Читать книгу Liebesleben und Geschlechterkampf - Tekla Reimers - Страница 7

5. Frauen und Männer sind gleich reizvoll

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Biologisch betrachtet sind Ballsäle Balzarenen. Im Tierreich dienen sie dem Zweck das Angebot lokal verfügbarer Sexualpartner zu präsentieren. Geschlechter, die außerhalb der Brutzeit räumlich getrennt leben, kommen an solchen Orten zusammen, feinste zeitliche Abstimmungen der Kopulationsbereitschaft von Individuen wird ermöglicht und etwaige Fluchttendenzen oder Angriffsreaktionen zur Wahrung der individueller Distanzbedürfnisse können durch sexuelle Reizwirkungen schwinden. Nicht zuletzt sichert differenziertes Balzverhalten, mit ausgiebiger Prüfung aller vorhandenen Sexualpartner, dass Paarungen zwischen artgleichen und sexuell verschiedenen Individuen stattfinden, also von den biologischen Bedingungen her fruchtbar sein können.

Tanzveranstaltungen bilden in vielen Gesellschaften die soziale Institution für Selbstdarstellungen zum Zwecke sexueller Partnerwahl. Auf Debütantinnen-Bällen präsentieren sich die Töchter des Großbürgertums, der russische Landadel brachte seine heiratsfähigen Mädels zur winterlichen Ballsaison nach Petersburg oder Moskau, der österreichische nach Wien, der preußische nach Berlin; die bäuerliche Jugend findet sich beim Tanz in den Mai und anderen Sommerfesten in benachbarten Dörfern. Für die städtische Mittelschicht haben Schulbälle oder Feste beruflicher Organisationen und Standesverbände sehr oft diese Funktion.

Frauen präsentieren sich dabei blütenhaft gewandet, mit halbentblößtem Busen und geschminktem Gesicht, umrahmt von üppig aufgebauschter Haarpracht. Eingezwängt in figurbetonte Kleider und hochhackige Schuhe, sind sie in ihrer Fortbewegung so behindert, dass ihnen kaum anderes übrig bleibt, als eine männliche Stütze zu erwarten. „Wer schön sein will muss leiden,“ sagten unsere Großmütter, wenn sie ihre Korsetts noch ein bisschen enger schnürten, sodass Ohnmachten quasi vorprogrammiert wurden. Verweigern einzelne Frauen sich diesen Zwängen weiblicher Selbstdarstellung oder haben sie versäumt die modischen Fertigkeiten dafür zu erlernen, so gelten sie nicht als schön.

Aber müssen Frauen denn schöner sein als Männer? In der Natur sind ja meist die männlichen Tiere bunt oder verziert mit prächtigen Federfächern, Mähnen und Geweihen. Die bürgerliche Kleiderordnung bestimmt es umgekehrt: Männer betreten die Balzarena des Tanzparketts in flachen Schuhen und langen Hosen, mit steifem Anzug und gepolstertem Jackett - lauter Sachen, die den Körperbau männlicher erscheinen lassen, als er beim Einzelnen womöglich ist. Wählenden Frauen wird die wirkliche Figur eines Bewerbers um ihre Gunst eher verborgen als gezeigt. Erst in jüngster Zeit ist, mit der Popkultur, auch eine direktere Präsentation männlicher Reize gesellschaftsfähig geworden: knallenge Hosen lassen die genitale Ausstattung erkennen; weit ausgeschnittene Hemden stellen Schultern, Muskeln und Brustbehaarung zur Schau. Tatsächlich stimmen solche zweiseitigen Formen sexueller Werbung besser mit unserer natürlichen Veranlagung überein, als die einseitige der bürgerlichen Konvention, wo das männliche Geschlecht in dunkler Tarnkleidung einhergeht, um unter den farbenprächtig verzierten Töchtern des Landes seine Wahl zu treffen.

Für sämtliche Tierarten, Beute wie Räuber, ist eine getarnte Gestalt in Milieufarben ökologisch zweckmäßig. Muster in braun oder grün, die den Körperumriss auflösen und der Umwelt anpassen, sind für jedes Individuum günstig, zum Überleben. Die Schönheit roter, gelber, blauer Farbenpracht und Verzierungen, mit Anhängseln aus roter oder blauer Haut, Haarkämmen, Mähnen und ähnlichem, wird durch sexuelle Selektion generell nur an einem der beiden Geschlechter herausgezüchtet - nämlich dem Werbenden. Das wählende Geschlecht bleibt unauffällig mausgrau, eben schlicht und unverziert. Wodurch es weniger gefährlich lebt als das Schöne, denn auffällige Verzierungen sind auch hinderlich, Handikaps im Lebenskampf. Am besten bekannt ist dieses Phänomen vom Hahn-Henne-Typus: Der Fasanen-Hahn mit seinem bunten Gefieder ist für Raubfeinde leicht zu entdecken und durch seine langen Schwanzfedern behindert bei der Flucht.

Unsere Spezies, Homo sapiens, gehört naturhistorisch nicht zu diesem Typ exklusiv männlicher Schönheit, sondern beide, Männer und Frauen, sind mit sexuellen Reizen verziert. Biologen, die den Homo sapiens vor dem Hintergrund seiner äffischen Abstammung erforschen, finden weithin sichtbare und hörbare Auslöser für Sexualerregung auf beiden Geschlechtern des Menschen, mit wechselseitig anziehender Wirkung:

- Auf große Distanz wirkt eine kurvige Gestalt mit Taille, runden Hüften und fettgepolsterten Milchdrüsen als weibliches Signal, eine hohe und im Kreuz breite als männliches, jeweils verstärkt durch geschlechtstypischen Gang und Haltung. Die tiefere Stimmlage nach der Pubertät kündet von männlicher Anwesenheit über Sichtweite hinaus. Außerdem geben Höhe oder Tiefe der Stimme Aufschluss über die hormonelle Konstitution von geschlechtsreifen Männern. Bei bärtigen Varietäten der Bartwuchs ebenfalls.

 Sexuelle Reize auf mittlere Distanz sind im weiblichen und männlichen Geschlecht ziemlich gleich: rote Lippen, jugendlich glatte, seidige Haut, bei Aufregung errötend; strahlende Augen von schöner Farbe, deren Glanz und Pupillenerweiterung sexuelle Erregung ausdrücken kann.

 Ein erigierter Penis signalisierte bei unseren unbekleideten Vorfahren männliche Kopulationsbereitschaft; die Präsentation rot aufquellender Schamlippen weibliche.

Die meisten Signalreize im Tierreich wirken als Mitteilungen an Artgenossen über die Bedingungen ihrer Konkurrenz und Möglichkeiten zur Kooperation zwischen Individuen. Sexuelle Signale zeigen vor allem das Geschlecht eines Gegenübers an. Oft geben sie zusätzlich Aufschluss über wichtige Qualitäten seiner aktuellen Befähigung zu Paarung und Fortpflanzung: die Reife, den Gesundheitszustand, potenzielle Kampfkraft, einen ererbten Hormonstatus und dessen gegenwärtige Verfassung, nicht zuletzt auch über Erbanlagen für Sexappeal, jene besonderen ‘guten Gene’ der sexuellen Attraktivität. So kann bei einer Begegnung jedes beteiligte Individuum die gegebene Situation nach Möglichkeit für sich nutzen. Beispielsweise vermindern weithin wahrnehmbare, sexuelle Signale offene Kampfhandlungen und Verletzungen enorm, weil deutlich schwächere Rivalen Abstand halten. Dagegen können mögliche Sexualpartner eine günstige Gelegenheit zur Paarung weiträumig erkennen.

Über solche Vorteile, in der Kommunikation, sind auffällige Geschlechtsmerkmale durch Konkurrenz zwischen Artgenossen, im Kontext natürlicher und sexueller Selektion vielfach begünstigt worden. Bereits Charles Darwin erklärte die Entstehung bunter Federfächer, leuchtend roter Hahnenkämme oder strahlend blauer Hodensäcke mit einer besonderen Selektion derjenigen Sexualpartner, die das andere Geschlecht am meisten zu erregen vermögen. Nach seiner Theorie der ‘female choice’, - die moderner als sexuelle Partnerwahl formuliert wurde - gelingen den attraktivsten Individuen einer Spezies wesentlich öfter in ihrer Lebenszeit fruchtbare Paarungen als ihren weniger Sexuallust erregenden Artgenossen. Sie pflanzen sich dementsprechend häufiger fort und verbreiten mit ihren Genen auch ihre sexuellen Reize. Biologen sprechen deshalb vom ‘sexier sons Prinzip’, also einer Regel, wonach attraktivere Söhne mehr Nachkommen zeugen. Denn der naturhistorische Erfolg weiblicher Wahl verläuft über eine größere Nachkommenausbreitung, bei Säugetieren vor allem durch Söhne mit außergewöhnlichem Sexappeal. Wenn Kinder die sexuelle Attraktivität ihrer Eltern erben, werden auch sie relativ mehr Nachkommen haben, als ihre unscheinbareren Rivalen und so fort... Die betroffene Spezies kann im Laufe ihrer Stammesgeschichte immer stärkere, größere, auffälligere Verzierungen entwickeln - manchmal sogar über das individuell Zweckmäßige hinaus.

In diesem Falle, müssen die Nachteile - zum Beispiel einen riesigen Federfächer oder unförmige Brunstsignale zu tragen, die keine andere Funktion erfüllen, als dem anderen Geschlecht zu gefallen, - ausgeglichen sein, durch die Vorteile vermehrten fruchtbaren Sexualverkehrs. Ohne dem würden solche sexuellen Reize von der natürlichen Selektion auf ein bescheideneres Maß begrenzt. Bei Arten, die sich ausschließlich sexuell und ohne monogame Paarungssysteme fortpflanzen, kommt es gar nicht selten zu Handikap-Evolutionen, wenn der Wettbewerb um Sexualpartner hart ist. Denn dann hinterlassen nur die auffälligsten fünf bis zehn Prozent des werbenden Geschlechts überhaupt Nachkommen.

Die Gene unscheinbarerer Rivalen, und mit ihnen die ‘grauen Mäuse’ selbst, wirken dann lediglich als Spielmaterial dieser Form der sexuellen Selektion. Sie bilden eine sexuelle ‚Reservearmee’, die unter veränderten Bedingungen eine Rolle spielen kann, normalerweise jedoch überflüssig ist. Ein Beispiel: Wenn zehn Fasanen-Hennen sich allein mit dem aufregendsten Hahn verpaaren, dem, der die buntesten Flügel und die längsten Schwanzfedern vor ihnen spreizt, dann gehen neun Hähne leer aus. Da aus den Fasanen-Eiern - wegen der beiden Sexchromosomen - immer gleich viele männliche wie weibliche Tiere schlüpfen, haben dann in jeder Fasanenbevölkerung die allermeisten Hähne keine Chance sich fortzupflanzen.

Bei Orang Utans hat die sexuelle Selektion auf solche Weise große Kehlsäcke hervorgebracht, zur Verstärkung der Stimme im männlichen Geschlecht. Der so entstandene ‘laute Ruf’ signalisiert den einzeln im Geäst tropischer Regenwälder umherstreifenden Orang Utan Frauen, wo sich ein verfügbarer Sexualpartner befindet. Im Falle eigener Brunstgefühle können sie ihn dann weiträumig aufsuchen. Je lauter ein Mann unter diesen Bedingungen brüllt, umso mehr Frauen kann er erreichen und anlocken, insofern seine Stimme auch Aufschluss über seine männlichen Qualitäten gibt. Nach dem ‘sexier sons Prinzip’ wird ein Rufer mit besonders weit reichender und erregender Stimme mehr Nachkommen, mit ebenfalls vergrößerten Kehlsäcken, zeugen, als seine leiseren Rivalen. Zumal weniger begabte Orang Utan Männer - auch solche, die noch zu jung und nicht ausgewachsen sind - schweigend ihrer Wege ziehen, wenn sie sich im Streifgebiet eines deutlich überlegenen Artgenossen aufhalten.

Bei Menschen ist die Reichweite der männlichen Stimme ebenfalls vergrößert, durch Absenkung auf tiefere Töne, aufgrund eines pubertären Wachstumsschubs am Kehlkopf. Die Vergrößerung des gesamten Organs beginnt unter dem Einfluss von Hodenhormonen im Alter von ungefähr 13 Jahren und ist um den 16.Geburtstag herum abgeschlossen. In diesem sogenannten Stimmbruch verlängern sich die Stimmlippen und lassen die mittlere Sprechstimmlage erwachsener Männer durchschnittlich eine Oktave tiefer klingen als weibliche.

Nach biologischer Theorie handelt es sich bei solchen extrem ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen um Signalübertreibungen durch weibliche oder männliche Partnerwahl: Wenn eine rote Feder als sexueller Reiz funktioniert, sind zwei rote Federn noch wirksamer, also attraktiver. Wenn eine tiefe Stimme Männlichkeit signalisiert, wirkt eine noch weiter abgesenkte Stimmlage eben männlicher. Jede Mutation und Neukombination von Genen in diese Richtung wird von der Auslese durch sexuelle Partnerwahl begünstigt. Solche stammesgeschichtlich entstandenen Übertreibungen sexueller Signalreize finden sich beim Jetzt-Menschen auf beiden Geschlechtern. Insofern das Sexualverhalten des Homo sapiens nicht von Jahreszeiten ausgelöst wird – wie bei den meisten Säugetieren - sondern nach aktuellen Gelegenheiten zu Paarung und Nachkommenausbreitung, können deutliche Signale viel bewirken. Sie funktionieren als Auslöser für sexuelle Erregung, ohne die Bedürfnisse ebenso wie Befähigungen zur Begattung ausbleiben (s.5.Kap. / Sexualerregung).

Weil fruchtbare Paarungen ausschließlich zwischen den beiden Geschlechtern derselben Spezies biologisch möglich sind, gehören die artgemäßen sexuellen Signale zu den wichtigsten Eigenschaften des Partnerschemas. Falls Männer generell ein Schaf attraktiver fänden - oder Frauen einen Ziegenbock oder beide ein Individuum des eigenen Geschlechts - wäre die natürliche Evolution der Menschheit bald zu Ende. Während bei den meisten Tieren die Wirksamkeit ihrer jeweiligen sexuellen Auslöser artspezifisch angeboren ist, werden die neuronalen Grundlagen für diesen Empfindungskomplex beim Menschen erst in der frühen Kindheit und während der Pubertät geprägt. Dieser Entwicklungsprozess, der ‘sexuellen Orientierung’ eines jeden Menschenkindes, vollzieht sich also unter dem Einfluss der sozialen und kulturellen Umwelt - wie sie zu einer gegebenen Zeit vorkommt. Danach ist ein auslösendes Partnerschema für sexuelle Erregung persönlich festgeschrieben, normalerweise ein Leben lang.

Für den Mann bildet eine relativ grobe Weibschablone, mit üppigem Busen, Taille, Lendenlordose und fettgepolsterte Hüften das auslösende Schema sexueller Erregung; für die Frau eine Gestalt von gradlinigen Proportionen, mit breitem Kreuz, hoch gewachsen, verjüngt zu den Hüften und darauf ein erigierter Phallus. Diese Merkmale der beiden artspezifischen Partnerschemen des Jetzt-Menschen, sind durch Testreihen empirisch ermittelt worden und wirken bei sämtlichen Varietäten des Homo sapiens. Sie lassen sich zusätzlich belegen aus den sozialen Funktionen solcher Schablonen, in Pornografie und Kunst, sowie als überoptimale Attrappen. Die Venus-Statuen und -Halbreliefs der europäischen Eiszeit sind bekannte Ausdrucksformen des weiblichen Partnerschemas. Eine andere Darstellung dieser urtümlichen Männerfantasie ist die Mutterfigur aus der steinzeitlichen Siedlung von Çatal Hüyük im Hochland von Anatolien. Bei all diesen Frauengestalten springt ein ungeheurer Bauch ins Auge und zwei voll herabhängende Superbrüste. Hüften und Oberschenkel quellen über von Fettdepots, so üppig, dass sich der Gedanke an eine nahezu bewegungsunfähige Bienenkönigin aufdrängt. Gesicht und Füße sind vernachlässigt. Entsprechende Darstellungen des Mannes zeigen sehr gerade, manchmal riesenhafte Gestalten mit betont erigiertem Penis von ebenfalls riesigen Ausmaßen.

Anders als unter Säugetieren üblich, ist der Penis des Mannes, außerhalb des Körpers pendelnd, ständig sichtbar, hervorgehoben durch farbige Schambehaarung und zusätzlich verziert mit rot leuchtender Eichel in erigiertem Erregungszustand. Der Fortpflanzungsbiologe Roger Short charakterisiert den menschlichen Phallus wie folgt: „Die bemerkenswerteste Besonderheit unserer eigenen Fortpflanzungsanatomie ist die Auffälligkeit des Penis, ob nun schlaff oder aufgerichtet, und der Hoden, welche dem Blick in einem pendelnden Sack vorgeführt werden. Sogar das Schamhaar, das bei Gorilla und Orang als zusätzliche Tarnung für die äußerlichen Geschlechtsorgane wirkt, scheint beim Mann eher nach einem Design gestaltet, um die Aufmerksamkeit zu ihnen hin zu lenken, anstatt sie zu verbergen.“

Der aufrechte Gang des Menschen lässt das männliche Begattungsorgan an der Vorderseite - wie einen Ast - aus dem Körper herausragen und begünstigt mehr Penislänge, um die Samen nahe genug an eine empfängnisbereite Gebärmutter heranbringen zu können. Je länger das männliche Glied, umso mannigfaltigere Variationen sexueller Vereinigungen, verschiedene Stellungen, Berührungsreize und Lusterfahrungen sind technisch machbar. Die Vulva der Frau ist infolge ihrer Körperaufrichtung nicht genau endständig, sondern etwas nach vorn gelegen, sodass Verlängerungen des Penis dem Sexualverkehr mehr Bewegungsfreiheit gewähren. Beispielsweise die unvergleichliche Intensität von Berührungen zwischen Eichel und Gebärmuttermund. Wobei drei Nervenzentren einbezogen sind, während äußerliche Klitorisreizung eines anregt. Nach Umfrage-Ergebnissen aus den Siebzigerjahren, legen sexuell erfahrene Frauen entschieden Wert auf die Größe des Begattungsorgans bei ihren Sexualpartnern. Monique van Vooren, ein Warhol-Star mit vielfältigen Sexualkontakten, sagte sogar im Interview: „Ich mag große Penisse. Die Frauen, die behaupten, es käme nicht auf die Größe an, haben keine Ahnung. Für mich ist das sehr wichtig.“ Die meisten erzählen von dieser Erfahrung indes nur ihrer besten Freundin.

Die Penisgröße gehört, wie fast alle sexuellen Reize, zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen, die sich erst mit der Pubertät entwickeln. Mit zunehmender Produktion und Ausschüttung der Sexualhormone beginnt, im Alter von zehn bis elf Jahren, beim Mann ein pubertärer Wachstumsschub am Penis, der im Vergleich zu den anderen Menschenaffen eine Überlänge von 5 - 10 cm hervorbringt. Erwachsene Gorillas haben durchschnittlich 3 cm Penislänge, Orang Utans 4, Schimpansen 8 und der Menschenmann ist mit durchschnittlichen 13 cm verhältnismäßig hoch begabt zu sexueller Lust.

Männer neiden einander durchaus jeden Zentimeter Penislänge und wer meint mit seinem Begattungsorgan imponieren zu können, nutzt gewöhnlich jede Gelegenheit dazu: Am Strand, in Duschräumen oder an versteckten Plätzen finden, überall auf der Welt, Wettbewerbe unter Jugendlichen statt. Die zeitgenössische Literatur weiß Etliches darüber zu berichten. In der Disco und bei Popkonzerten sind verhüllte Schaustellungen der Erektion ein wichtiger Bestandteil männlicher Balz.

Bei manchen Affenarten, sitzen männliche Tiere mit vorgestreckten Geschlechtsteilen und aufgerichtetem Phallus Wache an den Grenzen, des von ihrem Trupp jeweils beanspruchten Gebiets. Grüne Meerkatzen zeigen dabei ihre leuchtend blauen Hodensäcke, Paviane markieren ihre Futter- und Schlafplätze, indem sie ihren aufgerichteten Penis dort knallrot zur Schau stellen. In Worte gefasst signalisieren sie damit ungefähr: ’Hier ist bereits ein hinlänglicher Mann präsent, es wird keiner mehr gebraucht.’ Der erigierte Phallus ist demnach nicht nur ein sexuelles sondern auch ein soziales Signal. Er ist ein zentraler Bestandteil des männlichen Imponiergehabes um Reviere, Rang und Macht in der Gruppe, nicht zuletzt Sexualpartnerinnen und Nachkommen.

Ähnliche Signalfunktionen sind für steinzeitliche Menschen durch phallische Symbole an Wächterfiguren aus Stein und Holz gut belegt. Sogar die Bilderschriften Sumers und des alten Ägypten benutzten noch eine Zeichnung des erigierten Penis, mit anhängenden Hoden oder ausspritzendem Strahl von Sperma für ‘Begattung und Befruchtung’ - was im Kontext von Eheverträgen häufig vorkam. Der extra lange, ständig sichtbare ‘Penis pendulus’ des Mannes fungiert offenbar als sexueller und sozialer Dauerreiz männlicher Potenz.

Was imposant sein mag und die Attraktivität steigert, jedoch hinderlich ist beim Laufen - insbesondere im Gestrüpp dichter Wälder. Eigentlich alle unbekleideten Jäger tragen den Phallus irgendwie hoch- oder festgebunden, auch umhüllt mit Häuten, Fellen oder Tüchern. Manche Kulturen von Wildbeutern verbergen ihn unter künstlichem Zierrat aus Hörnern, Haaren und Muscheln, in einem so genannten ‘Phallokrypt’ (= Penisversteck). Diese Gebilde sind manchmal so riesig, ein bis zwei Meter lang, dass von ungehemmtem Laufen keine Rede sein kann. Aber sie erfüllen zweifellos den Zweck, weder Frauen, noch etwaigen Rivalen und Neidern, etwas über die wahren Penisgrößen zu verraten. Womit sie den Zusammenhalt unter Männern befördern und die Frauen betrügen um einen wichtigen Gegenstand weiblicher Partnerwahl. Es bleibt ihnen da nämlich nichts übrig, als ‘die Katze im Sack zu kaufen’!

All dies spricht für ein Vorherrschen der weiblichen Wahl bei den äffischen Vorfahren des Homo und in vorpatriarchalischen Zeiten unserer Gattungsgeschichte. Der äußerlich hängende Penis hat darüber hinaus noch einen kuriosen anti-hierarchischen Aspekt: Bei rangniedrigen Pavianen ist festgestellt worden, dass ihnen ein Anstieg ihrer Stresshormone - Prolaktin und Cortison - Erektionsprobleme beschert. Diese hormonellen Hemmungen traten zum Beispiel dann offen zu Tage, wenn im Experiment die obersten Tiere der männlichen Dominanzhierarchie entfernt wurden, die weiblichen Gruppenmitglieder aber alle im Gehege drin blieben. Nun hatten also die üblicherweise untergeordneten Männchen ihre Chance zum Sexualverkehr. Vor lauter Stresshormonen, blieben sie jedoch ohne stabile Erektionen und kamen so nicht zum Zuge.

Insofern das Begattungsorgan des Mannes äußerlich ist, stehen der weiblichen Partnerwahl unter Menschen derlei Hindernisse nicht entgegen: Hormonelle Erektionsprobleme lassen sich mittels streicheln und küssen, durch Reizungen von Außen überspielen. Frauen konnten also immer schon, mit der Wahl ihrer Sexualpartner, die männliche Rangfolge untergraben: Die körperlich stärksten und mächtigsten Männer könnten - wenn sie unattraktiv waren - sexuell oft leer ausgegangen sein, weil Frauen aufregendere Männer von niedrigerem Rang vorzogen und nach dem ‚sexier-sons-Prinzip’ deren Gene ausbreiten. Charles Darwin beobachtete sogar noch innerhalb der patriarchalischen Kulturen von Wildbeutern seiner Epoche einen deutlichen Einfluss der weiblichen Wahl. „Diese Form der Auslese dürfte aber gelegentlich noch in späteren Zeiten gewirkt haben,“ schreibt er 1871 in seinem Buch über ‘Die Abstammung des Menschen und die Zuchtwahl in geschlechtlicher Beziehung’, „denn bei völlig barbarischen Stämmen haben die Weiber mehr Freiheit in der Wahl, Verwerfung und Verlockung ihrer Liebhaber als man annehmen sollte.“

„Zeig ihm deine Brüste, den Schoß tu auf ihm, dass er sich dir nahe! ...Wirf ab dein Kleid, dass er sich auf dich lege, errege seine Lust nach Frauenweise“. Mit diesen Worten skizziert die erste aufgeschriebene Geschichte der Menschheit vom König Gilgamesch und dem Tiermann Enkidu, wie die Zähmung eines wilden Mannes mittels Sex erfolgen kann. Nämlich indem er die weiblichen Signalreize zu sehen bekommt: einen nackten Busen, üppige Kurven und schwellende Schamlippen. Der Erfahrungshintergrund dieser sexuellen Szene aus dem alten Sumer, an der Wiege europäischer Kultur, ist auch für den heutigen Mann erwiesen: die optischen Signale, roter Brustwarzen auf rundlichen Fettpolstern und präsentierter Vulva, lösen zuverlässig männliche Sexualerregung aus. Im Test ist meist Pupillenerweiterung gemessen worden, was eine ebenso unwillkürliche Reaktion ist, wie die Erektion.

Durch aufrechte Körperhaltung des Menschen bleibt das weibliche Sexualorgan normalerweise zwischen den Beinen unsichtbar. Da es keine Brutsaison gibt, kein Brunstsignal und erwachsene Menschen allzeit paarungsbereit sind, ist ein zusätzliches Signal sexueller Reife im Naturzustand der menschlichen Gattung von der Selektion begünstigt worden. Es vermag männliche Sexualpartner auf Sichtweite anzulocken und ermöglicht Männern unfruchtbare Kopulationen zu vermeiden, insbesondere den Werbungsaufwand an Zeit und Energie für zu junge Frauen. Allein aus dem Körper deutlich hervorragende Brüste machen die weibliche Reife und potenzielle Fruchtbarkeit auf größere Distanz erkennbar. Sie wirken als wichtigster Bestandteil der weiblichen Stundenglas-Kurven. Ihre optische Wirksamkeit hängt wesentlich von der Nacktheit des menschlichen Körpers ab. Unter der üblichen Fellbedeckung von Affen wären sie kaum sichtbar. Daher werden weibliche Fettpolster an Brust und Steiß als Resultate einer Sonderevolution des Menschen interpretiert, deren Ursprünge allerdings weit in unser tierisches Erbe zurückreichen - etliche Äffinnen zeigen nämlich ebenfalls unbehaarte Brüste, allerdings ohne rote Warzenhöfe. In Zeiten, wo sie ihre Kinder nähren, tragen sie die milchprallen Brustdrüsen als spitze oder kugelförmige Anhängsel vor sich her. Rund und schimmernd ragen sie aus dem Fellsack des Affenkörpers hervor, ganz wie jene weithin leuchtenden ‘Paradiesäpfel’, womit so oft die Brüste der Frau poetisch umschrieben werden.

Die nährende und lusterfüllende Funktion der weiblichen Brust lässt sie sehr geeignet erscheinen dem erwachsenen Mann Gelegenheiten zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse anzuzeigen. Wenn Kinder bis zum Alter von drei Jahren gestillt werden - was in Gesellschaften der Jäger und Sammler üblich ist und bis in die Neuzeit regelmäßig vorkommt bei Armut, Krieg oder Mangel an Nahrungsmitteln - dann muss sich der Anblick eines vollen Busens ihrem ursprünglichsten Empfinden nachhaltig einprägen als Gelegenheit zu totaler Befriedigung. Runde Brüste können vor diesem frühkindlichen Erfahrungshintergrund als Symbol für Sättigung, Fülle und mütterliche Liebe wirken, eine Versicherung gegen Hunger, Mangel, Stress - die ursprüngliche Quelle von Lust und Zufriedenheit in einer ungewissen Welt.

Bildliche Darstellungen zeigen den Busen als zentrales Merkmal weiblicher Attraktivität durch alle historischen Epochen seit der frühen Steinzeit. In etlichen Kulturen rangiert er als zweithöchstes Schönheitskriterium gleich nach dem Gesicht, von Dichtern besungen, von Malern und Bildhauern verewigt. Mal offen zur Schau getragen, mal halbbedeckt und künstlich verziert, mal betont durch figurbetonte Kleidung, entfaltet er immer die gleiche anziehende Wirkung auf das männliche Geschlecht.

Jedoch variieren die Vorstellungen darüber welche Form und Größe der Brüste am reizvollsten seien: Oft gilt einfach der Größte als der Schönste. Heutzutage wird der Stehende am meisten begehrt. Weil das, wegen der Schwerkraft, technisch nur bei mittelgroßen Brüsten vorkommen kann - regelmäßig also solchen, die nicht gestillt haben - bedeutet es: die Jungfrau zur Norm weiblicher Schönheit zu machen. Mit historischen Wandlungen des Frauenideals zwischen Urmutter, Lustobjekt und Spielzeug oder Gefährtin wechseln auch die männlichen Vorlieben an Busenformen. Riesenbrüste, wie sie den alt-steinzeitlichen Venusfiguren bis zum Bauchnabel hängen, finden moderne Männer höchstens ausnahmsweise einmal attraktiv - zur Befriedigung urmütterlicher Fantasien. So für länger, schwebt ihnen doch eher eine Frau vor, die nicht ständig durch zwei schwerfällig nebenher pendelnde Gewichte beim Laufen, Springen und allen möglichen Bewegungen behindert ist.

Etliche moderne Frauen mit hinderlicher Busenfülle, von mehr als Körbchengröße F oder G, fühlen sich dermaßen unwohl damit, dass sie ihre Fettpolster operativ verkleinern lassen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich einsehen, warum die Evolution von Busengröße über ein C-Körbchen hinaus zwar natürlich, aber trotzdem nicht zweckmäßig ist. Biologen fanden die roten Brustwarzenhöfe als wirksame Auslöser der männlichen Sexualerregung. Hervorgehoben durch die wippenden Fettpolster der weiblichen Brüste wird ihre Reizwirkung intensiviert. Die Busenevolution der Frau unterlag demzufolge einer Selektion für Signalübertreibung, bei Europäern manchmal sogar über das bewegungstechnisch günstige Maß hinaus. Behinderungen der betroffenen Frauen können ausgeglichen worden sein durch die erhöhte Attraktivität übergroßer Brüste und vermehrte Nachkommenausbreitung, von Kindern, die ebenfalls eine Veranlagung zu großen Fettspeichern unter den Brustwarzen hatten und weiter vererbten.

Tatsächlich variiert die Busenfülle ethnisch sehr: Der Zipfelbusen ist eine afrikanische Variante; üppige Busen von rundlicher Gestalt sind unter Europäerinnen häufig; Asiatinnen haben insgesamt weniger Fettdepot an dieser Stelle. Da jedoch die Brustwarzen aller geschlechtsreifen Frauen durch irgendeine Form östrogenvermittelter Fettansammlungen hervorgehoben sind, muss der Busen als Übertreibung eines weiblichen Signals vor allen heutigen Varietäten des Homo sapiens entstanden sein.

Seine genetisch und hormonell gesteuerte Vermehrung bis zu hinderlichen Größen, kann aber erst später selektiert worden sein, in Sozialverbänden wo Mütterlichkeit hoch geschätzt wurde und auch besonders beschützt. Falls hochrangige Männer Frauen, mit üppigeren Brüsten, als Sexualpartnerinnen vorzogen und langfristig mit ihnen zusammenblieben, genossen diese Frauen selbst einen gewissen Schutz, mussten nicht mehr so behände flüchten, und sie hinterließen wahrscheinlich mehr Nachkommen als ihre weniger attraktiven, flachbrüstigen Rivalinnen. In historischer Zeit gibt es für einen derartigen sexuellen Selektionsmechanismus durch männliche Wahl vielfältige Belege: Wo sich Stammesoberhäupter, Fürsten und Könige viele Frauen einhandeln konnten, gab es immer einen Zusammenhang von weiblichem Liebreiz, weiblichem Rang und Kinderzahl. Wenn unter solchen sozialen Verhältnissen weniger attraktive Frauen mit ärmeren oder untüchtigeren Männern vorlieb nehmen mussten, konnten sie auf Grund karger Lebensbedingungen in der Regel weniger Kinder aufziehen.

Insgesamt gab es beim Homo sapiens keine Evolution sexueller Reize auf einem der beiden Geschlechter. Männer sind, ebenso wie Frauen, natürlicherweise mit übertriebenen sexuellen Signalen in Form wippender und farbiger Anhängsel verziert. Brüste und Penis pendulus wirken auf das je andere Geschlecht sexuell anziehend. Obschon eigentlich Handikaps, werden sie als schön empfunden und erstrebenswert, weil sie Reize aussenden und Sexualerregung bewirken beim anderen Geschlecht.

Männer sind durch weibliche Wahl gleichermaßen verschönert worden, wie Frauen durch männliche. Nach der Verteilung natürlicher Verzierungen auf die beiden Geschlechter zu urteilen, ergibt sich eine sexuelle Partnerwahl auf Gegenseitigkeit als naturhistorisches Erbe für den Jetzt-Menschen. In fast allen Gesellschaften behauptet sie neben und unter den offiziellen Regeln zur Eheschließung und Präsentation sexueller Reize einen wichtigen Platz im wirklichen Leben der Völker. Von der europäischen Aufklärung unter dem Begriff ‘Liebesheirat’ zum bürgerlichen Ideal erhoben, ist freie gegenseitige Wahl der Sexualpartner bis zum heutigen Tag immer noch im Prozess ihrer historischen Verwirklichung.

Liebesleben und Geschlechterkampf

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