Auch bei ihnen bewirkte eine gleichmäßigere und bessere Versorgung mit Nahrung und Wasser ein vermehrtes Längenwachstum. Solche historischen Variationen der Körperhöhe – ohne dramatische Veränderungen des Genmaterials - betrugen im Durchschnitt bis zu 10cm. Sie werden interpretiert, als mehr oder weniger weit gehende Ausnutzung der genetischen Veranlagungen einer Bevölkerung.

Es ist demnach wahrscheinlich, dass Anfang der Siebzigerjahre weltweit von Eveleth und Tanner gemessene Werte für Frauen - wegen negativer Umwelteinflüsse - niedriger verwirklicht waren, als es von ihrem genetischen Programm her möglich wäre. Dafür spricht auch eine deutliche Vergrößerung der Europäerinnen in den letzten zwanzig Jahren. Die Maße der Konfektionsgrößen für Damenoberbekleidung von 1982 erwiesen sich bereits 1992 als nicht mehr passend - die Frauen waren höher gewachsen, erreichten nicht selten 1,80m, und waren um die Hüften breiter geworden. Der sexuelle Unterschied an durchschnittlicher Körperhöhe kann sich also verringern, wenn die Frauen den Männern sozial gleich gestellt werden. Um wie viel, lässt sich heute noch nicht abschätzen.

Gänzlich verschwinden wird er allerdings nicht, weil es sich dabei um ein sekundäres Geschlechtsmerkmal unserer Spezies handelt. Diese sind erbliche Eigenschaften, die sich erst beim Erwachsenen geschlechtsverschieden ausbilden z.B. Busen und Bart. Männliche Körper reifen langsamer als weibliche; ihr jugendlicher Wachstumsschub setzt später ein und dauert um zwei bis drei Jahre länger, als der von Mädels gleicher Abstammung. Dieses unterschiedliche Wachstumsmuster der Geschlechter während der Pubertät zeigen alle geografischen Varietäten des Jetzt-Menschen: Asiaten und Afrikaner ebenso wie Europäer und Aborigines. Es stammt also aus einer früheren Epoche der Humanevolution, vor Ausbreitung des Homo sapiens über die fünf Kontinente. Sehr wahrscheinlich ist es ein Erbstück aus unserer äffischen Naturgeschichte: Dort finden sich sehr ähnliche Differenzen im körperlichen Wachstum der Geschlechter, welches ebenso hormonell vermittelt ist und auch verschieden lange dauert. Diese biologische Zweigestaltigkeit (=Sexualdimorphismus) unserer Spezies ist eine natürliche Voraussetzung sexueller Verhältnisse in jeder Bevölkerung mit einheitlicher Abstammung.

Zusätzlich haben klimatische Anpassungen das genetische Wachstumsprogramm von Jetzt-Menschen vielfältig gestaltet. In der Hitze nahe dem Äquator wurde die eingeborene Bevölkerung erblich kleiner und zierlicher, dagegen im kalten Norden größer und kompakter. Nach den Klimaregeln von Bergmann und Allen geht es bei solcher natürlichen Selektion der Körpergröße von Säugetieren um die konstante Einhaltung einer Körpertemperatur um 37°C. Das Verhältnis von Wärmeerzeugung des Körpervolumens und Wärmeabgabe über die Körperoberfläche ist dafür wesentlich. Ein kleiner Körper hat relativ mehr Oberfläche, als ein großer Körper von gleicher Gestalt, denn Körperoberfläche und Körpervolumen stehen zueinander nicht in linearem Verhältnis. Zusätzlich vergrößern alle Teile, die über das Körperzentrum hinausragen dessen Oberfläche überproportional und strahlen entsprechend mehr Wärme ab. Daher haben in kalten Klimazonen lebende Varietäten aller Säugetierarten kürzere Körperanhängsel: Schwänze, Ohren, Nasen, auch kürzere Beine und Arme. Die Hitze in Äquatornähe selektierte die eingeborene Menschen zu insgesamt mehr Körperoberfläche und weniger Volumen: Sie sind klein und zierlich oder lang und schmal. Diese Klimaanpassungen aus der Frühzeit des Homo sapiens haben sich bei späterer Auswanderung als umweltstabil erwiesen, sind also Bestandteile des genetischen Programms für die jeweilige körperliche Konstitution klimatisch angepasster Stämme und Völker geworden.

Insgesamt können sich genetische, sexuelle und umweltbedingte Einflüsse, auf die Körperhöhe von Jetzt-Menschen, zu Unterschieden bis 25cm im Durchschnitt addieren. Global variieren die Mittelwerte für ethnisch einheitliche Populationen zwischen 1,55m und 1,80m. Infolge der beschriebenen Klimaanpassungen ihrer Vorfahren rangieren viele europäische und afrikanische Frauen am hoch gewachsenen Ende dieser Skala, asiatische, mediterrane und australische Männer erreichen dagegen meist nur den mittleren und unteren Bereich.

Es wäre möglich die Kategorien unserer Wahrnehmung körperlicher Eignung anders zu fassen, als nach dem Geschlecht. Beispielsweise für körperliche Schwerarbeit, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, könnte eine Körperhöhe von mindestens 1,70m zur Voraussetzung gemacht werden. Alix wäre unter solchen sozialen Bedingungen gar nicht erst in die Lage gekommen Futtersäcke zu schleppen. Bei manchen Berufen gibt es so etwas schon lange: Gardesoldaten dürfen, überall in Europa, ein bestimmtes Maß nicht unterschreiten, weibliche Models auch nicht, und Boxer werden nach Gewichtsklassen eingeteilt. Kein Schwergewicht darf im Wettkampf gegen ein Leichtgewicht antreten. Dem Sexismus am Arbeitsmarkt wäre mit solchen geschlechtsneutralen Regelungen eine wichtige biologische Begründung entzogen. Es würden nicht mehr Frauen und Männer separat vermessen und kategorisiert, sondern groß und klein gewachsene Menschen unterschieden, die es eben in beiden Geschlechtern gibt.

Körpergröße

Trotz und innerhalb aller genetischen und sexuellen Variabilität menschlicher Körper, hat unsere Gattung Homo doch einen deutlichen Geschlechtsunterschied an Körpergröße aus ihrer Naturgeschichte mitgebracht: Männer und Frauen aus demselben Genpool mit gleicher Abstammung von eingeborener Bevölkerung, wo auch immer, unterscheiden sich im arithmetischen Mittel um fast 10 cm an Körperhöhe und 5 - 10 kg an Gewicht. Die weltweiten Messungen der Anthropologen Eveleth und Tanner ergaben nordeuropäische Männer als durchschnittlich 8 - 10 cm länger und einige Kilo schwerer wie Frauen derselben Ethnien. Die gleiche Geschlechterrelation fanden sie unter Afrikanern der Bantuvölker, australischen Aborigines, Süd-Chinesen oder Schwarzfuß-Indianern und ähnliche bei fast allen einzeln vermessenen Bevölkerungen einheitlicher Abstammung..

Wobei das Gewicht ein ziemlich untauglicher Messwert ist, um einen biologischen Geschlechtsunterschied an Körpergröße zu bestimmen. Es schwankt allzu sehr mit dem Ernährungszustand einer Bevölkerung - wohlhabende Menschen wiegen fast immer etliche Kilo mehr als arme, egal ob männlich oder weiblich. Auch Modeströmungen beeinflussen diesen Messwert. Er wird dennoch herangezogen, weil auch die Gesamtheit von Muskulatur und Knochendicke darin erfasst ist: Üblicherweise wird Körpergröße in Diagrammen als Verhältnis von Länge zu Gewicht dargestellt.

Das Ausmaß dieses tatsächlich biologischen Unterschieds an Körpergröße, zwischen weiblichen und männlichen Menschen, ist bislang sehr überschätzt worden - eben weil das Augenmerk der Forscher auf die Verschiedenheit der Geschlechter gerichtet war, nicht auf ihre Übereinstimmungen. Zumeist kursieren Vorstellungen vom Sexualdimorphismus des Jetzt-Menschen - auch in der Wissenschaft -, die sich an den sexuellen Größenverhältnissen von Schimpansen orientieren. Das ist aber ein falscher Vergleich, weil er den körperlichen Unterschied, an Länge und Gewicht, wesentlich größer erscheinen lässt, als er in Wirklichkeit ist. Um den genetisch programmierten Größenunterschied von Frauen und Männern anschaulich zu machen, mittels verwandter Affenspezies, lassen sich die Verhältnisse bei Makaken am ehesten heranziehen. Menschen ähneln in sexuellen Unterschieden an erwachsener Körpergröße den Meerkatzen.

Körperkraft

In der Kraftentfaltung unterscheiden sich weibliche von männlichen Körpern vor allem durch einen höheren Fettanteil relativ zur Muskelmasse. Gemessen wird im Verhältnis zur Gesamtoberfläche des Körpers. Dieser sexuelle Unterschied entsteht während des pubertären Wachstumsschubs und ist ein Effekt der muskelbildenden Eigenschaften von männlichen Hormonen. Deren Wirkungen sind allgemein bekannt geworden durch Doping und Bodybuilding.

Die im Augenblick verfügbare Muskelkraft ist ganz überwiegend vom Querschnitt der Muskelspindeln abhängig. Sie sind bei Männern androgenvermittelt nach der Pubertät im Durchschnitt breiter. Selbst sportlich durchtrainierte Mädels, deren Muskulatur ein deutlich vermehrtes Breitenwachstum erzielt hat, erreichen nicht den Mittelwert ihrer männlichen Altersgenossen, auch nicht einmal im Alter von dreizehn Jahren, wenn sie den Jungen gleicher Abstammung im jugendlichen Wachstumsprozess voraus sind. Diese Unterschiede an augenblicklicher Muskelleistung lassen sich als Druckkraft der rechten Hand erfassen: Europäische Männer erreichen mit achtzehn Jahren im Durchschnitt 50 kg an Dynamometerdruck, Europäerinnen desselben Alters um die 30 kg. Überschneidungen der weiblichen und männlichen Messwerte sind dabei gering.

Die über den Augenblick hinausgehende Kraftanstrengung ist sehr von Leistungen des Blutkreislaufs und der Atmung abhängig. Zwischen Frauen und Männern gleicher Abstammung gibt es auch darin verschiedene arithmetische Mittelwerte und Häufigkeitsverteilungen, die sich nur wenig überschneiden. Für Europäer wurden folgende Durchschnittswerte gemessen:

- Das Fassungsvermögen der Lunge (=Vitalkapazität) erwachsener Frauen beträgt bei maximaler Anstrengung 3,2 Liter als Luftvolumen für Ein- und Ausatmung, bei Männern 4,3 Liter.

- Der Ausnutzungsgrad dieser Luftmenge ist in weiblichen Lungen niedriger, weil sie weniger Alveolar-Oberfläche an kleinen Lungenbläschen haben. Die Frauen brauchen 24,6 Liter Luft, um einen Liter Sauerstoff zu entnehmen, für die Männer genügen 20,6 Liter.

- Der weibliche Kreislauf hat relativ zum Körpervolumen eine kleinere Blutmenge, als der männliche, und niedrigeren Gehalt an rotem sauerstoffbindendem Farbstoff (=Hämoglobin). Weil darauf Befähigungen beruhen, die energieliefernden Sauerstoffmoleküle aufzunehmen, ergibt sich bei gleicher Kraftanstrengung für weibliche Körper eine höhere Herzschlag-Frequenz.

Zweifellos ist es möglich durch sportliches Training, sowohl den Querschnitt der Muskelspindeln zu vergrößern, als auch die Vitalkapazität der Lunge zu steigern. Beispielsweise verdoppelt Rudern regelmäßig die Leistungen des Kreislaufs. Doch gibt es im weiblichen Körper eine Grenze für solche Trainierbarkeit der Kraftentfaltung: Sehr starke körperliche Übung, wie sie für vermehrtes Muskelwachstum und eine bedeutende Erhöhung der Vitalkapazität erforderlich ist, versetzt den Organismus in einen innerlichen Stresszustand. Infolgedessen schüttet die Nebennierenrinde vermehrt ihre Hormone aus, wobei, neben dem aufputschenden Adrenalin, auch mehr von den Androgenen dieser Drüse ins Blut gelangen. Und diese vermännlichenden Hormone bewirken – aufgrund der bisexuellen Potenz aller Zellen - auch im weiblichen Körper ein Wachstum männlicher Merkmale. Wenn derartige Stress-Situationen andauern, kann die Nebennierenrinde sich unumkehrbar vergrößern und der weibliche Körperbau dermaßen männlich werden, dass die weibliche Fruchtbarkeit verschwindet. Übermäßiger Kraftsport kann, auf diese Weise, bei jungen Mädels im Entwicklungsalter u.a. die Beckenknochen vermännlichen und zu einer Verengung des Geburtskanals führen, die das Gebärvermögen der betroffenen Frauen beeinträchtigt.

Mit dem jugendlichen Wachstumsschub richtet sich zugleich der Energiestoffwechsel geschlechtsspezifisch aus: Männer haben, infolge ihrer relativ höheren Muskelmasse, im Durchschnitt einen anderen Grundumsatz, als Frauen gleicher Abstammung. Ein Messwert hierfür, der sogenannte ‚Reifequotient’, klammert Unterschiede an Körpergröße aus, indem er die gesamte Zellmasse eines Körpers - Muskeln und Nicht-Muskeln - ins Verhältnis setzt zur Körperoberfläche. Europäerinnen erreichen nach diesem Maß mit 16,9kg Gewicht je m2 Oberfläche eine körperliche Reife, sodass ihre Menstruation einsetzt, ein monatlicher Abbau und Abfluss ungenutzter Gebärmutterschleimhaut durch die Scheide. Dieses Menarchegewicht ergibt sich bei guter Ernährung eines weiblichen Körpers zwischen seinem 12. und 15. Lebensjahr. Jedoch können durch Hungerzeiten, Magersucht oder Leistungssport so abnorm niedrige Werte in diesem Verhältnis von Zellmasse je Körperoberfläche entstehen, dass Menstruationen ausbleiben. Wenn bei erwachsenen Frauen der Anteil an Körperfett unter 22 Prozent ihres Körpergewichts sinkt, verschwindet damit auch ihre Fruchtbarkeit.

Die sexuellen Unterschiede an Muskulatur, Nicht-Muskelmasse und Energiestoffwechsel interpretieren Biologen als natürliche Anpassungen des weiblichen Geschlechts für Schwangerschaft und Stillen, denn bei Frauen wachsen, zusätzlich zu allen anderen Organen des Jetzt-Menschen, noch eine große Gebärmutter und zwei Milchdrüsen sowie Fettpolster als Vorrat für etwaige Milchbildung. Die Natur hat gleichsam vorgesorgt: in Frauen, ohne genügende Nahrungsreserven für eine Schwangerschaft und ausreichende Stillphase, entstehen Kinder gar nicht erst. Was auch den Schluss zulässt, dass diese weiblichen Eigenschaften, an Energiestoffwechsel und Fettspeicherung, aus einer weit zurückliegenden Epoche der Humanevolution stammen; einer Zeit, ohne soziale oder sexuelle Nahrungsteilung, in der jedes Individuum für sich selbst Futter suchen musste - wie es die Affen heute noch tun. Anders formuliert: Hätte es bei unseren äffischen Vorfahren bereits treu sorgende Väter oder Familienernährer gegeben, die stillende Mütter mit zusätzlicher Nahrung versorgten, wäre eine geschlechtsspezifische Ausrichtung des Energiestoffwechsels nicht selektiert worden. Doch für Mütter, die ihren Milchfluss jahrelang mit Selbsterbeutetem aufrecht halten müssen und auch noch Babys tragen, war eine Anpassung erwachsener Frauenkörper an längerfristige Belastbarkeit offenbar wichtiger als momentane Kraftentfaltung ihrer Muskulatur.

Heutzutage wirkt der biologisch überkommene Fruchtbarkeitszyklus der Frau eher hinderlich und kräftezehrend als zweckmäßig angepasst. Daraus ‚lustige Tage’ zu machen, - wie Clarissa und Alix - ist sicherlich mit das Beste, was Frauen mit diesem schwierigen Naturerbe tun können: sich allerlei mühsamen Pflichten der Gesellschaft zu entziehen, eine Auszeit nehmen, um in Ruhe das eigene Frausein zu genießen, das lebendige Wunder ihrer Körperkräfte neue Menschen hervorbringen zu können. Gleichsam mit Zauberkraft.

All monatlich tagelang, mehr oder weniger aus der Vagina zu bluten ist aber nicht einmal natürlich, denn im Naturzustand menstruieren Frauen ebenso selten wie wild lebende Schimpansinnen einen Eisprung haben, immer nur in den wenigen Monaten zwischen dicht aufeinanderfolgenden Schwangerschaften, Geburten und Stillzeiten während ihres fruchtbaren Erwachsenenalters. Jahrzehntelang all monatlich fast eine ganze Woche hindurch Hormonumschwünge und blutigen Ausfluss von Schleimhaut-Zellen der Gebärmutter zu bewältigen ist ein Ergebnis kultureller Entwicklungen, infolge Familienplanung, gesunkener Kindersterblichkeit und gestiegenem Bevölkerungswachstum sowie nicht zuletzt weiblicher Persönlichkeitsbildung.

Mit hormonellen Verhütungsmitteln können Frauen sich diese kulturbedingten Lasten erleichtern und ihrem Körper die - für heutige Umweltanpassung - unnütz wirkenden Anstrengungen weitgehend ersparen. Eireifung sowie Eisprünge ereignen sich dann nicht mehr spontan; Auf- und Abbau von Zellen in der Gebärmutterwand wird mittels Hormongaben zuträglich geregelt - je nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen mehr oder weniger -, ebenso das An- und Abschwellen der Brüste. Dramatische Schwankungen der Libido bleiben aus. Die Gesundheit des weiblichen Körpers wird durch weniger Menstruationszyklen nachweislich verbessert, weil insbesondere biologische Überforderungen der Gewebe in Gebärmutter und Brustdrüsen entfallen und damit die Wahrscheinlichkeiten von Wucherungen in diesen Organen sinken.

Knochenbau

Generell variiert die Knochenbreite gleichsinnig wie die Körperhöhe. Es gibt relativ grazilen Knochenbau bei den zierlichen, klein gewachsenen Varietäten der Äquatorregion an Männern und Frauen, aber auch deutliche sexuelle Unterschiede. Insbesondere bei Europäern sind weibliche Gelenke im Durchschnitt wesentlich schmaler als männliche.

Ein anderer Einflussfaktor für Belastbarkeit und Befähigungen zur Schwerarbeit ist die Dichte des Knochengewebes. Die statistischen Werte sind gleich für weibliche und männliche Skelette, variieren aber zwischen geografischen Varietäten des Jetzt-Menschen. Beispielsweise haben Afrikaner im Durchschnitt dichtere Knochen als Europäer.

Im Knochenbau ergibt sich durch Östrogeneinfluss auf die Beckengestaltung und Androgeneinfluss auf das Wachstum des Schultergürtels ein deutlicher Geschlechtsunterschied. Weibliche Becken sind breiter und höher, im weltweiten Durchschnitt. Eine flachere Stellung der Darmbeinschaufeln schafft Raum für einen querovalen Beckenausgang mit deutlich größerem Durchmesser als beim Mann. Die größere Höhe des weiblichen Beckens bietet den nötigen Platz für eine umfangreiche Gebärmutter. Dies sind offenkundig Anpassungen des Frauenkörpers im Kontext einer biologischen Fortpflanzung mit aufwendiger Schwangerschaft und Lebendgeburt großköpfiger Babys.

In der männlichen Gestalt bildet sich - während des pubertären Wachstumsschubs – ein geschlechtsspezifischer Schwerpunkt im Bereich von Brustkorb und Schultern. Auch hierbei gibt es hormonabhängig individuelle Variationen, doch zeigt die Häufigkeitsverteilung für Messwerte von Schulter- und Beckenbreiten des Jetzt-Menschen nur geringe Überschneidungen der Geschlechter – falls nicht Afrikaner in die Messreihen einbezogen sind. Denn die Afrikanerinnen sind in ihrer Beckenbreite dem männlichen Pol der W <⎯> M –Skala angenähert.

Kriegerische Tauglichkeit hängt weniger von Körpergröße und -kraft ab, als von der eigenen und der gegnerischen Bewaffnung. In der Geschichte ist, überall auf der Welt, immer wieder von sehr erfolgreichen Kriegerinnen und Amazonen berichtet worden. Griechische und römische Dichtungen erschufen einen ganzen Frauenstaat am Ufer des schwarzen Meeres, Themiskyra genannt. Von dort aus griffen - nach der Legende - Heere bewaffneter Frauen in griechische Kriegswirren ein. Die Amazonenkönigin Penthesilea nahm es mit den stärksten Kämpfern auf. Homers Gesang vom trojanischen Krieg, bemüht schließlich den unbesiegbaren Achilles, um diese männermordende Kriegerin zu töten.

All diese wunderschönen Erzählungen von kleinasiatischen und nordafrikanischen Frauenheeren halten einer historischen Überprüfung allerdings nicht stand. Sie wurden teils aus politischem Anlass erfunden, um kriegsmüde Männer zu höherem Einsatz zu motivieren. Teils sind Tatsachenberichte über einige Kriegerinnen, aus Lust an der Sensation, später maßlos übertrieben worden. Oft wurden sie, wegen der Faszination weiblicher Stärke, legendär aufgebauscht. Große Frauen beflügeln einfach Männerfantasien - auch gerade die der kleineren Exemplare in den schreibenden poetischen Zünften.

Zuverlässig belegt sind junge Frauen als königliche Garde-Soldatinnen in einigen vorkolonialen Reichen Afrikas. Wobei überlegene Waffen, frei zu sein von Kindern und Loyalität gegenüber dem Herrscher eine größere Rolle spielten, als Körperkraft. Weil es immer schmeichelhafter ist, einem übermächtigen Gegner zu unterliegen, haben männliche Berichte hinterher, aus solchen feindlichen Kriegerinnen, Riesinnen und Überfrauen gemacht.

Realistischer sind die Berichte und Legenden über einzelne Frauen, die in Männerkleidern durch die Geschichte ritten und fochten:

 Das Märchen ‘die Königstochter von Frankreich’ erzählt, wie die dritte Tochter für ihren Vater in den Krieg zieht. Sie schneidet sich die Haare ab, zieht Männerkleider an und reitet an der Spitze seines Heeres, an Stelle des nicht vorhandenen Sohnes.

 Der Ritter Dietleib, aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern, war ein Mädel. Sie wurde als Junge erzogen, weil der Vater ihr falsches Geschlecht erst bemerkte, nachdem sie bereits zum Ritter geschlagen war. Er empfahl ihr Dienste als Schildmaid zu suchen. Zuerst verdingte sie sich als Kriegerin und Gefolgsmann beim Zwergenkönig Laurin.

- Die Erzählung aus 1001 Nacht, vom ‘König Hamed bin Bathara und dem jungen Mädchen, das keine Furcht kannte’, berichtet, wie sich eine Prinzessin, aus Abenteuerlust, in Männerkleidern am Hofe des Nachbarkönigs einschleicht. Trotz ausgeklügelter Verhaltenstests mit der Wahl zwischen Blumen und Kanonen, gesalzenem Fleisch und Kuchen, Mitleid und Gerechtigkeit, gelingt es diesem König nicht, sie als weiblich zu entlarven. Nichts hilft - außer einem gemeinsamen Bad!

- Die Exil-Russin Isabelle Eberhardt durchstreifte zu Pferd die Sahara. Als Mann verkleidet reiste sie mit den Anfang des 20.Jahrhunderts noch üblichen Handelskarawanen, in der Region von Algerien, Tunesien und Marokko. Sie wählte die Identität eines islamischen Kaufmanns-Sohnes auf Bildungsreise. Oft ritt sie wochenlang alleine, verkehrte in Karawansereien und abgelegenen Araber-Siedlungen. Sie schrieb Novellen und Berichte für französische Zeitungen, worin so ungeheure Strapazen und so hoher persönlicher Mut zum Ausdruck kommen, wie kaum jemand damals einer bürgerlichen Frau zugetraut hätte. Isabelle heiratete spät, einen arabischen Offizier, ohne Vermögen wie sie selbst. Kinder bekam sie nicht, soweit bekannt ist.

 Der Dokumentar-Film ‘Tour-Kontur’ von Kellner und Niemeyer (1983) präsentiert eine US-amerikanische Boxerin, die es mit männlichen Gegnern aufnimmt. Sie bemerkte ihre ungewöhnlichen Körperkräfte erst, als sie, auf den Straßen New Yorks, von zwei Männern sexuell belästigt wurde: Sie schlug zu und blieb auf der ganzen Linie siegreich. Einer der beiden verprügelten Männer brachte sie später auf die Idee, eine Box-Ausbildung zu beginnen. Hoch gewachsen, mit nunmehr durchtrainierter Muskulatur ist ihre körperliche Stärke augenfällig. Allerdings war ihre berufliche Karriere als Fotomodell infolgedessen bald beendet.

Liebesleben und Geschlechterkampf

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