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Pacem in terris (1963)
ОглавлениеWer zum Thema Frauen und Konzil sucht, der oder die findet immer wieder zwei Dokumente: Pacem in terris von 1963, streng genommen kein Konzilsdokument, sondern eine päpstliche Enzyklika von Johannes XXIII., und Gaudium et spes aus 1965. Wer weitersucht, findet einen Absatz, der tatsächlich nur den Frauen gewidmet ist, nämlich in Pacem in terris und einen eigenen Artikel in Gaudium et spes, in welchem die Frau als Teil des harmonischen Eheganzen vorkommt. Dass diese beiden raren Fundstücke bis heute als Meilensteine gefeiert werden, sagt schon fast alles.
Aber wir schreiben die frühen 1960er-Jahre, und wenn der unterhaltungsbedürftige Teil der Bevölkerung Männergesprächen am Pool lauscht, kann ein einziger Absatz, der sich ernsthaft dem Thema Frau widmet, als bedeutungsvoll gesehen werden. Zumal dieser Absatz im Vergleich zu den allermeisten späteren Dokumenten erstaunlich unsentimental und frei von spirituell überhöhten Überlegungen Klartext spricht:
„… die allgemein bekannte Tatsache, daß die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt, was vielleicht rascher geschieht bei den christlichen Völkern und langsamer, aber in aller Breite, bei den Völkern, welche als Erben anderer Überlieferungen auch andere Lebensformen und Sitten haben. Die Frau, die sich ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewußt wird, ist weit davon entfernt, sich als seelenlose Sache oder als bloßes Werkzeug einschätzen zu lassen; sie nimmt vielmehr sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen.“ (41)
Nimmt man diesen Passus ernst, bedeutet er ein Ende der Männergespräche. Die Frau bleibt am Pool (oder Verhandlungstisch), um am öffentlichen Leben und damit an den wichtigen Entscheidungen und damit wiederum an der Macht teilzunehmen. Letzteres wird nicht nur nie gesagt, es ist geradezu ein Unwort in kirchlichen Schreiben zum Thema Geschlechterrollen, das mit einem sprachmagischen Tabu behaftet ist. Doch dazu später mehr. Allein die nüchterne Feststellung der weiblichen Beteiligung am öffentlichen Leben ohne Einschränkungen oder besondere Belange (Kinder, Erziehung etc.) sowie ohne Verweis auf männliche Begleitung oder Ergänzung, wie es später fast zur obsessiven Pflicht wird, ist bemerkenswert genug. Fast schon ironisch-verschmitzt liest sich die Begründung westlicher Emanzipationsgeschichte im 20. Jahrhundert als Resultat der Zugehörigkeit dieses Kulturkreises zum Christentum. Was soll hier angedeutet werden? Dass das Christentum schon immer Gleichberechtigung und Frauen in der Öffentlichkeit sehen wollte, aber leider erst jetzt die Zeit dafür gekommen ist? Oder aber, dass es im Christentum immer noch besser um den Status der Frau bestellt ist als in anderen Religionen? Ein etwas schlechtes Gewissen ob der Vergangenheit hat man dann aber doch: Früher, so darf man im logischen und sprachlichen Umkehrschluss folgern, wurde die Frau sehr wohl als Werkzeug gesehen (ja, tatsächlich: adiutorium viri heißt das bei Thomas von Aquin), als seelenlose Sache nicht, nur hat sie ihre Seele erst später bekommen als der Mann (auch bei Thomas, wem sonst). Noch viel später hat sie dann das Wahlrecht und damit die Möglichkeit zur Wahrnehmung der „Rechte und Pflichten im Staat“ bekommen, nicht unbedingt immer zur Freude jener Parteien, die sich als christlich bezeichneten, aber das war dann wohl der Einfluss der unchristlichen Völker und ihres Erbes …
1963 jedenfalls ist für die katholische Kirche die aktive Teilnahme der Frau an Staat und Gesellschaft selbstverständlicher Teil ihrer Menschenwürde. Keine Rede davon, dass es eine genuin weibliche Würde gebe, schon gar keine Rede von einem Wesen der Frau mit allen möglichen Besonderheiten. Die Autoren von Pacem in terris sind hier in ihrem Frauenbild dem populären Unterhaltungskino und wohl einem nicht geringen Teil der Bevölkerung eindeutig voraus.
Das einzige Problem, das sich retrospektiv ergibt: Die Formulierungen sind so allgemein gehalten, dass man sie mit einer gewissen Findigkeit bei all jenen Spezialfragen, auf welche sich ab 1968 das Thema Frau und Kirche konzentriert, umgehen kann. Oder schlimmer noch: Man kann gerade den Begriff der Würde gegen das Recht ausspielen, die Besonderheit Frau gegen die Allgemeinheit Mensch. Pacem in terris aber sieht das Thema Frau noch nicht als Spezialproblem, schon gar nicht als Infragestellung lehramtlicher Anthropologie, sondern als Teil des Versuchs, Gerechtigkeit und Menschenwürde möglichst umfassend zu etablieren und dabei das, was später als „Race, Class und Gender“ bezeichnet wird, nicht zum Kriterium der einschränkenden Differenzierung werden zu lassen. Warum das bei Race und Class im Großen und Ganzen funktioniert – es gibt keine gesonderten Schreiben über die spezielle Würde und das unveränderliche Wesen verschieden pigmentierter Ethnien oder des Arbeiterstandes – und die Geschlechterrollen ein solches Problem werden, ist interessant nachzuverfolgen, optimistisch stimmt es für das Verhältnis von Frau und Kirche nicht immer.