Читать книгу Infiziert - Teri Terry - Страница 50
ОглавлениеDuncan taucht erst auf, als der Schulbus schon in Sicht ist, als hätte er sich so lange hinter der Ecke versteckt.
Er geht tatsächlich auf Krücken! Also habe ich ihm doch ordentlich zugesetzt. Dem Gips nach zu urteilen, ist der Fuß gebrochen.
Duncan meidet meinen Blick. Seine Nase ist bandagiert, sein Gesicht grün und blau. Sofort scharen sich alle um ihn. Dann gibt er eine verrückte Geschichte von Einbrechern zum Besten, die er auf frischer Tat ertappt haben will. Denen hat er es aber gezeigt! Allgemeine Begeisterung.
Hä? Beim Einsteigen wirft Duncan mir immer wieder Blicke zu, als fürchte er, ich könne ihm widersprechen. Auf seinem geschwollenen Gesicht macht sich ein fragender Ausdruck breit. Ich nicke halbherzig.
Dieser Typ ist echt Abschaum. Vom ersten Tag an hat er mich schikaniert und es wurde immer schlimmer. Wahrscheinlich muss man sich vor ihm in Acht nehmen.
Und ich weiß nicht, was er mit mir angestellt hätte, wenn Kai ihm nicht in die Quere gekommen wäre. Dennoch habe ich das ungute Gefühl, dass es nicht passiert wäre, wenn ich ihm im Supermarkt nicht in die Eier getreten hätte. Damit habe ich eine Grenze überschritten und ihn provoziert. Nicht dass das sein Verhalten entschuldigen würde, aber davor hat er sich immer nur wie ein ganz normaler Schläger verhalten.
Kais Reaktion schockt mich immer noch. Wenn er Duncan nicht halb tot geprügelt hätte, hätten wir die Polizei rufen können und dieser Mistkerl Duncan wäre vielleicht in einer Zelle gelandet. Aber wie die Dinge jetzt stehen, kommt es mir fast vor, als hätte er mich in der Hand. Gar nicht gut.
»Shay?« Ich drehe mich um. Amy. Auch das noch. Sie lächelt.
»Ja?«
»Wer war denn der Typ, mit dem du am Samstag in der Stadt warst? Der war ja ziemlich heiß.«
Etliche Augen sind auf mich gerichtet.
»Das geht dich gar nichts an.«
Amy lächelt zuckersüß. »Du sollst dir irgendeine wilde Geschichte ausgedacht haben, dass du das Mädchen gesehen hast, das letztes Jahr verschwunden ist. Und sie ist wohl seine kleine Schwester. Alles nur, um an einen Typen zu kommen? Das ist schon krass.«
Ich verziehe keine Miene.
»Und ein geniales Gedächtnis sollst du auch noch haben!« Großes Gekicher bei ihren Freundinnen. Mann, sind die hohl. Calista ist verschwunden und auf den Shetlandinseln ist die Hölle los, aber Amy und ihre Freundinnen interessieren sich nur für sich und ihre kleine Welt! Auf jeden Fall glauben sie nicht, was sie über mein Gedächtnis gehört haben. Besser, sie halten mich für eine Hochstaplerin als für einen Freak.
Der Bus hält. Iona steigt mit ein paar anderen ein. Sie setzt sich neben mich und blickt mich fragend an.
»Was ist denn mit unserer Dumpfbacke passiert?«
»Hat bei sich zu Hause Einbrecher überrascht und davongejagt, sagt er.«
»Was? Bullshit.« Iona mustert mich. »Da steckt doch mehr dahinter. Und mein Gefühl sagt mir, dass du es weißt.«
Ich schüttle den Kopf.
»Mit meinen detektivischen Fähigkeiten kitzle ich das schon noch aus dir raus.«
Iona holt eine Zeitung aus ihrem Rucksack. Sie will unbedingt Journalistin werden, deshalb liest sie auf der langen Busfahrt nach Callander immer Zeitung. Diesmal stürze auch ich mich drauf, vielleicht erfahre ich ja etwas über die Shetlandinseln.
Iona merkt gleich, wonach ich suche. »Echt schrecklich, was passiert ist.«
»Mein Onkel wohnt da. Gestern wussten wir den ganzen Tag nicht, was mit ihm ist, bis er sich endlich aus Aberdeen gemeldet hat.«
»Du Ärmste«, sagt sie und drückt meine Hand. »Du siehst auch echt etwas mitgenommen aus.«
Fotos von dem Unglück auf den Shetlandinseln bestimmen jede Titelseite. Ich überfliege die Artikel, das meiste ist reine Spekulation. Keine Antworten.
»Was ist da bloß passiert?«, frage ich.
Iona zuckt die Achseln. »Angeblich weiß keiner was. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Irgendwas verschweigen die!«
Auf der Titelseite, ganz in der Ecke steht: Junge stirbt plötzlichen Flammentod. Das glaube ich jetzt nicht. Wie können die so einen Quatsch neben einer Tragödie drucken?
Iona schnaubt abschätzig.
»Was?«
Sie hält eine Zeitungsseite hoch. »Diese Spinner. Wollen eine Genehmigung für etwas, das sie eh schon errichtet haben. Geht um so eine Kommune bei Rannock Wood. Die gehört zu einem Netzwerk, das sich gerade überall in Amerika und Europa ausbreitet. Woanders auch.«
Ich schaue ihr über die Schulter. »Was sind das für Typen? Religiöse Spinner oder stinknormale Spinner?«
»Die nennen sich Multiversum. Keiner weiß so recht, worum es da geht. Die bleiben für sich und versuchen, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Meine Quellen sagen, sie verehren die Wahrheit.«
Wenn Iona von ihren Quellen spricht, reagiere ich schon lange nicht mehr. Irgendwelche Netzwerke sind das, die von Leuten betrieben werden, die zu viel Zeit im Internet verbringen. Das meiste ist totaler Blödsinn, aber hin und wieder hört Iona tatsächlich mal was, bevor es in den Nachrichten erscheint.
»Na, die Wahrheit zu verehren, finde ich jetzt nicht verwerflich.«
»Ja, nur wessen Wahrheit?«
»O Mann, das ist zu viel für mein Hirn am Montagmorgen, Iona.«
Iona blättert zurück zur Titelseite und gibt mir die Zeitung. »In der steht noch mehr über die Shetlandinseln.«
Leichen müssen identifiziert werden und Angehörige informiert. In manche Regionen ist man bislang noch nicht vorgestoßen. Schockiert und traurig betrachte ich die Liste der Vermissten, ganze Familien sind offenbar im Schlaf verbrannt. Ich frage mich, ob ich manche der Leute schon mal gesehen habe, als ich bei meinem Onkel zu Besuch war.
Und dann gibt es auch eine Liste mit den bestätigten Toten, manche mit Foto.
Ganz unten erkenne ich jemanden, mit dem ich so gar nicht gerechnet habe.
»Das ist er!« Vor Schreck sage ich es laut.
Iona schaut auf. »Wer ist das?«
Ich falte die Zeitung so, dass ich nur noch das kleine Bild sehe. Mir darf jetzt kein Fehler unterlaufen, nicht bei einer so wichtigen Sache.
Iona schaut sich das Foto ebenfalls an. »Voll der Schlägertyp.«
Stirnglatze. Ein kleine Narbe über dem Auge. Angriffslustiger Blick. Kein geschwollenes oder blaues Auge, aber das ist ja auch schon ein Jahr her gewesen, und wer weiß, wann das Foto gemacht wurde.
Er ist es. Da bin ich absolut sicher. Der Mann, der mit Calista weggefahren ist.
Ich wühle in meiner Tasche herum, leider finde ich mein Handy nicht. »Rufst du mich mal an?«, frage ich Iona.
Sie verdreht die Augen. »Was machst du denn immer mit deinem Handy?« Sie ruft mich an, nur klingelt es nirgends bei mir.
»Dann habe ich es wohl zu Hause liegen lassen.« Schicksalsergeben hält Iona mir ihr Handy hin.
»Danke. Du bist ein Schatz!«
Doch als ich zugreifen will, zieht sie es wieder weg. »Unter einer Bedingung: Du musst mir verraten, was los ist.«
Ich schaue mich um. Vielleicht ignorieren uns wieder alle, doch das Risiko will ich nicht eingehen. »Hier nicht, später.«
»Okay.« Iona gibt mir ihr Handy. Natürlich weiß ich Kais Nummer auswendig. Als er mir Samstagnacht geschrieben hat, habe ich mir alles ganz genau eingeprägt.
Es klingelt drei-, viermal, dann: »Hallo, hier ist Kai. Bitte hinterlasst mir eine Nachricht!«
Mist. Ich beiße mir auf die Lippe. »Hi, Shay hier. Ich rufe vom Handy einer Freundin an. Im Herald auf Seite zwei, der Dritte von unten links. Brian Daugherty. Das ist er. Der Mann, den ich mit deiner Schwester gesehen habe. Du kannst mich bis vier unter dieser Nummer erreichen, ansonsten ab halb fünf auf meinem Handy. Tschau.«
Iona hebt eine Augenbraue. »Schön. Wolltest du mich noch was fragen?«
»Ähm, kann ich dein Telefon für heute behalten?«
»Kannst du mir auch garantieren, dass du es nicht verbummelst?« Seufzend schüttelt sie den Kopf. »Ja, du kannst es behalten. Aber wenn es weg ist, gibt’s Ärger.«