Читать книгу Das kleine Narrcoticum - Thomas C. Breuer - Страница 7

Оглавление

Aldingen

Aldingen, ein bedeutender IC-Durchfahrtsort, ist die vielleicht einzige Gemeinde in Deutschland, ja, weltweit, die den Namen eines Lebensmitteldiscounters im Namen trägt, noch dazu im vorderen Teil. Von einem Lidlingen ist nichts bekannt. Gut, im niederländischen Ingen betreibt Lidl gleich drei Filialen, aber das ist etwas anderes. In den USA finden wir zwar in Illinois die Stadt Normal, aber die Kette ist dort gar nicht präsent. Dafür wiederum Aldi, z. B. in Vandalia, Illinois. Ebenso wenig wurde Aldingen nach dem Musiker Al di Meola getauft, der immerhin schon einmal beim Jazzfest in Rottweil aufgetreten ist, also ganz in der Nähe.

Aldingen liegt am Fuß der Schwäbischen Alb, wo genau, ob Ferse, Spann, Außenrist oder zwischen irgendwelchen Zehen, wird leider nicht präzisiert. Im Jahre des Herrn 802 erfährt die Gemeinde ihre erste urkundliche Erwähnung. Der wahre Ortskern befindet sich übrigens unter dem Fußboden der St. Maurhizinuskirche. Dem Vernehmen nach soll es vorher schon eine frühalemannische Siedlung gegeben haben, die bereits um 400 nach Christus in Betrieb war, wenn man den alten Ringzugfahrkarten Glauben schenken darf, die 1998 bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt wurden. Und schon um 700 errichtete ein „Eigenkirchenherr“ eine Holzkirche.

Aldingen wurde 1444 von Württemberg gekauft, es muss also zu jener Zeit günstig zu erwerben gewesen sein. 1534 wurde die Gemeinde protestantisch, bis 1806 wurden überhaupt keine Katholiken geduldet – und trotzdem gibt es eine Fasnet.

Schmiede, Schlosser und vor aldingen Tonfedermacher schufen mit ihrer Kreativität die feinmechanische Industrie am Ort, nicht schlecht für eine Ansiedlung, durch die knapp 220 Millionen Jahre zuvor noch Krokodilsaurier marodierten.

Ein paar Jahre später, nämlich 1994, gründeten sich die „Narrenfreunde Aldingen“. Als erste Amtshandlung verkrachten sie sich gründlich, hier waren anscheinend nicht nur Feinmechaniker unterwegs, sondern auch Grobmotoriker. Man spricht noch heute von der „Aldinger Kernspaltung“.

Schon ein halbes Jahr nach der Gründung gab es also zwei Vereine, die Narrenfreunde einerseits mit der „Schlössle-Bühl-Hex“, und andererseits die Narrenzunft mit dem „Lindenmännle“.

Noch 1995 war die Hexe die einzige Figur, dann wurde ein Prototyp des „Aldinger Narro“ entwickelt, der kurz darauf in Serie ging. 1998 traten aber 32 „Lindenmännle“ aus der Narrenzunft aus, um sich – ablösefrei! – den Narrenfreunden anzuschließen. Fachleute sprechen hier wiederum von der „Aldinger Kernfusion“.

Stand 2019 sind auf den Straßen der Stadt beim Umzug, der traditionsgemäß am letzten Sonntag im Januar stattfindet, manchmal aber auch später bzw. früher, 133 Hexen, 76 Narros, 40 „Lindenmännle“ und der „Graf von Dellingen“ als Einzelfigur in den Ortsfarben gelb-grün unterwegs. Dellingen war eine Vogtei, die anlässlich des Bauernaufstandes von den aufsässigen Bauern mit Hammer und Sichel geschleift wurde. Vielleicht gibt die Kombination gelb-grün Aufschluss über die Aldinger Narren: Man ist sich nicht immer grün, und gelb ist bekanntlich die Farbe des Neides. Gelb und Grün passen ohnehin nicht zusammen, vor allem politisch nicht.

Das kleine Narrcoticum

Подняться наверх