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Einige Schattenseitenim Leben eines Humoristen
ОглавлениеJede Beschäftigung hat ihre guten, aber auch ihre Schattenseiten. Die große Schwierigkeit für einen Humoristen besteht darin, dass er traurige Leute nicht ausstehen kann, daher alles daran setzt, sie aufzuheitern. Das kostet ihn manchmal einiges, im übertragenen, zuweilen auch im wortwörtlichen Sinne.
Da sitze ich, um ein Beispiel zu geben, in der »Ochsen-Bar« und trinke Kaffee. Neben mir ein bekannter Dichter, der gar nichts trinkt. Er ist traurig, so traurig, als wohne er seiner eigenen Beerdigung bei. Mich regt so etwas wahnsinnig auf, deshalb frage ich etwas gequält:
»Hör mal, Poet, warum schaust du so finster drein, als ob du deiner eigenen Beerdigung beiwohnst?« Es stellt sich heraus, dass diese schreckliche Traurigkeit eine Ursache hat, freilich mit weitreichenden Wirkungen. Den Poeten hat die Muse lange nicht mehr besucht. Er hat deshalb a) kein Geld mehr, b) verliert seine Popularität, und sieht deshalb – c) eigentlich überhaupt keinen Sinn mehr im Leben. So einem Witze zu erzählen und ihm zu erklären, wie schön das Leben ist, wäre freilich eine Verhöhnung, ich weiß das aus meiner eigenen Praxis. Hier kann nur eine entschlossene Vorgehensweise helfen, und sei diese am Rande der Legalität. Ich werfe also einen Blick auf die Uhr, es geht auf den Abend zu, und sage:
»Wie ist es, wenn ich dich einlade, dir etwas von dort einzuschenken?« Mit dem Finger deute ich auf die Flaschen, mit denen die Bar bestückt ist.
»Wird es dann besser?«
»Wohl kaum«, erwidert der Poet. »Aber versuchen kannst du es.«
Ich winke den Barkeeper heran, bestelle ihm einen großen Klaren, um zu beobachten, was sich daraus ergibt. Natürlich erwarte ich ein positives Resultat. Aber diesen Menschen aufzuheitern, erweist sich als gar nicht so einfach.
»Und du, trinkst du mit?«, fragt der Poet.
»Ich will nicht.«
»Also, dann wird es bei mir auch nichts. Dann werde ich noch melancholischer, ich kenne mich.«
Das leuchtet mir ein. Außerdem denke ich, dass ich leichter nachvollziehen kann, was in ihm vorgeht, wenn ich mittrinke. Deshalb bestelle ich auch mir einen Klaren, und damit keine Pause entsteht, spendiere ich eine weitere Runde. Nun müsste mein Gegenüber eigentlich, wie ein Freund von mir zu sagen pflegt, im Land der Seligen angekommen sein, aber der verzieht keine Miene.
Ich weiß nicht, ob es so geblieben wäre, er sich doch noch aufgeheitert oder sogar noch mehr verfinstert hätte. Ich stelle keine Prognosen auf, halte mich allein an die Fakten. Und Fakt ist, dass mehr als zwei Schnäpse an keiner Bar mehr ausgeschenkt werden.[3] Deshalb begebe ich mich, von meinem »Traurige-Gesichter-Komplex« noch mehr getrieben, zum Kellner, rede eindringlich auf ihn ein. Und schon bald sind die Lieblingsspeisen des Poeten aufgetragen, dazu Kaffee – und vor allem Sekt, leicht und schäumend, fast ohne Prozente, daher unbegrenzt verfügbar. Wieder betrachte ich aufmerksam das Gesicht des Mannes, erzähle diverse Geschichten, wobei ich absichtlich solche auswähle, in denen einem Menschen zunächst gar nichts, später aber um so mehr gelingt. Doch die Traurigkeit des Poeten scheint zu umfassend, um sie mit vulgären Gaumenfreuden und meinen absichtlich gezuckerten Geschichten bekämpfen zu können. Erst viel später, nachdem er zweimal mit so einer Superblondine vom Nachbartisch getanzt hat (das Orchester ist von mir bezahlt und ordentlich geschmiert worden), nehme ich im Gesicht des Poeten etwas wie ein Lächeln wahr. Nun hätte auch ich mich freuen und die Annehmlichkeiten, die ich herbeigeführt hatte, mitgenießen können. Doch in diesem Moment sehe ich abermals auf die Uhr, und vor meinem inneren Auge taucht ein weiteres trauriges Gesicht auf, fast noch trauriger als das des Poeten, dazu unbestechlich aus Prinzip.
Jeder begreift, dass es sich um das Gesicht eines weiblichen Wesens handelt, noch dazu einer mir besonders nahe stehenden Person, die jedes Mal fassungslos ist, wenn sie erfährt, mit welchen Mitteln ich die Leute zum Lachen bringe. Was Traurigkeit bedeutet für einen Menschen mit meinen Komplexen, das wissen ohnehin nur die Psychiater und ich selbst.
Deshalb lasse ich noch eine gewisse Summe in die Tasche des Poeten gleiten, die ausreichen müsste, seine augenblickliche Stimmung beizubehalten, sie vielleicht sogar noch etwas zu heben, und mache mich auf den Weg, schon wieder Pläne schmiedend, wie ich meine Haussphinx erheitere. Wobei ich sehr wohl begreife, dass das viel schwerer sein wird, als einem von der Muse vernachlässigten Poeten zu neuer Lebenslust zu verhelfen.
Traurige, besorgte und auch sonst unfrohe Gesichter gibt es viele, Humoristen nur den einen oder anderen, so ist es nicht verwunderlich, dass die Vertreter dieses Genres mitunter selbst von Trübsal befallen sind.