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Und so meint es Gaudium et spes

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Endlich konnten das eigene Begehren und die sexuelle Vereinigung mit einer Frau als Teilhabe am Heilsgeschehen ohne nähere Klauseln verstanden werden. Aus männlicher Sicht, wohlgemerkt. Ich kenne keine Frau der heutigen Generation 70 plus, die so von der Befreiung durch Gaudium et spes schwärmt wie Männer. Das mag wesentlich daran liegen, dass Theologen damals Priester waren, die sich dann, von der theologischen Aufwertung der Ehe motiviert, laisieren ließen, das mag aber auch daran liegen, dass frau die entsprechenden Passagen schon damals eher als Männergespräch empfunden hat. Männer reden darüber, wie schön die eheliche Liebe für Mann und Frau doch sei. Frauen sind Teil eines harmonischen Ganzen, eben der Ehe. Und dort aber fallen die strengen Benimm- und Berührregeln von „vorher“ zugunsten einer Theologie der Ehe, welche die Frauen zunächst einmal mitmeint, in weiterer Folge aber wesentliche Grundlage für alle weiteren kirchlichen Diskurse über Frauen wird.

„Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d. h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft. Dieses heilige Band unterliegt im Hinblick auf das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Willkür. Gott selbst ist Urheber der Ehe, die mit verschiedenen Gütern und Zielen ausgestattet ist.“ (48)

So beginnen die Artikel zur „Heiligkeit von Ehe und Familie“. Das klingt doch schon ganz anders als der Anfang der Summa Theologiae Moralis zum gleichen Thema:

„Der Gebrauch der Ehe besteht in jener Handlung der Gatten, welche von der Natur zur Bewahrung und Weitergabe des Menschengeschlechts eingerichtet wurde, d. h. in der fleischlichen Verbindung.“

Gegenseitig zu schenken und anzunehmen, das ist doch wahre Gleichberechtigung, nicht dieser Gender-Wahn, kann man heute von jungen, charismatischen Kaplänen hören, deren Eltern zur Zeit des Konzils noch in der häuslichen Obhut der Mutter waren, wie es in Gaudium et spes formuliert wird. Aus dem angenommenen Geschenk der ehelichen Liebe wird aber rasch eine extrem hohe Verbindlichkeit, die direttissima zu Gott zurückreicht. Nicht, dass nicht auch vor dem Konzil die Ehe als Institutum göttlichen Rechts und dementsprechend ihre Unauflöslichkeit gegolten hätte. Die extreme Personalisierung und Emotionalisierung der Ehe bereits in diesen ersten Zeilen von Gaudium et spes gilt aber nicht mehr nur den unmittelbar Betroffenen, also den Ehepartnern, sondern auch Gott, dessen Anwesenheit als stiller Teilhaber wiederholt strapaziert wird.

„Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches in sich eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben; ja gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun verwirklicht sie sich und wächst.“ (49)

Sehr schön. Aber was, wenn doch nicht? Einer der Knackpunkte der Familiensynode 2015, der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten oder gar die Möglichkeit einer erneuten Ehe, scheitert in Wahrheit nicht an Mt 19,6 („Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“). Das wirkliche Problem in den Köpfen der Verantwortlichen, nach wie vor überwiegend klerikale Männer, ist die extreme Stilisierung der Ehe, wie sie mit Gaudium et spes beginnt. Dieses Problem betrifft natürlich Männer und Frauen. Und man muss der Pastoralkonstitution zugute halten, dass sie die hohen Anforderungen ausdrücklich an beide Geschlechter stellt. Aber in den genannten Männerköpfen und auch in der realen Soziologie wird das Problem Scheidung eben nicht in gleichem Maß bei Männern und Frauen verortet. Die gesellschaftlichen Entwicklungen, beginnend nur wenige Jahre nach 1965, eröffneten Frauen die Möglichkeit rechtlicher und wirtschaftlicher Autonomie und damit den Ausweg aus all jenen Beziehungen, wo das „Schenken und Annehmen“ eher einseitig zu finden war und die zitierte „Selbstlosigkeit“ zur ausschließlich weiblichen Tugend verengt wurde, wie wir es in den 1980er-Jahren in kirchlichen Texten lesen werden. Das Eheverständnis des Konzils ist der gut gemeinte Versuch, von der detaillierten Normierung des Ehelebens wegzukommen und ein fundamentales theologisches Verständnis der sakramentalen Verbindung von Mann und Frau zu etablieren – und diese so in die neuen Zeiten hinüberzuretten. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut, sagt der gemeine Volksmund, und zumindest aus heutiger Perspektive ist da etwas Wahres dran. Bei näherer Betrachtung wird nämlich genau jener normativ-detaillierte Teil von Noldin/​Schmitt und der dahinterstehenden Ehelehre hinübergerettet, der nur drei Jahre später, 1968, zum Anfang vom Ende der kirchlichen Diskurshoheit in Sachen Sexualität führen und ein Frauenbild etablieren wird, das in steiler Kurve von der Realität wegführt: Unmittelbar an die hohe Spiritualisierung der Ehe als Einheit von Menschlichem und Göttlichem anschließend, geht es wieder genau um jene Konkretion des Ehelebens, der schon die Summa von 1941 viele Absätze widmet: Der Verpflichtung zur Fortpflanzung oder, umgekehrt formuliert, dem Verbot der Verhütung.

„Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“ (51)

Gut gemeint ist wirklich nicht immer gut. Kaum eine Theologiestudentin heute versteht ansatzweise, was denn eigentlich genau und warum verboten ist. Was hängen bleibt, ist eine seltsame semantische Kluft zwischen einem äußerst emotionalen Grundton und einer hart-normativen Sprache, die von objektiven Kriterien, dem Lehramt und dem göttlichen Gesetz spricht.

Wovon nicht gesprochen wird: Die geschlechtsspezifischen Folgen dieses Verbotes. Dass Schwangerschaften und Geburten Frauen mehr betreffen, ebenso die zumindest 15 Jahre danach, ist schlichtweg nicht am Radar der Konzilsväter. Ein einziges Mal (!) in dem gesamten Abschnitt über Ehe und Familie wird die Frau speziell angesprochen – das ist um ein Vielfaches weniger als in der vorkonziliaren Abhandlung über den Gebrauch der Ehe. Und an dieser Stelle, wie könnte es anders sein, geht es um ihre Rolle als Mutter:

„Zu ihrer Erziehung trägt die anteilnehmende Gegenwart des Vaters viel bei. Aber auch die häusliche Sorge der Mutter, deren besonders die jüngeren Kinder bedürfen, ist zu sichern, ohne daß eine berechtigte gesellschaftliche Hebung der Frau dadurch irgendwie beeinträchtigt wird.“ (52)

Vor allem der letzte Satz liest sich wie ein Orakel für alle späteren Diskussionen und ideologischen Positionierungen zum Thema Frauen-Kinder-Beruf, dessen volle Bedeutung anno 1965 wohl den wenigsten klar war, zumal die meisten Frauen ohnehin noch zu Hause waren.

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