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§ 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung

Wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, handelt es sich bei dem durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gebildeten Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums um eine Spezialmaterie unserer Rechtsordnung, die in ihrer Systematik und ihrer normativ-rechtlichen Ausgestaltung dem immateriellen Charakter der von ihr erfassten Schutzgegenstände Rechnung trägt. Die für eine Abgrenzung als Rechtsgebiet hinreichend klaren Konturen haben sich im Laufe der historischen Entwicklung herausgebildet und spiegeln sich, wie dargestellt, in entsprechender Weise auch im internationalen Regelwerk zum Schutz des geistigen Eigentums wider. Gleichwohl handelt es sich beim Recht des geistigen Eigentums keineswegs um eine isolierte Rechtsmaterie, deren umfassendes Verständnis allein aus sich heraus zu erschließen wäre. Vielmehr handelt es sich auch bei dem Recht zum Schutz des geistigen Eigentums um ein Rechtsgebiet, das vielfältige Bezüge zu anderen Gebieten unserer Rechtsordnung aufweist.

I. Verfassungsrechtliche Bezüge

Das Recht des geistigen Eigentums ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung des Wirtschaftslebens. Das heißt, die Verfassung gewährleistet den Schutz des gewerblich und kreativ Schaffenden in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen. Sie sichert die Persönlichkeit des geistig Schaffenden gegen staatliche Eingriffe und garantiert die Freiheit der gewerblichen bzw. schöpferischen Betätigung (Art. 1, 2 GG).1 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht bekanntlich über den bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff insofern hinaus, als er nicht nur auf Sachen beschränkt ist. Soweit vermögensrechtliche Interessen betroffen sind, fallen die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht als eigentumsähnliche Vermögensrechte daher auch unter den Schutz der EigentumsgarantieGarantieEigentums-Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14). Der verfassungsmäßige Schutz des geistigen Eigentums ist jedoch nicht nur auf unsere nationale Rechtsordnung beschränkt. Exemplarisch zu nennen sind insoweit der Schutz des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 Europäische Grundrechtecharta (GRCh) und die Anerkennung des „gewerblichen und kommerziellen Eigentums“ in Art. 36 AEUV.

II. Das Recht des geistigen Eigentums als Teil des PrivatrechtPrivatrechts

1. Zuordnung zum Privatrecht

Der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht sind Teilgebiete des Privatrechts.1 Sie dienen in erster Linie dem Schutz gewerblicher bzw. kreativ-schöpferischer Schaffensergebnisse und damit verbundener privater Interessen gegenüber anderen privaten Teilnehmern am Rechtsverkehr. Die Zuordnung des geistigen Eigentums zum Privatrecht hat inzwischen international ihre ausdrückliche Bestätigung in der Präambel des TRIPSTRIPS-Abkommens2 (s.o. § 4 IV. 5.) gefunden. Bei den durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gewährten Rechten handelt es sich um absolute subjektive Privatrechteabsolut subjektives Privatrecht, die als AusschließlichkeitsrechteAusschließlichkeitsrecht ausgestaltet sind und gesetzestechnisch, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s.o. unter § 1 II.), dem Schutz des Sacheigentums angenähert sind. Die sich aus den gewerblichen Schutzrechten bzw. dem Urheberrecht ergebenden Rechte des Rechtsinhabers, insbesondere die zivilrechtlichen Ansprüche auf UnterlassungUnterlassung, SchadensersatzSchadensersatz, Auskunft, VernichtungVernichtung (etc.), können gegenüber dem allgemeinen Deliktrecht (§§ 823ff. BGB) als spezielles Deliktsrechtspezielles Deliktsrecht verstanden werden.3

2. Nebengebiete des bürgerlichen Rechts

Als Teilgebiet des Privatrechts sind der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht (jeweils) Nebengebiete des bürgerlichen Rechts (BGB), das zur Ergänzung der Sondergesetze herangezogen werden kann. Allgemein anerkannt ist, dass die gewerblichen SchutzrechtSchutzrechtgewerblichese und das Urheberrecht als absolute subjektive Rechte auch als „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind. Bei einer Verletzung eines Immaterialgüterrechts können daher zur Ausfüllung von Lücken der Sondergesetze Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB hergeleitet werden, wobei das allgemeine Deliktsrecht auf eine subsidiäre ergänzende Rolle beschränkt ist.1 Vor allem jedoch kommt der ergänzenden Anwendung bürgerlich-rechtlicher Regeln für Fragen des Rechtsverkehrs, d.h. der ÜbertragungÜbertragung und LizenzLizenz-ierungierung von gewerblichen Schutzrechten, die in den Sondergesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes nur fragmentarisch geregelt sind,2 erhebliche praktische Bedeutung zu.3 So ist für vertragsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertung gewerblicher Schutzrechte durch Übertragungs- oder Lizenzvertrag regelmäßig auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen. Obgleich das Urheberrecht – anders als die gewerblichen Schutzrechte – unter Lebenden nicht übertragbar ist (§ 29 Abs. 1 UrhG) und das UrhebervertragsrechtUrheber-vertragsrecht – die vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten durch den Urheber – eine vergleichsweise ausführlichere gesetzliche Regelung erfahren hat (vgl. §§ 31ff. UrhG; VerlagsG), ist auch insoweit für die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB unverzichtbar.4 Die Rechtsnatur des Lizenzvertrags, durch den ein gewerbliches Schutzrecht einem anderen zur Benutzung überlassen wird, ist gesetzlich nicht bestimmt. Da sich der Lizenzvertrag nicht ohne weiteres in die Vertragstypologie des BGB und des HGB einordnen lässt, geht die h.M. vom Vorliegen eines Vertrages sui generis aus, auf den je nach Ausgestaltung im Einzelfall die Vorschriften der Rechtspacht, der Miete, aber auch des Kaufvertrags- und Gesellschaftsrechts zur Anwendung kommen sollen.5 Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die dem Lizenzvertrag in der Wirtschaftspraxis zukommt,6 erweist sich die geltende Rechtslage zum Lizenzvertragsrecht mit Blick auf die zuvor erwähnten lückenhaften sondergesetzlichen Regelungen sowie die Schwierigkeiten einer Einordnung in die bestehende gesetzliche Vertragstypologie als unbefriedigend. Eine eigenständige, dem spezifischen Wesen des Lizenzvertrages Rechnung tragende Regelung des Lizenzvertragsrechts erscheint daher de lege ferenda geboten.7

3. KennzeichenKennzeichenandereschutz außerhalb des Markengesetzes

Im Bereich des Kennzeichenschutzes ergeben sich wichtige Berührungspunkte zwischen dem markenrechtlichen Schutz der geschäftlichen Bezeichnung (§§ 5, 15 MarkenG) und dem bürgerlich-rechtlichen NamensrechtNamensrecht (§ 12 BGB) sowie dem handelsrechtlichen FirmenrechtFirmenrecht (§§ 17ff., 37 Abs. 2 HGB).1

4. Bezüge zum ArbeitsrechtArbeitsrecht

Bedeutsame Bezüge des Immaterialgüterrechts zum Arbeitsrecht ergeben sich insbesondere überall dort, wo es um die Frage der rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Zuordnung von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit geht, die von abhängig Beschäftigten erarbeitet werden. Für den wichtigen Bereich der vom Patent- und Gebrauchsmusterrecht erfassten technischen Erfindungen ist der fragliche Interessenausgleich zwischen ArbeitnehmererfinderArbeitnehmer-erfinder und Arbeitgeber spezialgesetzlich im ArbeitnehmererfindergesetzArbeitnehmer-erfindergesetz (ArbEG) geregelt (näheres hierzu s.u. 2. Abschnitt, 6. Kapitel). Für den Bereich der sonstigen gewerblichen Schutzrechte sowie das Urheberrecht finden sich entsprechende, allerdings lediglich rudimentäre Regelungen in den jeweiligen Sondergesetzen,1 die eine unterschiedliche Regelungsdichte aufweisen und von grundsätzlich unterschiedlichen Prinzipien ausgehen.2

III. Verwaltungsrechtliche Bezüge

Obgleich die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums, wie dargestellt, mit Blick auf die durch sie begründeten absoluten subjektiven Privatrechte dem Privatrecht zuzuordnen sind, ergeben sich – vor allem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes – auch verwaltungsrechtliche Bezüge. Bekanntlich ist für die Erlangung eines gewerblichen SchutzrechtSchutzrechtgewerblicheses im Grundsatz, d.h. soweit dieses nicht ausnahmsweise ohne Registrierung entsteht (§ 4 Nr. 2, 3 MarkenG; Art. 1 Abs. 2a GGVO), die Mitwirkung einer VerwaltungsbehördeDPMAVerwaltungsbehördeBehördeVerwaltungs-, in Deutschland regelmäßig die des DPMA,1 erforderlich. Das durch die AnmeldungAnmeldunggewerbliches Schutzrecht eines gewerblichen Schutzrechtes eingeleitete Verfahren vor dem DPMA (bzw. dem BundessortenamtBundessortenamt) ist dementsprechend als VerwaltungsverfahrenVerfahrenVerwaltungs-DPMAVerfahren ausgestaltet, wobei die Erteilung des gewerblichen Schutzrechtes durch rechtsgestaltenden VerwaltungsaktVerwaltungsaktVerwaltungsaktrechtgestaltenderDPMAVerwaltungsakt erfolgt.2 Durch die behördliche Erteilung werden allerdings privatrechtliche Schutzrechte begründet. Wegen dieses engen sachlichen Zusammenhangs zum Privatrecht ist die Überprüfung der Verwaltungsakte des DPMA (bzw. des Bundessortenamtes) jedoch nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern der ordentlichen Gerichtsbarkeit – dem BundespatentPatentBundespatentgerichtgerichtBundespatentgericht und dem BGHBGH – zugewiesen.3

IV. Straftat- und BußgeldtatbeständeBußgeld-tatbestand

Weitere öffentlich-rechtliche Bezüge ergeben sich daraus, dass sämtliche Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes sowie das Urheberrechtsgesetz Straftat- und z.T. auch Bußgeldtatbestände enthalten.1 Bei der vorsätzlichen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Urheberrechts drohen daher neben den in der Praxis im Vordergrund stehenden zivilrechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig auch straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen. Bei den fraglichen StraftatbesStraftatbestandtänden handelt es sich um nebengesetzliche Normen des materiellen Strafrechts, auf die die Vorschriften des StGB (Allgemeiner Teil) sowie verfahrensrechtlich die der StPO anwendbar sind.

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