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Garz
ОглавлениеUnd setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.
Schiller
Und lachend goß er mit eigner Hand
Voll Wein den Stiefel bis an den Rand.
Pfarrius
Garz, Vichel, Rohrlack, wie schon an andrer Stelle hervorgehoben, sind zur Zeit Quastsche Güter im Westen des Ruppiner Sees. Schon seit 1419 (urkundlich nachweisbar, wahrscheinlich aber schon um vieles früher) saßen die Quaste oder Quäste auf Garz. Am Schluß des sechzehnten Jahrhunderts erblicken wir sie, neben Garz, auch auf Küdow, Karwe, Berlitt und abermals hundert Jahre später auf Protzen.
Der Dreißigjährige Krieg, der so vieles in unserm Lande niederwarf, hob die Quäste (vergleiche die Kapitel »Radensleben« und »Protzen«) auf eine Höhe des Ansehens, wie sie damals nur alle diejenigen Familien errangen, die, statt das Kriegsroß still-ergeben über sich hinwegschreiten zu lassen, lieber ebendies Kriegsroß bestiegen und mit dem Degen in der Hand ihr Glück versuchten. So legten die Sparrs, die Pfuels, die Barfus, die Görtzkes das Fundament zu ihrem, inzwischen freilich mehr oder weniger wieder verschwundenen Reichtume. Mit ihnen auch die Quäste. Derjenige dieses Namens, der seine Familie zuerst glänzend in die Geschichte des Landes einführte, war der schon erwähnte Albrecht Christoph von Quast. Einer Betrachtung seines Lebens wenden wir uns jetzt zu.
Albrecht Christoph von Quast
Albrecht Christoph von Quast ward am 10. Mai 1613 auf dem Rohrschen Gute Leddin geboren. Seine Mutter war eine geborne von Rohr (gestorben 1667) aus Leddin.
Über seine Jugend ist wenig bekannt geworden, doch existieren Aufzeichnungen, wahrscheinlich einer Leichenpredigt entnommen, die, trotz einzelner Unklarheiten und Widersprüche, den Stempel der Echtheit tragen. Danach starb der Vater früh, und Albrecht Christoph wurde studierenshalber auf Schulen geschickt, höchstwahrscheinlich auf die benachbarte Ruppiner Schule. Der entsprechende Hang scheint indessen nichts weniger als groß in ihm gewesen zu sein, und der Anblick der schwedischen Regimenter, die gerade damals in Stadt und Land Ruppin Quartiere bezogen, warf alle Studienpläne rasch über den Haufen. Albrecht Christoph trat, siebzehn Jahr alt, als Musketier in das Kingsche Infanterieregiment und tat seinen ersten Wachtdienst auf dem Fehrbelliner Damm, kaum eine Meile von Garz entfernt. Dies war im August 1630.
1631 war unser Albrecht Christoph bei den Truppen, die die Elbe passierten, zeichnete sich am 17. September bei Breitenfeld, am 6. November des folgenden Jahres bei Lützen und endlich am 26. Juni 1633 bei Hameln aus und trat nach dieser letzteren Affaire, darin das Kingsche Regiment fast völlig vernichtet worden war, von den Musketieren zu den Dragonern über. (Dragoner, wie bekannt, waren in jener Zeit ein Mittelding von Fußtruppe und Reiterei.)
Das Kriegshandwerk sagte unserm Quast zu, nur nicht die Waffenart. Musketier und Dragoner – beides war nicht das Rechte, und als er um ebendiese Zeit vernahm, daß der später so berühmt gewordene Hans Christoph von Königsmarck, sein märkischer Landsmann, als Oberstwachtmeister in das Sperreutersche Reiterregiment eingetreten sei, hielt er sich zu diesem und empfing eine Korporalschaft. Das Kommando dieser Truppe kam alsbald an Königsmarck selbst. Sperreuter übte Verrat und gedachte das ganze Regiment zu den Kaiserlichen überzuführen; in der Tat folgten ihm einzelne Abteilungen. Die vornehmsten Compagnien aber, und zwar unter Führung Königsmarcks, weigerten sich, dem Befehle Sperreuters zu gehorchen, und blieben ihrer Fahne treu. Unter diesen war auch Quast. Feldmarschall Banér, um jene Zeit Generalissimus der Armee, glaubte diese Treue auszeichnen zu müssen; Königsmarck wurde Oberst und erhielt Befehl, aus den treu gebliebenen Compagnien ein neues Regiment zu bilden. In dieses neue, nunmehr Königsmarcksche Regiment trat Albrecht Christoph als Quartiermeister ein. Binnen Jahresfrist war er Cornet und Lieutenant.
Sein Mut und seine Gewandtheit fingen an, ihm in der Armee einen Namen zu machen. Als General Stahlhantsch, der in der glänzenden Schlacht bei Wittstock das schwedische Zentrum kommandierte, 1639 eine »fliegende Armee« nach Schlesien führen sollte, erbat er sich unsren Quast für diese Expedition, der nun als Rittmeister in das Stahlhantsche Corps eintrat. Mit diesem Corps, das inzwischen seinen Führer gewechselt hatte (General Goldstein erhielt es), nahm unser Quast am 24. Februar 1645 an der siegreichen Schlacht bei Jankowitz teil. Eine Folge dieser Schlacht, einer der glänzendsten Siege Torstensons, war die Umstellung von Brünn; die Kaiserlichen wurden eingeschlossen, und Quast war mit unter den Belagerungstruppen. Bei einem Ausfall, den insonderheit unser Albrecht Christoph mit großer Bravour zurückschlug, wurd er am Bein verwundet. Seine erste Verwundung nach vierzehnjähriger Kriegsfahrt, von der berichtet wird.
Die Belagerung erwies sich als fruchtlos (General de Souches führte in glänzender Weise die Verteidigung), und Torstenson ging mit seiner Armee nach Böhmen zurück. Hier gab er Befehl, den wichtigen Punkt Kornneuburg zu befestigen und zu besetzen, und Oberst Copey mit 1000 Musketieren wurde dazu ausersehen. Da es indessen rätlich schien, auch Kavallerie in den Ort zu legen, außerdem aber dem Oberbefehlshaber die Beförderung unseres Quast am Herzen lag, so erhielt der letztere Ordre, eine kombinierte Reitercompagnie zu bilden, und zwar durch Auswahl von je zwei Mann aus jeder Schwadron der Armee. Da die Armee 100 Reitercompagnien hatte, so ergab dies eine Stärke von 200 Mann. Die Wahl der Offiziere wurd in Quasts Hand gelegt. Mit diesem Reitercorps rückte derselbe nun, inzwischen zum Obristlieutenant ernannt, in Kornneuburg ein, um gemeinschaftlich mit Oberst Copey die Verteidigung zu leiten.
Der Feind ließ auch nicht lang auf sich warten. Mit derselben Bravour, mit der Quast im Jahre zuvor die Ausfälle der Belagerten zurückgewiesen hatte, schlug er jetzt seinerseits die rasch sich wiederholenden Attacken der Belagerer ab. Freilich nicht auf die Dauer. Die Besatzung war zu schwach, um dem übermächtigen Gegner lange den Besitz des Ortes streitig machen zu können, und Kornneuburg fiel. Bei dem Sturme, der der Übergabe vorherging, wurde Quast zum zweiten Male, und diesmal in schmerzhafter und gefährlicher Weise, verwundet. Eine Kugel traf seinen Fuß und ging ihm durch Sohle, Blatt und Ferse. Die Heilung zog sich hin, und eine Lähmung des Fußes blieb ihm bis zuletzt.
Diese tapfre Verteidigung, für die Pfalzgraf Karl Gustav (der spätere König), der inzwischen das Kommando übernommen, unseren Quast zum Obersten aufsteigen ließ, war die letzte größere Aktion, an der dieser während des Dreißigjährigen Krieges teilnahm. Achtzehn Jahr lang hatte er mitgestritten und unwandelbar (wie Königsmarck, der sein besonderes Vorbild gewesen zu sein scheint) auf schwedischer Seite gestanden. Der siebzehnjährige Musketier im Regiment King war mit fünfunddreißig Jahren Reiteroberst und Chef eines Regiments. Von 1648 an stand er mit demselben im Münsterschen, aber schon zwei Jahre später erfolgte die Auflösung der Armee. Quast nahm den Abschied.
Er nahm den Abschied, aber keineswegs von der Absicht geleitet, ein für allemal aus dem schwedischen Dienste zu scheiden. Wir schließen dies daraus, daß er sich, bald nach Auflösung seines Regiments, nach Schweden begab, um sich der Königin Christine vorzustellen. Von dieser mit Auszeichnung empfangen (sie ließ ihm ihr mit Diamanten besetztes, an einer güldenen Kette zu tragendes Bildnis überreichen), muß es auf den ersten Blick überraschen, daß er die Anerbietungen, die ihm gleichzeitig gemacht wurden, ablehnte und nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt in Stockholm in die märkische Heimat zurückkehrte. Wir treffen aber wohl das Richtige, wenn wir annehmen, daß er sich bald überzeugte, wie drüben am schwedischen Hof eine Gegenpartei mächtig zu werden begann, die das aus dem Kriege verbliebene deutsche Element nach Möglichkeit beseitigen und die einflußreichen Stellungen innerhalb der Armee wieder ausschließlich mit Nationalschweden besetzen wollte. Gleichviel indes, welche Motive maßgebend waren, unser Albrecht Christoph erschien wieder in seiner heimischen Grafschaft Ruppin, wo ihm sein Vetter Otto von Quast die Quastschen Güter Garz und Küdow käuflich abtrat, »damit er seinen in Kriegsläuften erworbenen Reichtum nicht zum Ankauf im Auslande verwende«. Sein Eintritt in die kurfürstliche Armee geschah nicht unmittelbar.
Dieser erfolgte nicht vor 1655. In diesem Jahre, kurz also vor Ausbruch des Krieges mit Polen, erhielt Quast ein Reiterregiment, dem er bis 1658, wie die biographischen Notizen mit großer Ruhe melden, »zur Zufriedenheit des Kurfürsten vorstand«. Diese nüchterne Bemerkung deutet am wenigsten darauf hin, daß Quast all die Zeit über im Felde war und mit seinem Regiment an der berühmten dreitägigen Schlacht von Warschau teilnahm. Daß er sich während dieser Schlacht, oder während des polnischen Feldzuges überhaupt, vor andern Reiterführern ausgezeichnet habe, wird freilich nirgends erwähnt.
Die Gelegenheit zu solcher Auszeichnung bot erst der nächste Feldzug, der nicht demselben Gegner, den Polen, sondern umgekehrt dem bisherigen Verbündeten, den Schweden, galt. Zur Beleuchtung der Situation nur wenige Worte. Brandenburg war durch den Vertrag von Labiau (1656) allerdings »für ewige Zeit« an Schweden gekettet, die Fortschritte dieses damals auf seiner Höhe stehenden Staates aber erweckten ihm überall in Europa so viele Neider und so mächtige Feinde, daß es der Kurfürst als durch die »Staatsraison« geboten erachtete, Schweden aufzugeben, um nicht mit ihm oder, was wahrscheinlicher war, statt seiner zugrunde zu gehn. Die Staatsraison präponderierte damals in allen solchen Fragen. Eine große antischwedische Liga, ein Fünf-Mächte-Bund kam zustande, der darauf aus war, den ehrgeizigen Plänen des Schwedenkönigs Karl Gustav (der die Gustav-Adolf-Idee eines großen »baltischen Reiches« verwirklichen wollte) ein Ziel zu setzen. Jeder einzelne Staat verfolgte dabei seine Sonderinteressen. Die fünf verbündeten Mächte waren: Östreich, Polen, Dänemark, Holland, Brandenburg. Der Kriegsschauplatz war ein doppelter: ein östlicher (Preußen und Polen) und ein westlicher (Pommern und Holstein). Nur das holsteinsche Kriegstheater interessiert uns an dieser Stelle.
Karl Gustav, im Vertrauen auf sein Geschick und seine Armee, die damals als die kriegstüchtigste in Europa galt, wartete die Vereinigung so vieler Gegner nicht erst ab, sondern ging rasch zum Angriff über, vielleicht in der Hoffnung, sie einzeln zu schlagen. Der Anfang sprach auch dafür, daß es ihm glücken werde. Von der Unterelbe her in Holstein und Schleswig eindringend, besetzte er Alsen und Jütland und ging dann in dem bitterkalten Winter von 1657 auf 1658 über die gefrornen Belte. So bracht er Fünen und Seeland in seine Gewalt. Der Dänenkönig hatte nichts mehr als seine Hauptstadt. Auch diese (das sei vorweg bemerkt) hoffte Karl Gustav in folgendem Winter durch Überrumpelung in seine Gewalt zu bringen. Er ließ einzelne seiner besten Regimenter weiße Hemden über die Uniformen ziehen, um auf der weißen Schneefläche weniger bemerkt zu werden, und ging nun zum Sturme gegen die Festungswerke vor. Die Dänen aber waren wachsam, und, wie ein alter Geschichtsschreiber sagt, »die weißen Hemden wurden manchen zum Leichenhemd«.
Das war im Winter von 1658 auf 1659. Aber schon im Sommer vorher waren die Truppen des »Fünf-Mächte-Bundes« in die Kimbrische Halbinsel eingerückt und hatten die Schweden, die nur 6000 Mann stark waren, vor sich her gejagt. An der Spitze der »Alliierten« stand der Kurfürst selbst. Rendsburg und Schloß Gottorp wurden besetzt, Alsen und Fredericia dem Feinde wieder entrissen. Die Schweden hatten nur noch Fünen und Seeland inne. So kam der Winter.
Vielleicht hatte sich der Kurfürst der Hoffnung hingegeben, die Belte würden wieder zufrieren wie im vorigen Jahr, wo der Winter, wie wir gesehen haben, dem siegreich vordringenden Karl Gustav die Brücke zu den Inseln hinüber baute. Aber die Belte blieben offen, und die Verbündeten sahen sich gezwungen, in Schleswig und Jütland Winterquartiere zu beziehn.
Erst mit dem beginnenden Frühjahr (1659) wurde der Kampf wieder aufgenommen. Es galt nach wie vor die Eroberung der Inseln, zunächst Fünens, das inzwischen von seiten der Schweden in den besten Verteidigungszustand gesetzt worden war. Die holländische Flotte, auf deren Dienst man bei Passierung des Kleinen Belts gerechnet hatte, erwies sich indessen als saumselig, so saumselig, daß dem Führer der Flotte von seiten der Alliierten Schuld gegeben ward, »er hab auf die schwedischen Fahrzeuge nur blinde Schüsse abfeuern lassen«. Politische Rücksichten, der alten Eifersucht gegen die dänische Seemacht zu geschweigen, schrieben der holländischen Flotte eine solche laue Haltung vor.
Unter so schwierigen Verhältnissen mußte man nach und nach und gleichsam ratenweise zu gewinnen suchen, was sich auf einen Schlag nicht erreichen ließ. Man nahm also zunächst die kleine, zwischen Jütland und Fünen gelegene Insel Fanö und schickte sich nunmehr erst an, von diesem vorgeschobenen Posten aus, das eigentliche Streitobjekt (Fünen) zu erobern. Drei Angriffe wurden versucht, aber sie scheiterten alle drei. An der dritten Attacke, die die ernsthafteste war, nahmen einzelne Schiffe teil, die schwedische Flotte jedoch, inzwischen verstärkt, vernichtete die Fahrzeuge der Alliierten, welche letzteren nicht nur unter schwerem Verluste nach Fredericia zurückkehrten, sondern auch Fanö wieder aufgeben mußten.
Diese Niederlagen wurden endlich Ursach eines großen Erfolges.
Der Kurfürst hatte mißmutig den Kriegsschauplatz in Jütland verlassen, um nach Pommern zu eilen, von wo aus eine andere Abteilung des schwedischen Heeres in die Mark einzufallen drohte. Nur vier Reiterregimenter und einige Compagnien Fußvolk waren brandenburgischerseits in Jütland geblieben. Diese standen unter der Führung unsers Albrecht Christoph von Quast, während den Gesamtoberbefehl über die in Jütland stehenden Alliierten der dänische Feldmarschall von Eberstein führte. Die Holländer, die sich, wie schon hervorgehoben, bis dahin abgeneigt gezeigt hatten, zu besondrem Nutz und Frommen Dänemarks die Kastanien aus dem Feuer zu holen, erkannten endlich, daß etwas Entscheidendes geschehen müsse, wenn nicht der Zweck des ganzen Krieges: Brechung der Übermacht Schwedens, als gescheitert betrachtet werden solle. Nebenher mochte der Unmut des Kurfürsten das Seinige dazu beitragen, daß energischere Entschlüsse im Haag die Oberhand gewannen. So erschien denn Admiral de Ruyter in der Ostsee. Im Hafen zu Kiel wurd eine ziemlich bedeutende dänisch-holländische Streitmacht – die hier im Rücken des eigentlichen Kriegsschauplatzes unter Feldmarschall von Schack zusammengezogen worden war – eingeschifft und durch den Großen Belt geführt, um im Norden Fünens gelandet zu werden. Gleichzeitig aber sollte das in Jütland stehengebliebene verbündete Heer einen vierten Versuch zur Überschreitung des Kleinen Beltes machen. Beide Unternehmungen glückten. Feldmarschall Schack landete in Kerteminde, Feldmarschall Eberstein bei Middelfart. In Odense vereinigten sich beide Heerkörper, die nun, etwa 16 000 Mann stark, gegen den Pfalzgrafen von Sulzbach, der die Schweden führte, vorrückten.
Dieser hatte zunächst gehofft, die heranrückenden Armeen der Alliierten einzeln angreifen zu können; als sich dies aber als unmöglich erwies, nahm er feste Stellung vor der Festung Nyborg.
Die vom Pfalzgrafen gewählte Position war geschickt genug: in Front ein Graben, der, durch ein mooriges Terrain gezogen, an einzelnen Stellen mit Wasser gefüllt, an andern, schmaleren aber derart verschüttet war, daß sich ein Übergang ermöglichte, selbst für Kavallerie. Diese leicht zu verteidigenden Übergänge dienten dem schwedischen General als Ausfallbrücken. Den rechten Flügel kommandierte der Pfalzgraf selbst, den linken Generallieutenant Horn; im Zentrum stand der erfahrene General Stenhock mit vierzehn Compagnien Fußvolk und fünf Geschützen vor seiner Front. Reserven, weil es an Mannschaften fehlte, hatte die schwedische Aufstellung beinahe gar nicht.
Dies war die Position, gegen welche die Verbündeten am Morgen des 24. November anrückten. Das Zentrum (holländische Infanterie unter den Obersten Killegray, Alowa und Meteren) führte Feldmarschall Schack, den linken Flügel Eberstein, den rechten unser Albrecht Christoph von Quast. Das zweite Treffen bestand ausschließlich aus den dänischen Regimentern Trampe, Rantzau, Ahlefeldt, Brockhausen, Güldenleu. Die alliierte Armee war zahlreicher als die schwedische, die schwedische aber, kriegsgewohnter, hatte zudem noch den Vorteil, ein Ganzes zu bilden, während die Alliierten aus ganz widerstrebenden Nationalitäten zusammengesetzt waren. Im Kommando scheint auf beiden Seiten keine rechte Einigkeit geherrscht zu haben, jedenfalls handelten die Generale der Alliierten zumeist auf eigene Hand.
Der linke Flügel der letztren eröffnete das Gefecht. Hier standen (wenn ein alter Schlachtenatlas, den wir zu Rate ziehen, das Richtige angibt) unter Führung des dänischen Feldmarschalls von Eberstein die brandenburgischen Reiterregimenter Quast, Kannenberg, Gröben und ein Dragonerregiment. Ihr Angriff scheiterte an der Ungunst des Terrains. Sie wurden geworfen. Der rechte Flügel teilte das Schicksal des linken. Hier, wie wir wissen, kommandierte Quast in Person und führte zunächst die kaiserlichen Regimenter Matthias und Graf Caraffa, ferner das dänische Regiment von der Natt und die polnische Brigade Przimsky ins Feuer. Aber auch sie konnten nichts ausrichten. In diesem kritischen Momente, wo die Reiterei, die zum Teil in das Moor einsank, ersichtlich den Dienst versagte, rückte von Quast mit einer Abteilung Infanterie (Pikenträger) gegen den Pfalzgrafen vor, und dieser Angriff entschied. Quast erhielt zwei Kugeln in den Leib, ließ sich aber, als er infolge so schwerer Verwundung nicht mehr reiten noch gehen konnte, auf die Schultern seiner Pikeniere heben und durchbrach so den feindlichen linken Flügel. Dies gab gleichzeitig das Zeichen zum Vorrücken der holländischen Brigaden im Zentrum, die bis dahin untätig dem Kampfe zugesehen hatten. Und jetzt griff auch die Reiterei wieder ein und warf den Feind über den Haufen. Der Rückzug der Schweden wurde bald eilige Flucht. Ihr Führer, der Pfalzgraf, entkam auf einem Fischerboote, mitten durch die holländische Flotte, nach Korsör auf Seeland, wo er dem harrenden Schwedenkönige die Nachricht von der verlorenen Schlacht brachte. Nyborg, das General von Horn zu halten versuchte, fiel schon am andern Tag; er und das ganze schwedische Corps wurden kriegsgefangen.
Unser Quast hatte den entscheidenden Schlag getan, darüber sind alle Berichte so ziemlich einig, und nur darin weichen sie voneinander ab, mit welchen Regimentern er den feindlichen linken Flügel durchbrach. Es scheinen unter allen Umständen keine Brandenburger gewesen zu sein, denn die Truppen, die brandenburgischerseits an der Affaire teilnahmen, waren zugestandenermaßen Reiterregimenter, die, gleichviel, an welchem Flügel sie gestanden haben mögen, das Schicksal der kaiserlichen Reiterei teilten und nirgends die feindliche Schlachtreihe zu durchbrechen vermochten. Quast gab allerdings den Ausschlag, aber an der Spitze dänischer Pikeniere, die seinem Flügel zunächst in Reserve standen. (Nach einem andern Bericht hätten die holländischen Brigaden des Zentrums die schon halb verlorene Schlacht wieder zum Stehen gebracht. Dann erst hätte Quast mit dem wieder gesammelten rechten Flügel den letzten Schlag getan. Auch diese Lesart hat manches für sich.) Der Sieg von Nyborg war entscheidend. Die Nachricht von der totalen Niederlage seines Heeres soll den schwerkranken Schwedenkönig so erschüttert haben, daß er infolge davon starb, ein Todesfall, der bald danach zum 'Frieden von Oliva und durch ebendiesen Frieden zur endgültigen Oberhoheit Brandenburgs über das Herzogtum Preußen führte. Die Alliierten, nachdem sie zwei Jahre lang die Kimbrische Halbinsel besetzt gehalten hatten, räumten nunmehr das Land. In Hamburg schon wurden die Regimenter entlassen, und auch Quast (übrigens im Dienste des Kurfürsten verbleibend) ging auf seine Güter.
Über die letzten Lebensjahre des Generals wissen wir wenig. Er scheint dieselben, zunächst wenigstens, in ländlicher Zurückgezogenheit und im Kreise seiner Familie zugebracht zu haben. Die niedergebrannten Dörfer wurden aufgebaut, die wüsten Felder neu bestellt, die geplünderten Kirchen erhielten Altarleuchter, Glocken und Kelche. 1661 verheiratete er sich zum zweiten Male, mit Elisabeth Dorothea von Goerne, und drei Jahre später (1664) zum dritten Male, mit Ilse Katharine von Rössing, einer verwitweten von Planitz. Diese dritte Gemahlin überlebte ihn. 1667 betraute ihn der Kurfürst aufs neue mit Errichtung eines Regiments und ernannte ihn beinah gleichzeitig zum Gouverneur der Veste Spandau. Hier starb er, sechsundfünfzig Jahre alt, am 7. Mai 1669 und ward in der dortigen Sankt-Nikolai-Kirche beigesetzt. Erst in neuesten Zeit erfolgte die Überführung nach dem alten Stammgute Garz. In der Gruft der Kirche daselbst steht seitdem ein mächtiger, mit Basreliefornamenten und den Wappen der Ahnen reich ausgestatteter Zinnsarg, der die Inschrift trägt: »Der hochedelgeborne Herr, Herr Albrecht Christoph von Quast, kurfürstlich brandenburgischer Geheimer Kriegsrat, Generalfeldwachtmeister der Kavallerie, Oberster zu Roß und zu Fuß, Gouverneur und Oberhauptmann der Veste und Stadt Spandau, zu Garz, Damme, Vichel, Rohrlack und Wutzetz Erbherr, geboren am 10. Mai 1613, gestorben auf der Veste Spandau am 7. Mai 1669. Wartet der fröhlichen Auferstehung zum ewigen Leben.«
Dies ist es, was wir imstande gewesen sind über das Leben Albrecht Christophs von Quast zusammenzutragen. Es ist alles ziemlich äußerlicher Natur, äußerlich folgen die Taten aufeinander, äußerlich sehen wir ihn steigen von Stufe zu Stufe. Tradition und Sage, die von Derfflinger und Sparr so mannigfach erzählen, haben sich unsres »Siegers von Nyborg« nicht bemächtigt; es fehlen alle Züge, die uns eine tiefere Teilnahme an seinem Lebensgange einzuflößen vermöchten. Und doch war dieser Sieg, den wir vorwiegend ihm verdanken, von einer nach mehr als einer Seite hin entscheidenden Bedeutsamkeit. Durch denselben erlangte Brandenburg, wie wir gesehen haben, die volle Souverainetät über Preußen und somit die Basis für die Königskrone, während für Dänemark aus ebendiesem Kriege sein Königsgesetz hervorging. Zudem war unser Albrecht Christoph der erste, der die brandenburgischen Waffen, vor zweihundert Jahren schon, auf eine der dänischen Inseln hinübertrug.
Die Ehren der Düppelstürmer von heute sind freilich reicher ausgefallen als die der Nyborg-Sieger von damals, aber je heller die Gegenwart strahlt, je mehr geziemt es sich, in Dankbarkeit derer zu gedenken, die ruhmvoll voranschritten. Unter ihnen in vorderster Reihe – Albrecht Christoph von Quast.
Aus der Gruft, darin wir eben die Inschrift am Zinnsarge Albrecht Christophs entziffert haben, treten wir wieder ins Freie, atmen auf in Luft und Licht und schreiten dem Herrenhause zu. Der kühle, mit Marmorfliesen gedeckte Raum heimelt uns bei der drückenden Hitze doppelt an, und doch ist es nicht diese kühle, fliesengedeckte Halle, was uns hierherführte, sondern umgekehrt der sonnenbeschienene Vorflur im ersten Stock, wo wir einem seltsamen Erinnerungsstücke begegnen, das eine sehr andre Zeit als die Zeit unseres Albrecht Christoph vor uns heraufbeschwört. Hier, an einem breiten Fensterpfeiler, an demselben Platz etwa, wo sonst eine Flora oder Pomona oder irgendein andres Stück griechischer Mythologie zu stehen pflegt, erhebt sich statuenhaft und auf niedrigem Postament ein Riesenstiefel mit einem neun Zoll langen Sporn daran und einer anderthalb Zoll dicken Sohle. Das Ganze ein Kunstwerk in seiner Art und trotz seines riesigen Umfanges von einer gewissen Eleganz der Erscheinung. Dieser Stiefel hat seine Geschichte.
Wer kennt nicht das Regiment Gensdarmes? Und wer hätte nicht gehört von der Verschwendungslust und Tollkühnheit seiner Offiziere, von ihrem Mut und Übermut!
Unter den jungen Offizieren ebendieses Regimentes war denn auch Wolf Ludwig Friedrich von Quast, wegen seiner tollkühnen Streiche kurzweg der »tolle Quast« genannt. Eines Tages (wahrscheinlich im Jahre 1794) ging er mit Lieutenant von Jürgaß, dem spätern ausgezeichneten Kavalleriegeneral unter Yorck, über die Weidendammer Brücke, als ihnen, einige Häuser weiter, ein riesiger Sporn auffiel, der im Schaufenster eines Eisenladens hing. Es ward ausgemacht, daß derjenige, der zuerst in Arrest käme, das wunderliche Ding kaufen solle. Jürgaß war der erste, der dieses Vorzugs genoß, und kaufte den Sporn, aber freilich nicht, ohne beim Kauf ein neues Abkommen getroffen zu haben: »Der nächste, der in Arrest kommt, läßt einen Stiefel dazu machen.« Dieser nächste war nun selbstverständlich Quast, und schon eine Woche danach wurde der etwa sechs Fuß hohe Riesenstiefel unter allen möglichen Formalitäten in die Kaserne getragen. Da stand er nun, der Koloß, und der Sporn ward ihm angeschnallt. Aber der Übermut, einmal wach geworden, sehnte sich nach mehr, und so beschloß man denn einstimmig, dem Stiefel zu Ehren ein Fest zu geben, bei dem der Stiefel selbst als Bowle fungieren sollte. Gesagt getan. Das Fest verlief unter dem Jubel aller Beteiligten, aber doch andrerseits auch so, daß folgenden Tages Ordre kam, auf den Stiefel zu fahnden. So leichten Kaufs indes gedachten die jungen Offiziere weder sich noch ihren Stiefel fangen zu lassen, und als die diesem letzteren geltende Stubenrevision ihren Anfang nahm, war der große Stiefel schon mit Extrapost auf dem Wege nach Garz. Aber auch hier war seines Bleibens nicht lange. Das Versteck war verraten worden, und eine Reiterpatrouille hatte striktesten Befehl erhalten, den »Stiefel der Gensdarmes«, es koste, was es wolle, zur Stelle zu schaffen. Was tun in dieser Lage?
Das erste war, ebendieser Patrouille, die schon drei Meilen Vorsprung hatte, diesen Vorsprung wieder abzugewinnen. Es sattelten also befreundete Kameraden, überholten im Fluge das ziemlich ruhig seines Weges trottende Piquet und führten den gefährdeten Liebling von Garz nach Ganzer hinüber, wo derselbe nunmehr, in einem abgelegensten Scheunenwinkel, unter hochaufgeschichteten Strohmassen versteckt wurde.
Daselbst stand er über ein Menschenalter. Das Regiment Gensdarmes war längst tot und die Jürgasse längst ausgestorben, da erbat sich der jetzige Besitzer von Garz, Rittmeister von Quast, den Stiefel von Ganzer her zurück, »da dieser, wenn irgendwohin, am ehesten nach dem ehemaligen Gute des ›tollen Quast‹ gehöre«. Gern wurd ihm gewillfahrt, und blank aufgeputzt steht er seitdem auf dem Flure des Garzer Herrenhauses, ein charakteristisches Überbleibsel aus den Tagen des ›Regiments Gensdarmes‹«.
Wolf Quast, wie so viele Militärs jener mit Unrecht in Bausch und Bogen verurteilten Zeit, war übrigens keineswegs ein bloßer »Junker Übermut«, der nur mit Sporn und Degen über die Straße zu rasseln und gelegentlich in einem Riesenstiefel eine Bowle zu brauen verstand, er war vielmehr umgekehrt ein Mann von hervorragenden Gaben, der die Pflege »nobler Passionen« mit Bildung, Belesenheit und künstlerischem Sinn sehr wohl zu vereinigen wußte. Soldat mit Leib und Seele, war er darauf aus, dem Dienst eine ideale, fast eine wissenschaftliche Seite abzugewinnen, und legte seine Reitererfahrungen in einem Buche nieder, das, wie Fachleute versichern, in allen erheblichen Punkten auch bis heute noch unübertroffen geblieben ist. Seine künstlerischen Neigungen führten ihn nach dem Süden, wo er 1804 erst in Rom und dann in Paris mit Schinkel zusammentraf. Dieser schrieb im Dezember genannten Jahres an den Geheimrat von Prittwitz: »Herr von Quast, mit dem ich schon in Rom schöne Genüsse teilte und den ich hier in Paris wiederfinde, verspricht mir die Ausrichtung meiner Empfehlungen« etc. Das alles deutet auf mehr als auf bloße Tollheiten und Fähnrichstreiche.
Das Ende Wolf Quasts war beklagenswert. Der brillante Reiter starb infolge eines Sturzes mit dem Pferde. Freilich war Mangel an Geschicklichkeit nicht die Ursach. In der Wilhelmstraße, dicht am Platz, war das Pflaster behufs einer Röhrenlegung aufgenommen und bei Einbruch der Dunkelheit für die vorschriftsmäßige Einzäunung nicht Sorge getragen worden. Quasts Pferd stürzte an dieser Stelle. Er selbst fiel so unglücklich, daß er bald danach im Radziwillschen Palais, wohin man ihn brachte, starb, am 2. Mai 1812.
Sein Eichensarg, ohne besonderen Schmuck, steht in der Familiengruft zu Garz. Er war am 13. Februar 1769 geboren.