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Wie ich die Angst vor dem Anfang überwinde

Weil ich Schriftsteller bin, werde ich öfters gefragt, wie ich mit Schreibkrisen umgehe. Die Leute, die mich das fragen, stecken meistens selber in einer und hoffen, dass ich ihnen einen Tipp geben kann, wie sie mit ihrer Diplom-, Master- oder anderen Uniarbeit fertig werden können.

»Ich stecke einfach fest und kann mich nicht motivieren«, höre ich dann oft. »Hast du nicht irgendwelche Tipps?«

Nun ja, ich habe in meinem Leben bisher mehr als 550 Bücher geschrieben. Deshalb kann ich zu diesem Thema hier und jetzt einige schockierende Enthüllungen aus meinem Schriftstellerleben preisgeben.

Manche Leute denken nämlich, mein Alltag läuft so ab: Ich wache in der Früh auf, springe aus dem Bett, stürze an den Computer und tippe voller Freude bis zum Abend in einer Tour durch. Und pardauz, schon ist wieder ein halbes Buch fertig. Nur so, denken die Leute, kann ein Mensch einen so hohen Output an Büchern in seinem Leben produzieren.

Als ich vor knapp dreißig Jahren mit dem Schreiben begonnen habe, da habe ich manchmal wirklich so gearbeitet. Ich habe nur so vor mich hin getippt, mich für unbesiegbar und den Allerbesten gehalten. Jede Geschichte eine Sensation. Ich hatte überhaupt keine Zweifel.

Jetzt kommt aber das Erstaunliche und Unglaubliche: Je mehr Bücher ich geschrieben habe, desto langsamer bin ich geworden.

Und warum? Weil es in meinem Kopf diese Stimmen gibt, die sagen: »Bist du dir sicher, dass du das kannst? … Also ich bin nicht sicher, ob das eine gute Geschichte ist … Ob deine Leser nicht vielleicht enttäuscht sein werden? … Das könnte wieder harte Kritik für dich geben … Ist das wirklich eine neue Idee? … Ich weiß nicht, ob dieser Stil so passt …«

Diese Stimmen sind mit den Jahren immer mehr und immer lauter geworden. Sie machen mich manchmal wahnsinnig und das Arbeiten richtig beschwerlich.

Wenn ich deshalb heute ein Buch schreibe, dann läuft das, vor allem am Anfang, manchmal so ab:

In der Früh setze ich mich an den Computer, schaue auf den Bildschirm und dann …

… stehe ich erst einmal wieder auf, um mir einen guten, frischen Espresso zu holen. Ich setze mich wieder hin, schaue auf den Bildschirm und dann …

… stehe ich noch einmal auf, um mir noch ein Glas Wasser zu holen. Dann setze ich mich wieder hin, schaue auf den Bildschirm und …

… spiele erst einmal ein bisschen Backgammon.

Ja, ich fange einfach nicht an. Weil da in mir eine Angst ist, ob das wirklich gut ist. Ich, Thomas Brezina, Autor von mehr als 550 Büchern habe doch tatsächlich manchmal Angst anzufangen.

Was tue ich dann? Gebe ich auf, verzweifle ich?

(Ja, ich verzweifle manchmal.)

Aber ich gebe nicht auf!

Stattdessen setze ich mir ein Tagesziel, eines, das wirklich erreichbar ist.

Bei mir sind das am Anfang eines Buches zum Beispiel 2.000 bis 2.500 Wörter, die ich an einem Tag schreiben möchte. Wenn ich in der Geschichte dann schon fortgeschritten bin, steigere ich dieses Ziel auf 3.500, 4.500, ja manchmal sogar 5.000 Wörter, die ich mir an einem Tag zu schreiben vornehme. Diese Zahl versuche ich dann auch wirklich einzuhalten.

Unter meinem Tagesziel, das ich auf einem Notizzettel auf meinem Desktop notiere, steht aber auch die Belohnung, die ich bekomme, wenn ich das Ziel erreicht habe. Das kann alles Mögliche sein: Von einer Folge einer TV-Serie bis zum Essen meiner Lieblingsspeise oder einem kleinen Geschenk, das ich mir dann besorge.

Aber jetzt kommt das Wichtigste: All das dient nur dazu, mich dazu zu bringen, endlich anzufangen. Ich motiviere mich damit, mich wirklich hinzusetzen und mit dem Schreiben zu beginnen. Ist es nicht gut, dann überlege ich mir einfach, was ich besser machen kann, und lösche den misslungenen Teil, ohne lange zu zögern.

Wenn ich dann einmal im Schreiben bin, liegt das Schwerste schon hinter mir. Dann kommt meiner Erfahrung nach irgendwann der Punkt, wo ich in den sogenannten Flow kippe. Auf einmal laufen die Ideen im Hinterkopf von ganz alleine. Dann schreibe und schreibe und schreibe ich.

Zusätzlich gönne ich mir pro Arbeitstag eine Minute, in der ich mir genau vorstelle, wie das fertige Buch am Ende aussehen wird.

Wie wird es aussehen, wie wird es sich gedruckt und gebunden anfühlen, wie wird es riechen? Ich stelle mir den Moment vor, in dem das Buch aus der Druckerei kommt und ich es das erste Mal in meinen Händen halte. Ich stelle mir auch vor, wie Menschen, die das Buch gelesen haben, mir davon erzählen, wie es ihnen gefallen und sie unterhalten hat.

Das tut richtig gut.

Wenn ich mein Tagespensum dann erreicht habe, egal wie groß oder klein es gewesen ist, dann lobe ich mich, und zwar nicht zu knapp. »Hey, das hast du heute richtig gut gemacht. Morgen läuft es sicher wieder genauso.«

Und wenn der Tag aber die totale Pleite war? Dann hole ich tief Luft und sage zu mir selbst: »Okay, auch solche Tage gibt es. Jetzt ist es Zeit hinauszugehen, das Hirn auszuschütteln und auf andere Gedanken zu kommen. Morgen ist ein neuer Tag, an dem es bestimmt besser laufen wird.«

Wichtig:

Meine Erfahrung mit echten Schreibblockaden lautet, dass sie mit Müdigkeit zu tun haben. Der Körper und das Hirn schalten ab, weil es einfach nicht mehr geht. Entspannen, ausruhen, sich etwas Gutes tun und dann wieder versuchen.

Tipps, um die Angst vor dem Anfangen zu überwinden:

Papier und einen Stift zur Hand nehmen, den ihr sehr gerne habt, und dann einfach drauflos schreiben. Ideen notieren. Mindmaps zeichnen. Manches in bunten Farben unterstreichen oder umkreisen. Dieses lockere Schreiben und Notieren löst bei mir so manche Blockade und lässt die Ideen wieder fließen. Außerdem kann die berühmte Angst vor dem weißen Blatt dadurch zum Verschwinden gebracht werden.

Wenn ihr ein Buch oder eine lange Arbeit schreibt, könnt ihr portionieren. Wenn die Textmenge, die ihr schaffen müsst, euch zu groß erscheint, hilft es oft, sie besser zu strukturieren: Überlegt euch, wie viele Kapitel zu welcher Länge ihr benötigt und gebt den Kapiteln Namen sowie eine ganz kurze Inhaltsangabe. Fangt erst mit dem Schreiben an, wenn ihr diese Struktur fertig habt.

Kleine Einheiten sind leichter zu schaffen als große. Bei einem Tagesziel geht es in erster Linie um Regelmäßigkeit. Wenn ihr pro Tag nur 500 Wörter schafft, das aber tagtäglich durchzieht, kommt ihr ebenso ans Ziel. Wichtig ist das tägliche Erfolgserlebnis, wieder ein Stück eurer Arbeit geschafft zu haben.

Die Vorstellung wie sich das fertige Projekt anfühlen wird, wie groß die Freude und die Befriedigung sein werden, sowie das Aufteilen der Arbeit in Etappen und Tagesziele, helfen mir persönlich immer, um in Schreibschwung zu kommen. Euch vielleicht auch?



Tu es einfach und glaub daran

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