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Malkurs mit Ana

Salzgitter

Es war einfach ein Versuch: In unserem Flüchtlingscafé bot ich wöchentlich einen Malkurs für Frauen an. Ich hatte keine Ahnung, wie die Flüchtlingsfrauen darauf reagieren würden, entsprechend locker ging ich die Sache an, aber ich betete dafür.

Nach ein paar Wochen kam Ana, eine sympathische, junge Frau, mit dazu, die seit einem Jahr in Deutschland lebt. Sie sprach bereits erstaunlich gut Deutsch und trug kein Kopftuch. Ihre dichten, dunklen Haare waren zu einem langen Zopf geflochten. Fröhlich blitzten mich ihre braunen Augen an: »Mein Mann hat an der Tür gelesen, dass Sie hier einen Malkurs geben, und er hat gesagt: ›Ana, das ist etwas für dich!‹ Da bin ich gekommen«, sagte sie. Von Anfang an war ich überzeugt, dass Gott selbst Ana zu mir geführt hatte. Beim ersten Treffen im Hinterzimmer des Cafés malten wir mit Wasserfarben einen Sonnenuntergang. Obwohl wir mit einer Vorlage in leuchtendem Orange arbeiteten, strahlte ihr Bild eine tiefe Traurigkeit aus. Ich war erschüttert. Dabei schien Ana doch nach außen hin so fröhlich zu sein. Was verbarg sich hinter ihrem Gemälde? Beim nächsten Treffen sollte jeder ein eigenes Motiv mitbringen. Ich selbst wollte eine Geschichte aus der Bibel malen und den Teilnehmerinnen im Kurs erklären. Weil es auf die Weihnachtszeit zuging, wählte ich den Bibelbericht aus Lukas, wie der Engel Gabriel zu dem Teenagermädchen Maria kam und ihr erklärte, dass sie ein Baby bekomme, das dann der Retter der Welt sein würde.

Als wir uns zum Malen trafen, hatte Ana ihren Aquarellmalkasten und ein bereits begonnenes Bild mitgebracht. Ich holte meine Pastellkreiden heraus und malte meine Geschichte aus der Bibel. Als sie mein Bild sah, fragte Ana: »Das ist sicher ein christliches Motiv, oder?« Ich erzählte ihr die Geschichte. Ana erwiderte: »Eigentlich kannte ich das schon, aber wie es genau zugegangen ist, wusste ich noch nicht.« Das nächste Mal brachte sie eine Freundin mit zum Malen. Unsere Gespräche waren lebhaft und fröhlich, und wir kamen auch auf den Weihnachtsmarkt zu sprechen, der am folgenden Wochenende stattfinden sollte.

Ana und ihre Freundin verabredeten sich zu einem gemeinsamen Bummel über den Markt. Ich erzählte beiläufig davon, dass wir als Gemeinde einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt haben würden und fügte schmunzelnd hinzu: »Vielleicht findet ihr uns ja?«

In den nächsten Tagen betete ich: »Herr, bitte schenke doch, dass Ana und ihre Freundin zu unserem Stand kommen und ich ihnen eine Bibel geben darf.« Schließlich bin ich fest davon überzeugt, dass das Buch der Bücher Menschen, die es lesen, wirklich verändern kann. Ich wünschte mir das so sehr für Ana.

Am Freitag auf dem Weihnachtsmarkt wartete ich auf Ana. Stunden vergingen. Würden sie kommen? Zuerst war nicht viel los. Auch mein Bild vom Engel mit Maria hing eingerahmt an der Wand unserer Markthütte. Außen war die Hütte unserer Gemeinde mit Tannengrün und einer Lichterkette geschmückt, innen hatten wir Bücher in verschiedenen Sprachen ausliegen, Bibeln und christliche Bücher aller Art. Und dann entdeckte ich sie! Dick eingemummelt wegen der Kälte steuerte sie direkt auf unseren Stand zu. An der Innenwand entdeckte sie mein Bild von Maria und fragte mich, wie die Geschichte von Jesus weitergegangen sei. Ich lud sie zu einer Tasse Kaffee ein und fing an zu erzählen. Wie der Engel auch zu Marias Verlobtem Josef gekommen war, wie Josef und Maria sich zusammen auf den Weg machten, in eine ungewisse Zukunft, wie sie auf der Suche nach einer Unterkunft nur noch einen Stall ergattern konnten, von der Geburt des Babys Jesus, von den Hirten und dem Engelschor.

Kaum war ich fertig, stellte sie die Frage: »Hast du vielleicht eine Bibel in meiner Sprache? Ich möchte sie gern mit dem Koran vergleichen, ob die beiden heiligen Bücher übereinstimmen.«

Mein Herz machte einen leisen Sprung! Natürlich hatte ich eine Bibel in ihrer Sprache! Ich schenkte ihr ein zweisprachiges Neues Testament. Innerlich jubelte ich Jesus meinen Dank und meine Freude zu, fast wie die Weihnachtsengel. Auch Ana strahlte übers ganze Gesicht. Wir waren beide beschenkt worden.

Ana kam weiter treu zum Malen, und wir redeten jetzt immer öfter über die Bibel: »Viele Geschichten aus der Bibel kenne ich auch vom Koran«, stellte sie fest, »aber in der Bibel stehen sie ausführlicher. Ich habe zum Beispiel nichts von Josef gewusst und gleich meinen Mann und meine Mutter gefragt, ob sie Josef kennen. Sie kannten ihn auch nicht«, erzählte Ana. »Aber es ist schön, sich vorzustellen, dass Josef auch noch da war und Maria ihn als einen liebevollen Mann zur Seite hatte.«

Inzwischen waren Ana und ich Freundinnen geworden. Ich wollte sie gerne einladen, mich zu Hause zu besuchen. Aber eine Malstunde nach der anderen verging, und es kam einfach nicht dazu. Ich wartete auf die richtige Gelegenheit und verschob es immer wieder. Es fiel mir schwer, sie zu fragen. Ich traute mich einfach nicht.

Ich betete: »Lieber Herr, ich hätte Ana so gern als Freundin und möchte sie zu mir einladen. Bitte schenke doch, dass das Gespräch beim Malen von ganz alleine aufs Thema Besuch kommt.«

Wie Gott mein Gebet erhörte, bringt mich heute noch zum Staunen: Er weckte in Ana denselben Wunsch. In der nächsten Malstunde erzählte sie: »Ich habe heute mit meiner Mutter telefoniert und zu ihr gesagt, ich würde dich so gern einmal besuchen.« Als ich das hörte, lud ich Ana voller Freude ein.

Ich stellte Kuchenstücke, Nüsse und Trockenfrüchte bereit, sie brachte selbst gebackene Kekse mit. Wir setzten uns gemütlich an den Wohnzimmertisch und unterhielten uns über die unterschiedlichen Tischsitten in ihrem und meinem Land. Sie erzählte viel aus ihrer Heimat und wie sie dort gelebt haben. Plötzlich rannen ihr Tränen über die Wangen, und es brach aus ihr heraus: »Ich fühle mich so weit entfernt von Gott, Isabella. Kannst du mir helfen?« Endlich wusste ich, warum mich ihr Bild vom Sonnenuntergang damals so traurig angemutet hatte. Ich erzählte ihr davon, dass wir Menschen eine persönliche Freundschaft zu Jesus haben können und wie diese aussieht. Dann ermutigte ich sie zum Gebet – und betete mit ihr, als sie Ja dazu sagte. Wir sprachen noch lange miteinander, ehe sie wieder heimfuhr.

Inzwischen kommt Ana mich öfter besuchen. Sie hat mir beigebracht, wie man guten Tee kocht, und ich ihr unsere Schreibschrift. Wir unterhalten uns über den Glauben und unser Leben. Es ist ihr wertvoll, dass ich mit ihr und für sie bete. Immer wieder liegen Wochen dazwischen, ehe wir uns wiedersehen. Doch ich erlebe mit, wie Jesus sie innerlich berührt und Stück für Stück verändert.

Die mit einem festen Sinn umgibst du mit Frieden, weil sie ihr Vertrauen auf dich setzen!

Jesaja 26,3

Die leise Erweckung

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