Читать книгу Schwarze Nacht und rote Haare - Theodor Horschelt - Страница 7

Оглавление

2. Kapitel: Die Blonde und ein leeres Haus


„Gute Aussichten hat man hier“, murmelte ich.

Jimmy und der blonde Vamp waren herangekommen.

„Ist ‘ne kahle Stelle dort“, fuhr ich fort und deutete an die Wand, die den Betten gegenüber stand.

„Der Schrank könnte mehr nach links“, bestätigte Mistress Lane. „Da stand mal eine Truhe, aber die hat Mister Short mitgenommen.“

„Eine Wäschetruhe?“

„Ja, eine Wäschetruhe. Eine mit einer Polsterbank. Er hat noch mehr Möbel mitgenommen, unten aus der Küche ein paar Kleinigkeiten und einen Sessel.“

Donnerwetter, dachte ich, Sam Priston beobachtet nachts, wie ein Mann eine Frau umhaut und tippt gleich auf Mord, obwohl er dafür keine eindeutigen Anhaltspunkte hat. Am nächsten Morgen ist der Mann ausgezogen, und er hat außerdem eine Wäschetruhe mitgenommen.

Eine Wäschetruhe, die groß genug wäre, eine tote Frau darin zu verbergen.

„Für wie lange können wir das Haus haben?“, fragte ich.

„Für drei Monate zunächst einmal.“

„Mister Short ist verreist?“

Sie nickte nur, und ich merkte, dass sie das Thema nicht gern erörtern wollte. Sie wandte sich zur Tür und sagte: „Dort drüben sind noch zwei Räume. Das Mädchenzimmer und mein Raum.“

„Oh“, sagte Jimmy, und er konnte es sich nicht verkneifen, leise durch die Zähne zu pfeifen. „Sie bleiben hier, Madam?“

„Wo denken Sie hin?“, fragte sie kühl. „Ich bin Mister Shorts Sekretärin. Ich führe ihm auch den Haushalt. Seine Frau war immer sehr krank.“

„Aha“, sagte ich und sah sie aufmerksam an. „Ist Mister Short mit seiner Frau zusammen verreist?“

„Ja“, sagte sie. Sie sah stumm zu Boden, und ich spürte, dass irgend etwas nicht stimmte. Es war ziemlich naheliegend, sich vorzustellen, was hier im Gange war.

„Kann Mister Short denn seinen Betrieb so lange im Stich lassen?“, fragte ich, während wir den oberen Flur überquerten und uns die beiden anderen Zimmer ansahen.

„Ich vertrete ihn“, sagte sie. „Außerdem telefonieren wir fast täglich.“

„Verbringt Mister Short mit seiner Gattin den Urlaub hier in der Nähe?“, fragte Jimmy.

„Ja“, sagte sie, „aber nicht an einem bestimmten Ort. Er fährt viel ‘rum. Er hat gesagt, er wolle eine Fahrt ins Blaue machen.“

„Eine Fahrt ins Blaue? Nette Idee. Besonders nett, bei der Gelegenheit dann auch noch Möbel mitzuschleppen. Hat er ‘nen Wohnwagen?“

Die Frau sah mich an, ihre braunen Augen, die mitunter vielleicht ganz nett aussahen, wirkten in diesem Augenblick kalt und feindselig.

„Er hat die Möbel in seinem Wochenendhaus. In Santa Monica. Außerdem verstehe ich Ihre vielen Fragen gar nicht. Nehmen Sie das Haus nun oder nicht?“

„Die Miete ist uns zu teuer“, sagte ich.

„Ich habe Ihnen doch noch gar nicht gesagt, was es kostet.“

„Es ist in jedem Fall zu teuer“, sagte Jimmy und sah mich auffordernd an.

Ich nickte bestätigend, und wir gingen zur Treppe. Die Frau war wie erstarrt stehen geblieben und sah hinter uns her. Dann aber löste sie sich aus ihrer Verkrampfung und kam eilig hinter uns her, so schnell, wie ihr viel zu enger Rock es gerade noch gestattete.

„Hallo, Sie! Ich verstehe überhaupt kein Wort. Gefällt Ihnen das Haus nicht? Sie haben doch gesagt, Sie würden es bestimmt nehmen. Über den Mietpreis könnte man immer noch sprechen.“

„Na gut“, sagte ich zögernd, während wir schon über die Treppe nach unten gingen. „Ich überleg‘s mir noch mal. Du haust ab, Jimmy. Du weiß ja, es ist wenig Zeit.“ Und leise flüsternd fügte ich hinzu: „Polizei. Chemische Untersuchung.“

Jimmy machte eine saure Miene und ging zur Haustür.

„Viel Spaß noch“, sagte er und wedelte mit seinem Hut.

Die blonde Frau war mir gefolgt.

Einen Augenblick lang standen wir uns gegenüber. Sie war nur einen halben Kopf kleiner als ich, so dass wir uns genau in die Augen sehen konnten.

„Was soll das eigentlich alles bedeuten“, flüsterte sie. „Ich spüre doch, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wollen Sie das Haus nun wirklich mieten, oder was wollen Sie eigentlich? Sind Sie von der Zeitung?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich bin wirklich an dem Haus interessiert“, sagte ich. Das stimmte sogar. „Mein Nachbar drüben hat mich auf das Haus hingewiesen. Mister Priston. Kennen Sie ihn?“

Sie schüttelte den Kopf und sah mich unverwandt an.

„Keine Ahnung. Ich kenne hier draußen kaum jemand. Ich bin ja meist im Atelier.“

„Wie kommt es, dass Sie hier eine Wohnung haben. Hier im Hause Ihres Chefs?“

„Weil Mister Short ein Roboter ist. Ein Mann, der unentwegt arbeitet. Tag und Nacht. Wenn er mitten in der Nacht eine Idee hat, dann klingelt er mich raus, und ich darf stenografieren.“

„Er sollte sich ‘n Tonbandgerät anschaffen.“

„Das habe ich auch schon gesagt. Aber er will es am nächsten Morgen sofort in Schreibmaschinenschrift vorliegen haben. Das hat alles seinen Zweck. Es geht nur so. Morgens beim Frühstück besprechen wir alles, was ihm in der Nacht eingefallen ist. Sie können mir glauben, es ist manchmal eine ganze Menge.“

„Vielleicht ist er es seinem Beruf schuldig“, sagte ich. „Sicher müssen Filmproduzenten unentwegt komische Einfälle haben. Sein letzter komischer Einfall war wohl die Fahrt ins Blaue.“

Sie schloss die Augen und wandte sich ab. Irgend etwas schien ihr an dieser ganzen Fahrt ins Blaue nicht zu behagen. Vielleicht war sie ‘n bisschen eifersüchtig. Sie deutete auf einen Sessel.

„Kommen Sie, wir setzen uns. Kommt Ihr Bekannter zurück?“

„Wenn ich Ihre Zeit so lange in Anspruch nehmen darf“, erwiderte ich artig, „wäre das sehr nett. Er hat noch ‘ne dringende Besorgung und will mich dann wieder hier abholen.“

„Aha“, machte sie, „hängt Ihr Entschluss, das Haus zu nehmen, vielleicht davon ab?“

„Ja, das kann schon sein“, erwiderte ich zögernd. „Sie müssen meine Ungeduld verstehen“, sagte sie. „Ich habe drüben im Atelier jetzt eine Menge zu tun. Unser neuer Film geht jetzt ins Atelier. Die Außenaufnahmen sind schon erledigt.“

„Das Geheimnis des Urwaldfressers?“, fragte ich.

„Oh, Sie kennen den Titel. Albern, nicht wahr?“

„Ja“, sagte ich.

„Aber so was geht.“

„Jedenfalls keine schlechte Idee, so ein Titel. Auch ‘ne Idee von Mister Short?“

„Aber ja. Die Titel sucht er immer selber aus. Manchmal haben sie mit dem Inhalt nichts zu tun. Aber das ist egal. Hauptsache, die Leute gehen ins Kino.“

„Das leuchtet mir ein“, sagte ich. „Es muss nett sein, einen Chef zu haben, der immer viele Ideen hat. Was für eine Idee hatte er denn letzte Nacht?“

„Wie meinen Sie das?“, flüsterte sie tonlos und starrte mich an. Ihre Augen waren groß und rund und fassungslos.

„Oh“, sagte ich wegwerfend. „Sie sagten nur, er hätte nachts immer so tolle Ideen.“

„Gestern war hier ‘ne Abschiedsparty. Es war ziemlich viel Betrieb, und wir sind noch gar nicht ganz fertig, das Haus wieder in Ordnung zu bringen.“

„Und Mister Short ist dann abschließend gleich abgefahren, wie zu ‘ner richtigen Hochzeitsreise?“

„Ja, genau wie eine Hochzeitsreise“, sagte sie, „nur mit dem Unterschied, dass die Braut fehlte.“

„Sie meinen seine Frau?“

„Ja, sie war nicht da. Sie war einfach nicht aufzutreiben. Er fuhr aber trotzdem ab, weil er in Santa Monica heute Mittag eine Verabredung hat.“

„Macht er sich denn keine Sorgen?“

„Um Mistress Short? Um die braucht man sich keine Sorgen zu machen. Sie ist genauso originell wie er. Sicher hatte sie den Einfall, irgendwo in einer Bar ein paar Drinks zu nehmen und sich von der Gesellschaft abzusondern. Niemand nahm das weiter tragisch, und sie fanden es alle völlig okay, dass Paul ... Mister Short, allein abfuhr. Sie weiß ja, wo er heute Mittag zu erreichen ist. Im Hilton in Santa Monica. Vielleicht bleibt er sogar noch zwei Tage länger da.“

Ich sah auf meine Armbanduhr und fabrizierte einen Schreck.

„Oh, ich muss noch mal rüber zu meinem Bekannten. Bleiben Sie hier im Haus?“

Sie nickte stumm und blieb auf der Couch sitzen. Sie sah mir nach, wie ich durch die Halle auf die Haustür zuging. Als ich mich dort noch einmal umsah, lächelte sie.

„Sie sind ein sehr seltsamer Mieter“, sagte sie.

„Es gibt ‘ne Menge seltsamer Menschen!“ Ich fletschte lächelnd die Zähne und ging hinaus.

Was war da geschehen? Die Frau war verschwunden. Obwohl sie am nächsten Morgen mit ihrem Mann abreisen wollte. Sam Priston hatte so was wie eine Schlägerei oder gar eine Schießerei oder gar eine Ermordung mitangesehen. War vielleicht die Frau das Opfer? War sie in der Wäschetruhe weggeschleppt worden? Die Frau war immer krank, hatte Mistress Lane gesagt. Aber sie war angeblich nicht krank genug, um nicht in irgendeiner Bar herumzuscharwenzeln. Obendrein noch in einer Nacht, in der sie das Haus voller Gäste hatte.

Die ganze Geschichte gefiel mir nicht. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass es besser gewesen wäre, wenn Sam Priston sich an einem anderen Tag um seine Nachbarschaft gekümmert hätte.

Als ich wieder bei Sam war, sagte ich es ihm, aber der winkte nur unwillig ab und schüttelte seinen verbundenen Kopf. Ich stellte mich ans Fenster und wartete. Dann kamen zwei Wagen. Sie hatten die Polizeisirene nicht angestellt. Ich ließ mich hinter dem Fenster sehen und winkte Jimmy heftig zu. Ich bedeutete ihm, dass er auch den Beamten mitbringen solle, der neben ihm saß.

Jimmy hatte kapiert. Er kam bis dicht ans Fenster.

„Geh nicht mit rein, Kleiner. Beschreib ihnen genau, wo es ist und erzähle ihnen, irgend jemand von der Party hätte Verdacht geschöpft. Die Blonde braucht nicht zu wissen, dass wir ihr die Polizei auf den Hals gejagt haben.“

„Sie haben‘s gehört, nicht?“, sagte Jimmy zu dem Beamten. „Tun Sie uns den Gefallen. Vielen Dank.“ Der Beamte wandte sich ab, und Jimmy sah noch mal zu mir auf. „Ich komm gleich rein. Es dauert ungefähr zehn Sekunden, dann bin ich drin. Versuch bis dahin, ‘n Whisky kalt zu stellen.“

Schwarze Nacht und rote Haare

Подняться наверх