Читать книгу Infiziert - Teri Terry - Страница 47

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Die Freude darüber, meinem unterirdischen Gefängnis entkommen zu sein, lenkt mich nicht lange ab. Die Wachen haben gesagt, Dr. 1 wohnt auf der Insel und dass sie jemanden zu ihm nach oben geschickt haben, als die Kommunikation unterbrochen war.

Ob der Bote es noch vor dem Feuer geschafft hat?

Der Fahrstuhl war oben. Wenn er nicht im Fahrstuhl stecken geblieben ist, hat er es geschafft.

Wie finde ich ihn bloß?

Ich rase zurück zu der brennenden Scheune. Inzwischen ist sie fast vollständig zerstört. Um besser sehen zu können, fliege ich hoch in die Luft. Ringsum brennt alles, durch den Rauch kann man nur schwer etwas erkennen. Von der Scheune breiten sich die Flammen auf Gras und Büsche aus, aber die großen Feuermassen kommen vom Wasser, wo der Himmel vorhin schon rot leuchtete. Aus diesem Leuchten sind hoch aufschießende Flammen geworden. Das Feuer greift um sich. Kommt das von der zweiten Explosion, die wir gehört haben?

Konzentrier dich auf Dr. 1.

Zur Scheune führt keine Straße. Es gibt nur Felder und Wanderwege. Ich schwebe dicht über dem brennenden Gras. Reifenspuren kann ich nicht ausmachen. Wenn sie jemanden zu Fuß losgeschickt haben, kann Dr. 1 nicht allzu weit weg wohnen.

Ich ziehe immer größere Kreise um die Scheune. Es gibt keine Bäume, nur kargen Boden, der in zerklüftete Hügel mit seltsam gefärbten Steinen übergeht. Dort ist der Aufstieg beschwerlich, bestimmt ist hier niemand langgekommen. Als ich wieder tiefer sinke, entdecke ich doch endlich etwas Weißes am Boden.

Dort. Ein Mann liegt seltsam verdreht auf dem Weg. Er trägt einen weißen Kittel. Ich bleibe neben ihm stehen. In dieser Gegend brennt nichts, noch nicht. Also ist der Mann nicht wegen des Rauchs kollabiert.

Er schwitzt wie verrückt. Bewegt die Lippen, murmelt unverständliches Zeug. Dann geht ein Zucken durch seinen Körper – einmal, zweimal …

Er hat sich angesteckt. Der lebt nicht mehr lange.

Wie soll ich ohne ihn zu Dr. 1 finden?

Seufzend lasse ich mich neben ihm am Boden nieder. Abermals murmelt er, blinzelt, dann reißt er die Augen weit auf und sieht mir direkt ins Gesicht.

Können Sie mich sehen?, frage ich.

»Was bist du?«, haucht er.

Ich bin ein Geist.

»Bin ich tot?«

Nein. Aber viel fehlt nicht mehr. Vielleicht können Sie mich deshalb sehen.

Er seufzt. »Das habe ich mir schon gedacht.«

Wo ist Dr. 1?

»Weiß ich nicht.« Seine Lider zucken.

Warten Sie noch. Wo wohnt er? Ich gehe nachschauen, ob er noch da ist.

Auch wenn ich ein Geist bin, erscheint ihm dieser Einwand wohl vernünftig. Er faselt was von einem weißen Haus mitten im Wasser. »Das Schwein wusste wohl, dass uns Feuer irgendwann mal gefährlich werden könnte«, presst er heraus. Keine extra Insel, erfahre ich von dem Mann. Unweit der Ruinen sei es über ein Strandstück verbunden. Es liege auf der anderen Seite der Insel mit Blick aufs Meer. Das einzige Haus. Mit großem Teleskop, fügt er noch hinzu.

Und dann stirbt er.

Ich folge dem Weg, lasse die Scheune immer weiter hinter mir. Am Himmel leuchtet es wieder, die Sonne geht auf. Auch wenn ihre Strahlen nicht so hell sind wie die Flammen, hilft sie mir, mich zurechtzufinden. Hin und wieder verzweigt sich der Weg, und ich muss ein paarmal umkehren, weil der Pfad nicht in die richtige Richtung führt.

Dann entdecke ich eine kleine Insel, die aus der Nähe betrachtet durch einen schmalen Sandstreifen verbunden ist. Gegenüber liegen verfallene Gebäude. Bin ich hier richtig? Ich schwinge mich in die Luft und folge der Küste. Und dort, den Flammen abgewandt, steht ein weißes Haus am Meer. Diese Insel, die keine Insel ist, liegt weit entfernt von den Bränden.

Das Haus wirkt nobel. Dr. 1 muss Geld haben.

Es sieht dunkel und verlassen aus. Ich schlüpfe durch den Schornstein hinein und schaue mich in jedem Zimmer um. Oben gibt es zwei Schlafzimmer, die Betten ordentlich gemacht und leer. Unten ist alles ein einziger großer Raum mit einer schicken, blitzsauberen Küche, Plüschsofas, Bücherregalen und einem Schreibtisch. Vom Wintergarten schaut man aufs Meer hinaus und dort steht ein großes Gerät unter einer Plane. Wenn das ein Teleskop ist, muss es das Haus von Dr. 1 sein.

Wo kann er wohl sein, wenn er weder hier noch unten in der Station ist?

Der Schreibtisch ist riesig, darüber hängen Regale mit Büchern und Ordnern. Diese vielen Schreibtischschubladen gehen mir besonders auf die Nerven. Direkt vor meiner Nase verbergen sich vielleicht Antworten, aber ich kann weder Schubladen öffnen noch Bücher vom Regal nehmen. Ich bin zu nichts nütze.

Ich verlasse das Haus wieder durch den Schornstein, wild entschlossen, die gesamte Insel abzusuchen.

Die Sonne steht nun voll am Himmel. Ich schwebe zurück über den schmalen Sandstreifen, vorbei an der inzwischen abgebrannten Scheune und den Hügeln aus rotem Stein. Dieser Teil der Insel ist mit anderen verbunden, auch mit der Flammenwand auf der anderen Seite des Wassers. Das Feuer ist riesig. Wieder gibt es eine Explosion und die Flammen schießen noch höher. Wenn sich Dr. 1 in die Richtung aufgemacht hat, ist er tot.

Ich folge weiter der Küstenlinie. Die Insel ist groß und ausladend, ihre Finger erstrecken sich ins Meer. Überall wo Häuser stehen, brennt es, als wäre das, was explodiert ist, mit allen Häusern verbunden. Und von den Häusern springt es auf Gras und Gebüsch über, sodass die einzelnen Brandherde immer weiter zusammenwachsen.

So viel ist zerstört worden. Wohin ich auch schaue, kokelt es schwarz oder brennt noch lichterloh. Die größte Stadt liegt am Wasser, die Flammen schießen von den Häusern an der Promenade hoch in den Himmel.

Abseits der Städte und Ortschaften versammeln sich die Menschen in Buchten, die man mit kleinen Booten erreichen kann. Ich lasse mich zwischen den Leuten nieder, klettere die Felsen hinunter bis zum Wasser. Die Wellen lecken an meinen Füßen, aber es fühlt sich nicht kalt und nass an. Die wildgrüne See ist wunderschön, bloß kann ich das Salz in der Luft nicht riechen.

Ich schließe die Augen, doch ich spüre nichts. Nichts verrät mir, wo ich bin.

Am liebsten würde ich jetzt herumbrüllen, so lange, bis sich rausstellt, dass das alles gar nicht wahr ist. Ich schlinge die Arme um mich, muss mich beruhigen. Aber die Panik überschwemmt mich mit aller Macht, schlägt über mir zusammen, so wie die See gegen die Felsen brandet. Die See, die ich so geliebt habe, die ich jetzt aber weder spüren noch riechen kann.

Ich lasse mich auf einem Felsen nieder. Kleine Boote pendeln zwischen Küste und größeren Schiffen. Die Menschen warten, um die Insel zu verlassen. Manche weinen, andere sind verstört, verbrannt, verletzt. Manche können sich nicht mehr bewegen und müssen getragen werden: tot oder im Sterben.

Über uns schwirren Hubschrauber, einige mit Filmkameras. Andere schaufeln Wasser aus dem Meer und löschen die Feuer. Wieder andere bringen Verletzte fort.

Mich berührt das Leid ringsum nicht. Mein Inneres ist tot, genauso wie mein Körper, nichts als ein Beutel Asche in einem unterirdischen Labor.

Daran ist allein Dr. 1 schuld. Wo ist er jetzt?

Ich verlasse den Felsen und halte nach Dr. 1 Ausschau. Sein Gesicht habe ich nie gesehen. Aber er ist groß, und ich weiß auch, wie er steht und sich bewegt, als müssten alle ihm Aufmerksamkeit zollen. Ich bin noch nie einem König begegnet, doch so stelle ich mir einen vor. Und seine Stimme kenne ich. Ich sehe mich um, horche, aber nirgends ist jemand, der ihm gleicht.

Vielleicht ist er ja auch im Feuer verreckt. Wenn nicht, befindet er sich nicht mehr auf der Insel, also muss ich auch fort.

Am Strand legt ein Boot an, man hilft den Menschen an Bord. Manche werden getragen, einige können noch selbst laufen. Ich schließe mich ihnen an.

Auf den Wellen schaukeln wir einem Schiff entgegen. Es ist riesig. Eines dieser schicken Kreuzfahrtschiffe, auf denen reiche Leute rumschippern. Wir fahren an die Seite des Schiffs heran, aber ich warte das Manöver nicht erst ab. Ich schwebe nach oben über so eine Gangway.

Ich folge den Stimmen zu einer offenen Lounge, die sich über alle Decks erstreckt. Sieht aus wie ein Krankenhaus im Disneyland: Menschen mit Verbrennungen kreischen unter Kronleuchtern und Glastreppen.

Anscheinend gibt es nur einen einzigen Arzt und ein paar Schwestern. Ihre Gesichter sehen so aus, als würden sie vor Angst am liebsten über Bord springen.

Ein Mann geht auf eine der Schwestern zu. Er ist bleich, Schweiß steht ihm auf der Stirn. Dann bricht er auf dem Deck zusammen.

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