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Luther – als Vertreter der Kirche

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Abb. 3: Porträt des Martin Luther, Gemälde auf Buchenholz von Lucas Cranach dem Älteren, 1528

Es ist unvermeidlich, dass man die Figur Luthers, die aus der Kleist’schen Erzählung entgegentritt, auf das Bild bezieht, das man von dem historischen Martin Luther (1483–1546) hat. Doch sollte die Differenz zwischen dem historischen und dem fiktionalen Der fiktionale LutherLuther immer bewusst bleiben. Wichtig scheint, jenen Luther, der Kohlhaas zum rechten Handeln ermahnt und sich dann für ihn beim sächsischen Kurfürsten einsetzt, im Spannungsfeld dieser und der übrigen Figuren der Erzählung zu sehen.

Luther wohnt wie der historisch bezeugte Reformator in Wittenberg und ist als Luther als AutoritätAutorität über alle Standesgrenzen hinweg anerkannt. Kohlhaas und seine Frau gehören dem »eben damals aufkeimenden Glauben« (S. 27) ebenso an wie die Kurfürsten Brandenburgs und Sachsens. Dagegen ist der Wiener Hof, bei dem die Klage »wegen Verletzung des öffentlichen Landfriedens« (S. 93) eingeht, ein Zentrum des katholischen Glaubens.

In Wittenberg hat Luther unter dem Rachefeldzug des Kohlhaas zu leiden gehabt. Er fühlt sich verpflichtet, Kohlhaas »in den Damm der menschlichen Politische OrdnungsvorstellungOrdnung zurückzudrücken« (S. 40). Er erinnert ihn in seinem öffentlichen Aufruf daran, dass er »dem Landesherrn […] untertan« sei, dieser Landesherr die zuständige »Obrigkeit« sei, an die er sich zu wenden habe, dass diese »Obrigkeit von [s]einer Sache nichts« wisse, seine »Selbstrache« folglich Auflehnung bedeute und er selbst ein »Rebell« sei, der sich einst vor »Gottes Thron« zu verantworten habe (S. 41). Im Hintergrund dieser Ermahnung ist das mittelalterliche Weltbild zu erkennen, demgemäß Gott von höchstem Thron die Regierungsgewalt den Fürsten übergibt, die sie den Untertanen gegenüber anwenden.

Als Kohlhaas liest, dass er »von dem teuersten und verehrungswürdigsten Namen, den er kannte« der »Ungerechtigkeit« (S. 42) angeklagt wird, sucht er die Aussprache mit Luther. Darin wird ihm bestätigt, dass seine ursprüngliche Forderung nach Wiedergutmachung des auf der Tronkenburg erlittenen Schadens »gerecht« (S. 45), es dagegen ein Vergehen gewesen sei, »eigenmächtig zur Selbstrache« zu schreiten; stattdessen hätte er »um [s]eines Erlösers willen« (S. 46) dem Junker vergeben, die Rappen nehmen und selbst dickfüttern sollen. Diese Art der Christliche KonfliktlösungKonfliktlösung nach christlichen Grundsätzen war auch von Lisbeth schon vorgeschlagen, von Kohlhaas aber verworfen worden.

Luther als VermittlerLuther lässt sich bewegen, den Landesherrn um freies Geleit für Kohlhaas zu bitten, damit dieser seinen Prozess eröffnen könne. Er bleibt aber dabei, in Kohlhaas einen »Rebellen, der sich gegen den Thron auflehne« (S. 48), zu sehen. Er selbst verweigert ihm »die Wohltat des heiligen Sakraments« (S. 47). Nur um größeren Schaden zu vermeiden, setzt Luther sich für Kohlhaas ein. In seinen Augen ist Kohlhaas ein »rasender, unbegreiflicher und entsetzlicher Mensch« (S. 45).

Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist: Reclam Lektüreschlüssel XL

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